♯Cнαpтer O7 ~ Oɴ Tнe Edɢe Oғ Teαrѕ.
Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!
So, ich hab‘s geschafft: Nach nur zwei Wochen habe ich hier das nächste Kapitel für Euch. Ich glaube, dass es auch in Zukunft gut aussieht, mit dem Updaten ... diese Woche Dienstag gibt‘s nämlich Zeugnisse für mich ...
Mal sehen, ob ich danach noch weiterschreiben kann. Danke übrigens für die lieben Kommentare zum letzten Kapitel an xLeaClatox, Emmy3788, Nakita_Herondale und BlackGirlNumber1! Ihr seid die besten Leser, die man sich nur wünschen kann! Wie immer hoffe ich natürlich, dass Ihr auch dieses Kapitel mögen werdet und es Euch gefällt. Ich wünsche Euch nun ganz herzlich: Vιel Spαß вeιм Leѕeɴ! Eυre Zoey <3
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♯Cнαpтer O7 ~ Oɴ Tнe Edɢe Oғ Teαrѕ.
One moment you're really close to someone and in the next ...
You're never going to see them again.
Gold und Silber. Das war alles, was meine Augen erfassten, als ich mich in dem prächtigen Raum umschaute, in den der Friedenswächter mich nach der Erntezeremonie gebracht hatte. Goldene Samtbezüge, dunkles Teakholz, silberne Türknaufe, antike Möbel. Nichts, gar nichts, deutete hier auf eine zweite Wahl hin. Der Raum war echt luxuriös ...
Die ganze Einrichtung war sicher hundert Mal teurer gewesen als mein ganzer Kleiderschrank zusammen. Ich seufzte und strich vorsichtig über die Lehne des Kirschbaumholztisches, bevor ich meinen Finger hastig wieder zurückzog, um ja keinen Kratzer im Lack zu hinterlassen.
Dann sah ich unschlüssig an mir herunter. Bei meinen hübschen High Heels waren bereits hier und da schwarze Abdrücke im roten Stoff zu sehen.
Tja, was soll‘s. Taugte eben alles nicht viel.
Selbst mein rotes Kleid fühlte sich im Verglich zu der Pracht dieses Raumes billig an - obwohl meine Mutter niemals Klamotten im Sonderangebot gekauft hatte. Dieses Kleid hatte ein Vermögen gekostet, und das wusste ich auch - doch es würde mich immer an diesen schicksalshaften Tag erinnern.
Ich seufzte erneut und ließ meinen Körper unglücklich gegen die Tür knallen, ungeachtet des dumpfen Geräuschs mit dem mein Hinterkopf dort aufschlug. Nervös drehte ich mir eine braune Haarsträhne um den Zeigefinger, während ich meinen Blick erneut im Raum umherschweifen ließ.
Ich passe nicht hierher, stellte ich missmutig fest. Das Zimmer war viel zu elegant, zu luxuriös und zu ... trostlos. Und es war eigens vom Kapitol für die ausgewählten Tribute eingerichtet worden.
Wenn es dort also überall so aussah wie in diesem Raum, dann konnte ich mich ja bedanken. Klasse. Sicher würde ich es dort hassen und es womöglich gar nicht mehr erwarten können, in die Arena zu kommen. Na super.
Plötzlich spürte ich eine grobe Bewegung an meinem Rücken und sprang eilig von der Tür zurück, wobei ich wegen der hohen Schuhe schon wieder schwankte. Verdammt! Wieso war es nur so eine Kunst, auf Absätzen laufen zu können? Bei den anderen Mädchen in der Akademie hatte das immer so richtig einfach ausgesehen ... Der drehende Türknauf holte mich wieder in die Gegenwart zurück und ließ mich gespannt den Atem anhalten.
Wer bitte hatte es da für nötig gehalten, sich gebührend von mir zu verabschieden? War es vielleicht mein Vater? Oder einer meiner zahlreichen falschen Freunde? Als Antwort auf meine Gedanken hin flog die Tür auf.
Ich setzte mich eilig auf die Couch, während ich erneut die Haarsträhne um meinen Finger zwirbelte. Die Tür hinterließ einen langen, dunklen Kratzer an der Wand. Aus irgendeinem Grund zauberte mir die Verstümmelung der goldenen Tapete ein strahlendes Lächeln aufs Gesicht.
