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♯Cнαpтer 19 ~ See Yoυ Jυѕт Tнe Wαy Yoυ Reαlly Are.

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

So, nach drei Wochen geht es hier wie versprochen mit Kapitel Nummer Neunzehn weiter. Wie immer hoffe ich natürlich, dass es Euch gefällt. Kommentare sind natürlich auch gern gesehen. Gute Neuigkeiten außerdem: Meine Festplatte ist wieder da und alle Geschichten, Videos und Bilder, die darauf enthalten waren, wurden wiederhergestellt.

Ich bin ja so erleichtert! Wie jedes Mal gilt mein Dank allen, die mich seit dem letzten Kapitel unterstützt haben - das wären vor allem shilaxxD, Melina_1000, BlackGirlNumber1 und JoanaJawia! Außerdem danke ich wie immer allen, die für diese Geschichte gevotet haben! Nun aber wünsche ich Euch mal wieder ganz herzlich:

Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3

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♯Cнαpтer 19 ~ See Yoυ Jυѕт Tнe Wαy Yoυ Reαlly Are.

»You don't see it, do you?« »See what?«
»All the boys who can't take their eyes of you.«

»Marvel! Was fällt dir eigentlich ein? Du hast mich zu Tode erschreckt!«, kreischte ich panisch und legte die Hand auf mein wild pochendes Herz. Marvel, der sich unter meinem vorwurfsvollen Blick sichtlich wand, fuhr sich verlegen durch die kurzen Haare.

Er hatte sich inzwischen ein zerknittertes, rotes Hemd und eine alte blaue Jeans übergezogen. Seine Augen blickten verschwommen und leicht glasig in meine, was mich zu dem Schluss kommen ließ, dass er entweder betrunken - so ein Mist - oder aber einfach nur müde war. Ich persönlich hoffte eher auf Letzteres, da ich keine Ahnung hatte, wie ich einen betrunkenen Marvel aus meinem Zimmer herausschaffen sollte.

Und wenn er plötzlich auch noch augenrollend zusammenbrach, oder aber wie wild anfing zu sabbern, war das das Tüpfelchen auf dem verkackten I meiner »guten« Laune.

»Weissst du ... äh ... Also, ich wollt' dich ja gar nich' so erschrecken, aber ... naja ... ich hab heute nich' ganz so'n guten Gleichgewichtssinn, wenn du verstehst ...«, nuschelte er zusammenhangslos und zuckte irgendwie unbeholfen mit den schlaksigen Schultern.

Ich schloss kurz die Augen.

Er war betrunken.

So eine Scheiße, aber auch.

Warum war eigentlich alles, was mir passierte, immer ein totaler Griff ins Klo?

Wo blieb hier die Gerechtigkeit, verdammt nochmal?

»Aha ... oh, alles klar«, meinte ich vorsichtig, und sparte mir die Vorwürfe bezüglich des Einbruchs in mein Zimmer - und, nicht zu vergessen, in meine Privatsphäre - die mir bereits auf der Zunge lagen, da ich ihn ja nicht noch zusätzlich aufregen wollte. Man wusste schließlich nie, wann Betrunkene die Kontrolle über sich verloren. Das kannte ich nämlich schon zu Genüge von meinem alkoholsüchtigen, aufbrausenden Vater.

»Schön ... Also, da wir das geklärt hätten ... Warum bist du gleich nochmal hier?«, stammelte ich verwirrt und verfluchte mich im Stillen selbst für meine Tollpatschigkeit.

Warum verdammt nochmal stotterte ich?

Ich hörte mich ja an, als wäre ich selbst auch betrunken!

»Na ja ... Okay, also, ich brauche deine Hilfe bei dieser Abendveranstaltung ...«, antwortete Marvel verlegen und setzte sich - ohne, dass ich ihn dazu aufgefordert hätte - auf mein Bett, wobei er mich nachdenklich musterte. Was mir mit der Zeit wirklich total unangenehm war. Und das musste man auch gesehen haben, denn zu meinem großen Schrecken bemerkte ich plötzlich, wie heiß mein Gesicht sich auf einmal anfühlte, und dass ich inzwischen wohl knallrot angelaufen war. Ich war gelinde gesagt entsetzt.

Wieso zum Teufel hatte ein eindringlicher Blickkontakt mit Marvel, in dem ich nichts mehr als einen Freund sah, plötzlich so eine  Wirkung auf mich? Verdammt, und er dachte sicher, ich würde ...  Diesen Gedankengang ließ ich mal lieber ungedacht.

Würde Marvel mich jetzt etwa um meine Begleitung bitten? Und was würde das dann bedeuten? Im Stillen verfluchte ich mich dafür, dass ich so wenig Erfahrung mit Jungs - und Dates - im Allgemeinen hatte. Bei Cato und mir ... Tja, da war es irgendwie ... anders. Bei ihm hatte ich nie das Gefühl ein pubertierender kindlicher Teenager zu sein.

Mit Marvel - Ja, schon, irgendwie.

»Achso ... Ja, da geh ich heute auch hin ...«, meinte ich verlegen und setzte mich steif neben ihn aufs Bett. Marvel sah überrascht auf. »Warte, was - Du auch? Oh nein ...«

Ich hob verblüfft eine Augenbraue. »Wieso ›Oh nein‹? Ist das etwa ein Problem für dich?«, hakte ich beleidigt nach und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Ich, und ein pubertierender Teenager? Oh nein, gar nicht. Marvel seufzte bedrückt. »Nein, nur wenn ich das gewusst hätte ... dann hätte ich wohl lieber dich gefragt, und nicht sie ...«

Meine Brauen wanderten in ungeahnte Höhen.

»Ähm, wer ist ›sie‹? Glimmer?«

Marvel lächelte leise. »Nee, nich' Glimmer. Kalia. Ich hab versprochen, sie zu begleiten, aber das wollt' ich ja eigentlich nich', sie hat mich da einfach überrumpelt ...«

Ich blickte ihn nun eindeutig verwirrt an. »Wer ist denn Kalia?«, fragte ich erstaunt und versuchte verzweifelt Namen und Gesichter miteinander in Verbindung zu setzen.

Es gelang mir nicht, und nach ein paar Sekunden wusste ich immer noch nicht, wer diese Kalia war. Zum Glück half mir Marvel auf die Sprünge. »Das ist die aus Distrikt drei. Das braunhaarige Mädchen.« Das braunhaarige Mädchen?  Welches ... Achso. Plötzlich erinnerte ich mich wieder. Kalia war der erste Tribut gewesen, den ich hier gesehen hatte.

