♯Cнαpтer O3 ~ Tнe Deαdly Decιѕιoɴ.
Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!
So, nach einer etwas längeren Wartezeit - es tut mir ehrlich leid, aber ich hatte echt viel um die Ohren - habe ich hier wieder ein neues Kapitel für Euch.
Wie immer hoffe natürlich, dass es Euch ebenso gefällt wie die vorigen.
Wie versprochen wird dieses Kapitel etwas spannender sein, als das davor - aber erwartet bitte nicht übermäßig Action! Nein, in diesem Kapitel wird man etwas über die Gründe erfahren, durch welche Cato und Clove schließlich in die Hungerspiele geraten. Aber ich will nicht zu viel verraten: Leѕт ѕelвѕт!
Als letztes möchte ich mich bei Euch noch für die vielen lieben Reviews zum letzten Kapitel bei Lini26, CloveundCato, Nakita_Herondale und nicht zuletzt BlackGirlNumber1 bedanken. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut! Jetzt will ich Euch jedoch nicht weiter aufhalten, sondern wünsche Euch ganz herzlich: Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ υɴd ɴocн eιɴ ѕcнöɴeѕ Wocнeɴeɴde!
Eυre Zoey <3
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♯Cнαpтer O3 ~ Tнe Deαdly Decιѕιoɴ.
I Would Do Anything Just To Keep You Safe. All I Can Give. Even My Life.
Unvorsichtig lief ich durch den dunklen und verlassenen Wald. Riesige alte Bäume, die in den Nachthimmel hinein zu ragen schienen und sich mit der einsetzenden Finsternis vereinigten, tauchten vor meinem Blickfeld auf. Die wenigen Sterne, die ich vorhin noch von der Fensterbank meines Zimmers aus gesehen hatte, verschwanden aufgrund der dichten Baumwipfel, die sich unheilvoll im böigen Wind hin und her bewegten. Es war stockfinster.
Kein Mondlicht fiel durch die üppigen Baumkronen und auch keine Vögel schienen die klaffenden Höhlen in den knorrigen Ästen zu bewohnen. Ich fröstelte, als ich spürte, wie die kalte Nachtluft an meine Haut drang. Unaufhaltsam bahnte sie sich einen Weg durch meine dünnen Kleider und schon nach wenigen Augenblicken zitterte ich vor Kälte. Es war totenstill.
Kein einziges Tier fand seinen Weg durch das dichte Gestrüpp; das Fluchen, was man vereinzelt hörte, stammte von mir, wenn ich mal wieder in eine Klette getreten war, oder mich im Gebüsch verheddert hatte. Der ausgetretene Weg, den ich benutzte, um zum Strand zu kommen, zweigte nach einigen Metern auf einen dünneren, in dem dichten Gestrüpp fast nicht zu erkennenden Trampelpfad ab, der, wie ich wusste, nicht selten auch von Kot und spitzen Stöckern belagert wurde, weswegen man also genau hinschauen musste, wo man hintrat. Während ich mir nun einen Weg durch das dichte Blattwerk kämpfte, schaute ich nicht einmal über meine Schulter zurück.
Denn ich wusste, wenn man seine Augen auch nur einmal von dem Pfad, der sich vor einem erstreckte, abwandte, würde man ihn so schnell wohl nicht mehr wiederfinden. Also richtete ich meinen Blick stur nach vorn und ärgerte mich bloß darüber, dass ich mein Taschenmesser zu Hause vergessen hatte.
Damit hätte ich mir nämlich ganz einfach einen Weg durch die vielen Äste und Dornenbüsche bahnen können. Verdammt. Aber leider war das jetzt wohl nicht mehr zu ändern. Ich hatte keine besonders große Angst vor Wölfen oder anderen wilden Tieren, die des Nachts gerne ihr Unwesen trieben, denn ich hatte gelernt, dass sie meist sehr viel mehr Angst vor uns Menschen hatten, als wir vor ihnen. Okay, bis auf die gezüchteten Mutationen aus dem Kapitol vielleicht, die sich Berichten zufolge auf alles stürzten, was ihnen in die Quere kam. Doch diese würden die gebirgigen Wälder von Distrikt zwei ja wohl nicht gerade ihr Zuhause nennen ... hoffte ich wenigstens.