Das verblasste jedoch, als ich sah, wer da auf der Türschwelle stand. Breitschultrig und muskulös wie mein Vater war, füllte er die Tür beinahe komplett aus. Ich schluckte. Mist. Warum hätten es nicht die falschen Freunde sein können, die mich besuchten? Warum musste es ausgerechnet er sein?
Ängstlich bemühte ich mich um eine gelangweilte Miene, doch mein Vater schien mich gar nicht wirklich wahrzunehmen.
Naja, lag wahrscheinlich am Alkohol.
»Was willst du?«, fragte ich nach einigen Minuten stummen Anstarrens - oder in seinem Fall eher durch mich Hindurchsehens - und pustete achtlos einen Fussel von meinem Kleid. Meine Stimme klang passend zu der kühlen, unpersönlichen Einrichtung des uns umgebenden Raumes flach und hart.
Mein Vater sah mich noch einige Sekunden nachdenklich an und schloss dann hastig die Tür hinter sich. Meine Finger verkrallten sich ineinander.
Mir wäre es lieber gewesen, er hätte die Tür offen gelassen, ehrlich.
Was, wenn er nur gekommen war, um mir etwas anzutun?
Noch immer sagte er kein Wort.
Ich dagegen, fing jetzt langsam an, ungeduldig zu werden.
»Was ist? Was willst du? Hat es dir etwa die Sprache verschlagen? Bist du so stolz auf deine verhasste Tochter, dass du kein einziges Wort mehr rausbringst, oder was?« Die Anschuldigungen entschlüpften teilnahmslos meinen geschminkten Lippen. Mitleidlos sah ich zu, wie mein Vater zusammenzuckte und die Augen abwandte. Eine einzelne Träne lief über seine plumpen Wangen. Ich stutzte und riss entgeistert die Augen auf.
Das konnte doch nicht wahr sein, oder?
Er weinte. Er weinte tatsächlich. Meinem gefühlskalten Vater, der mich so oft wegen irgendwelcher Kleinigkeiten verprügelt hatte, floss nun wirklich das Wasser aus den Augen. Vielleicht hätte ich jetzt ebenfalls in Tränen ausbrechen sollen, aber daraus wurde irgendwie nichts. Nicht, dass ich es versucht hätte.
Nein. Auch wenn ich mich vielleicht früher darüber gefreut hätte, dass mein Vater endlich Gefühle zeigte ... Heute nicht. Der Zug war abgefahren. Ich war innerlich wie erstarrt, seit ich meinen Namen aus Emelias Lippen gehört hatte. Seit ich ... Cato die Hand reichen musste. Ich konnte mich nicht mehr länger über irgendetwas freuen, was sowieso schon längst verloren war.
Ich war innerlich wie tot.
»Du ... das ist das Kleid deiner Mutter.«
Eine einfache Feststellung.
Ich nickte. »Ja, das ist es.«
Mein Vater lächelte unter Tränen. »Ich ... Deine Mutter hat dieses Kleid geliebt. Sie hatte es zu jeder Feier an, die wir geben konnten. Sie ... «
Er stockte und sah mich kurz an, bevor er wieder den Blick abwandte.
»Was ... was willst du hier?«, fragte ich erneut, diesmal jedoch nicht ganz so bösartig. Mein Vater schluckte schwer.
»Clove ...«
Er ließ das Wort in der Luft hängen; wie eine Barriere befand es sich jetzt zwischen uns. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich konnte nicht atmen.
Mein Vater lachte leise.
»Deine Mutter hat diesen Namen für dich ausgewählt. Sie hat gemeint ... Sie ... Als sie dich sah, da hat sie auch noch etwas anderes gesehen.«
Er blickte mich erneut an, prüfte, ob ich ihn dazu drängen würde, weiterzusprechen. Was ich nicht tat. Diese Genugtuung gönnte ich ihm nicht.
Er würde schon mit seiner Erzählung fortfahren, egal ob ich ihn darum bat oder nicht. Sonst wäre er nicht extra hergekommen.
Und so war es. Kaum, dass er eine Minute - noch nie waren mir sechzig Sekunden so unerträglich lang vorgekommen - gewartet hatte, sprach er schließlich mit schleppender Stimme weiter.
