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♯Cнαpтer 37 ~ Iт'ѕ Sυcн A Crυel World, Iѕɴ'т Iт?

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

Zuerst einmal wünsche ich Euch allen einen schönen dritten Advent.

Ja, anders als erwartet, kommt vor Weihnachten doch noch ein Update - vor allem deswegen, weil ich das Kapitel, das ich eigentlich zu Weihnachten veröffentlichen wollte, teilen musste, sonst wäre es (wie so oft) viel zu lang geworden.

Dieses Kapitel ist wieder einmal aus Glimmer's Sicht - ebenso wie das, was dann pünktlich am vierundzwanzigsten folgen wird - und dreht sich um das Marvel - Glimmer - Thor Problem. Und ja, auch der Friedenswächter spielt in diesem Kapitel wieder eine größere Rolle.

Danken möchte ich wie immer jenen, die mich seit Dezemberanfang unterstützt haben - seliner1907, TheDarkTemptation, JoanaJawia, NymeriaTargaryen, amelia7890, AnnixEspinosax, Chrissitinchen und BlackGirlNumber1. Ihr seid wundervoll!

Nun wünsche ich Euch noch ein schönes Restwochenende, eine erfolgreiche neue Woche, einen festlichen vierten Advent, eine schöne Vorweihnachtszeit, und:

Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3

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♯Cнαpтer 37 ~ Iт'ѕ Sυcн A Crυel World, Iѕɴ'т Iт?

i will not say do not weep, for not all tears are an evil.

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G L I M M E R

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SIE hasste ihn.

Sie hasste, hasste, hasste ihn -

Nein, versuchte Glimmers Unterbewusstsein durch den Schleier der Wut und Enttäuschung, der sich über sie gelegt hatte, zu ihr durchzudringen.

Das ist Marvel.

Gutherzig, freundlich und liebevoll.

Marvel, der immer für dich da ist - egal, ob du jemanden zum Lachen, oder eine Schulter zum Ausheulen brauchst.

Er ist dein bester Freund.

Dein Bruder.

Du liebst Marvel.

Glimmer schnaubte spöttisch.

Natürlich liebte sie ihn.

Deswegen tat es ja so weh - von dem Menschen, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte, hintergangen zu werden.

Sein Verrat war ihr vorgekommen wie ein Stich ins Herz, seine Worte hatten in ihre Haut geschnitten wie Dolche; hatten ihr die Tränen in die Augen, und die Röte in die Wangen getrieben.

Sie hatte sich geschämt.

Sich geschämt, ihn enttäuscht zu haben.

Das war es, was sie am meisten verletzt hatte.

Seine Enttäuschung.

Er hatte mehr von ihr erwartet.

Und sie hatte ihn enttäuscht.

Leute starrten sie an - schrill gekleidete, kunterbunte Leute, die vor ihren tränenverschleierten Augen zu einer einzigen, unförmigen Masse verschwammen.

Sie rempelten sie an; piecksten sie mit ihren spitzen Fingernägeln; die kreischenden Stimmen dröhnten in ihren Ohren. Leute, die sie herumstießen, als sie vor Tränen blind aus der Bowlinghalle stolperte. Sie blickten ihr nach - lachend, mit dem Finger auf sie zeigend, manche besorgt.

Es machte keinen Unterschied.

Sie hasste sie alle.

Diese Leute, das Kapitol - sie hasste sie, weil sie sie in eine Lage gebracht hatten, aus der sie nicht mehr herauskam, egal wie schnell sie lief.

Egal, welchen Weg sie einschlug, am Ende wartete eine Sackgasse.

Egal, ob sie aufgeben, oder weiterkämpfen würde, der Tod kam mit rasender Geschwindigkeit auf sie zu.

Und sie konnte sich nicht verstecken.

Glimmers hohe Absätze kamen harsch auf dem blitzblank gewischten Boden auf.

Klack Klack, Klack Klack.

Ein gleichmäßiger, endlos erscheinender Rhythmus.

Sie hatte keinen Schimmer wo sie war - oder wo sie hinlief.

Nicht, dass es sie sonderlich kümmerte. Sie würde schon nicht verloren gehen. Und selbst wenn, würden sie sie doch wieder zurück in ihren Pferch zerren.

Glimmer hielt inne, als sie einen leichten Luftzug spürte, der ihr ein paar blonde Haarsträhnen in die glasigen Augen wirbelte.

Sie blinzelte, und wischte sich übers Gesicht, das inzwischen grauenvoll aussehen musste.