Darüber hinaus, hoffte ich außerdem, dass der Weg, der sich vor mir erstreckte, bald ein rasches Ende finden würde, da ich im Dunkeln nämlich kaum mehr erkennen konnte, wohin ich überhaupt lief, und die vielen Sträucher voller Dornen mir allmählich meine Beine zerkratzten. Das hatte mir ja irgendwie gerade noch gefehlt. Wenn ich also endlich am Strand ankam, würde ich Cato mit blutigen Striemen an Armen und Beinen gegenübertreten.
Das war dann auch sicher der Albtraum eines jeden Freundes. Zusehen zu müssen, wie seiner Freundin das Blut vom Körper tropft, ist schließlich nicht gerade romantisch ... es sei denn, Halloween steht vor der Tür.
Während ich in Gedanken an das letzte Halloweenfest, was ich zusammen mit einigen Schulfreunden und natürlich Cato verbracht hatte - ich war als Hexe verkleidet; er als irgendein blutiger Rächer - und mich somit von dem dornigen Gestrüpp ablenkte, überlegte ich krampfhaft, was ich Cato wegen der Ernte morgen sagen sollte. Oder besser, wie ich es ihm sagen sollte.
Es war sicher nicht das Beste, einfach so damit herauszuplatzen und zu sagen: »Ach, hallo Cato, heute wäre dann wohl das letzte Mal, wo wir uns sehen, da ich mich morgen für die Hungerspiele melden werde, aber warte ruhig hier Zuhause auf mich, vielleicht komme ich ja zurück.« Nein, das wäre ganz und gar nicht angebracht. Aber wie sollte ich es ihm bloß beibringen, dass er mich eventuell ... ja, nie wieder sehen würde? Wie zum Teufel, wie?
Da ich so tief in meine Gedanken versunken war, bemerkte ich gar nicht richtig, wie sich der Weg vor meinen Augen langsam lichtete und der Boden etwas sandiger und weniger holprig und beschwerlich wurde.
Erst als ich vor mir tatsächlich den schwachen Schein eines flackernden Feuers erblickte, und das Rauschen der kleinen Wellen des Sees, welche durch den starken Wind hervorgebracht wurden, hörte, blickte ich auf.
Gerade noch rechtzeitig, denn beinahe hätte ich mir den Arm an einem gefährlich aussehenden Dorn eines Rosenstrauchs aufgeschürft, als ich durch das Unterholz brach. Das Erste was ich sofort sah, war Cato, der mich offenbar schon erwartet hatte, wie es schien. Er stand lässig an einen alten Baum gelehnt da, und wirkte, als ob absolut gar nichts seine Welt erschüttern könnte.
Wenn er wüsste ...
Naja. Warum er allerdings so schnell am Strand war, war mir vollkommen schleierhaft - der Weg war ja nicht gerade kurz, wie gesagt.
Nun ja, trotz des drohenden Unheils meinerseits freute er sich offenbar wirklich, mich zu sehen, denn als er mich aus dem dichten Wald hervorkommen sah, wurde die besorgte und ernste Miene, die er aufgesetzt hatte, gleich viel freundlicher und liebevoller. Ich warf mich erleichtert in seine Arme, kaum dass ich ihn erreicht hatte - was etwas dauerte; verflucht seien meine kurzen Beine - und er hielt mich fest und murmelte beruhigende Worte, wie vor einigen Monaten auf der kleinen Wiese, als er mich vor dem sicheren Tode bewahrt hatte, den ich mir beinahe selbst zugefügt hätte. Ich versuchte noch, die Tränen zurückzuhalten, doch es klappte mal wieder nicht, und so heulte ich schließlich Catos blaues Flanellhemd total voll. Hoffentlich lief mir dabei nicht die Rotze aus der Nase, denn das ... wäre echt oberpeinlich gewesen, ehrlich.