»Sie hat gesagt, dass du ... Du ähnelst einer Gewürznelke. Elegant. Scharf. Mit beinahe tödlicher Präzision. Und als sie dich anblickte, da sah sie ... Hoffnung. Hoffnung, dass vielleicht doch nicht alles verloren war. Hoffnung auf eine bessere Welt. Hoffnung auf eine Veränderung.«
Er machte eine Pause, während mich seine Augen durchdringend musterten. »Clove, hör mir zu. Es gibt einen Grund, warum du in die Hungerspiele musst. Es war kein Zufall, dass ...« Er stockte erneut.
Doch jetzt hatte er meine Aufmerksamkeit geweckt.
»Was ist kein Zufall?«, fragte ich eindringlich und starrte ihn neugierig an.
Er lächelte. »Du bist wunderschön in diesem Kleid. Du erinnerst mich heute mehr an deine Mutter, als du es jemals getan hast. Ich vermisse sie ... so schrecklich.« Er ließ den Kopf hängen. Ich sah ihn wütend aus zusammengekniffenen Augen an. »Dann hättest du sie nicht umbringen sollen! Weißt du denn nicht mehr? Du hast sie getötet! Ich war da ... Ich war da vor fast elf Jahren.« Bilder schwirrten vor meinem inneren Augen umher.
Meine Mutter, mit gebrochenen Gliedern auf dem Boden unserer Küche. Das lange rote Haar fällt ihr ins Gesicht. Die Augen sind blicklos. Mein Vater mit einem blutigen Messer in der Hand. Meine kleine Schwester zusammengekrümmt neben dem Wohnzimmertisch, mit gebrochenem Genick. Ich selbst, verprügelt und zerschunden auf dem harten Fußboden.
All das hatte er getan. Mein eigener Vater.
Und jetzt wollte er mein Mitleid?
Jetzt vermisste er sie?
Es war doch seine Schuld, dass sie tot war! Allein seine Schuld!
Ich würde ihm niemals verzeihen können.
Mein Vater lehnte sich an die Tür.
»Clove ... Ich weiß, dass du mich hasst«, murmelte mein Vater leise und senkte den Kopf, als hielte er meinem stechenden Blick nicht länger stand. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu widersprechen. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich hasste ihn. Abgrundtief. Mehr als irgendjemanden sonst.
Schön, dass er das jetzt auch wusste.
»Es tut mir leid«, brach es aus ihm heraus und ich legte den Kopf schief.
Was genau tat ihm leid?
»Aber ... Es ist alles nur zu deinem eigenen Schutz geschehen.«
Ich kniff erneut die Augen zusammen. »Schutz? Was hatte Moms Tod mit Schutz zu tun? Und Tammy? Was bitte hatte ihr Tod mit meiner Sicherheit gemein?«, fauchte ich wütend. Mein Vater seufzte schwer.
»Diese Sache mit Tammy und deiner Mutter ... da ist etwas, was du nicht weißt.« Wieder mied er meinen Blick. Ich stutzte. Was?
Es gab etwas, das ich nicht wusste? Aber ... Ich hatte doch gesehen, wie sie starben. Sie waren tot! Ich hatte sie beerdigt, verdammt nochmal!
»Was? Was ist es, was ich nicht weiß?«
Ich brüllte beinahe. Mühsam zwang ich mich dazu, leiser zu sein. Die Friedenswächter draußen könnten sonst ja denken, hier würde etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Was vielleicht durchaus der Fall sein könnte, so geheimnistuerisch wie mein Vater auf einmal tat. Er sah mich an, straffte die Schultern und öffnete den Mund. Offenbar hatte er eine Entscheidung getroffen.
