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♯Cнαpтer 27 ~ Tнe Uɴeхpecтed Iɴтerroɢαтιoɴ.

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

So - lange Zeit habt Ihr warten müssen, ich weiß - nun habe ich hier endlich Kapitel Nummer 27 für Euch. Wie ich bereits vorher angekündigt habe, ist dies aus Sicht einer anderen Person geschrieben - Ich bin daher gespannt zu erfahren, was Ihr davon haltet.

Ich weiß, dass viele von Euch jene Person in gewisser Weise hassen - und das zu Recht, im Bezug auf das, was Ihr bisher über sie gelesen habt - aber ich bin gespannt, zu erfahren, ob dieses Kapitel nicht Eure Sichtweise auf die Person beeinflusst hat. Wie
auch immer, ich will hier nicht zu viel verraten, lest einfach selbst. Wie immer hoffe

ich natürlich, dass Euch dieses Kapitel ebenso gefällt wie die vorherigen Kapitel. Danken möchte ich wie immer allen, die mich seit dem letzten Update in irgendeiner Form unterstützt haben - das wären diesmal BlackGirlNumber1, BluntsQueen, PaulaPhanter, shadowsophie, chrissitinchen, hopeful-heart, BeauCyphre, Papillonfantastique, SweetHoneyMuffin, ViaDakota, droptthatniall, FallenIceangeltraumweltler, shilaxxD
und Revolutionspoet! Ihr seid toll! So, nun aber wünsche ich Euch ganz herzlich:

Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3

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♯Cнαpтer 27 ~ Tнe Uɴeхpecтed Iɴтerroɢαтιoɴ.

She's got the eyes of innocence, the face of an angel, a personality
of a dreamer. And a smile that hides more pain than you could ever imagine.

#Glimmer's Sichtweise

Die eisernen Griffe der behandschuhten Friedenswächter schnitten tief in die zarte Haut des blonden Mädchens, in dessen smaragdgrünen Augen die blanke Angst stand. Die schnellen Schritte der beiden Männer, welche die wehrlose junge Frau achtlos hinter sich herschleiften, hallten unheilvoll auf dem frisch gereinigten Boden wieder. Das Mädchen, welches vor Anstrengung förmlich keuchte, wusste, dass es nicht mehr lange mit den beiden Friedenswächtern Schritt halten würde. Seine Beine fühlten sich bereits an wie Wackelpudding. Glimmer hustete; es klang eklig verschleimt. Sie seufzte unterdrückt.

Zuerst hatte sie geglaubt, es würde sich hierbei bloß um ein Versehen handeln - denn
sie wusste bei weitem nicht, was sie getan haben könnte, das so schlimm war, dass
es die beiden Männer neben ihr glauben ließe, dass sie eine gefährliche Kriminelle war.

Doch tief in ihrem Herzen, da wusste Glimmer, dass dies mitnichten ein Zufall, ge -
schweige denn, ein gewöhnliches Vorgehen war. Das war keine Routineuntersuchung,
bei der irgendein gelangweilter Angestellter jeden der vierundzwanzig Tribute
genau unter die Lupe nahm, und ihn fragte, ob die vorgegebenen Daten, die das Kapitol aus dem jeweiligen Distrikt zugeschickt bekommen hatte, übereinstimmten. Nein.

Hierbei handelte es sich um etwas Anderes. Etwas Gefährliches. Glimmer schluckte schwer, und die Angst drohte ihr, die Kehle zuzuschnüren. Es gab offenbar ein Problem.

Ein Problem mit ihr.

Ein Problem, an dem sie selbst irgendwie ihren Teil zu beigetragen hatte, wie der linke Friedenswächter ihr im Speisesaal vor den anderen Tributen erklärt hatte, bevor man sie denn abgeführt hatte, wie eine gemeine Verbrecherin. Und wenn es ein Problem gab ... Dann konnte Glimmer nur hoffen, heil aus der Sache herauszukommen. Mit jedem Schritt, den sie von da an tat, wuchs das Unbehagen, das sie schon seit den frühen Morgenstunden verspürt hatte, bis es fast ihren ganzen Verstand einzunehmen drohte.

Schon beim Aufstehen hatte sie gemerkt, das dies so ganz und gar nicht ihr Tag sein würde. Genauer gesagt, seit die durchdringende Stimme dieser rothaarigen Möchtegernbetreuerin von Cato und Clove sie aus ihrem Schönheitsschlaf gerissen hatte.

Das Training war ihren Befürchtungen zum Trotz dann jedoch einigermaßen gut verlaufen - sie war sich sogar ziemlich sicher, bei den Spielmachern für Aufsehen
gesorgt zu haben. Doch auch während sie ihre Gegner zu Boden gerungen, Pfeile auf Zielscheiben abgeschossen, und ein paar Messer geworfen hatte, war das beängstigen -
de Gefühl von Unbehagen nicht verschwunden. Die drohenden Blicke des obersten Spielmachers, Seneca Crane, der sie ab und an eindringlich gemustert hatte, und
dessen verblüffend blaue Augen sie nun an den linken Friedenswächter erinnerten, welcher sie grob am Arm gepackt hatte, und rücksichtslos mit sich schleifte, hatten auch nicht gerade dazu beigetragen, eben jenes Gefühl zu lindern, sondern es eher noch um ein Vielfaches verstärkt. Der heftige Ruck, der ihren Körper plötzlich durchfuhr und sie um einige Schritte nach vorn stolpern ließ, riss Glimmer gewaltsam aus ihren Gedanken.

Einen klitzekleinen Moment lang wusste sie nicht mal mehr genau, wo sie sich denn befand, oder was geschehen war. Doch der einsame Flur und die eiskalten Blicke der beiden Männer, die sie begleiteten, riefen ihr alles wieder ins Gedächtnis zurück. Jetzt konnte sie sich auch die Situation, in der sie sich in diesem Moment befand, erklären.

Sie wusste noch, wie ihre Gedanken abgeschweift waren, hatte dabei jedoch gar nicht gemerkt, dass sie stehen geblieben war. Doch offenbar war genau das der Fall gewesen.

Der rechte und kleinere der beiden Friedenswächter hatte sich daraufhin offenbar veranlasst gefühlt, ihren Arm zu ergreifen und ruckartig nach vorn zu ziehen, um sie
so zum Weiterlaufen zu bewegen, während der linke Friedenswächter die Szene mit einem amüsierten Funkeln in den Augen beobachtete, woraufhin Glimmer mit einem vernichtenden Blick antwortete, der ihn jedoch nur noch weiter zu belustigen schien.