»Clove ... was ist denn los?«, fragte Cato nach einer Weile, nachdem ich mich zu ihm auf eine große flauschige Decke gesetzt und mich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Ich seufzte leise. Verdammt, wie sollte ich ihm das bloß alles erklären? Da Cato noch immer geduldig - seit wann war er denn bitte geduldig? Ich kannte Cato schon lange, aber geduldig wäre nun nicht das erste Wort, was in seine Charakterisierung fallen würde ... - auf meine Antwort wartete, schwieg ich für einen Moment und legte mir sorgfältig zurecht, was ich wohl sagen könnte. Am einfachsten wäre es natürlich gewesen, einfach ganz die Klappe zu halten, aber ich war niemand, der den Schwanz einzog und feige abwartete. Nein, ich würde Cato die Wahrheit sagen ...
Mann, das war ja noch viel schlimmer, als mit seinem Freund Schluss zu machen! Obwohl ich da sicher ein genauso schlechtes Gewissen hätte ...
»Clove? Alles ... alles okay? Bitte, erzähl mir, was dich so fertigmacht. Es ist aber nicht ... du willst aber nicht ... mit ... mit mir Schluss machen, oder?«, ertönte Catos leise Stimme plötzlich neben mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Wieder einmal war ich vollkommen in meine wirren Gedanken vertieft gewesen ... und hatte dabei beinahe alles andere ausgeblendet. Verdammt ... Ich musste irgendetwas sagen, sonst saßen wir morgen noch hier ... Da erst besann ich mich auf Catos Worte und sah erschrocken hoch.
»Was!? Nein, nein, ich ...«
Ich stockte, als ich sah, wie sich Catos besorgte Miene langsam, aber sicher veränderte. Sein Gesicht spannte sich merklich an und seine Kiefermuskeln knirschten hörbar. Kein Lächeln lag mehr auf seinen Lippen und es schien, als bereitete er sich tatsächlich auf eine Zurückweisung meinerseits vor. Überrascht war er dann allerdings doch, als ich, statt ihm eine Abfuhr zu erteilen, seine Hand ergriff und sie fest drückte.
»Natürlich ... mache ich nicht Schluss«, fand ich meine Stimme wieder. »Wie kommst du denn auch bloß darauf? Hast du mir denn einen Grund gegeben, Schluss zu machen?«, neckte ich ihn dann und er schüttelte grinsend den Kopf.
»Nein, eigentlich nicht. Aber bei dir weiß man nie - du bist oft ziemlich unberechenbar. Ich weiß nie, was als Nächstes in deinem hübschen Köpfchen vorgeht«, meinte Cato leise und strich mir sanft eine verirrte braune Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich lächelte. Wärme strömte in meine Glieder - ob von dem Lagerfeuer vor mir oder von Catos Fürsorge und dem Gefühl der Geborgenheit - und vertrieb die schmerzende Kälte.
Doch eine Antwort war ich ihm trotz allem noch schuldig, dafür, dass er sich die Mühe gemacht hatte, den weiten Weg auf sich zu nehmen ... und ich ihn zu allem Überfluss auch noch vollgeheult hatte ... Immerhin hatte meine Nase nicht beschlossen, plötzlich einen Fluss auszusenden - wenn ihr versteht, was ich meine. Also sagte ich einfach das Erste, woran ich denken konnte.
»Mein Dad«, brachte ich zitternd hervor, und rutschte näher ans Feuer, weil mir plötzlich wieder kalt war. Cato legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter und gab mir ein großes Stofftaschentuch, worüber ich hysterisch lachen musste. »Seit wann hast du denn solche Omataschentücher dabei?«, fragte ich ihn, immer noch kichernd. Cato lächelte.