Sie war die Brünette aus Distrikt drei, die ich zusammen mit dem tollpatschigen Jungen am Bahnhof gesehen, und über den Cato sich so köstlich amüsiert hatte. »Ach, das Mädchen mit dem traurigen Blick? Die immer so ... ähm ... so teilnahmslos aussieht?«

Marvel nickte nur unglücklich und meinte dann: »Mhhm. Genau die.«

Ich lachte kurz auf, und plötzlich schien meine anfängliche Verlegenheit wie weggeblasen. »Oh, man, jetzt bemitleide ich dich wirklich. Ich will ja nicht gemein sein, aber ehrlich - sie sieht doch aus wie 'ne Schlaftablette, oder? Wie kommt's, dass du dich mit der verabredet hast?« Marvel vergrub verzweifelt den Kopf in den Händen.

»Ich war so ... so aufgebracht, dass wir bei der Parade keine allzu gute Vorstellung hingelegt hatten. Und da standen in unserem Wohnzimmer überall diese ... Nun ja, diese langstieligen Gläser, die so bunt gefüllt sind, weißt du?« Ich nickte grinsend.

»Ich weiß. Brutus trinkt die auch immer. Und kotzt danach in die Kloschüssel.«

Marvel wirkte sichtlich beunruhigt.

»Na, danke. Jetzt weiß ich ja, was mir noch bevorsteht.«

Ich lächelte beruhigend.

»Hey, keine Sorge, um das zu tun, müsstest du wenigstens fünf davon trinken.«

Marvel sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ja. Und?»

Ich zuckte mit den Achseln. »Na ja ... Also, wie viele hast du denn getrunken?«

Nun war es Marvel, der verwirrt aussah.

»Äh, keine Ahnung, hab vergessen zu zählen ... Vielleicht sieben?«

Ich schüttelte den Kopf. »Oh. Na ja, vielleicht haben deine Mentoren ja was dagegen ...«

Marvel zuckte mit den Achseln. »Ja, vielleicht. Zuerst dachte ich, ich nehm einfach mal ein Glas, und daraus wurden dann zwei, drei, vier ... Keine Ahnung. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie viel ich überhaupt schon getrunken hab. Hey, wusstest du, dass du total schöne Augen hast? Die sind so ... so dunkel, und grün ... so geheimnisvoll«, nuschelte er und versuchte offenbar verzweifelt mein Gesicht mit seinen Händen zu erreichen, während er mir fasziniert in die Augen stierte. Ich errötete erneut und auch die verhasste Schüchternheit war plötzlich wieder da. »Ähh ... Okay, danke, nehm ich mal an ...«

Marvel grinste dümmlich und stützte sich wackelig auf meinem Bettpfosten auf. »Gut, also, ich hab dich jetzt mit meinen Problemen belastet, jetzt sag mal ... Mit wem willst du nun eigentlich zu diesem Bankett gehen?« Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung ... Irgendeine Idee?«, fragte ich, halb darauf hoffend, er könne mir weiterhelfen.

Marvel stieß nachdenklich die Luft aus. »Okay, also ... Du hast nur noch zweieinhalb Stunden Zeit, deine Begleitung zu finden. Cato ist bereits an meine Distriktpartnerin vergeben, sie hat ihn vorhin gefragt ... und Ian, das ist der andere aus Distrikt drei, geht mit der Rothaarigen aus Distrikt fünf ... Die ist auch echt süß, das sag ich dir ...«

Marvel grinste und wackelte belustigt mit den Augenbrauen.

Ich dagegen seufzte nur müde.

»Na super. Dann bleiben noch der Riese aus elf, der hässliche Freund von dem Feuermädchen - Oh, und nicht zu vergessen, der Zwölfjährige aus vier. Großartige Auswahl!«, stöhnte ich und vergrub verzweifelt den Kopf in den Händen.

Marvel berührte mich sacht an der Schulter. »Tja, man sollte zuschlagen, bevor die Guten weg sind, das ist 'ne Lebensweisheit ...«, murmelte er und ich sah ihn wütend an.

»Ja, super ... nehm ich mal an. Aber abgesehen davon - Du hilfst mir gerade überhaupt nicht! Ich will doch einfach bloß ... Hey, kann ich nicht einfach im Bett bleiben? Ich will da heute echt nicht hin ...« Marvel schüttelte grinsend den Kopf. Verdammter Mist!

»Na komm, schlimmer als bei mir kann's echt nicht mehr werden! Am besten wir gehen mal hoch, im Obergeschoss ist dieser Balkon mit den Pools, und da sind auch fast alle anderen Tribute gerade. Dann können wir dir eine Begleitung aussuchen. Na, was sagst du dazu?« Ich seufzte und erhob mich schwerfällig von meinem verlockend weichen Bett.

»Ich schätze, ich hab wohl keine andere Wahl. Aber zuerst werde ich mir etwas anderes anziehen ... Ähm, Pools hast du gesagt?« fragte ich plötzlich erschrocken und befürchtete das Schlimmste. »Ja, Pools. Wasser. Baden gehen. Im Schrank hast du doch sicher ein paar Badeanzüge, und wenn nicht, gibt's da unten auch noch welche«, bestätigte Marvel noch immer grinsend meine Befürchtung. Ich seufzte erneut, doch diesmal klang es noch qualvoller. Klasse, jetzt musste ich den Leuten da unten auch noch meinen Körper in einem hautengen Badeanzug präsentieren. Einfach toll.  Die Krönung des Tages, sozusagen. Und da dachte ich noch, es würde nicht schlimmer werden können ...

Doch all das Jammern würde mir auch nicht weiterhelfen, also riss ich mich so gut ich konnte zusammen, schnappte mir einen schlichten dunkelblauen Badeanzug mit ovalem Ausschnitt und schmaler Passform, und eilte damit ins angrenzende Badezimmer.

Wie nicht anders zu erwarten, passte der Anzug wie angegossen. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass alle Kleider aus meinem Schrank von Curran höchstpersönlich angefertigt worden waren, denn ich spürte seine unverwechselbare Präsenz in den zarten Stoffen und Mustern. Nachdem ich meine Haare aus der kunstvollen Paradefrisur gelöst hatte, und sie so bürstete, dass sie mir schlicht und einfach über die Schultern fielen, ging ich verlegen zu Marvel zurück, wobei ich es tunlichst vermied, mich in den unzähligen Spiegeln anzusehen, welche im Zimmer herumstanden oder an den Wänden hingen.

Schon als ich die Tür des Badezimmers geöffnet, und aus dem angenehm warmen Raum in das deutlich kühlere Zimmer getreten war, konnte Marvel nicht aufhören mich anzustarren. Gott, war das peinlich. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte.

»Na dann, auf geht's!«, trällerte ich, um die Situation etwas aufzulockern und warf enthusiastisch die Hände in die Höhe - bis mir bewusst wurde, dass meine Oberweite bei dieser Bewegung sicher noch besser zur Geltung kam, als ohnehin schon. Verdammt.

Marvel schüttelte den Kopf und blinzelte ein paar Mal.