»Ab jetzt will ich keine weiteren Anstalten von dir erleben, Mädchen, sonst setzt es
was!«, herrschte sie der rechte Mann, welcher sie so grob nach vorn gezogen hatte,
an, und warf seinem Kollegen einen verschwörerischen Blick zu, den dieser jedoch vollkommen zu ignorieren schien. Unter den funkelnden Augen des rechten
Mannes setzte sich Glimmer zögernd wieder in Bewegung. Eine Sekunde später
ergriff der andere Friedenswächter ihren linken Arm erneut mit festem Griff.
Glimmer kam es vor, als wären Stunden vergangen, als der Gang endlich in einem
kleinen Raum mündete, dessen Wände über und über mit Tastenfeldern bedeckt waren.

Der rechte Mann ging eilig auf die Wand zu, die sich vor ihnen erstreckte, und be -
tätigte geübt einige Tasten in einer komplizierten Reihenfolge. Etwas rumpelte laut.

Vor Glimmers erstaunten Augen glitt die Wand plötzlich beinahe lautlos zur Seite und gab den Blick auf einen Hohlraum frei, der von einem schwarzen Eisengitter versperrt wurde.

Der kleine Friedenswächter betätigte erneut ein paar Tasten und noch im selben Augenblick entfernte sich das Gitter in Richtung Decke, wo es deutlich hörbar einrastete.

Der Hohlraum, der sich dahinter verbarg, war winzig. Die Seiten - bis auf die vordere - wurden ebenfalls von schwarzen Eisengittern versperrt. »Los, dort hinein«, befahl
der rechte Friedenswächter unwirsch und hastig gehorchte Glimmer der
Aufforderung - immer noch voller Staunen über die ausgefeilte Technik des Kapitols.

Sie quetschte sich mühsam neben den kleinen Mann - der offenbar nicht sonderlich viel von Körperpflege hielt, woraufhin Glimmer angeekelt das Gesicht verzog - während sie darauf wartete, dass irgendetwas geschah. Wenige Augenblicke darauf betätigte der größere Mann, der noch immer draußen stand, einen roten Knopf an der Außenwand.

Geschwind sprang er Sekunden später in das kleine Quadrat hinein, in dem Glimmer und sein Kollege bereits warteten. Und das keinen Augenblick zu früh, denn das Eisengitter schob sich klirrend wieder vor ihre Gesichter und nach einigem Rumpeln spürte Glimmer, wie der Boden unter ihren Füßen sich bewegte. Während sie nach unten fuhren, durchdrang langsam, aber sicher, der Gestank nach altem Schweiß den begrenzten Raum. Weit brauchte Glimmer für dessen Ursache nicht zu blicken - Unter den
Armen des kleineren Mannes, der rechts von ihr stand, und der, wie Glimmer jetzt bemerkte, leichte Glubschaugen hatte, mit denen er ihr in unregelmäßigen Abständen auf den Busen schielte, waren deutliche Flecken zu erkennen, die wegen seines grauen Shirts auch noch für alle sichtbar waren. Er begegnete Glimmers Blick für einige Sekunden und ein schmieriges Grinsen breitete sich auf dem fetten Gesicht aus, während er ihre Oberweite noch einmal provokant lächelnd in Augenschein nahm. Glimmer knirschte mit dem Zähnen. Wegen des Eisengitters konnte sie sich kaum bewegen, sonst hätte sie dem Widerling schon längst einen Hinweis darauf geben, was sie von seinem ungenierten Verhalten hielt. Und zwar durch eine obszöne Geste mit dem Mittelfinger.

Nach wenigen Minuten - die Glimmer jedoch wie Stunden vorgekommen waren - glitten die Gitter vor ihren Augen endlich wieder auf, und sie verließen den engen Fahrstuhl, wobei Glimmer erleichtert aufatmete. Nun standen sie in einem düster gehaltenen Flur, dessen obere Ecken Spinnweben zierten, und der stark nach Desinfektionsmitteln stank.

Der kleine Mann, den Glimmer im Geiste immer wieder als »Perversling« beschimpfte, ging voran, und Glimmer blieb nichts anderes übrig, als neben dem anderen Friedenswächter herzulaufen, der sie wieder einmal am Arm gepackt hielt. Jedoch
war sein Griff deutlich sanfter als vorhin. Er war wohl der Meinung, sie würde sowieso nicht mehr zurückfinden und hätte keine Ahnung, wie der Fahrstuhl zu bedienen war.

Womit er leider Recht hatte.

Glimmer seufzte. Niemals hätte sie gedacht, dass es so schwer sein würde, ein Teil des Ganzen zu sein; genauer gesagt, Tribut zu sein. Die Spiele hatten noch nicht einmal begonnen, und schon hatte sie sich aus irgendeinem Grund Ärger eingebrockt. Ganz toll.

Geistesabwesend spielte Glimmer an ihrem goldenen Ring herum, dessen pinkfarbene Steinchen hier und da im spärlichen Licht der schmutzigen Deckenlampen aufblitzten.

Das Schmuckstück war ein Andenken an ihre Mutter, welche vor einigen Jahren selbst bei den Hungerspielen ums Leben gekommen war. Erneut entfuhr ein kleines Seufzen Glimmers vollen Lippen. Nachdem ihre Mutter beerdigt worden war, hatte Glimmer
nicht nur ihre engste Bezugsperson verloren, sondern damit auch alles, was ihr lieb
und teuer gewesen war. Ihr Ansehen. Ihren Reichtum. Und das, was von ihrer Familie noch übrig gewesen war. Durch den Tod ihrer Mutter war ihr einfach alles egal geworden.

Sie bekam Depressionen - jedoch waren diese noch harmlos, im Vergleich zu dem, was ihr Vater und ihre Schwester durchlitten. Aufgrund des Verlustes ihrer Mutter und der Bewältigung ihrer familiären Probleme waren Glimmers Akademieleistungen drastisch abgefallen - ein gefundenes Fressen für ihre Konkurrentinnen, die sich von nun an einen Spaß daraus machten, sie als Schwächling zu bezeichnen, und sie vor den anderen Mitschülern verspotteten. Glimmer war das gleich; zumindest redete sie sich das ein.