»Seit heute Abend. Hab‘s meinem Großvater geklaut, als er letzte Woche bei uns zum Essen war. Als du heute Abend am Telefon gesagt hast, du hättest Angst, da hab ich mir schon gedacht, dass es etwas ... dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Du hast sonst niemals Angst, Clove.«
Ich blickte auf und mein Blick begegnete seinen strahlend blauen Augen. »Jeder Mensch hat Angst«, sagte ich leise. »Die Frage ist nur, ob man diese anderen Menschen zeigt oder nicht. Ich persönlich ... tue es nicht. Und wenn doch, dann nur den Leuten, denen ich auch wirklich vertraue. Und da gibt es nicht viele, wie du ja weißt. Nur dich. Außer dich habe ich niemanden auf dieser Welt.« Teilnahmslos starrte ich ins Feuer.
Rote Funken stoben in alle Richtungen und nicht wenige flogen in den Sand nur einige Meter von meinen Zehen entfernt. Doch mir war es egal, wenn sie mich verbrannten. Dann blieb mir vielleicht sogar die Ernte morgen erspart.
Zwar war das, was ich soeben gesagt hatte, die bittere Wahrheit gewesen, doch diesmal brach ich nicht in Tränen aus. Nein, ich war plötzlich wütend. Warum machte das Schicksal mein Leben auch zu so einer verdammten Hölle? Das einzige, was mir etwas bedeutete - nämlich Cato - würde ich nun auch noch verlieren. Warum war alles nur so kompliziert?
War das meine Schuld? Doch warum? Was hatte ich der Welt denn angetan? Du bist geboren worden, stichelte eine kleine Stimme in mir.
Das hast du getan .... Du wurdest mitten in eine Welt aus Schmerz, Blut und Tod hineingeboren. Es wäre besser, wenn du niemals das Licht der Welt erblickt hättest ... dann wären wir jetzt wohl alle viel besser dran.
Cato hatte es da um einiges besser als ich. Er hatte eine niedliche kleine Schwester und eine liebevolle Mutter, die sich um ihn sorgte.
Okay, sein Vater war wegen seines Jobs fast nie Zuhause, doch ihr Verhältnis war trotzdem tausendmal besser als zwischen meinem Vater und mir - der wie bemerkt, ja die ganze Zeit zu Hause verbrachte. Cato hatte eine Familie.
Leute, denen er am Herzen lag.
Denen er etwas bedeutete.
Leute, die sich um ihn kümmerten.
Und ich?
Um mich kümmerte sich keiner.
Ich bedeute keinem etwas.
Ich lag niemandem am Herzen.
Tja, außer Cato ... und dessen Familie. Was für eine verrückte und verdrehte Welt. Und obwohl Catos Mutter Charity Chandler eine wundervolle Frau war, die sich genauso sehr um mich sorgte, wie um ihre eigenen Kinder - oft waren es nur ihre Körbe voller Lebensmittel, die mich vor dem Hungern bewahrten, denn mein Vater aß oft alles ganz allein auf, wenn unser Essen wieder mal knapp wurde - so war es doch nicht dasselbe. Ich wollte eine richtige Familie.
Ich wollte einen verständnisvollen Vater, der mich so akzeptieren und lieben konnte, wie ich nun mal war. Ich wollte meine kleine Schwester zurück, der ich jeden Abend vor dem Einschlafen die Haare gebürstet hatte.
Ich wollte meine Mutter zurück, die mir jeden Tag zum Frühstück Pancakes mit Marmelade gemacht hatte. Die mir zum Abend immer Gutenachtgeschichten vorgelesen hatte - meist veraltete Märchen, wie Schneewitchen und Aschenputtel, wie man sie seinen Kindern früher erzählt hatte.
Nach dem Tod meiner Mutter jedoch hatte mein Vater all diese gesammelten Werke verbrannt. Er hatte alles zerstört, was jemals ihr gehört hatte.
Die vielen Bücher, den kostbaren Schmuck, und auch die dicken Pergamentblätter mit Rosenduft, an denen sie stets so gehangen hatte.