»Du siehst ... Wow, du siehst umwerfend aus!«

Es schien tatsächlich so, als würden ihm die Worte fehlen.

Na klar.

Ich lachte trocken, kein bisschen geschmeichelt. »Nein, ganz sicher nicht. Aber los, lass und das endlich hinter uns bringen!«, meinte ich sichtlich genervt und zog ihn heftig am Arm, damit er mir nach oben folgte. Kurz bevor ich die Zimmertür schloss, dachte ich noch darüber nach, dass dies bestimmt ein seehr  langer Abend werden würde.


Um zum Balkon zu kommen, konnten wir nicht einfach mit dem Fahrstuhl fahren, mit dem wir zu unseren Apartments gekommen waren. Nein, stattdessen musste man ungefähr zehn Treppen um das Gebäude herumlaufen und dann noch einmal fünf Treppen nach oben, bis wir endlich am Ziel angekommen waren. Meine Laune war dagegen so was von im Keller. Ich schwitzte wie verrückt, da der gute Marvel ein Tempo drauf hatte, das mich angesichts seiner schmalen Statur echt stutzig gemacht hatte, und pfiff, wie man so schön sagte, aus dem allerletzten Loch. Fünfzehn Treppen in gerade mal zwei Minuten. Jup, ich war wirklich total erledigt. Und hatte Schiss. Ich hatte nämlich überhaupt keine Lust, so verschwitzt und außer Atem den anderen Tributen zu begegnen. Verdammt, eigentlich wollte ich ihnen überhaupt niemals  begegnen.

Aber das war natürlich vollkommen ausgeschlossen. Und zu meinem Zimmer konnte ich jetzt auch nicht mehr flüchten - wir befanden uns immerhin auf der gegenüberliegenden Seite des Trainingscenters. Den überall hängenden Ausschilderungen zufolge befanden sich auf dieser Etage offenbar auch noch eine Bowlingbahn, ein Spa und ein kleines Café.

»Bereit?«, fragte Marvel mich nun, da wir vor einer riesigen Glastür angehalten hatten und blickte mich auffordernd an. »So was von überhaupt nicht«, grinste ich schwach, riss mich dann jedoch zusammen und nickte schicksalsergeben. »Okay, bereit. Bringen wir's hinter uns«, meinte ich mit dem optimistischsten Tonfall, den ich aufbringen konnte, und trat, kaum das Marvel die schwere Tür geöffnet hatte, zögernd auf den Balkon hinaus.

Dort angekommen, staunte ich erst mal nicht schlecht.

Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und der hell marmorierte Boden des Balkons, der sich beinahe endlos vor mir erstreckte, wurde von Lampen beleuchtet, die direkt in den Steinfliesen eingelassen worden waren. Neben mir befand sich ein sorgsam angelegtes Wasserarrangement, was sich weiter hinten in einem stattlichen Pool verlief.

Die Sterne über uns bildeten eine schützende Kuppel und der Mond thronte stolz am beinahe schwarzen Himmel. Tausend helle Lichter und Fackeln verschiedenster Farben erhellten unsere Umgebung und sorgten für eine irisierende, fantastische Atmosphäre.

Es war einfach nur atemberaubend.

Überwältigend. Magisch.

Marvel hatte außerdem nicht zu viel versprochen, was die ganzen Pools anging.

Es gab abwechselnd tiefe und flache Schwimmbecken, die ebenfalls seitlich, und auch am Boden beleuchtet wurden. Ein Pool weiter links von mir hatte Lampen in so vielen verschiedenen Farben, dass das darin enthaltene Wasser alles in allem wie ein einziger chaotischer Farbmix wirkte. Darüber hinaus, gab es luxuriöse beigefarbene Liegen mit Goldverzierungen, auf denen man des Nachts die Sterne betrachten, oder sich tagsüber von der Sonne bräunen lassen konnte. Und auch für die Erfrischungen wurde gesorgt.

Links von mir, befand sich eine bunt angestrahlte Minibar, an der die berüchtigten langstieligen Gläser mit den farbenfrohen Flüssigkeiten, sowie kleinere Cocktails von zwei Avoxen in Kellneruniform serviert wurden. Einfach überall, sowohl auf den mit Eis gefüllten Flächen neben den Whirlpools, als auch am Rande der Schwimmbecken, standen gekühlte Glaser mit Sekt und Fruchtsaft. Üppige Obstteller gefüllt mit Melonen und Trauben befanden sich gleich daneben. Für einen kurzen Augenblick war ich schlicht und einfach überwältigt von all den verschiedenen Attraktionen, die sich mir hier boten.

Das hier war schlicht und einfach fantastisch.

Noch nie in meinem Leben hatte ich solchen Luxus erblicken dürfen.

Vorhin hatte ich noch gedacht, mir würde die Eleganz meines Zimmers nichts bedeuten.

Denn was war dies schon im Vergleich zu Liebe und Vertrauen?

Tja, als ich wenige Augenblicke später Cato und Glimmer kichernd in einem der heißen Whirlpools sitzen sah, überdachte ich meine Meinung diesbezüglich noch einmal. Denn wenn ich ihn schon in der Öffentlichkeit mit einer anderen sehen musste, dann war es jetzt wohl das Beste, alles von diesem Luxus auszukosten, was ich bekommen konnte.

Gesagt, getan.

Mit Marvel im Schlepptau, der von meinem plötzlichen Stimmungsumschwung genauso überrascht zu sein schien, wie ich selbst, machte ich mich auf den Weg zur Minibar.

»Ähm, ich hätte gern zwei von denen, bitte«, sagte ich zu einem der Avoxe hinter der Theke und zeigte wahllos auf einen der prächtig ausgestellten Cocktails direkt neben mir.

Marvel tippte mir zögernd auf die Schulter. »Sicher, dass du-«

»Ja«, unterbrach ich ihn, noch immer wütend und enttäuscht von Catos Verhalten.

»Ich bin hier, weil irgendein dummer Zettel beschlossen hat, mein Leben zu  zerstören. Also, bevor ich sterbe, werde ich mich amüsieren. Wie sagt man so schön - man muss mitnehmen, was man kriegen kann«, antwortete ich frech und zwinkerte ihm zu.

Gott, ich war echt ein wandelndes Sprüchelexikon.

Ein kleiner Teil von mir war überrascht, von meiner plötzlichen Ausgelassenheit.

Scheiß drauf, dachte ich grimmig, und stürzte, kaum, dass der Avox mir meinen blutroten Cocktail serviert hatte, jenen auch sofort hinunter. »Jetzt den blauen dort«, verlangte ich, während Marvel mich mit großen Augen ansah. »Was?«, fragte ich verwirrt, während ich mir hungrig eine ganzen Mangospieß samt prächtiger Weintraubendekoration gönnte.