Ruhm und Ansehen, die neuste Designerkleidung, oberflächliche Gespräche mit ihren Freundinnen - was kümmerte sie das noch? Doch sie wusste, dass sie sich selbst belog.

Denn im Grunde liebte sie all diese schwachsinnigen Dinge, die sie nun nicht mehr haben konnte. All ihre Freunde hatten sich von ihr abgewandt, sobald sie erfahren hatten, dass ihre Mutter bei den Spielen versagt hatte. Nur ein Typ namens Marvel - einer von denen, die Glimmer und ihre Freundinnen früher immer gern als Opfer ihrer Spötteleien
auserwählt hatten - hatte ihr beigestanden. Statt nachtragend zu sein, hatte er sie ge -
lehrt, nichts auf das Gerede anderer zu geben, und für ihre Überzeugungen einzutreten.

Er hatte ihr bei den Hausaufgaben geholfen und mit ihr trainiert, bis sie wieder
ihre alten Leistungen vollbringen konnte. Er hatte sie aus ihren Depressionen befreit,
und versucht, ihr beschissenes Leben wieder einigermaßen lebenswert zu machen.

Und dafür war Glimmer ihm dankbar. Sehr dankbar.

Doch was Glimmer am allermeisten an Marvel schätzte, war, dass er das Geheimnis, für welches sie sich am meisten schämte, bewahrt hatte, und noch immer Stillschweigen darüber verlauten ließ. Denn als das Geld ihrer Familie knapp geworden, und
ihr Vater immer mehr dem Alkohol verfallen war, und er dadurch seinen Job als Fabrikarbeiter verloren hatte, hatte sie selbst dafür sorgen müssen, dass sie sich die Miete für das luxuriöse Stadthaus, in dem sie lebten, überhaupt noch leisten konnten.

Dafür hatte sie nicht etwa einen Nebenjob gemacht - da sie sowieso ständig in der Akademie war, hätte die Zeit nicht gereicht. Nein, sie hatte das Einfachste und auch Schäbigste getan, was sie hätte tun können - sich selbst und ihren Körper
kurzerhand verkaufen. Ihr Vater hatte nicht mal nachgefragt, wo denn auf einmal das viele Geld herkam, und Glimmer hatte von sich aus natürlich auch nichts erwähnt.

Niemand hatte es gewusst ... Bis auf Marvel, der sie eines Nachts zusammengesunken mitten auf der Straße gefunden hatte, den Körper in ein glitzerndes Minikleid gehüllt, und tränenüberströmt, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hatte, sich so von anderen ausnutzen zu lassen. Er hatte sie, ohne nachzufragen, mit zu sich nach Hause genommen, ihr dort ein warmes Bad eingelassen, und ihr einen heißen, stärkenden Tee gekocht. Dann hatte er sich neben ihr ins Bett gelegt, und sie im Arm gehalten,
als sie sich die Seele aus dem Leib geschluchzt hatte. Irgendwann war die ganze schmutzige Geschichte dann einfach so aus ihr herausgesprudelt. Glimmer erinnerte
sich noch daran, wie sie ihn angstvoll angesehen hatte, stets in der Erwartung,
er würde sich nun, da er die Wahrheit über sie und ihr verkorkstes Leben kannte, angeekelt von ihr abwenden, und sie aus seinem Haus werfen. Doch er hatte sie nur, ohne ein einziges Wort zu sagen, fest im Arm gehalten. Schließlich war sie eingeschlafen.

Am nächsten Morgen hatte Marvel Frühstück gemacht und sie hatten nie wieder über diese »Sache« gesprochen. Auch die nächsten beiden Jahre hindurch hatte Marvel stets gewusst, was Glimmer tat - doch trotzdem hatte er sich nie von ihr abgewandt, oder sie als billige Ware betrachtet. Und das war es, was Marvel für Glimmer zu dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben gemacht hatte. Sie vertraute ihm bedingungslos, und
sie liebte ihn - wie einen Bruder. Und nun - nun waren sie beide hier in den Hunger -
spielen, gezwungen sich gegenseitig zu töten, oder aber mit anzusehen, wie der jeweils andere starb. Es war zum Verzweifeln. Sie hatte Marvel nach der Ernte wütend gefragt, warum er sich ausgerechnet freiwillig gemeldet hatte. Er hatte ihr geantwortet, er würde mit allen Mitteln dafür sorgen, dass sie es nach Hause schaffte. Er wollte, dass sie
sich von dem Geld, welches sie als Siegerin erhalten würde, ein neues Leben aufbaute.

Ohne Erniedrigung, ohne Trauer, ohne Qualen.

Glimmer war zu Tränen gerührt gewesen, hatte jedoch auch gleichzeitig eine brennende Wut auf ihren ältesten Freund verspürt, weil er sich einfach so für sie opfern wollte.
Das konnte sie nicht zulassen - nicht, nachdem Marvel praktisch sein Ganzes bisheriges Dasein damit verbracht hatte, ihr beizustehen. Marvel hatte ein gutes Herz, er
war ein aufrichtiger und liebenswürdiger Mensch - und er hatte es verdient zu leben,
eine Zukunft zu haben, und eine Familie zu gründen. Er war jemand, der es am allermeisten verdient hatte, weiterzuleben. Und dafür würde sie kämpfen. Vielleicht war ihr Schicksal vorherbestimmt. Vielleicht sollte sie in den Hungerspielen sterben. Möglich wäre es, ja, sogar wahrscheinlich. Aber Marvel sollte überleben. Er verdiente es. Und
sie würde bis zu ihrem letzten Atemzug dafür kämpfen. Wenn sie schon sterben musste, dann nur in dem Wissen, dass ihr bester Freund es zurück nach Distrikt eins schaffte.

Inzwischen waren die beiden Friedenswächter und Glimmer vor einer schäbigen grauen Metalltür angekommen. Das blonde Mädchen zog verwundert die wohlgeformten
Brauen hoch, während sein Herz vor Schreck und Aufregung hämmerte. Was wollten
sie bloß von ihr?
Sie hatte doch gar nichts Unrechtes getan ... Schlüssel klimperten.

Mit einem Ruck ging die Tür auf.