Mein Leben war nun durchweg beschissen. Von vorne bis hinten.
Der einzige Lichtblick war Cato. Doch ihn würde ich nun auch verlieren, durch meinen rücksichtslosen Vater und die morgige Ernte.
Verdammt, warum musste nur im Moment alles so beschissen für mich laufen? Cato setzte nun wieder an, zu sprechen. Genug Zeit um Nachzudenken wie er argumentieren sollte, hatte ich ihm ja gelassen.
»Clove, das ist doch gar nicht wahr. Du hast auch noch Lorraine und Jacinda aus der Schule ...« Ich schnaubte, angesichts dieses schwachen Arguments.
»Nein, hab ich nicht. Ich hab niemanden!«, unterbrach ich ihn traurig. »Sie interessieren sich doch auch nur dann für mich, wenn ich ihnen in den Kram passe. Wenn sie jemanden brauchen, der ihre Hausaufgaben macht, zum Beispiel. Oder wenn für sie was dabei rausspringt, Zeit mit mir zu verbringen. Aber sonst ...« Ich seufzte. »Und das Schlimmste ist: Ich werde dich auch noch verlieren. Ich werde alles verlieren, was mein Leben einigermaßen erträglich macht.« Cato sah mich verwirrt an. »Wieso solltest du mich verlieren? Selbst wenn du, ich weiß nicht ... einen riesengroßen Wutanfall bekommen würdest, würde ich dich nicht aufgeben. Ich ... ich liebe dich Clove.«
Ich blickte auf. Das war natürlich nicht das erste Mal, das er diese Worte zu mir sagte, doch sie bedeuteten für mich nicht weniger, auch wenn er sie noch tausendmal wiederholen würde. »Ich liebe dich doch auch. Aber mein Dad ist gerade dabei, alles zu zerstören. Wie immer, eigentlich.«
Cato sah mich abwartend an. Ich holte tief Luft, dann sah ich ihm geradewegs ins Gesicht. »Ich werde mich morgen freiwillig für die 74. Hungerspiele melden.« Ich wartete auf den großen Knall, doch seltsamerweise kam nichts. Cato sah mich bloß weiterhin nachdenklich an. Er schien weder wütend, noch versuchte er, mich sofort von meinem Entschluss abzubringen.
Nein, er sagte rein gar nichts.
Das war ja fast noch schlimmer als das, was ich erwartet hatte ...
»Gott, bitte sag doch irgendetwas. Bitte, rede mit mir, damit ich weiß, was ich jetzt machen soll.« Cato schien überrascht zu sein. »Was soll ich denn sagen? Erwartest du, dass ich wütend auf dich bin? Doch wieso sollte ich? Ich bin nicht wütend, sondern eher ... verwundert ... Wenn ich ehrlich sein soll, weiß ich nicht recht, was ich sagen soll. Ich meine - versteh mich jetzt bloß nicht falsch, okay? - Du kannst es selbstverständlich schaffen, diese Spiele zu gewinnen. Du bist clever und ziemlich geschickt; du weißt, wann es besser ist, wegzulaufen, statt zu kämpfen - wobei du mir um einiges voraus bist - und du bist wirklich eine fantastische Messerwerferin. Doch ich weiß nicht ... es würde nicht einfach werden, denke ich. Und, Clove, wenn du einmal in den Spielen bist, dann gibt es kein Zurück mehr. Du ... Clove, du könntest darin sterben, ist dir das bewusst? Ist das deinem Vater bewusst? Ach, was rede ich da, er kriegt wahrscheinlich sowieso nichts mit, so dicht wie der immer ist. Aber ... selbst wenn du gewinnen würdest, werden die Erfahrungen, die du in den Spielen gemacht hast, dich verfolgen. Es würde ... Es würde dich für immer verändern.«
Ich nickte unbehaglich. »Das weiß ich. Doch es gibt selbst jetzt schon kein Zurück mehr. Vater hat nicht umsonst das ganze Geld für die Akademie bezahlt. Er wird es nicht dulden, wenn ich weiterhin Zuhause sitze, und nichts tue. Ich meine - er rastet ja schon aus, wenn ich fünf Minuten später als geplant, Heim komme. Was wird er tun, wenn ich mich ihm in einer so wichtigen Sache verweigere? Ich habe Angst, dass er ... mich ...«
Cato sah auf. »Das er dich ... was?« Ich schluckte. »Dass er mich dann tötet.«
Jetzt hatte ich es laut ausgesprochen. Mein allergrößte Angst war weder, Cato zu verlieren, oder an den Hungerspielen teilnehmen zu müssen.