»Du ... warst damals nicht bei vollem Bewusstsein. Das Kapitol ... Sie haben ... Weißt du, deine Mutter und Tamara sind an diesem Tag nicht ...«
Weiter kam er nicht, denn auf einmal knallte die Tür an die Wand, und unerwartet erschienen vier Friedenswächter. Sie packten meinen Vater grob an den Armen und drängten ihn dazu, hinauszugehen. »Was zur Hölle ...? Dad!«
Mein verzweifelter Schrei hallte laut durch den pompösen Raum, doch niemand schien Rücksicht darauf zu nehmen. Mein Vater sah mir eindringlich in die Augen. »Clove ... Gewinne die Spiele ... Dann wirst du alles erfahren!«
Es sah aus, als wolle er noch mehr sagen, doch die Friedenswächter hatten nun offenbar die Nase gestrichen voll und ließen ihn gar nicht mehr zu Wort kommen. Heftig und mit all seiner Kraft, zog ihm der Größte von ihnen mit seinem Schlagstock eins über. Ein rotes Rinnsal erschien auf der Stirn meines Vaters und lief ihm ungehindert über das ganze Gesicht. Ich keuchte.
Wie hatte das passieren können? Was ... was hatte er getan?
Was hatte ich getan?
»Ihre Einmischung wird Folgen haben, Kentwell!«, zischte einer der vier Friedenswächter nun meinem Vater zu, welcher sich jedoch gar nicht mehr wirklich bewusst zu sein schien, wo er sich gerade befand.
Ich erstarrte, jedoch aus einem anderen Grund. Ich kannte diese Stimme.
Es war die Stimme jenen Mannes, der mich gestern Abend im Wald verfolgt hatte. Der, der gemeinsam mit seinem Kumpel seine Hunde auf mich gehetzt hatte, während ich mich vor Angst am ganzen Körper zitternd in einem dreckigen Erdloch versteckt hatte. Was hatte es bitte damit auf sich?
Ich hatte keine Zeit, mir groß Gedanken darüber zu machen, denn nun zerrten die Friedenswächter meinen Vater endgültig aus dem Raum hinaus. Sein allerletzter Blick galt mir allein. Dann schlug ihm einer der Friedenswächter erneut seinen schweren Schlagstock gegen den Kopf und mein Vater sackte vollkommen kraftlos in den Armen der Wächter zusammen. Das Blut, was ihm nun aus einer zweiten Wunde von den Schläfen rann, erinnerte mich auf makabre Weise an Tränen, die ihm aus den geschlossenen Augen liefen. Langsam, wie in einem schlechten Horrorfilm, schlossen sich die schweren Türen und verdeckten mir gänzlich die Sicht. Ich rannte, einem plötzlichen Impuls nach, auf die Friedenswächter zu. Ich weiß nicht, ob ich sie in diesem Moment verprügeln, oder sie zur Rede stellen wollte. Vielleicht beides.
Doch die Türen waren fest verschlossen.
Zu allem Überfluss wollten mir jetzt auch noch die Tränen kommen. Still und lautlos liefen die kleinen Verräter über mein starres, gerötetes Gesicht. Schnell wischte ich sie fort, als hätte es diese Schwäche nie gegeben. Sorgen nagten an mir und mein Magen spielte langsam verrückt.
Ich glaubte ernsthaft, gleich kotzen zu müssen.
Was war mit Tammy geschehen? War sie gestorben?
Oder lebte sie noch irgendwo? Und wenn dies die Wahrheit wäre ... hatte es mein Vater dann etwa die ganze Zeit über gewusst?
Kraftlos sackte ich schließlich an der Tür zusammen und ließ mich zitternd auf den harten Holzboden sinken. Ich hatte keine verfluchten Antworten auf all diese dummen Fragen. Zu allem Überfluss hatte ich jetzt auch noch rasende Kopfschmerzen. Na klasse. Ich sollte die Spiele gewinnen?
Nun, nicht in dieser Verfassung, so viel war mir schon mal klar. Ich musste mich dringend ausruhen und wieder einigermaßen beruhigen. Und etwas zu Essen würde sicher auch nicht schaden. Und dann war da noch Cato. Mit dem würde ich mich die nächsten Wochen rumschlagen müssen ... Mit ihm und der Misere, in der wir nun steckten. Ich lachte trocken auf, ließ es dann aber doch besser bleiben. Mein Lachen klang zu verzweifelt in dem großen Raum.
Auf einmal vernahm ich ein lautes Klopfen.
Woher das wohl kommt?, fragte ich mich verwundert, bis ich realisierte, dass jemand an die Tür geklopft hatte, an die ich mich lehnte, und es deshalb so seltsam laut in meinen Ohren hallte. Hastig sprang ich ein Stück zurück.