Der Griff der Friedenswächter verstärkte sich, als sie das wehrlose Mädchen in den Raum hinein schoben, und auf einen der zwei Stühle drückten, die sich in dem schmutzigen kleinen Zimmer befanden. »Hinsetzen. Und keinen Mucks«, befahl der größere der beiden Männer und schenkte ihr einen eisigen Blick, während er sich ihr gegenüber
auf dem anderen Stuhl niederließ. Glimmer versuchte verzweifelt eine bequeme Position zu finden, doch der Stuhl, welcher aus einem harten Holz geschnitzt worden war, und dessen steife Lehne sich ungemütlich an Glimmers Rücken presste, war komplett unbequem. Während das Mädchen sich noch immer verzweifelt fragte, was die beiden Männer jetzt mit ihm vorhatten, spielte es nervös an seinem goldenen Ring herum.

Als der Friedenswächter, der Glimmer jetzt gegenüber saß, dies bemerkte, stahl sich ein höhnisches Lächeln auf seine Lippen, während seine eisblauen Augen sie eindringlich musterten. »Na, das ist aber wirklich ein sehr hübscher Ring«, murmelte er und schenkte ihr ein gedehntes Lächeln. Glimmer schluckte den Kloß, der sich bereits in ihrem Hals gebildet hatte, hinunter und versuchte die aufkeimende Furcht, die sie zu überkommen drohte, zu verdrängen. »D-D-Danke«, gab sie leise zurück und ignorierte das heftige Zittern, welches sie plötzlich überkam. Der kleinere Friedenswächter, welcher ihr Zittern bemerkt hatte, warf ihr einen argwöhnischen Blick zu und stellte sich hinter seinen Kollegen. Seine schmutzig blonden Haare waren struppig und die kalten braunen Augen musterten sie misstrauisch und mitleidslos. Die enge weiße Hose und das verschwitzte Shirt, das er trug, sahen zerrissen aus, und auch sein Gesicht war seltsam zerfurcht
und von dicken Narben bedeckt. Ein zahnloses Grinsen umspielte seine dünnen Lippen.

Sein Kollege wirkte im Gegensatz zu ihm überaus gepflegt. Er war unheimlich groß - Glimmer war sich sicher, dass sie ihn nicht einmal mit ihren berüchtigten siebzehn Zentimeter Killer - Heels, die sie daheim in ihrem Schuhschrank aufbewahrte, überragen würde. Im Gegensatz zu dem anderen Mann war seine Kleidung sauber und schien nagelneu zu sein. Seine kurzen schwarzen Haare waren - anders als die seines Kollegen - ordentlich frisiert und gewaschen. Vor allem seine Uniform machte Glimmer stutzig - sie war nicht schneeweiß, wie die der anderen Friedenswächter, sie sie bisher gesehen hatte, sondern das genau Gegenteil - pechschwarz. Glimmer schätzte ihn auf Anfang dreißig.

Er war im Grunde ziemlich attraktiv - doch da sich Glimmer gerade in einem Verhör befand, und er sie überdies auch noch eiskalt anblickte, konnte sie nichts als pure
Angst empfinden. »Mein Name ist Thor - das ist mein Kollege Thybalt«, sagte der Friedenswächter nun und nickte unwirsch zu dem kleineren Mann hinüber. Glimmer schluckte. »G-Glimmer Lovelace.« Thor nickte verächtlich und zog die Augenbrauen hoch.

»Dessen sind wir uns bewusst. Wäre ja auch ziemlich dumm, wenn wir die falsche Person abgeführt hätten, und diese jetzt beschuldigen würden, etwas Unrechtes getan zu haben, was? Oder willst du damit sagen, wir würden unseren Job nicht gut genug erledigen?« Drohend sah er sie an. »N-nein«, antwortete Glimmer leise und schluckte erneut schwer.

Der Kloß in ihrem Hals wurde größer. Thor lächelte gefährlich. »Gut. Das ist gut.«

Einige Augenblicke lang sah er sie nur an - beobachtete teilnahmslos, wie sie da verängstigt in ihren Stuhl gesunken war und am ganzen Körper zitterte. »Also,
Glimmer Lovelace«, er sprach ihren Namen mit Verachtung aus, »Sie befinden sich hier, weil wir den Verdacht haben, dass sie eine illegale - also eine unerlaubte - Waffe mit
in die Hungerspiele schmuggeln wollten«, begann Thor und musterte sie eindringlich.

Glimmer sah ihn entgeistert an, während ihr ein entrüstetes »Was?!« entfuhr, doch Thor ging nicht darauf ein, sondern sprach einfach weiter. »Diese Waffe ist laut Berichten höchstwahrscheinlich in Form eines Andenkens getarnt.« Glimmer schluckte. Was
sollte das alles? Hatte sie sich verhört? Sie war doch keine Kriminelle! »Haben
Sie irgendetwas dazu zu sagen?«, erkundigte sich Thor und betrachtete sie auffordernd.

Glimmer runzelte die Stirn. Eine unerlaubte Waffe? Wieso dachten die beiden, sie würde etwas Illegales tun? Und vor allem - um welchen Gegenstand handelte es sich? Sie hatte doch gar kein Andenken - bis auf ihren Ring und der war ein ganz normales Accessoire ...

Ehe sie es verhindern konnte, schnellte ihr Blick zu ihrer linken Hand, und sie betrachtete das klobige Schmuckstück. Thor bemerkte ihren Blick und lächelte triumphierend. »Dürfte ich mir diesen Ring vielleicht einmal ansehen?«, meinte er, noch immer siegesgewiss lächelnd, und sah sie erneut auffordernd an. Glimmer schluckte,
während sie den Ring an ihrem Finger betrachtete, welcher jedoch nirgendwo
Merkmale einer unerlaubten Waffe aufwies. Trotzdem kam es für sie gar nicht infrage, sich Thors Anweisung zu widersetzen - am Ende hackte er ihr noch den Finger ab,
um zu bekommen, was er wollte. Also streifte sie zögernd den Ring von ihrem Finger
und legte ihn dann mitten auf den Tisch, wo er zitternd liegen blieb. Thor streckte
die Finger danach aus, und ergriff ihn zielsicher mit seiner behandschuhten Hand.

»Danke«, meinte er leise. Glimmer nickte eingeschüchtert. Thor betrachtete den Ring gründlich, drehte ihn hin und her, bis er ihn schließlich wieder vor sich auf dem
Tisch ablegte. Schon wollte Glimmer ihm ein verächtliches Lächeln schenken, da er sich - natürlich - geirrt hatte, was sie betraf, da begegnete er ihrem höhnischen Blick
und lächelte so hintergründig, dass Glimmer ihr eigenes Lachen auf der Stelle verging.