Tränenverschmiert, voller Mascara und sicher knallrot. Auch ihre Haare mussten eine einzige Katastrophe sein.

Früher hätte es sie sicher gekümmert.

Gerade?

Eher nicht.

Noch immer liefen die Tränen ihre fieberheißen Wangen hinunter.

Glimmer sah zu Boden.

Er war blütenweiß, so rein, und so sauber, dass man sich darin spiegeln konnte.

Erneut traf ein Windstoß auf ihre nackten Arme und Glimmer stieß zischend die Luft aus.

Da war ein Fenster. Aber es war kein gewöhnliches Fenster, nein, es besaß nämlich gar kein Glas - man konnte es also nicht schließen. Vielmehr war es eine Lücke, die man in die cremeweiße Wand mit der weißen Steinbordüre gehauen hatte.

Glimmer sah hinaus.

Das Kapitol blickte ihr entgegen, so wunderschön, so vertraut, und doch so fremd.

Der Horizont hatte sich inzwischen stark verdunkelt; die Dämmerung bahnte sich ihren Weg über schillernde Wolkenkratzer und kleinere Gebäude aus massivem weißen Stein; warf dunkle Schatten auf die Stadt des Lichts.

Ein goldenes Blitzen fing Glimmers Blick auf, und sie wandte sich der prächtigen, stuckverzierten Decke zu. Filigrane Kronleuchter aus Blattgold konkurrierten mit hohen pechschwarzen Steinsäulen, in deren Schalen eisblaues Feuer flackerte.

Glimmer schniefte und ließ sich erschöpft auf eine schneeweiße, dick gepolsterte Couch fallen, die gegenüber des Fensters - oder der Lücke, wie Glimmer sie heimlich nannte - an der Wand platziert worden war.

Jetzt, wo sie saß, fiel ihr auf, dass sowohl beim Gang, der zurück zur Bowlinghalle führte, als auch bei dem ihr noch unbekannten Korridor rechts von ihr, solche Sitzgelegenheiten keine Seltenheit waren. Immer mal wieder waren Couchen und Sessel an den Wänden platziert worden, wenn auch nicht alle - wie bei ihr - mit einer buschigen Topfpflanze und einem Beistelltisch mit Kapitolzeitschriften daneben.Solche lagen auch im Wohnzimmer ihrer Etage herum.

Erst gestern hatten Marvel und sie über eine Frau gelacht, die ein orangerotes Superheldencape, hohe Schnürstiefel, und einen Rock mit Omarüschen getragen hatte. Die Frau hatte behauptet, sie wäre eine modisches Vorbild, und Marvel hatte kichernd bemerkt, dass diese Frau tatsächlich trendy war - wenn sie eine heldenhafte, sexy Oma darstellen wollte, dann war ihr das zumindest geglückt.

Sie hatten gelacht, bis sie einen Schluckauf bekommen hatten, und sich gegenseitig immer weiter hochgeschaukelt. Sie und Marvel hatten -

Marvel.

Und da war er wieder, der stechende Schmerz in ihrer Brust.

Auch die Tränen sickerten nun wieder hervor; brannten sich in die aufgeschürfte Haut unter ihren Augen.

Immerhin sind hier keine Leute mehr, war Glimmers letzter kläglicher Gedanke, bevor sie in die Polster fiel, und die Tränen erneut ihre Wangen hinunterliefen, so schnell, dass es unmöglich war, alle aufzufangen und wegzuwischen.

Die Schultern nach vorn gesackt, als würde sie eine tonnenschwere Last tragen, saß sie da wie ein Häufchen Elend, und versuchte mit zitternden Fingern ihre Frisur zu retten.

Vergeblich. Ihre Haare waren tränennass und mit schwarzem Eyeliner verkrustet. Als Glimmer versuchte durch die Strähnen zu kämmen, schoss ein stechender Schmerz durch ihren Schädel und sie gab auf.

Stöhnend vergrub sie das Gesicht in den Händen.

Am liebsten hätte sie nie wieder aufgesehen.

Ich bin es doch gar nicht wert, begriff sie, und noch mehr Tränen sammelten sich in ihren grünen Augen, tropften auf ihre knallroten Wangen.