»Ist da drinnen alles in Ordnung, Miss?«, fragte eine laute und eindringliche Stimme gedämpft durch die Tür hindurch. Alles in Ordnung? War dieser Mann, dem ich gerade am liebsten ein schönes scharfes Messer in seinen verdammten Arsch gerammt hätte, noch ganz richtig im Kopf?
»Ja, alles in Ordnung«, antwortete ich sarkastisch.
»So in Ordnung, wie es eben sein kann, wenn man Kandidatin für die Hungerspiele wird, und obendrein auch noch mit ansehen muss, wie der eigene Vater zusammengeschlagen wird.« Stille.
Der Mann, der nach ein paar Minuten anscheinend seine Fassung wiedergefunden hatte, sagte nun mit dünner Stimme:
»Es ist Ihnen nicht befugt darüber zu sprechen. Und mir auch nicht.«
Ich zuckte mit den Achseln, was der Typ draußen natürlich nicht sehen konnte. Dann eben nicht. Auch egal. Auf einmal hörte ich Schlüssel klimpern. Hmm.
Schien ja beinahe so, als wollte mich der Typ rasch herauslassen und mich dann zum Zug bringen. Hastig sprang ich auf, strich mein Kleid glatt und setzte mich wieder aufs Sofa. Es sollte ja nicht so aussehen, als ob ich ein verängstigtes kleines Mädchen war. Die Tür öffnete sich zögernd einen Spalt breit. Als der Friedenswächter mich ganz unbekümmert auf dem Sofa sitzen sah, öffnete er die Tür etwas breiter, war jedoch immer noch auf der Hut.
Als wollte ich mich auf ihn stürzen, oder so.
Dabei lag das nun wirklich nicht in meiner Absicht. Nein, gar nicht.
»Sie müssen sich nun mit mir zum Zug begeben«, meinte er förmlich, und machte eine auffordernde Handbewegung. Ich seufzte geräuschvoll.
»Ach, schade. Und ich dachte schon, Sie wollen mich auf ein Eis einladen oder so«, meinte ich sarkastisch und beobachtete belustigt, wie die Miene des Mannes erstarrte und er rot anlief.
»Miss Kentwell? Bitte. Der Zug wartet nicht«, meinte er kurz angebunden - Also meiner Meinung nach hatte er unrecht, denn der Zug konnte ja schlecht ohne mich losfahren - und deutete erneut auf den Gang vor mir.
»Ja, ja«, murmelte ich genervt, weil der Mann anscheinend keinen Spaß verstand. Er dagegen entspannte sich kaum merklich und hielt mir dann galant die Tür auf. Ich musste gegen meinen Willen grinsen. Mann, war der verklemmt.
Ich lächelte schmal und klimperte mit den Wimpern. »Sicher, dass aus dem Eis nichts wird? Ehrlich, auf dieses Date warte ich doch schon mein ganzes Leben ...« »Halten Sie den Mund«, meinte der Friedenswächter ärgerlich und packte mich grob am Arm. Wütend riss ich mich los. »Denken Sie nicht mal dran!« Er lachte freudlos. »Ach nein? Sie waren es doch, die unbedingt ein Date mit mir wollten!« Entgegen meinem Willen entfuhr mir plötzlich ein kleines Grinsen.
»Touché«, meinte ich. Der Wächter lachte ebenfalls, was mir die Gelegenheit gab, ihn näher zu betrachten. Er wirkte ziemlich jung und ... Stopp.
Sein unschuldiges junges Gesicht, seine Stimme... War das nicht Conan, der andere Friedenswächter, der mich gestern Nacht im Wald verfolgt hatte?
Den Anführer, den brutalen Gesellen, der meinen Vater vor meinen Augen geschlagen hatte, kannte ich ja bereits. Aber diesen hier ...
Das war doch der Kerl, der in die Eule gerannt war!
Ehrlich, wäre die Situation anders, hätte ich vermutlich laut losgelacht.
Aber wenn das alles stimmte - wobei ich mir ziemlich sicher war - wusste Conan dann, dass er gestern mich gejagt hatte? Und warum ausgerechnet mich? Ein Zufall? Wohl eher nicht. Denn wenn es nach dem ging, was mein Vater vorhin gesagt hatte, dann gab es gar keine Zufälle ...