»Nun, Miss Lovelace - bevor ich ihr Andenken weiterhin auf Unstimmigkeiten unter -
suche, eine kleine Frage - von wem haben Sie diesen Ring?« Glimmer sah ihn verwirrt an.

Für einen kurzen Moment war ihr Kopf wie leergefegt, und sie fühlte sich nicht
einmal in der Lage, diese simple Frage zu beantworten. »Na, Sie wissen schon - wer
hat Ihnen diesen Ring gegeben?«, fragte Thor ungeduldig, als er bemerkte, dass
Glimmer ihn noch immer verwirrt ansah, und betrachtete sie seinerseits, als würde
er mit einer geistig Behinderten sprechen, was Glimmer mehr als alles andere kränkte.

»Meine Mutter hat ihn mir hinterlassen«, fauchte sie wütend.

Es reichte ihr langsam, dass alle dachten, sie wäre nur eine hübsche Barbiepuppe, die nichts im Kopf hatte. Doch als Thor sie verächtlich ansah, verrauchte ihre spontane Wut und verwandelte sich sofort wieder in Angst - insbesondere, da er nun erneut den Ring ergriff. »Hmm ... das haben wir uns schon gedacht, Miss Lovelace.« Glimmer war verwirrt.

»Was? Wieso?«

Thor grinste ihr triumphierend zu, bevor er den rechten und den linken der pink glitzernden Steine in die Fassung zurück drückte, woraufhin der Ring plötzlich aufklappte und eine tückische Spitze preisgab, die getränkt war mit einer grünen Flüssigkeit.

Glimmer keuchte entgeistert. »Was ... was ist das?«

Beide Friedenswächter begegneten ihrem erschrockenen Blick mit ernsten Mienen. Weder Triumph, noch Siegesgewissheit war nun auf ihren Zügen zu erkennen. »Das, meine Liebe, ist die unerlaubte Waffe, von der ich die ganze Zeit geredet habe, während Sie es nicht für nötig gehalten haben, mir zu glauben«, meinte Thor und konnte dabei nicht verhindern, dass sich doch ein wenig Triumph und Häme in seine Stimme mischte.

Glimmer sah ihn entgeistert an.

»Ist ... ist das Gift?«, meinte sie dann ängstlich und deutete mit zitternder Hand auf die grüne Flüssigkeit an der Spitze des Ringes. Thybalt, der kleinere Friedenswächter,
nickte leicht. »Ja, allerdings.« Glimmer schluckte und schwieg bedrückt. Ein giftiger Stachel in ihrem Ring? Hatte ihre Mutter davon gewusst, und ihn ihr deshalb hinterlassen? Damit sie ihren Gegnern feige den Dorn ins Fleisch rammen konnte? Aber woher hatten die beiden gewusst, wie man den Stachel zum Vorschein brachte? Glimmer verdrängte diese Gedanken hastig wieder und schluckte schwer.

»Aber ... woher ...?« Thor seufzte.

»Ihre Mutter ... als wir sie damals vor zehn Jahren auf dem Wüstenboden der Arena fanden ... blutverschmiert und regungslos ... und neben ihr der Junge aus Distrikt acht, der innerhalb von Minuten gestorben war, ohne, dass man beim Zuschauen eine Verletzung erkennen konnte ... Da hat uns das zu denken gegeben. Wie Sie sicher wissen, ist Ihre Mutter kurz nachdem sie den Jungen getötet hatte, selbst an ihren eigenen Verletzungen zugrunde gegangen. Man hat beide, nachdem man sie aus der Arena geborgen hatte, genauestens untersucht ... und hat dabei einen giftigen Stachel in der Brust des Jungen aus Distrikt acht gefunden. Genauer gesagt - ich habe ihn gefunden.«

Er machte eine kleine Pause und musterte Glimmer eindringlich - die seinen Blick stumm erwiderte. »Mir fiel es nicht schwer, eins und eins zusammen zuzählen - und bei der Untersuchung ihrer Mutter wurde festgestellt, dass der Ring nicht nur eine unerlaubte Waffe ist - sie hatte den Jungen auch mit eben diesem Gift, was Sie nun an dem Stachel sehen können, getötet. Die Kontrollwächter - Verzeihung, die Leute, die dafür zuständig waren, die Erinnerungsstücke der Tribute zu kontrollieren und nach Merkmalen für illegale Waffen zu untersuchen - haben ihre verdiente Strafe für diese Unachtsamkeit erhalten. Der Präsident war damals außer sich, dass man es gewagt hatte, die Sicherheitsmaßnahmen des Kapitols so derart bloßzustellen. Deshalb wurden die Aufnahmen im Nachhinein verändert, und in der Zusammenfassung sieht man, wie Ihre Mutter den Jungen mit ihrem Dolch ersticht, damit keine weiteren Fragen aufkommen.

Trotzdem war es ... eine sehr peinliche Angelegenheit für uns alle. Und nun ... nach zehn Jahren ... will das Schicksal, dass sich dieses Verbrechen wiederholt. Nun, Miss Lovelace, diesmal habe ich augenblicklich diesen Ring, als das, was er ist, wiedererkannt - als
eine unberechtigte Hilfswaffe mit der man andere Tribute auf hinterhältige und feige Weise töten kann.« Nach dieser Rede schwieg Glimmer bedrückt, während sie sich verzweifelt fragte, was das alles zu bedeuten hatte, und wie sie aus dieser verzwickten Situation wieder herauskam. Ihre Hände, die inzwischen schweißnass waren, krampften sich zusammen, und sie bohrte sich ihre spitzen Fingernägel ins Fleisch, bis es wehtat.

Was sollte sie jetzt nur tun? Vielleicht wäre es besser, den beiden alles zu erzählen, was sie wusste, so wenig es auch war, denn zumindest Thor sah aus, als würde es ihm rein gar nichts ausmachen, sie die nächsten Wochen auch noch hier in diesem kleinen, stickigen Raum gefangen zu halten und zu verhören. Glimmer schluckte schwer, hob langsam den Kopf, und versuchte, nicht zusammenzuzucken, als sie Thors stechenden Blick erwiderte.