Marvel lachte bloß.

»Unglaublich. Mit dir kann man ja richtig Spaß haben, Clove Kentwell! Doch nicht so 'ne Unschuld vom Lande, wie ich dachte. Gut zu wissen«, meinte er grinsend und zwinkerte mir amüsiert zu. »Also dann«, sagte er, als mein zweiter Cocktail kam - tiefblau, wie das Wasser der vielen Pools, garniert mit einem ausgefallenen quietschgrünen Fähnchen.

»Ich hab diesen zauberhaften Mädels dort hinten versprochen, ich würde später noch mal vorbeikommen. Und ein Marvel Chanterburry ist dafür bekannt, seine Versprechen immer zu halten. Also, dann - Wir sehen uns, Clove«, verabschiedete er sich, nahm seinen Cocktail, und eilte zügig auf einen der Whirlpools zu, in dem sich fünf kichernde Mädchen aus mir unbekannten Distrikten tummelten, die noch lauter kicherten, als sie Marvel auf sich zu kommen sahen. Ich verdrehte belustigt die Augen, als jener über die Schulter hinweg zu mir zurückblickte und sichtlich begeistert mit den Augenbrauen wackelte.

Während ich meinen Cocktail trank, und mich am Obstbuffet bediente, musste ich wohl oder übel feststellen, dass anscheinend nicht nur ich diesen Ort wunderschön fand.

Nein, mehr als die Hälfte der vierundzwanzig Tribute trieben sich hier herum, genossen die laue Abendluft und die ruhige, sternenübersäte Nacht. Fast alle standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich lachend. Jedoch konnte ich auch ein paar Außenseiter wahrnehmen. Das blonde Mädchen aus Distrikt sieben zum Beispiel, lehnte scheinbar nachlässig am Tresen, direkt neben einer Gruppe Tribute. Sein Blick schweifte immer wieder zu ihnen hinüber und man konnte förmlich zusehen, wie sich seine Ohren spitzten, als es versuchte, jeden noch so kleinen Gesprächsfetzen aufzuschnappen.

Ich lächelte schmal.

Dann war da noch Finch, die kleine Rothaarige aus Distrikt fünf. Sie lag auf einer der luxuriösen Liegen und gab vor, ein Magazin zu lesen, während sie in Wirklichkeit den ganzen Bereich zu scannen schien. Erneut huschte ein Lächeln über meine Lippen.

Ja, nicht alle waren hier, weil sie sich amüsieren wollten. Ich wettete, manche von ihnen taten sich nur mit den anderen zusammen, um sie dann gekonnt auszuhorchen. Wäre ich nicht mit meinem Cocktail beschäftigt gewesen, hätte ich vielleicht dasselbe getan.

Plötzlich begann mein Rücken unangenehm zu kribbeln, und ich spürte, dass mich soeben jemand beobachtete. Als ich wenig später nach einer Weintraube griff, und möglichst unauffällig meine Umgebung absuchte, bemerkte ich auch wer: Peeta Mellark, der Mittribut von Everdeen. Ich kniff wütend die Augenbrauen zusammen.

Was bildete der sich eigentlich ein, hier aufzutauchen?  Als ob die anderen Tribute ihn nicht für das hassten, was heute Abend bei der Parade passiert war. Sicher waren die genauso gut auf ihn zu sprechen wie ich. Also gar nicht. Komisch war nur, dass es keinen zu stören schien, dass Everdeens Freund hier war. Nein, der Junge, mit dem er sich soeben unterhielt, klopfte ihm nun sogar lachend auf die Schulter. Ich knirschte mit den Zähnen. Unglaublich! Hatte er sie alle einer Gehirnwäsche unterzogen, oder was?

Ein kleiner Lichtblick war immerhin, dass Everdeen höchstpersönlich noch nicht aufgetaucht war. Kluges Mädchen, dachte ich verkniffen lächelnd. Sich nicht blicken zu lassen, wo doch mindestens die Hälfte der Tribute gern ein Messer in ihrem Herzen gesehen hätten. Tja, anderseits hatte ich das gleiche auch bezüglich Peeta Mellark gedacht. Wie man sich doch täuschen konnte. Peeta lächelte mir nun kurz zu, doch als er sah, wie ich ihn mit meinen Blicken förmlich durchbohrte, verschwand sein Lächeln, und er ging scheinbar hastig auf eins der flacheren Schwimmbecken zu. Ein kleiner roter Gurt um seinen Bauch zeigte, dass er offenbar nicht gut, oder gar nicht schwimmen konnte.

Ich beobachtete verstohlen, wie sich Peeta Mellark langsam in das kinnhohe Wasser gleiten ließ, und sich zögerlich am Rand des Beckens entlangtastete, bis er eine kleine Erhöhung gefunden hatte, auf der man sich hinsetzen und ein wenig entspannen konnte.

Der Junge aus Distrikt drei - Ian, war glaube ich sein Name - hatte sich schon eine Weile auf dieser Erhöhung ausgeruht und hob kaum den Blick, als Peeta sich zögernd neben ihn fallen ließ, und sich an die Beckenwand lehnte. Ich dagegen realisierte gar nicht, dass ich ihn immer noch anstarrte. Erst, als Peeta langsam den Kopf hob, jenen nach rechts drehte, und mir misstrauisch in die Augen blickte, wurde es mir klar, und ich starrte wütend zurück. Nicht mal im Traum dachte ich daran, mich jetzt von seinem intensiven Blickduell verunsichern zu lassen. Nach ein paar Minuten verwandelte sich Mellarks misstrauische Miene jedoch in ein aufgeschlossenes, irgendwie verschwörerisches Lächeln, was mich dann wirklich total  entsetzte. Warum bitte lächelte er mir zu?

Ich war mir hundertprozentig sicher, dass der Blick mit dem ich ihn gerade bedacht hatte, alles andere als sonderlich freundlich gewesen war ... Und trotzdem lächelte der Junge aus Distrikt zwölf mich an, als hätte ich es ihm gerade gleichgetan. Nach wenigen Sekunden war mir das dann jedoch gleichermaßen unangenehm wie peinlich und ich schenkte ihm einen genervten Blick, während ich mich langsam von ihm wegdrehte.

Dabei schnaubte ich möglichst verächtlich.

Es war beinahe schon lächerlich, dass er mich tatsächlich nett finden könnte.

Ich meine, ganz ehrlich - niemand, dem ich begegne, findet mich nett. Nein, viel eher bin ich bekannt dafür, eine furchtbar launische, zu Gewaltexzessen neigende Zicke zu sein.

Na ja, manchmal jedenfalls.

Okay, öfter.

Vielleicht auch immer.

Keine Ahnung.