Ich bin es doch gar nicht wert, geliebt zu werden. Egal, wo ich hinkomme, immer bin ich das dumme Blondchen, das hübsche Püppchen, oder das billige Flittchen. Vorurteile regieren die Welt, und niemals wird jemand seine Bedenken ablegen, und versuchen, mich wirklich kennenzulernen. Mein wahres Ich. Wie sollte mich auch irgendjemand lieben können? Vor allem jemand so reines, gutherziges wie Marvel? Wer könnte schon eine Mörderin, eine Diebin, eine Hure lieben?

Niemand.

So einfach war das.

Niemand.

An dem Streit mit Marvel war sie selbst schuld.

Alles war ihre Schuld.

Noch mehr Tränen. Von Schluchzern geschüttelt krampfte sich ihr zitternder Körper auf der Couch zusammen. Wieder und wieder.

Glimmer beschlich ein ungutes Gefühl.

Das Stechen in ihrer Brust nahm zu.

Alles tat weh.

Das war nicht normal.

Nie zuvor hatte sie solche Schmerzen gehabt, egal, wie viel sie geweint hatte.

Spitze Fingernägel stachen in ihre Haut, als sie die Hände zu Fäusten ballte.

Mit der Hand vor dem Mund versuchte sie, die hysterischen Schluchzer zu dämmen, die unaufhörlich aus ihren zusammengepressten Lippen drangen.

Ich hab einen Nervenzusammenbruch, begriff sie plötzlich.

Panik überkam sie.

Oh mein Gott, was - was, wenn jetzt jemand vorbeikommt? Ein Spielmacher vielleicht - oder, noch schlimmer, eine Krankenschwester?

Die würden sie in die Klapse schicken. Oder zumindest auf irgendeine Krankenstation abschieben, bis die Arena begann, um zu verhindern, dass sie sich selbst - oder anderen - etwas antat. Dann würde sie ihre letzten Tage in einer Zwangsjacke verbringen. Wahrscheinlich müsste sie täglich irgendwelche Pillen schlucken, um bei den letzten öffentlichen Auftritten halbwegs ansprechbar zu sein.

Das durfte nicht geschehen.

Hör auf zu weinen, hör auf zu weinen, hör auf zu -

»Glimmer?«

Erschrocken zuckte sie zusammen. Ihr Kopf fuhr hoch, was sie sogleich bereute.

Sie musste grauenhaft aussehen.

Vollkommen durch den Wind.

Verrückt.

Sie spürte die Tränen, die sich noch immer an ihren Wimpern festklammerten. Sie wusste, dass ihr Gesicht einer feuerroten Tomate glich. Feuerrot und mit schwarzer Farbe bemalt.

Und ihre Knie ...

Die zitterten inzwischen so stark, dass sie schon glaubte, der Boden müsste unter ihr Wellen schlagen.

Da war eine Stimme gewesen.

Deswegen hatte sie aufgesehen.

Diese Stimme hatte sie sich nicht eingebildet.

Oder?

Erneut hob Glimmer den Kopf. Durch die Tränen konnte sie kaum ausmachen, wer da vor ihr stand. Ein schwarzer Schatten. Mehr erkannte sie nicht. Auch das Rauschen, das sich über ihre Ohren gelegt hatte, ließ eine genaue Stimmenanalyse nicht zu.

Und doch ... sie wusste, mit wem sie es zu tun hatte.

Und sie war sich zu fast neunzig Prozent sicher, dass sie seinetwegen nicht in der Klapse landen würde.

Schniefend wischte Glimmer sich über die Augen.

Sie wartete, bis sich ihre Atmung wieder einigermaßen beruhigt hatte, bevor sie ein drittes Mal aufsah.

Thor starrte mit unbeweglicher Miene auf sie hinunter. Seine Gesichtszüge gaben nichts preis, doch in seinen blauen Augen glaubte sie einen Hauch von Sorge zu erkennen.

Das reichte fast aus, um neue Schluchzer aus ihr hervorbrechen zu lassen. Ein Fremder sorgte sich um sie, während ihr bester Freund das nicht tat.

Überhaupt war ihr bester Freund der Grund, wieso sie gerade hier saß.

Oh, war das alles verkorkst.

»Hi«, krächzte sie kläglich.

Ihre Stimme klang heiser und brüchig.

»Dir geht es nicht gut«, sagte Thor.

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, aber Glimmer nickte dennoch.

Autsch.

Schon das leichte Rucken ihres Kopfes ließ Sterne vor ihrem inneren Auge aufblitzen.

Stöhnend griff sie sich an den Haaransatz, krallte ihre Finger in die blonden Strähnen, als wollte sie jene an der Wurzel herausreißen.