»Was starren Sie mich denn so an?«, fragte Conan nun verlegen und durchbrach damit meine Gedankengänge. Ich blinzelte und bemerkte, wie Conans Hand unruhig zu seinem Schlagstock wanderte.
Bei diesem Anblick überfiel mich plötzlich die kalte Wut.
»Na, na, mein Bester. Versuchen Sie‘s erst gar nicht. Nur der kleinste Versuch - und Sie sind schneller auf dem Boden, als Sie um Hilfe schreien können.« Meine eiskalt blickenden Augen verrieten, dass ich keineswegs bluffte. Ich war wütend. Und das konnte man meinem Gesicht deutlich ablesen. Conan starrte mich verblüfft an, sagte aber nichts mehr, wofür ich dankbar war.
Der Weg bis zum Bahnhof war nicht lang.
Kurz bevor ich das Gebäude verließ, durch das wir bis eben gelaufen waren, wandte ich mich noch einmal zu dem Friedenswächter um.
Ein spöttisches Lächeln lag jetzt auf meinem Gesicht.
»Nun, ich danke Ihnen für Ihre unschätzbaren Dienste mich bis zum Zug zu bringen. Ehrlich, ich hätte es wirklich nicht allein geschafft.« Conan lachte nicht. »Das glaube ich gern. Schutz ist etwas, was Sie in nächster Zeit wohl auch dringend nötig haben werden. In der Arena gibt es viele Gefahren.«
Ich schnaubte verächtlich.
»Klar, gibt es die, doch nur zur Info - Ich fürchte mich vor gar nichts. Okay, vielleicht habe ich Angst vor Spinnen. Aber welches Mädchen hat die nicht? Immerhin ... fürchte ich mich nicht vor Eulen. Ich meine, ich gebe zu, dass so eine arme, putzige Eule einem schon ein wenig Angst einjagen kann ... Aber wenn man jemanden im Wald verfolgt und auch noch ein perfekt ausgebildeter Friedenswächter ist - so wie Sie - sollte es doch ein Kinderspiel sein, seine Angst zu bezwingen, nicht wahr?« Ich wusste nicht genau, warum ich ihn weiter so provozierte. Es machte mir irgendwie ... Spaß. Tja, Conan offenbar nicht.
»Ich fürchte mich nicht vor Eulen.« Sein Gesicht lief hochrot an. Ich lachte.
»Ja, klar. Wissen Sie, eigentlich würde ich es ja auch nicht besonders schlimm finden, wenn man sich vor irgendetwas fürchtet. Jedem das seine, oder? Das ist mein Motto. Nur in diesem Fall ... bin ich leider nicht wirklich besonders verständnisvoll. Vor allem nicht, wenn man die Tatsache bedenkt, dass ich absolut nichts verbrochen habe. Und trotzdem jagt man mich des Nachts durch den düsteren Wald.« Der letzte Satz war mit einer unheimlich mysteriösen Stimme meinen Lippen entwichen; Conan sollte merken, dass er es hier nicht mit einem zitternden Bündel Angst zu tun hatte.
Auch wenn ich mich durchaus so fühlte. Conan seufzte.
»Hör zu, es ging nicht um dich.« Ich zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
»Ja«, erzählte er weiter, als er meinen geschockten Gesichtsausdruck sah. »Es ist zwar bestimmt seltsam, dass sich einmal in deinem ganzen Leben die Welt nicht um dich dreht, aber ....« Ich sah ihn verächtlich an.
»Ach ja? Und warum wurde dann gerade ich verfolgt?«
Conan sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. Mein Gott, der Gute hatte ja echt einen ganz schönen Verfolgungswahn.
»Es ging um deinen Vater. Er hatte einen Vertrag, ein Abkommen mit ... -«
»Gibt es hier ein Problem, Conan?«
Ich fuhr herum. Conan ebenfalls. Und als ich den Sprecher erblickte, rutschte mir sogleich mein Herz in die Hose. Oh, Scheiße. Da war er ja doch. Der grimmige, unsympathische Anführer der Friedenswächter. Der, der mich gestern im Wald verfolgt hatte. Verdammt! Conan sah mich unschlüssig an.