Mich verwirrte die ganze Situation hier sowieso ungemein. Zuerst hatte ich noch geglaubt, die anderen Tribute würden sich hier gegenseitig ausspionieren, aber ich bildete mir nun mal ein, eine zu gute Menschenkennerin zu sein, um weiterhin an diese Theorie zu glauben. Denn das hier - das war total anders, als alles, was ich je gesehen hatte. Diese Kinder spionierten nicht. Nein, sie lachten, sie kicherten und sie erzählten.

Und sie taten dies ohne Hintergedanken.

Auf den meisten Gesichtern spiegelte sich Aufregung und Belustigung, nicht etwa Hinterlist und Argwohn. So etwa Ian, der nun angeregt mit Peeta plauderte, oder Marvel, der sich kichernd mit den Mädchen im Whirlpool unterhielt, welche sich lachend um ihn gescharrt hatten. Sie alle wirkten, als hätten sie die Hungerspiele längst vergessen.

Ich schüttelte den Kopf.

Hatten sie etwa auch vergessen, dass sie in wenigen Tagen sterben könnten?

Dass schlussendlich nur einer von uns vierundzwanzig überleben würde? Hatten sie alle bereits vergessen, dass sie sich gerade ihren Feinden anvertrauen könnten? Dass sie jetzt, in diesem Moment, vielleicht sogar ihren Mördern gegenüber standen?

Nein, korrigierte ich mich, als ich Tara einsam und abwesend auf einer Liege herumlungern sah und Finch weiter hinten allein in einem Whirlpool entspannte.

Nicht alle hatten vergessen, dass wir nun bald in die Hungerspiele ziehen mussten.

Tja, wahrscheinlich machte ich mir sowieso zu viele Sorgen. War doch nicht mein Problem, dass diese Kinder in wenigen Tagen sprichwörtlich ins Messer laufen würden.

Wenn sie die Gefahr nicht erkannten, dann waren sie selbst schuld. Ich sollte mich eher glücklich schätzen, dieses Jahr so viele leichtgläubige Idioten als Gegner zu haben.

Doch irgendwie fühlte ich mich durch diese Gedanken auch nicht besser.

Und Peeta Mellark ...

Unbeabsichtigt sah ich noch einmal zu ihm herüber.

Er lachte laut, offenbar über etwas, das Ian gerade zu ihm gesagt hatte, und nickte eifrig mit dem Kopf, woraufhin mir erneut ein verächtliches Schnauben entwich. So paranoid wie ich war - Vielleicht, habt ihr es ja auch schon gemerkt, ich vermutete wirklich hinter jeder Ecke eine Verschwörung - fragte ich mich langsam wirklich, ob dies vielleicht Peeta Mellarks Strategie war. Zuerst gute Miene zum bösen Spiel machen und das Vertrauen der anderen Spieler gewinnen. Und diese dann, kaum in der Arena angekommen, hinterrücks abzustechen. Wäre das wahr, würde ich ihm sogar Respekt zollen müssen.

Guter Plan, wirklich. Hätte ich vielleicht selbst auch getan, würde ich mich bei anderen Leuten besser einschleimen können. Konnte ich aber nun mal leider nicht.

Was immer du vor hast, du wirst du bei mir nicht schaffen, Mellark, dafür werde ich schon sorgen, dachte ich grimmig, während ich mich noch weiter von ihm entfernte.

Nur so weit weg wie eben möglich von Peeta Mellark.

Dann jedoch, als ich mitkriegte, dass ich nun viel zu nah an dem Whirlpool stand, in dem Glimmer sich gerade an Cato heranmachte, blieb ich abrupt stehen. Während mein Blick ungewollt zu den beiden glitt, versetzte mein Herz mir einen kleinen Stich und ich senkte wütend den Blick, die Hände zu Fäusten geballt. Glimmer, die meine Wut offenbar bemerkt hatte, warf mir ein höhnisches Lächeln zu und sah mir spöttisch in die Augen.

Plötzlich wusste ich, dass sie mir auch auf diese Weise ihre Waffe ins Herz stoßen würde, wenn sie mich denn in der Arena zu fassen bekäme. Mit einen Lächeln, was einem Engel würdig gewesen wäre ... doch mit den eiskalten Augen eines rachsüchtigen Dämons.

Ich wusste zwar, dass alles, was sie taten, zumindest von Catos Seite her nichts als reine Show war, doch es fühlte sich trotzdem erstaunlich schmerzhaft an, sie beide zu beobachten. So schmerzhaft, dass meine Augen sich langsam mit Tränen füllten.

Nein!, schrie eine kleine Stimme in mir und ich zuckte erschrocken zusammen, während ich mir hastig über die Augen fuhr, um schnell die verhassten Tränen abzuwischen.

Doch so wie es das Schicksal wollte, kamen nun immer wieder neue hinzu und meine Augen fühlten sich schon bald an wie ein Wasserfall ... Glimmers gekünsteltes Lachen schallte erneut zu mir herüber. Es war, als würde mir ihre süßliche Stimme immer näher kommen ... Doch noch bevor sie mich erreichen konnte, sprang ich ohne zu Zögern wahllos ins kalte Wasser eines Pools. Ein angenehmes Aquamarin erfüllte sogleich mein tränenverschmiertes Blickfeld und ein dumpfes Rauschen umfing meinen aufgewühlten Geist. Ich war so tief in den Pool hinein gesprungen, dass meine Fußspitzen fast den harten Kachelboden des Beckens berührten. Ich schloss die Augen, während ich leicht nach oben trieb, aber noch nicht ganz auftauchte. So unter der Wasseroberfläche umher zu treiben ... es fühlte sich beinahe an, als würde man schweben. Ich fühlte mich frei ...

Freier als je zuvor in meinem Leben.

So mussten sich die Fische die ganze Zeit über fühlen.

Ich beneidete sie.

Das Wasser umfing mich, umspielte meinen Körper und ich lächelte.

Ich könnte für immer hier bleiben, es war so ... angenehm beruhigend.

Keine Glimmer, deren falsches Lachen an meine Ohren drang ...

Einfach nur behagliche Stille.

Nicht umsonst sagte man, dass Blau, die Farbe des Wassers, Beruhigung und Ruhe symbolisierte. Doch ich konnte nicht hierblieben. Denn ich war nun mal kein Fisch.

Und leider besaß ich auch nicht die Fähigkeit, ewig unter Wasser auszuharren.

Meine brennenden Lungen, welche sich nun anfühlten, als würden sie plötzlich in Flammen stehen, verdeutlichten diesen Umstand nur noch. Ich seufzte leise in Gedanken. Eine einsame Träne stahl sich zwischen meinen dichten Wimpern hervor und vermischte sich mit dem Wasser um mich herum, bevor mein Körper sich aufbäumte, und ich wie eine Rakete nach oben schoss. Während mein Kopf prustend die Wasseroberfläche durchbrach, schnappte ich gierig nach Luft, um das schmerzhafte Brennen meiner Lungen zu beruhigen. Schon als ich auftauchte, war mein Blick leicht verschwommen, da mir das kalte Wasser beim Atmen in die Augen getropft war.