»Nicht«, meinte der Friedenswächter mit ungewohnt sanfter Stimme, befreite vorsichtig ihr Haar, und drückte ihr stattdessen ein Feuchttuch in die Hand.

»Hier.«

Glimmers Hand schloss sich zitternd um das Tuch. Mühsam begann sie ihr Gesicht von Schminke und Tränen zu säubern. Nach ein paar Minuten waren selbst ihre Finger von schwarzen Mascaraüberresten befreit.

Glimmer gab Thor schweigend das beschmierte Tuch zurück. In ihrem Mund schmeckte sie Blut, wahrscheinlich war ihre Lippe aufgerissen.

Sie schluckte.

Sofort zuckte sie zusammen. Ihre Kehle war vollkommen ausgedörrt, und deutlich gereizt, durch das viele Schluchzen. Jeder Atemzug war eine Qual.

»Hier, trink das«, sagte Thor und drückte ihr eine ungeöffnete Flasche, mit durchsichtiger Flüssigkeit darin, in die zitternde Hand.

Glimmer hob träge eine Augenbraue.

»Ist das Wodka?«

»Wasser«, antwortete Thor. »Wollen es ja nicht gleich übertreiben.«

Seine Mundwinkel hoben sich leicht, aber sein Blick blieb sorgenvoll. Irgendwie wirkte er müde.

Glimmer öffnete die Flasche, setzte sie an die Lippen, und kippte das kalte, köstliche Wasser hastig hinunter.

»Langsam«, mahnte Thor, doch sie hörte nicht zu. Ihre Kehle war staubtrocken und das Wasser spülte das Salz ihrer Tränen von ihren aufgesprungenen Lippen.

Gott, wie sie sich darüber ärgerte, kein Ersatzschminktäschchen zur Hand zu haben. Eine Feuchtigkeitscreme, samt Lippenpflege würden jetzt sicher nicht schaden.

Sie war in etwa bei der Hälfte der Flasche, als Thors Hände sich um ihre schlossen, und das Wasser wegnahmen.

Glimmer protestierte schwach. Sie wollte sich die Trinkflasche zurückholen, doch sein Griff war zu fest, zu unerbittlich. Seine Hände waren warm. Zu warm. Sie brannten sich in ihre Haut.

Sie konnte sich nicht befreien.

Plötzlich war ihr eiskalt. So eiskalt, wie das Wasser in ihrem Magen.

Sie begann, wieder zu zittern.

Vage hörte sie ein Seufzen.

»Ich hab doch gesagt, du sollst es nicht so hinunterkippen.«

Seine Stimme klang tadelnd.

Sofort fühlte sie sich schlecht.

»T-tut mir leid, ich-«

»Na, na, nichts, wofür du dich entschuldigen musst«, beschwichtigte sie der Friedenswächter.

Einen Augenblick später spürte sie etwas Schweres auf ihre Schultern fallen. Thor musste ihr seine Jacke gegeben haben.

Jetzt saß er neben ihr, in einem dunkelgrauen, langärmeligen Sweatshirt.

Bestimmt war ihm auch kalt.

Glimmer biss sich auf die Lippe.

»Tut mir leid, dass du wegen mir deine Jacke hergeben musstest«, nuschelte sie in den Stoff hinein und zog die Knie an die Brust.

Thor seufzte. Es klang etwas gereizter als zuvor.

»Würdest du bitte aufhören, dich zu entschuldigen?«

»Tut mir -«

Sie brach ab und sah zu Boden.

Mehrere Minuten verstrichen, ohne, dass einer von ihnen etwas sagte. Es war ein angenehmes Schweigen. Es gab Glimmer Zeit, ihre Gedanken zu sortieren und mit dem Zittern aufzuhören.

»Willst du mir erzählen, was los war?«

Sie hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde, früher oder später. Und ja, sie wollte es ihm erzählen. Sie brauchte jemanden, der ihr beistand. Und er war als Einziger hier.

Sie seufzte und zwirbelte eine Haarsträhne um ihre Finger.

Das Feuer der hellblau leuchtenden Fackeln wirkte in der Dämmerung seltsam tröstlich.

»Es ist Marvel. Er - er hasst mich«, gab sie müde zurück, und bemühte sich, ihre Haare zu einem Knoten hochzustecken, bis ihr einfiel, dass sie gar keinen Haargummi dabeihatte.

Seufzend ließ sie die Hände sinken.