Nein, das, vor dem ich mich am meisten fürchtete, war mein eigener Vater und seine unkontrollierte Wut. Cato legte schützend einen Arm um mich.
»Du musst das nicht tun, Clove. Er besitzt dich doch nicht. Du ... du hast eine Wahl. Du hast ein eigenes Leben und du kannst selbst entscheiden, was du tun willst. Dein Vater darf dich zu nichts zwingen. Du ... Er darf dich nicht schlagen. Das ist unverzeihlich, doch ich weiß, er wird es tun, wenn du ihm erzählst, dass du morgen nicht auf die Bühne laufen wirst. Aber er ist trotz allem auch ...
Er ist schwach, Clove. Wenn es ernst werden würde ...
Tja, dann denke ich, dass du dich gut zu wehren wissen würdest. Dass du am Ende als Gewinnerin dieses Kampfs hervorgehen würdest.«
Er rutschte unbehaglich auf der Decke herum und mied meinen Blick. Ich schwieg. »Du ... du willst damit sagen, ich soll ... mit ihm ... kämpfen?«
Cato zuckte mit den Achseln. »Nicht mutwillig, natürlich nicht. Aber wenn er denkt, er kann dich schlagen, und dich somit zwingen, dich freiwillig für diese Spiele zu melden, dann hat er sich geschnitten.«
Ich sah ihn an und unsere Blicke trafen sich. In meinem war sicherlich Unsicherheit gemischt mit Entsetzen vorhanden; in Catos jedoch konnte ich nur kalte Wut sehen. Ich wandte den Blick ab und überlegte. Cato hatte recht, wenn mein Dad versuchen sollte, mich mithilfe von Schlägen und Schmerzen zu zwingen ... das würde ich nicht über mich ergehen lassen. Nicht schon wieder. Längst war ich an dem Punkt angelangt, wo ich einem richtigen Kampf nicht mehr aus dem Weg gehen konnte ... und das wusste ich auch. Mein Vater war in der Tat schwach ... und ich war stark. Vielleicht nicht so stark wie Cato, aber stark genug, um gegen meinen vierundvierzigjährigen Vater, der stets nur besoffen in unserem Haus umherwandelte, anzukommen. Die Akademie hatte mich gelehrt, mich zu verteidigen ... Ich konnte nicht mehr einfach nur stumm daliegen, während mein Vater mich schlug. Nein, ich würde kämpfen.
Cato hatte recht. Ich hatte ein eigenes Leben. Wenn ich das versaute, war das zwar meine Schuld, doch ich sollte mir nichts von anderen vorschreiben lassen. Nicht einmal von meinem Vater. Der einzigen Familie die ich noch hatte ... Nein. Wenn ich die Wahl hätte, mit meinem Vater, oder allein mein restliches Laben zu verbringen, dann würde ich ohne zu zögern, Letzteres wählen. Denn alles war besser, als ein Leben in Angst und geprägt von Schmerz.
»Clove?«, fragte Cato leise, weil ich gar nichts mehr gesagt hatte.
Ich blickte auf. Cato sah mich unsicher an und öffnete den Mund, augenscheinlich, um sich zu entschuldigen.
»Clove, hör zu, ich habe nicht gemeint, dass du ... Es tut mir leid, was ich gesagt hab, ich war einfach wütend ...«
»Nein«, unterbrach ich ihn entschlossen. Cato sah mich verwirrt an. »Was?«
Ich lächelte, doch es war kein glückliches Lächeln.