Dadurch ein wenig unvorsichtig, sah ich den Jungen aus Distrikt zwölf erst, als ich gegen ihn und die Erhöhung des kleinen Whirlpools prallte. Der Aufprall war so stark, dass ich automatisch sofort wieder unter Wasser geworfen wurde. Doch anders als beim ersten Mal, fühlte sich das Wasser hier ganz und gar nicht beruhigend an. Nein, an dieser Stelle des Pools herrschten anderen Gesetze. Hier war das Wasser wild und ungezähmt und schäumte heftig um meinen Körper herum. Die heißen, schnellen Sprudel, die in unregelmäßigen Abständen aus den Wänden schossen, verunsicherten mich noch zusätzlich, genau wie die unterschiedlichen Farben, die mich plötzlich umfingen.

Aufgrund dieser Verwirrung bewegte ich mich erst, als es schon fast zu spät war.

Denn als ich schließlich realisierte, dass ich wieder Luft brauchte, reagierten meine Muskeln nicht mehr. Ob dies vor Schreck oder Erschöpfung geschah, wusste ich nicht, doch für einen kurzem Moment glaubte ich tatsächlich, nie wieder Luft holen zu können.

Ich schloss bereits schicksalsergeben die Augen, während ich aller Logik zum Trotz weiterhin wie eine Verrückte mit den Beinen strampelte und unkontrolliert mit den Armen ruderte. Und trotz meiner Panik schlich sich ein kleines Lächeln auf mein Gesicht.

Mal wieder zeigte sich, dass ich niemals kampflos aufgeben würde. Ich würde immer um mein Leben kämpfen, bis zum letzten Atemzug, auch wenn es noch so vergeblich war ...

Ich trieb schon nach unten auf den harten Boden zu, da packte mich plötzlich eine starke Hand an der linken Schulter und zog mich grob zurück an die Wasseroberfläche.

Überrascht und laut prustend schnappte ich nach Luft, während ich wie verrückt blinzelte, um die Wassertropfen aus meinen Augen zu bekommen. Schließlich sah ich wieder einigermaßen klar und blickte mich neugierig nach meinem Retter um.

Der Junge aus Distrikt zwölf sah mir ungerührt in die Augen, während er mich sacht an der Schulter stützte und mir sanft, aber energisch auf den Rücken klopfte. Verdammt.

Ich hätte es wissen müssen.

»Alles okay bei dir?«, fragte Peeta Mellark leise und lächelte mir freundlich zu.

Ich nickte, da ich meiner Stimme noch nicht ganz traute, und Peeta klopfte mir weiterhin sanft auf den Rücken. »Na, dann ist ja alles gut. Schätze, ich hab dich in letzter Sekunde da raus gezogen«, grinste er. Wasser perlte von seinem nackten Oberkörper ab, und sein Lächeln wirkte so aufrichtig, dass ich für einen kurzen Moment einfach nur sprachlos war.

»Ich ... also, ich, danke«, stammelte ich ein Dankeschön, aber er winkte ab und zog mich zum Rand. Offenbar war er nicht wirklich ins Wasser hineingesprungen, sondern hatte mich nur von der Erhöhung aus herausgezogen. Klar, er kann ja auch nicht schwimmen, du Idiot, schalt ich mich selbst und verdrehte genervt die Augen gen Himmel. Peeta dagegen wartete geduldig ab, bis meine zitternden Finger den Beckenrand ergriffen.

»Na dann ... Ich bin wirklich froh, dass ich dir helfen konnte, Clove.«

Und ohne meine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und nahm sein Gespräch mit Ian wieder auf. Ich starrte fassungslos auf die Stelle, wo er mir aus dem Wasser geholfen hatte, und blinzelte dann mehrmals hektisch, um die Geschehnisse, die sich gerade ereignet hatten zu verstehen. Der Junge aus Distrikt zwölf hatte mir geholfen ... Hatte vielleicht mein Leben gerettet, da ich für einen Moment wirklich dachte, keine Luft mehr zu bekommen ... Konnte ich ihn jetzt denn noch hassen? Geschweige denn töten?

Er hatte sich offenbar Sorgen um mich gemacht ...

Und er wusste meinen Namen ...

Ein eiliger Blick zu Cato, der sich noch immer mit Glimmer amüsierte, zeigte, dass er sich offenbar nicht um mich gesorgt hatte. Doch ... warum hatte es Peeta dann getan?

Mochte er mich?

Und was war mit dem Feuermädchen?

So ein Quatsch!, spottete mein Unterbewusstsein. Du glaubst er mag dich? Doch warum sollte er? Sieh dich doch an, kannst nicht mal schwimmen gehen, ohne eine wandelnde Katastrophe auf zwei Beine zu sein ... Vielleicht hat Cato sich ja einfach eine Neue gesucht. Hat die Chance gesehen und sie ergriffen. Wer kann's ihm schon verübeln? Vielleicht ist das ja gar kein Spiel für ihn. Vielleicht mag er sie wirklich mehr als dich ...

Halt die Klappe!, schnauzte ich, konnte jedoch nicht verhindern, dass mir bei diesen Worten erneut Tränen in die Augen stiegen. Mühsam stützte ich mich auf dem rutschigen Beckenrand auf. Eher krabbelte ich, denn stieg ich aus dem Pool, da meine Muskeln noch immer ganz verkrampft waren und unkontrolliert zitterten. Peeta, der sich nun von Ian abwandte, machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und für einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke erneut. Dann klopfte ihm Ian energisch auf die Schulter und er wandte sich wieder diesem zu, nicht ohne mir jedoch noch ein beruhigendes Lächeln zu schenken. Ich erwiderte sein Lächeln spontan, bevor ich, mich selbst verfluchend, umdrehte und vor Peeta flüchtete. Dabei war ich sehr darauf bedacht, nicht auf den glatten Fliesen auszurutschen. Was bitte war da eben passiert?

Ich war verwirrt, so viel stand schon mal fest.

Warum ging mir der Junge aus Distrikt zwölf nicht mehr aus dem Kopf?

Oder besser, wieso musste ich ihm heute so oft begegnen? Ich hatte mir doch ganz fest vorgenommen, Peeta Mellark keine Sekunde lang über den Weg zu trauen ...

Wie schön, wenn aus Plänen nichts wurde.

Aber jetzt war damit Schluss.

Ich würde mich von Peeta Mellark fernhalten, und zwar so fern wie nur eben möglich.

Das nahm ich mir jedenfalls ganz fest vor ...

In diesem Moment kam Marvel vorbei und zwickte mich leicht in den Arm.