»Nein«, meinte er schließlich. »Es gibt kein Problem, nicht wahr, Miss Kentwell?« Mein Blick glitt angstvoll zu dem Anführer. Er hatte ein grimmiges Lächeln im Gesicht. »Nein«, antwortete ich schließlich.
»Nein, es gibt kein Problem.«
Conan sah erleichtert aus, auch wenn der Blick, mit dem er mich bedachte, schwach von Mitleid durchzogen war. Er hätte mir offenbar gern mehr gesagt. Doch nun war es zu spät. Wie so oft im Leben. Ich lächelte dennoch, weil ich ihm zeigen wollte, dass ich es verstand, und dankbar für seine Mühe war.
Er nickte leicht, drehte sich um und lief dann den Gang entlang, den wir gekommen waren. Ich starrte ihm noch ein paar Minuten nach; sah die leicht gebeugten Schultern und den traurigen Blick. Vielleicht ...
Ja, vielleicht verstand ich Conan doch besser, als ich anfangs dachte. Denn auf irgendeine verdrehte Art und Weise erinnerte er mich an mich selbst.
Ein Arm griff nach meiner Schulter und riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich ärgerlich um und rieb mir die schmerzende Stelle. Das, was ich sah, gefiel mir ganz und gar nicht: Der Anführer, der Conan soeben davongejagt hatte, hatte mich nun grob an der Schulter ergriffen. Sein starker Arm quetschte meine Haut an dieser Stelle und ich riss mich wütend los.
»Ich denke, den Rest des Weges schaffe ich auch allein.«
Meine Stimme war eiskalt. Der Anführer, an dessen Brust ein Namensschild mit der Aufschrift »Hudson« heftete, nickte mir knapp zu, blieb jedoch noch immer dicht hinter mir, als ich den Weg zum Zug antrat. Am Bahnhof erwartete mich dann die nächste Überraschung: Ein aufgeregtes Kamerateam, welches versuchte mit ihren blitzenden, neuen Fotoapparaten einen Blick auf mich zu erhaschen. Das ist so krank!, schoss es mir durch den Kopf. Dass sie uns allen beim Sterben zusehen. Und sich auch noch darüber freuen.
Doch trotz meiner brodelnden Wut gelang es mir schließlich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Was soll ich sagen - Jahrelanges Training.
Als ich schlussendlich in die Kameras blickte, bemerkte ich, dass mein Gesicht einen fast schon teilnahmslosen Ausdruck zeigte. Erleichtert, dass man mir meine Unruhe und Wut nicht angemerkt hatte, setzte ich meinen Weg zum Gleis eins fort, wo bereits ein silbern glänzender Zug mit geöffneten Türen stand und auf mich wartete. Bald schon war ich mit meinem unerwünschten Begleiter dort angekommen. Enobaria und Brutus standen bereits in der gläsernen Tür und warteten offenbar ungeduldig darauf, dass wir endlich losfahren konnten. So würde ich mir jedenfalls Brutus‘ ständigen Blick auf seine abgewetzte Lederuhr erklären. Hudson, dem ich für seine Tat nun wirklich dankbar war, schirmte mich verärgert von den vielen Kameras ab.
Meine Dankbarkeit verflog jedoch gleich wieder, als er mich in der nächsten Sekunde schmerzhaft an der Schulter herumriss - gerade als ich in den Zug einsteigen wollte. »Jetzt hören Sie mir mal zu, Miss Kentwell: Mischen Sie sich da nicht weiter ein! Das ist einfach alles eine Nummer zu groß für Sie. Lassen Sie die Vergangenheit ruhen, Kleine. Haben Sie das verstanden?«
Die Vergangenheit ruhen lassen? War der bescheuert, oder wie?
Und wenn es auch nur die kleinste Chance gab, zu erfahren, was damals mit meiner Familie wirklich geschehen war, dann würde ich verdammt noch mal jede Gelegenheit ergreifen, um zu bekommen, was ich wollte.
Und ich wollte nichts Geringeres als die Wahrheit. Mir doch egal, ob dieser Besserwisser meinte, es wäre zu gefährlich. Aber für den Moment ...