Blonde Locken ergossen sich über ihre Schultern.

»Vielleicht war es ein Missverständnis«, vermutete der Friedenswächter.

Glimmer zuckte mit den Achseln. »Na ja, er hat mir ziemlich deutlich gemacht, was er von mir hält, also eher nicht. Ist auch egal. Ich komme schon ohne ihn zurecht.«

Das war eine Lüge und sie beide wussten es.

Trotzdem sagte keiner von ihnen ein Wort.

Glimmer zog Thors Jacke fester um sich, bis sie etwas Unebenes, leicht Scharfkantiges unter dem Stoff ertastete. Ein Messer vielleicht?

Sie schielte zu dem Friedenswächter, doch der starrte nachdenklich nach draußen, in die Schwärze der Nacht.

Glimmer ließ ihre Hand verstohlen in die Tasche von Thors schwarzer Jacke gleiten, und zog schließlich das unbekannte Objekt hervor.

Als sie es im Licht der Fackeln betrachtete, erkannte sie, dass es sich bloß um zwei cremeweiße, mit goldenen Lettern bedruckte Karten handelte. Kein Messer. Zum Glück. Obwohl er als oberster Friedenswächter wahrscheinlich durchaus das Recht besaß, eine Waffe zu tragen.

»Du weißt schon, dass es unhöflich ist, anderer Leute Post zu lesen?«

Glimmer schreckte zusammen. Schuldbewusst wandte sie sich nach links.

Thor blickte sie an, die Augenbrauen leicht erhoben. Um seine Lippen spielte ein Lächeln.

Insgesamt wirkte er eher belustigt als wütend.

»Was ist das?«, fragte Glimmer und beäugte die Karten erneut. Bevor sie die goldene Schrift im Flackern des Feuerscheins entziffern konnte, hatte der Friedenswächter ihr bereits geantwortet.

»Eintrittskarten.«

»Für?«

»Einen Maskenball.«

Ein Maskenball.

Glimmer war noch nie auf irgendeinem Ball gewesen - auch, wenn sie sich das immer gewünscht hatte.

Es klang dämlich, aber das war es, was sie bis heute an den alten Märchen bewunderte - dass selbst ein Mädchen von geringerem Stand auf einem königlichen Ball mit dem Prinzen seiner Träume tanzen durfte.

Ein perfekter Abend.

Ein Happy End.

Das war es, was sie sich immer für sich selbst gewünscht hatte.

Nicht, dass sie das je zugegeben hätte. Nicht mal Marvel wusste davon. Es war ja auch vollkommen unrealistisch. Kindisch. So funktionierte die Welt in nun mal nicht. In Panem gab es keine guten Feen, keine Märchenprinzen, und keine Happy Ends.

»Der Einlass ist zwei Stunden vor Mitternacht. Die Party findet im Haus von Hoshi Husaki statt«, erklärte Thor, und riss Glimmer damit aus ihren Tagträumen.

»Muss man den kennen?«

»Ein Bekannter des Präsidenten. Sponsor der Hungerspiele. Steckt jedes Jahr eine ganze Menge Geld in unsere neusten technischen Entwicklungen, die dann in der Arena und auf irgendwelchen Messen Premiere feiern. Hoshi ist mit einigen Ministern befreundet, und hat in letzter Zeit viele wichtige Kontakte gewonnen. Er ist allerdings keine so große Nummer wie die DiLaurentis - Familie. Die DiLaurentis' haben schon seit zehn Jahren die Stellung als wohlhabendste und angesehenste Familie Panems inne - abgesehen von den Snows, natürlich.«

Glimmer nickte geistesabwesend. Sie merkte wie spannend sie es fand, mehr über das Kapitol herauszufinden. Wie alles funktionierte, wie das System zusammengehalten wurde, wer wo sein Geld reinsteckte, und wer welchen Profit dafür erhielt.

Alles was hinter den Kulissen vorging, war für sie von Interesse.

Dann fiel ihr etwas anderes auf.

»Wieso zwei?«

Thor wirkte verwirrt.

»Wieso zwei was?«

»Na ja, wieso zwei Eintrittskarten? Eine für dich ... und eine für ... deine Frau?«

Thor lächelte schmal und nahm ihr die Karten aus der Hand.

»Ich bin nicht verheiratet.«

Oh, dachte Glimmer peinlich berührt. Gott, hatte sie ein Talent dafür, andauernd ins Fettnäpfchen zu treten. Zum Glück war ihr Gesicht schon durch die Heulkrämpfe knallrot, sodass ihm die neue Purpurschattierung, die ihr jetzt in die Wangen stieg, vielleicht nicht auffallen würde. Hoffte sie zumindest.