»Sind Sie bereit, unsere Fragen ehrlich zu beantworten und mit uns zu kooperieren, Miss Lovelace?«, fragte der kleinere Mann und betrachtete sie eingehend. Glimmer nickte nervös. Was blieb ihr denn schon anderes übrig? Sie musste ihnen ein paar Antworten geben, sonst würde sie hier noch versauern. Die Befragung ließ nicht lange auf sich warten. Binnen weniger Minuten hatte der kleine Mann ein schwarzes Aufnahmegerät
vor ihr auf den Tisch gestellt und einen roten Knopf gedrückt. Augenblicke später
begann Thor das Verhör, indem er die ängstliche Glimmer mit stählerner Stimme fragte:

»Wussten Sie von diesem Ring?«

Sie schüttelte den Kopf. »N-n-nein«, stammelte sie verunsichert, darum bemüht, nicht die Fassung zu verlieren. Die beiden sahen sie noch immer mit hochgezogenen Augenbrauen an und warteten. Glimmer seufzte. Sie musste wohl etwas genauer werden.

»Meine Mutter hat mir nichts hinterlassen ... bis auf diesen Ring, der zusammen mit
ihrer Leiche nach Hause geschickt wurde. In ihrem Abschiedsbrief an mich - welchen
sie für den Fall hinterlegt hatte, dass sie ... dass sie ...« Der Atem des jungen Mädchens
stockte und eine einzelne Träne rann seine Wange hinunter. In den braunen Augen
des rechten Friedenswächters, dessen Name Glimmer schon wieder vergessen hatte, glaubte sie eine Spur von Mitleid zu erkennen; Thors Blick dagegen war kalt wie Eis.

Vage fragte Glimmer sich, ob er denn überhaupt dazu fähig war, irgendetwas anderes als beherrschte Kühle oder berechnende Kontrolle zu empfinden. Da saß vor ihm ein
völlig aufgelöstes Mädchen, was den Tränen nahe war, und er sah sie noch immer an, als wäre sie eine gemeine Verbrecherin und hätte diesen Ring mit voller Absicht getragen.

Es war schlichtweg beängstigend.

»Ich mache hier meinen Job, Miss Lovelace«, erwiderte Thor und sah sie streng an.

Glimmer erschrak. Woher hatte er gewusst, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war? »Es war einfach sehr offensichtlich«, antworte er, schon wieder auf ihre Gedanken hin. »Also dann, weiter im Text«, befahl der andere Friedenswächter, dem jetzt offenbar die Geduld fehlte, und sah sie auffordernd an. Glimmer warf ihm einen vernichtenden Blick zu, traute sich jedoch nicht, sich ihm zu widersetzen. »In ihrem Brief erzählte
mir meine Mutter, dass sie wünschte, dass ihre Geschichte anders ausgegangen wäre ...
doch sie schrieb auch, dass sie ... dass sie nicht bereute, was sie getan hatte. Sie sagte ...«

Glimmer brach ab, weil sie nun doch mit den Tränen zu kämpfen hatte.

»Sie sagte, dass sie mich über alles liebe, und dass der Ring ein Andenken wäre ... an sie. Dass ich mich so besser an meine Mutter erinnern würde. Ich war am Boden zerstört, befolgte jedoch ihren Wunsch und steckte den Ring an. Seitdem ... seit heute ... habe
ich ihn nie abgelegt. Ich dachte, das wäre ich meiner Mutter schuldig.« Sie stockte.
Thor betrachtete sie prüfend. Natürlich hatte ihn ihre Erzählung nicht zu Tränen gerührt, doch das hatte Glimmer weder erwartet, noch gehofft. »Sie wussten also nicht, dass der Ring eine unerlaubte Waffe ist?«, fragte er sie und purer Argwohn lag in seiner Stimme.

Er glaubte ihr immer noch nicht.

Glimmer, die langsam die Nase voll von den ganzen Spielchen und Fragen hatte, sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Das sagte ich doch bereits! Und zwar bestimmt schon drei Mal! Was ist das hier, ein Verhör? Hören Sie, ich habe nichts Unrechtes getan, und Sie können mich mal!«, fuhr sie Thor wütend an, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte. Die Augen beider Wächter funkelten vor Ärger. »Ja, Miss Lovelace, das ist ein Verhör - ich dachte, wenigstens dieser Tatsache wären Sie sich bewusst, wenn
Sie es denn schon wagen, uns so schamlos zu belügen, und jetzt auch noch frech anzublaffen.« Glimmer schluckte und wollte zu einer wütenden Erwiderung ansetzen, doch Thor ließ ihr keine Zeit dazu. »Nun, Miss Lovelace, vielleicht merken Sie jetzt endlich, dass Sie hier weitaus mehr tun müssen, als mit Ihren außerordentlich hübschen Augen zu klimpern, um uns zu überzeugen, Sie gehen zu lassen.« Glimmer erstarrte.

Erneut durchfuhr sie eine brennende Wut darüber, dass die Leute sie - wie immer - nur auf ihr Aussehen reduzieren mussten. »Ich kann weitaus mehr, als andere mit meiner Schönheit und meinem Charme zu bezirzen!«, fauchte sie und verschränkte
gekränkt die Arme vor der Brust. Thor legte den Kopf schief. »Nun, bis jetzt betrachte ich sie als nicht besonders gefährlich, Miss Lovelace.« Glimmer lächelte schmal. »Nun, Sie sind sich aber durchaus bewusst, dass ich während unseres ganzen Gespräches nicht im Geringsten versucht habe, Ihnen zu schmeicheln, oder?«, fragte sie trocken und zog eine Braue nach oben. Für einen kurzen Moment erschien es ihr fast so, als würde Thor ihre Bemerkung amüsieren, doch dann räusperte er sich vernehmlich und jedes Fünkchen Belustigung verschwand aus seinem Gesicht, bis es nur noch einer abweisenden, eiskalten Maske glich. Glimmer seufzte laut. Schade. Da hatte sie doch gerade noch geglaubt, er würde doch Sinn für Humor haben ... »Und Sie sind sich durchaus der Tatsache bewusst, dass, wenn ich herausfinde, dass Sie lügen, was diesen Ring betrifft, wir in der Lage sind, ihre komplette Familie in nur einer einzigen Nacht auszulöschen?«

Glimmer verdrehte die Augen, was in Anbetracht der kaum verhohlenen Drohung, die Thor soeben ausgesprochen hatte, durchaus unklug war, und zuckte mit den Achseln, bevor sie unruhig in ihrem Stuhl herumrutschte. »Vielleicht ... vielleicht wäre das ja ... besser so«, flüsterte sie kaum hörbar und nun lag nichts als reiner Schmerz in ihrer Stimme. Beide Friedenswächter sahen sie ungläubig an. »Wie bitte?«, fragte der
kleine, der wie Glimmer jetzt wieder einfiel, Thybalt hieß, und kniff misstrauisch die Augen zusammen. Er dachte wohl, sie würde ihn frech an der Nase herumführen oder so.