Nein, es war überschattet von Wut und Schmerz. »Ich sagte: Nein. Hör auf, dich zu entschuldigen. Du hast recht. Ich habe mein eigenes Leben, und bin frei zu entscheiden, was ich will. Und ich weiß, was ich ganz sicher nicht will:
Mein ganzes Leben über von Angst bestimmt zu werden.«
Cato nickte langsam. Erleichterung schlich sich in seinen Blick. »So sehe ich das auch. Ich bin froh, dass du auf mich gehört hast, Clove. Das solltest du öfter tun.« Ich schenkte ihm einen augenverdrehenden Blick, was ihn grinsen ließ. Doch er war noch nicht fertig. »Und keine Sorge - mir wird schon noch etwas Besseres einfallen, damit du dich von deinem Vater öffentlich lossagen kannst. Du brauchst dafür nur ... ein bisschen Geld.« Ich lachte verzweifelt.
Das hatten wir schon oft ausdiskutiert. Tatsächlich konnte man sich von seiner Familie öffentlich lossagen, wenn man eine stattliche Summe Geld aufbringen konnte. Man wurde dann als eigenständiges Mitglied der Gesellschaft etabliert und durfte nie wieder von seinen Blutsverwandten ohne Erlaubnis belästigt werden. Verließ man jedoch einfach seine Familie, so konnte diese Anzeige erstatten, und man wurde als Verbrecherin geahndet - und Ausreißer wurden nicht nur von den Friedenswächtern ziemlich hart bestraft, sondern auch von den anderen Bürgern des Distrikts. Solche »Aussätzigen«, wie wir sie nannten, würden ihr ganzes Leben lang verspottet und verhöhnt werden, wobei unsere Bürger nicht selten auch zu körperlichen Übergriffen neigten.
Nein, das wollte ich dann ganz sicher auch wieder nicht.
»Bloß ein bisschen Geld? Cato, das ist mehr, als ich jemals besitzen werde. Das kann ich niemals aufbringen. Und selbst du kannst es dir nicht leisten. Man müsste sich ja auch ein ganzes Leben neu erkaufen. Ich bräuchte ein neues Haus, genügend Nahrung, um den ersten Winter zu überleben, und schließlich noch viel mehr Geld, um mich überhaupt über Wasser halten zu können. Um überhaupt eine Chance zu haben. Das kann ich niemals schaffen. Und da ich mich morgen auch nicht freiwillig melden werde, habe ich demnach auch keine Chance, jemals von meinem Vater loszukommen.«
Ich seufzte unglücklich und strich unbewusst mit den Fingern durch den warmen Sand. Feine Sandkörner blieben an meiner Hand kleben. Nach einer Weile jedoch blickte ich wieder auf, da Cato noch immer nichts zu meinen Worten gesagt hatte. Er sah in die Ferne und sein Blick war sehr nachdenklich.
Als er schließlich sprach, klang er so entschlossen wie noch nie.
»Ich werde dir das Geld schon beschaffen, Clove. Ich werde dir helfen, vom deinem Vater wegzukommen. Das schwöre ich dir«, sagte er schließlich.
Als er mir kurz darauf das Gesicht zuwandte, sah ich nichts als pure Ernsthaftigkeit ... gemischt mit etwas Melancholischem darin. Ich lächelte wehmütig. Zwar glaubte ich nicht, das es irgendetwas gab, was er tun konnte, um mir in dieser Sache zu helfen, aber allein das Angebot zählte für mich schon mehr, als ihm überhaupt bewusst war. »Danke. Ich danke dir so sehr. Für ... für alles«, murmelte ich leise und umarmte ihn. Cato erwiderte die Umarmung vorsichtig, als würde ich zerbrechen, wenn er mich zu fest drückte.