»Verzeihung, ich wollte nicht - also, es tut mir-«

»Keine Entschuldigungen mehr, schon vergessen? Es ist alles in Ordnung«, unterbrach Thors Stimme ihre gestammelte Entschuldigung.

Er warf ihr ein kleines Lächeln zu, das sie wahrscheinlich beruhigen sollte.

Zögernd lächelte Glimmer zurück.

»Aber um deine Frage zu beantworten - die Einladung ist für alle Gäste vorgefertigt, und für den Fall, dass man jemanden mitnehmen möchte, steht dort ›In Begleitung‹. Thybalt nervt mich schon seit Tagen, dass er mitkommen möchte, aber will ich wirklich mit ihm dort auftauchen? Auf gar keinen Fall.«

Glimmer schüttelte lachend den Kopf.

»Nun, du wirst sicher noch jemand anderen als Thybalt finden«, lächelte sie.

Daran zweifelte sie nicht. Wahrscheinlich war er es sogar gewohnt, dass sich die Frauen um einen Platz an seiner Seite prügelten, bedachte man seine hohe Stellung und sein gutes Aussehen.

Glimmer schälte sich aus der warmen Jacke und gab sie ihm zurück.

»Und danke. Mir geht's jetzt echt besser.«

»Gern geschehen.«

Er wollte offenbar noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment ertönte ein hohes Piepen.

Thor runzelte die Stirn und griff nach seinem Funkgerät, das er bis eben in seiner Hosentasche verstaut hatte. Eine rote Lampe blinkte am oberen Ende der stahlgrauen Apparatur.

»Verdammt«, fluchte Thor und sprang hastig von der Couch auf. Die Jacke, die er auf seinem Schoß platziert hatte, fiel hinunter, und Glimmer bückte sich, um sie aufzuheben. Dann stand sie auf - wobei sie sich probehalber an der Wand abstützte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich besorgt und reichte ihm seine Jacke.

Thor nickte nur und schlüpfte hastig in die Ärmel.

»Als du aus dem Bowlingcenter gerannt bist, bin ich dir nach, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, und du dich nicht verläufst. Ich habe Thybalt angefunkt, meine Schicht zu übernehmen, doch der Idiot wird in der Kommandozentrale festgehalten. Ich muss sofort zurück.«

»Verstehe.«

»Ich kann dich dorthin zurück begleiten, wenn du das möchtest«, bot er an, doch Glimmer schüttelte lächelnd den Kopf.

»Danke, aber nein. Ich glaube, ich brauche jetzt erst mal ein heißes Bad und einen kleinen Snack, bevor ich mich Marvel erneut entgegenstelle.«

Der Friedenswächter nickte nur.

Das Funkgerät piepste erneut, und Thor sah aus, als hätte er es am liebsten geradewegs aus dem Fenster geworfen.

»Okay, dann - Bis dann«, meinte Glimmer verlegen und winkte unbeholfen. »Und danke.«

Thor zuckte mit den Achseln, bevor er ebenfalls nickte.

»Keine Ursache.«

Dann wandte er sich ab und eilte schnellen Schrittes den Gang zur Bowlinghalle entlang. In der Ferne hörte Glimmer das Piepen seines Funkgeräts und einen kaum unterdrückten Fluch.

Sie lächelte, schlang sich die Arme um den Körper, und trat dann vor die Lücke in der Wand.

Der Wind zerzauste ihr Haar; blonde Strähnen wirbelten durch die Luft.

Das Kapitol war nun vollkommen von der Dunkelheit verschluckt worden. Bunte Lichter blitzten in den Fenstern der Wolkenkratzer auf.

Es musste bereits nach zwanzig Uhr sein.

Höchste Zeit, auf ihre Etage zurückzukehren.

In ihrer Eile bemerkte sie nicht, wie die Gestalt einer blond gelockten Frau hastig in einer Nische verschwand, als Glimmer um die Ecke eilte.

Eisblaue Augen, ebenso eisblau wie die Fackeln, die den Gang erhellten, blickten ihr misstrauisch nach.

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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Die Widmung dieses Kapitels geht an NymeriaTargaryen. Danke für Deine Unterstützung. Ich hoffe sehr, dass Dir dieses Kapitel gefällt.

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