Tja, sein Pech, denn Glimmer hatte jedes Wort bitterernst gemeint.

»Mein Vater ... Nun, seit dem Tod meiner Mom ist er fast nie zu Hause, und wenn doch, dann ist er so dicht, dass man ihn nicht ansprechen darf. Meine kleine Schwester ist drogensüchtig und selbstmordgefährdet. Und wen kümmert das jetzt bitte noch? Niemanden, denn ... nun sind sie ganz allein, und ich denke, lange werden sie es nicht aushalten. Ich bin nicht mehr da, um dafür zu sorgen, dass der Haushalt einigermaßen läuft, oder dass ... dass ... dass Geld da ist, und ... nun, vielleicht wäre es wirklich besser, sie von ihrem Elend zu erlösen.« Glimmer hatte sich so dermaßen in Rage geredet, dass beide Friedenswächter sie nun doch mit einem leichten Anflug von Mitleid ansahen.

Während Thor jedoch schwieg, hakte Thybalt, der einfach nicht still sein wollte, noch einmal nach: »Und Sie würden wirklich beide ahnungslos dem Tode überlassen?
Ist Mord also die Lösung für all Ihre Probleme?« Glimmer schluckte, und dachte lange über seine Worte nach. »Wenn ich ehrlich sein soll - die beiden kriegen sowieso
nicht mehr wirklich viel vom Leben mit. Zuerst war es noch okay, sie waren noch okay - doch drei Jahre nach ihrem Tod, da - da war plötzlich nicht mehr alles okay. Ich musste - Ich meine, wie ich schon sagte - man sollte sie erlösen, denn seit sechs Jahren sind sie beide nicht mehr ganz richtig im Kopf.« Harte Worte, das wusste Glimmer, nichts
destotrotz war es die bittere Wahrheit. Als sie jedoch noch immer Thybalts argwöhnische Miene sah, seufzte sie genervt auf. »Aber richtig, ich hab vergessen, dass Sie beide
das sowieso nicht verstehen, weil ihr Leben verdammt nochmal perfekt ist, nicht wahr?«

Thybalt sah aus, als hätte man ihm gerade mitten ins Gesicht gespuckt, Thor jedoch blickte sie mit einer Mischung aus Wut und ... Verständnis an. Doch vielleicht
bildete sie sich Letzteres auch nur ein, denn sonst war er ja auch zu keiner positiven Reaktion ihr gegenüber fähig gewesen. Doch seine nächsten Worte änderten ihre Meinung über ihn wenigstens ein winziges Bisschen. »Ich kann verstehen, warum
Sie sich das wünschen, denn ich selbst war auch einmal in einer solchen Situation.
Als diese eskalierte ... war ich gezwungen meinen eigenen Vater zu töten«, meinte Thor geistesabwesend und Glimmer sah ihn daraufhin verwundert an. Wieder einmal hatte
sie den Fehler begangen, anzunehmen, dass andere Menschen keinerlei Probleme hatten, und sie die Einzige war, der das Schicksal übel mitgespielt hatte - Was natürlich Schwachsinn war; fast keiner hatte das Glück, ein perfektes Leben führen zu können.

In Thors Augen meinte sie auf einmal so etwas wie Schmerz zu erkennen, doch noch bevor sie sich dessen sicher sein konnte, hatte er sich bereits wieder zusammen
gerissen und hastig den Blick von ihr abgewandt. »Nun, zurück zu unserem Problem,
was wir mit Ihnen haben - Sie sagten, Sie wüssten nichts von dem Ring. Demnach
hatten Sie also auch nicht vor, jemanden damit zu verletzten?«, fragte Thor, der so
gleich wieder zur Sache kam und Glimmer nachdenklich musterte, wenn auch nicht mit ganz so strengem Blick wie zuvor. Glimmer schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein.«

Beide Friedenswächter schauten sich unschlüssig an. »Thor, wir müssen uns absolut sicher sein, dass sie -«, setzte Thybalt an, doch Thor unterbrach ihn sogleich ruppig.

»Das weiß ich, Thybalt. Und keine Sorge, wir werden schon sehen, ob sie lügt ... denn
die meisten Menschen geben bei Schmerz automatisch die Wahrheit preis.« Es gefiel
ihm ganz offensichtlich nicht, dass sein Kollege vor Glimmer seine Stellung anzweifelte.

Glimmer dagegen hatte ganz andere Sorgen. Schmerz?

Wollte er sie etwa foltern? War das überhaupt legal?

»Ich schwöre, ich wusste nichts -«, begann Glimmer verängstigt, doch noch bevor sie ihren Satz beenden konnte, hatte Thor ihr rechtes Handgelenk ergriffen und es flach auf den Tisch gedrückt. Glimmer keuchte vor Schmerz, als er es leicht herumdrehte, während sie wütend die Zähne zusammenbiss. Sie wollte sich ganz gewiss nicht vor ihm erniedrigen, indem sie nun schrie - oder noch schlimmer - weinte. Sie würde das durchstehen - diese kleine Androhung von Folter war bei Weitem nicht das Schlimmste, was sie in ihrem Leben schon hatte durchstehen müssen. Sie war Schmerz gewohnt.

Sowohl den körperlichen Schmerz, als auch den seelischen.

Das hier war gar nichts.

»Jetzt hören Sie mir mal zu, Miss Lovelace. Ich möchte jetzt eine klare Antwort, also frage ich Sie ein allerletztes Mal: Wussten Sie, dass der Ring eine unerlaubte Waffe ist? Ja
oder Nein?« Glimmer schluckte. Thor presste ihr Handgelenk so fest auf den Tisch, dass ihr vor Schmerz Tränen in die Augen schossen, doch noch immer befahl sie sich eisern, keine Schwäche zu zeigen. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

»Ich ... Nein. Nein, ich wusste nichts von dem Ring. Bitte, Sie müssen mir glauben,
ich ...«, stammelte Glimmer aufgelöst, während eine einzelne Träne über ihre Wange lief.