Dann sah er mir ins Gesicht, zeichnete nachdenklich meine Wangenknochen nach, blickte aber mit einer ... Distanziertheit auf mich herab, die ich von ihm nicht gewohnt war. »Gerne. Du weißt, ich würde viel für dich riskieren ... Alles, was ich tun kann.« Ich nickte und wollte sein Gesicht berühren, doch er lächelte bloß traurig und wandte sich ab. Meine Hand fiel zu Boden.
Cato seufzte leise und sah mich nicht mehr an.
»Ich ... denke, du solltest jetzt gehen. Es ist schon ziemlich spät, und du willst ja sicher nicht, dass dein Vater entdeckt, dass du weggelaufen bist.«
Ich nickte schwermütig ... und fragte mich ernsthaft, was er auf einmal für ein Problem hatte. Hatte ich etwas falsch gemacht? Und wenn ja, was?
Wieder plagten mich meine alten Freundinnen Ungewissheit und Unsicherheit. Sacht löste sich Cato von mir und starrte dann wie hypnotisiert auf die kleinen Wellen des Sees. Ich schluckte. »Ja, das sollte ich wohl. Bis ... Bis morgen dann, Cato.« Dieser nickte nur kurz in meine Richtung, woraufhin mir ein Seufzen entfuhr, in dem mehr Verletzlichkeit mitschwang, als mir bewusst gewesen war. Cato bemerkte dies und sah auf. Irgendetwas musste er wohl in meinen Augen gesehen haben, denn er rappelte sich seufzend aus dem warmen Sand auf und kam langsam ein paar Schritte auf mich zu.
»Hey«, sagte er leise und hob mein Kinn an. »Es tut mir leid. Mir ... mir geht nur gerade ziemlich viel durch den Kopf. Es hat aber nichts mit dir zu tun, okay?«, meinte er beschwichtigend und küsste mich kurz auf meine dichten Haare.
Ich nickte langsam.
»Okay. Ich ... Bis morgen. Wir ... wir werden das schon schaffen. Irgendwie.« Cato nickte, drückte noch einmal kurz meine Hand und ließ sich dann erneut in den Sand fallen um dem Treiben der Wellen zuzuschauen. Ich dagegen wandte mich unschlüssig ab, und machte mich auf den Weg nach Hause.
Bevor ich jedoch in den dunklen Wald eintauchte, warf ich Cato noch einen letzten Blick zu. Er wirkte besorgt, nachdenklich, entschlossen ... und gleichzeitig auch ziemlich gefährlich. Sein Kiefer war wieder angespannt, und er sah aus, als fasse er gerade einen schwerwiegenden Entschluss.
Und wenn ich damals, an diesem Abend am Strand, gewusst hätte, was er da soeben plante, dann würde ich alles dransetzen, um es zu verhindern. Denn er sollte nicht für mich sterben. Doch damals, in dieser einen Minute ... da war es schon zu spät gewesen.
Zu spät für uns beide. Denn wenn Cato Chandler einmal einen Entschluss gefasst hatte, dann würde er sich auch durch Nichts und Niemanden davon abbringen lassen. Und sei es auch die Liebe seines kurzen Lebens, was schon bald ein tragisches Ende finden sollte.
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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Ich weiß nicht genau, was das Lied mit diesem Kapitel zu tun hat, aber es hat mich beim Schreiben total inspiriert :D
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Die Widmung geht dieses Mal an Nαĸιтα_Heroɴdαle für die lieben Kommentare zum letzten Kapitel. Danke außerdem dafür, dass Du mir meine Unsicherheit genommen hast :D Und natürlich auch für Deine Unterstützung. Obwohl wir uns erst seit Kurzem kennen, mag ich Dich voll gerne und hoffe, dass wir noch lange in Kontakt bleiben <3
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯3: Das Bild stellt Cᴀᴛᴏ Dᴀɴɪᴇʟ Cʜᴀɴᴅʟᴇʀ dar, der von Aʟᴇxᴀɴᴅᴇʀ Lᴜᴅᴡɪɢ gespielt wird.
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