Galt es erst einmal einen auf nettes Mädchen zu machen und die Wölfe zu beruhigen. Ich lächelte zögernd, während sich Hudsons durchdringender Blick auf mich richtete. Als sein Misstrauen Dank meines falschen Lächelns ein wenig verpufft war, räusperte ich mich schließlich.
»Ich ... ich glaube Sie haben recht, Sir. Ich ... werde nichts mehr deswegen unternehmen, versprochen.« Mit unschuldigem Blick und weit aufgerissenen Augen blickte ich den Friedenswächter an. Hudson nickte streng; entweder hatte er keine Ahnung von der heutigen Jugend, oder er war einfach bloß dumm und vertraute mir blind. Ich tippte jedoch nicht wirklich auf Letzteres.
Denn um sich von mir verarschen zu lassen - dafür hatte er einen viel zu intelligenten Blick. Von Weitem sah ich nun Cato, der sich verzweifelt einen Weg durch die vielen Kameraleute zu bahnen versuchte.
Er begegnete kurzzeitig meinem Blick und deutete mit dem Kopf genervt zu den vielen Aufnahmegeräten. Ich lächelte mitleidig und wandte mich dann gezwungenermaßen freundlich an Hudson, der mir gerade irgendwie gehörig auf die Nerven ging. »Könnten Sie sich vielleicht mal nützlich machen und meinen Freund von den vielen Kameraleuten befreien? Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, wir wollen losfahren.« Hudsons Blick verfinsterte sich.
»Aber sicher, Miss Kentwell«, meinte er verächtlich und lief dann zügig durch die Menschenmassen, um Cato zum Zug zu bringen. Ich lächelte zufrieden.
Den wären wir los. Ungehindert - abgesehen davon, dass ich mit meinen Schuhen fast wieder an den dünnen Stufen hängen geblieben wäre - stieg ich nun endlich selbst in das silberne Gefährt ein. »Clove!«
»Miss Kentwell!« »Schauen Sie hierher!«
Ich sah mich um. Zahlreiche Reporter standen mit ihren Kameras auf dem Platz vor dem Bahnhof und zoomten auf mich.
Ihre silbernen Geräte blitzten im gleißenden Sonnenlicht auf und blendeten mich, sodass ich mir die Hand vor die Augen halten musste. Ich blinzelte.
»Clove!«, ertönte plötzlich eine melodische Stimme hinter mir und ich wirbelte herum. Es war Enobaria, die mir den Wink gab, nach hinten zu gehen.
Ich nickte kurz. Ein Glück. Ich wollte diesen Leuten nicht länger ins Gesicht blicken müssen. All diese Leute, die sich jetzt auf einmal für mich interessierten, mich bejubelten ... mich jedoch mein ganzes Leben lang ignoriert und gedemütigt hatten. Nein. Die konnten mir mal gestohlen bleiben.
Mit einem letzten - so wie ich doch hoffte - arroganten Lächeln für die Kameras drehte ich mich schwungvoll auf dem Absatz um und lief schnellen Schrittes den Gang entlang, der sich vor mir erstreckte.
An der kleinen Kreuzung, die sich mir nach ungefähr zehn Metern bot, wandte ich mich nach links - von rechts hatte ich laute Stimmen gehört, und ich hatte keine große Lust, jetzt schon mit irgendjemandem reden zu müssen - und war seltsam überrascht, als ich bei meinem neuen Zimmer ankam.
Eine braune Tür mit der eleganten, in goldenen Lettern bedruckten Aufschrift »Clove Kentwell. Distrikt zwei«. Ich seufzte. Plötzlich spürte ich ein ungewohntes Ruckeln unter mir und musste unwillkürlich lächeln. Der Zug hatte sich in Bewegung gesetzt und die Reise ins Kapitol begann.
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Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯1: Den Song habe ich beim Schreiben die ganze Zeit über gehört ... Er ist echt wunderschön :D
Ich liebe ihn, auch wenn er nicht so wirklich auf dieses Kapitel zutrifft.
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯2: Die Widmung geht dieses Mal an хXCloveLoverXх. Danke für den lieben Kommentar, den Du mir geschrieben hast! Es hat mich echt gefreut <3 Ich hoffe, die Geschichte gefällt Dir auch weiterhin :D
Aɴмerĸυɴɢ Nυммer ♯3: Das Bild habe ich selbst erstellt.
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