Doch sie wischte sie nicht weg, da sie ihre Hände nicht bewegen konnte.

Thor starrte sie eindringlich an und Glimmer erwiderte seinen Blick genauso fest, während sie innerlich jedoch vor Angst zitterte. Was, wenn er ihr nicht glaubte? Was würde er dann mit ihr anstellen, um sie zum Reden zu bringen? »Einverstanden. Ich glaube Ihnen«, murmelte Thor leise und gab seufzend ihr Handgelenk frei. Sogleich durchfuhr sie ein glühender Schmerz, als das Blut wieder zurück in ihre Adern floss.

Glimmer schluchzte unterdrückt auf, weil die Last und der Schmerz nun doch über ihr zusammenbrachen. Thor betrachtete sie, und seine Miene wurde weicher, als er ihr vorsichtig die wenigen Tränen von den Wangen strich, die bereits aus ihren Augen hervor gequollen waren. Entgeistert schnappte Glimmer nach Luft. Für einen winzigen Augenblick war es ihr egal, dass er ihr gerade wehgetan hatte. Für einen winzigen Augenblick wollte sie nur, dass er sie weiterhin mit dieser Mischung aus Bewunderung ... und Verlangen ansah. Und da war etwas in ihrer Vergangenheit, etwas, dass sie vergessen sollte, etwas, dass sie vergessen wollte ... Jemand, den sie vergessen wollte.

Thybalt betrachte sie noch immer argwöhnisch. »Thor, bist du dir sicher? Vielleicht solltest du es mich auf meine Art erledigen lassen«, meinte er und grinste schmierig. Glimmer schüttelte sich angeekelt. Thor warf seinem Kollegen einen wütenden Blick
zu und entfernte sich merklich von ihr, während er entschlossen den Kopf schüttelte.

»Nein, ich denke wirklich, sie weiß nichts.«

Thybalt zog ein enttäuschtes Gesicht. »Ich werde sie jedenfalls nicht aus dieser Tür
gehen lassen«, meinte er und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Sein Ver -
halten erinnerte Glimmer an das eines kleinen Kindes, was seinen Willen nicht bekam.

»Ich sagte, sie geht - und du hast bei meinen Entscheidungen nichts zu melden, kapiert, Thybalt?«, meinte Thor so leise, dass Glimmer unwillkürlich den Kopf einzog - auch, wenn sich seine Wut nun nicht mehr gegen sie richtete. Wäre sie jedoch an
Thybalts Stelle gewesen ... Dann hätte sie sich jetzt nicht einmal mehr im Traum getraut, Thor zu widersprochen. Doch Thybalt war offensichtlich entweder total beschränkt - oder aber, besonders stur, denn er wollte einfach keine Ruhe geben. »Aber, Thor ...« Blitzschnell drehte Thor sich um und packte den anderen Friedenswächter grob am Arm.

»Hast du schon vergessen, wer ich bin, Thybalt?«

Der Angesprochene schluckte schwer, und blanke Angst spiegelte sich auf seinen Zügen wieder. »N-N-Nein ... Du bist immer noch der oberste Friedenswächter von ganz Panem.«

Thor nickte. »Schön gesagt, mein Freund. Und diese Tatsache - dass ich durchaus in der Lage bin zu beurteilen, ob dieses Mädchen etwas weiß oder nicht - sollte dir besser überdeutlich bewusst sein, verstanden? Solltest du es je vergessen, dann werde ich dir gern ein wenig auf die Sprünge helfen, kapiert, Thybalt, alter Freund?« Unüberhörbarer Hohn lag in seiner Stimme, als er von seinem Kollegen abließ, und eben jenen grob gegen die Wand schleuderte. Dann wandte er sich Glimmer zu, die noch immer stocksteif und zitternd auf ihren Stuhl saß. »Du kannst gehen«, murmelte er ihr leise zu, und marschierte energisch zur Tür, um sie ihr aufzuhalten. Glimmer nickte und stand dann langsam und verunsichert von ihrem Stuhl auf. Als Thor die zitternde junge Frau sah, die sich ihm vorsichtig näherte, immer darauf bedacht, ihm nicht ins Gesicht zu sehen, wurde sein Gesicht eine Spur sanfter. »Es ... tut mir leid, wegen deines Armes. Wäre es nach mir gegangen, hättest du diesen Schmerz nicht ertragen müssen«, sagte er kaum hörbar und sah sie ein wenig zerknirscht an. Glimmer brachte zu ihrer Überraschung sowas wie ein schwaches Lächeln zustande, während ihre Haltung aufrechter wurde.

»Schon okay.«

Thor nickte ihr zu und öffnete dann weit die Tür. »Ich habe einigen Friedenswächtern den Befehl gegeben, dich in dein Zimmer zurückzuführen. Sie warten beim Fahrstuhl. Es wäre nicht sonderlich klug, jetzt noch beim Training aufzutauchen; es würde nur unnötige Fragen aufwerfen. Und wenn dich jemand nach diesem Gespräch hier fragt - dann wirst du antworten, dass etwas mit deinen Daten nicht übereingestimmt hat, verstanden?«

Glimmer nickte schnell und drängte sich dann an ihm vorbei in den Flur. Auf halber Schwelle drehte sie sich jedoch noch einmal um und sah von Thybalt, der noch immer mit aschfahlem Gesicht gegen die Wand gesunken war, zu Thor, der ihr mit unergründ -
licher Miene die Tür aufhielt. »D-D-Danke«, brachte sie an ihn gewandt hervor. Er sah sie daraufhin überrascht an, doch noch bevor er etwas erwidern konnte, hatte Glimmer
sich umgedreht und ihren Weg zum Fahrstuhl angetreten. Thor starrte ihr nachdenklich hinterher, während Thybalts schwaches Wimmern den Raum hinter ihm erfüllte.

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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Die Widmung dieses Kapitels geht an
Revolutionspoet. Danke, für all Deine Votes und Gedanken zu
meiner Geschichte. Ich hoffe sehr, dass Dir auch dieses Kapitel zusagt.

Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Das oben zu sehende Bild zeigt den
Friedenswächter Tʜᴏʀ, welcher von Rɪᴄʜᴀʀᴅ Aʀᴍɪᴛᴀɢᴇ verkörpert wird.

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