»Aua«, murmelte ich brummig und warf ihm einen gespielt bösen Blick zu.

Marvel lachte und legte mir einen Bademantel über die nassen Schultern.

»Jetzt hab dich doch nicht so«, meinte er spöttisch.

»Wir sind Karrieros, schon vergessen?«

Ich lächelte leicht.

»Nein, ich hab's nicht vergessen«, antwortete ich leise und legte meinen Kopf sacht auf seine Schulter. Marvel strich mir behutsam die nassen Haare aus dem Gesicht und kümmerte sich nicht darum, dass ich sein Hemd dabei mit Wasser volltropfte.

»Ich dachte nicht, dass du so schnell Vertrauen zu mir finden würdest«, meinte er leise und berührte meinen Arm. Ich zuckte mit den Achseln, was sich als schwierig erwies, da mein Kopf ja noch immer auf seiner Schulter lag. »Doch ... Na ja, ich hab einfach so ein Gefühl ... ein Gefühl, dass ich dir vertrauen kann. Ich weiß, das klingt dumm, aber ...«

Ich zögerte, redete dann jedoch weiter.

»Nun ja, ich bilde mir ein, zu wissen, wann ich jemandem vertrauen kann - und wann nicht. Ähm ... ich meine, ich kann dir doch vertrauen, oder? Zumindest bis ...«

Ich sprach nicht weiter, doch das brauchte ich auch gar nicht.

Denn Marvel wusste natürlich Bescheid.

Ich konnte ihm vielleicht vertrauen, aber nur, bis sich unser Bündnis schließlich auflöste.

Das passierte selbst bei den Karrieros irgendwann und war unvermeidlich.

Wenn dies geschah ... Tja, dann konnte ich nur noch mir selbst vertrauen.

Marvel lachte wieder - ich konnte es zwar nicht sehen, aber sein ganzer Körper bebte.

»Natürlich kannst du das. Ich meine, ich finde dich echt toll. Du bist witzig, dein Sarkasmus ist genial, und mit dir kann man, denke ich mal, echt viel Spaß haben. Und ... Wir werden das schon irgendwie schaffen. Immer optimistisch denken«, sagte er.

»Ach, und Clove?«

»Hmm?«

Marvel beugte sich näher zu mir und senkte den Kopf, bis er mit seinem Mund direkt an meinem rechten Ohr war. Als er sprach, war seine Stimme so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte. »Was heute Abend angeht ... Es sieht echt mies für dich aus. Fast alle männlichen Tribute haben bereits eine Partnerin. Und die anderen, die noch keine haben, die gehen offenbar gar nicht erst hin. Was machen wir denn jetzt bloß?«

Ich zuckte mit den Achseln und hob meinen Kopf von seiner Schulter.

»Du musst gar nichts machen, denn es ist ja nicht dein Problem.«

Marvel begegnete meinem Blick zugleich belustigt und entschlossen.

»Ich hab versprochen dir zu helfen, also werde ich das auch.«

»Danke«, flüsterte ich leise und boxte ihn gegen den Arm, woraufhin er amüsiert grinste.

»Weißt du, wärst du ein bisschen kräftiger, würdest du deutlich härter zuschlagen.«

Ich lachte laut. »Und nochmal zu der Veranstaltung heute Abend ... ich glaube echt, es wird schwer, jetzt noch eine Begleitung zu finden ... Entschuldige«, meinte Marvel geknickt und kratzte sich am Kopf. Ich winkte ab. »Mach dir nichts daraus, ist ja nicht deine Schuld. Ist eben nichts zu machen, wenn nicht zufällig jemand absagt oder so ...«

Ich merkte gar nicht, dass wir uns langsam, aber sicher dem Whirlpool genähert hatten, in dem Glimmer und Cato saßen, bis ich ihr honigsüßes Lachen direkt neben mir vernahm. Als dann auch noch Peeta Mellark in mein Blickfeld kam, der offenbar gerade aus dem Pool gestiegen war, und sich nun ein weißes Handtuch über die Schultern gelegt hatte und zu allem Überfluss auch noch direkt auf mich und Marvel zusteuerte, dachte ich ernsthaft, dass heute so ganz und gar nicht mein Tag war. Aber sowas von gar nicht.

»Ähm, Clove ...«, stammelte Peeta und lächelte schüchtern.

»Ich ... ich habe gehört, wie ihr euch über das Empfangsbankett unterhalten habt und ich ... also, ich habe noch keine Begleitung. Wenn du also mit mir hingehen willst ...«

Er sah mich erneut an.

Verlegenheit und Hoffnung spiegelten sich in seinem Blick wider.

Für einen winzigen Augenblick wollte ich einfach nur lachen.

Ich meine ganz ehrlich - das war echt zu viel für einen Tag. Der liebe Gott da oben lachte sich bestimmt auch schon schlapp über mich ... Dann jedoch, begriff ich, dass dies nun der Punkt war, wo ich eigentlich hätte antworten sollen, und erstarrte. Scheiße!

Ich wollte nicht mit Peeta Mellark zum Bankett gehen, auf keinen Fall ... Anderseits war es auch peinlich, ganz allein aufkreuzen, wenn alle anderen bereits eine Begleitung hatten.

Und hier stand nun jemand, und bot sich an, mich zu begleiten.

Peeta schuldete mir nichts.

Ich dagegen schon - immerhin hatte er mich vor dem Ertrinken gerettet.

Ich war es ihm also schuldig, ihn zu begleiten.

Obwohl ich wirklich überhaupt  keine Lust dazu hatte.

Tja, wie war das noch, verspottete mich mein Unterbewusstsein.

Du musst mitnehmen, was du kriegen kannst? Na dann, nur zu! 

Ich seufzte und blickte verzweifelt zu Marvel, welcher jedoch auch nur hilflos mit den Schultern zuckte. Cato, der sich soeben im Whirlpool aufgerichtet und nun mühsam von Glimmer gelöst hatte, kam in mein Blickfeld und meine Augen begegneten kurz den seinen. Für einen kurzen Augenblick verspürte ich Wut, und die hämische Befriedigung, Peeta direkt vor Catos Augen zuzusagen. Dann jedoch erkannte ich die Reue in Catos Augen und ich seufzte erneut. Na super. Mann, Gewissensbisse sind echt scheiße.

Cato wandte sich nun an Peeta und alles, was ich dachte, in den Tiefen seiner blauen Augen gesehen zu haben, verschwand und wurde durch bodenlose Kälte ersetzt, als er höhnisch das Wort an den Jungen aus Distrikt zwölf richtete. »Was ist denn mit deinem Feuermädchen? Hatte sie jetzt schon genug von dir und hat dich sitzen lassen?«

Peeta schenkte ihm nur einen müden Blick.

»Nein«, sagte er mir hohler Stimme, die sich anhörte, als würde er jeden Moment einschlafen. »Sie ... ähm ... ich hab sie nicht gefragt, weil mein Mentor nicht der Meinung war, man müsste unbedingt zu dieser Veranstaltung gehen. Eigentlich weiß sie gar nichts davon, da meine Betreuerin meinte, Katniss wüsste nicht immer, wie man sich angemessen zu benehmen hat ...« Zu spät bemerkte er, wie viel er gerade preisgegeben hatte und machte eilig den Mund zu, während in seinem Blick Selbstzweifel und Schuldgefühle um die Oberhand rangen. Irgendwie tat er mir ein bisschen leid.

Ich seufzte. Klasse, auch das noch.

»Also, Clove ... ähm ... wie wäre es ... mit uns beiden?«, fragte Peeta zögernd an.

Ich verdrehte genervt die Augen.

»Na schön, von mir aus.«

Peeta nickte zufrieden.

»Gut ... dann ... hole ich dich zehn Minuten vor Mitternacht auf deiner Etage ab ...«

Er sah kurz auf die große Uhr an der Wand. »Also in zwei Stunden. Bis dann ... Und ich freue mich wirklich, dass du zugesagt hast.« Er lächelte mir noch kurz zu und verließ dann hastig den Balkon, das Handtuch noch immer über den nackten Oberkörper gelegt.

Ich stöhnte verzweifelt und ließ meinen Kopf gegen Marvels Schulter sinken. »Warum?«, fragte ich ihn geknickt, während ich all meine Wut und Verzweiflung in das Wort legte.

Marvel zuckte mit den Schultern. »Ich denke, ich hab mich vorhin geirrt ... du hast es definitiv schlimmer erwischt als ich.« Seine Stimme klang beinahe schon fröhlich

Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.

»Was bist du denn für ein Freund?«, fragte ich vorwurfsvoll, woraufhin Marvel mir gutmütig zuzwinkerte. »Ein ziemlich guter Freund, auf den du dich immer verlassen kannst ... Klingt das nicht perfekt?« Ich lachte und drückte dankbar seinen Arm.

»Niemand ist perfekt«, meinte ich beinahe schon traurig, bevor ich mich auf den Weg zum Ausgang machte. Draußen im Gang fing Peeta mich ab. Offenbar hatte er noch auf mich gewartet. »Hey, hör zu ... ähm ...«, stammelte er und legte mir ganz freundschaftlich einen Arm auf die Schulter. Ich schüttelte diesen vehement ab, woraufhin Peeta errötete.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn abwartend an.

»Ich höre?«

Peeta räusperte sich. »Ich ... Also, ich weiß, dass du mich nicht magst, und dass du dir den heutigen Abend wahrscheinlich ganz anders vorgestellt hast ... aber könnest du bitte wenigstens versuchen, mich nicht umzubringen und so tun, als hättest du Spaß?«

Verdammt!

Warum wollten nur alle, dass ich heute Abend Spaß hatte?

Peeta wartete geduldig auf meine Antwort. Ich ließ ihn noch ein bisschen zappeln, bevor ich, noch immer mit hochgezogenen Augenbrauen trocken antwortete: »Mal sehen.«

Meine Verabredung lächelte nur und ging dann pfeifend in Richtung Umkleide. Ich starrte fassungslos auf die Stelle, wo Peeta gerade eben noch gestanden hatte, und versuchte verzweifelt zu verdrängen, dass ich mich in seiner Gegenwart beinahe wohl gefühlt hatte.

Kopfschüttelnd setzte ich schließlich meinen Weg zur zweiten Etage fort. Als ich endlich dort ankam, und ohne einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen, mein Zimmer aufsuchte, fiel mein Blick zur mit brauner Tapete verkleideten Wand, an der ein großer Spiegel befestigt worden war. Und plötzlich konnte ich erkennen, was sie alle in mir sahen.

Ich konnte erkennen, warum Cato trotz Glimmer nicht den Blick von mir lassen konnte, warum Peeta immer so verlegen in meiner Gegenwart war, warum ich mir manchmal Eifersucht in Glimmers Blick einzubilden schien, warum Finch mich mit einer heimlichen Bewunderung ansah, und warum Marvel immer so gern mit mit zusammen war ...

Denn ich sah mich zum ersten Mal so, wie ich auch wirklich war.

Der dunkelblaue Badeanzug war so vorteilhaft geschnitten, dass er eng an meinem schlanken Körper anlag, und besaß noch dazu einen Push - up Effekt, der meine Oberweite deutlich vergrößerte. Meine braunen Haare waren teils nass und teils schon getrocknet und fielen mir nun in sanften, weichen Strähnen ums Gesicht.

Meine braunen Augen blitzten vor Aufregung und auf meine sonst so blassen Wangen hatte sich ein leichter Hauch von Röte gelegt. Ich sah irgendwie ... anders aus.

Schöner ... älter und ... begehrenswert.

Verdammt, ich konnte beinahe nicht aufhören, mich selbst im Spiegel anzustarren.

Vage kam mir in den Sinn, dass ich in Distrikt zwei auch nicht viel Anlass hatte, mich hübsch zu machen. Und Geld sowieso nicht. Doch trotzdem ... Man konnte nicht von einer Sekunde auf die andere ganz plötzlich wunderschön werden, wenn man all die Zeit über unscheinbar und gewöhnlich ausgesehen hatte ... Aber vielleicht ... vielleicht war ich die ganze Zeit auch zu verunsichert gewesen, um mich selbst zu sehen ...

Und jetzt endlich, nahm ich mich selbst so wahr, wie andere es längst taten und suchte nicht verzweifelt nach Makeln oder Fehlern. Hinter mir blitzte plötzlich etwas Goldenes im Schein der Lampen auf, welche das Zimmer in ein dämmriges Licht tauchten, was von einem schillernden Rotton durchsetzt wurde. Und als ich das bodenlange, über und über mit Pailletten übersäte Abendkleid anblickte, was da ordentlich über meinem Bett lag, zusammen mit einer elfenhaften goldenen Maske, die perfekt zur der cremefarbenen Clutch daneben passte, schlich sich ein kleines, glückliches Lächeln auf meine Lippen.

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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Das oben verlinkte Lied [St. Lucia - All Eyes On You] ist ein echter Ohrwurm, und passt meiner Meinung nach wirklich sehr gut zu diesem Kaptel.

Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Die Widmung dieses Kapitels geht diesmal an JσαηαJαωια. Danke, für Deine tolle Unterstützung, Deine Votes und Deinen lieben Kommentar.

Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯3: Das oben zu sehende Bild zeigt Cᴜʀʀᴀɴ Bᴇʟᴄᴏᴜʀᴛ, den Stylisten von Distrikt zwei und insbesondere von Clove, welcher von Rʜʏs Iғᴀɴs verkörpert wird.


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