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| 61. KINGDOM OF ISOLATION

[ ACT TWO: STRANGE LANDS ]
[ CHAPTER SIXTY ONE: KINGDOM OF ISOLATION ]

❝THE COLD NEVER BOTHERED ME ANYWAY.❞

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»DA LIEGT EINE LEICHE IN UNSEREM VORGARTEN«, WAR DAS ERSTE, WAS JULIAN DEVERAUX ANMERKTE, KAUM, DASS ER DAS HAUS BETRAT, UND SEINEN SOHN IN AUGENSCHEIN NAHM.

Gleichmütig zuckte Ever mit den Schultern.

»Und?«

»Und sie sollte verschwinden. Unverzüglich«, meinte der Mann, und machte sich daran, seinen anthrazitfarbenen Wintermantel an den Haken zu hängen. »Und da ich mir sicher bin, dass du für dieses Chaos verantwortlich bist, wirst du nun auch derjenige sein, der es beseitigt.«

Ever verdrehte die Augen und lehnte sich auf der Couch zurück, den Blick desinteressiert auf die Kapitolshow gerichtet, die über den Plasmabildschirm flackerte.

»Vielleicht später.«

»Nein, wohl eher sofort«, zischte sein Vater, mitunter jegliche Geduld verlierend - und Cassandra hielt es für das Beste, ihre Fingernägel zu begutachten, während sie es sich auf der hintersten Ecke der cremefarbenen Couch bequem machte.

»Bitte«, meinte Ever, und erhob sich gönnerhaft, sprang die Stufen des Wohnplateaus hinunter, und schlenderte an seinem Vater vorbei, in den Flur. »Kalia Borcelane muss dich ja einen ganz schönen Haufen Geld gekostet haben, wenn du wegen ihr darauf bestehst, dass das Haus gründlich geputzt ist.«

( Zufrieden bemerkte er, wie sein Vater angesichts der unqualifizierten Bemerkung die Fäuste ballte. Ach, habe ich da etwa einen Nerv getroffen? )

Unbekümmert schlüpfte er in seinen Mantel, zog sich die Schuhe an, und setzte seine Wintermütze auf.

»Weißt du, Vater, ich an deiner Stelle würde mir die Mühe sparen - sie ist wahrlich nicht schwer zu beeindrucken.«

Mit einem letzten überheblichen Lächeln riss er die Tür auf, schnappte sich ein Paar Handschuhe und verschwand im dichten Schneegestöber des Morgens.

LANGSAM ERKLOMM JULIAN DEVERAUX DIE STUFEN DES WOHNPLATEAUS UND LIE SEINEN BLICK DURCH DEN RAUM SCHWEIFEN.

Anthrazitfarbene Wände, hohe Decken, ein nahtloser Übergang zum Esszimmer, runde, kirchenähnliche Fenster, die einen perfekten Blick auf den verschneiten Garten boten.

Seine Tochter hatte es sich auf einer der Couchen bequem gemacht, gekleidet in eine schwarze Jogginghose und einen cremefarbenen Winterpullover. Eine dunkelblaue Decke lag über ihren Knien, und ihre Hände umklammerten eine heiße Tasse Tee.

Erschöpft ließ Julian sich in die Couchkissen sinken, sein Blick glitt desinteressiert über die lächerliche Kapitolshow, die seine Kinder bis zu seinem Eintreffen halbherzig verfolgt hatten.

»Wie war die Arbeit?«, fragte Cassandra, griff nach einem Tablett, welches auf dem Glastisch vor ihnen stand, und schob ihrem Vater ebenfalls eine Tasse hinüber.

»Lang«, antwortete Julian, und schenkte seiner Tochter ein müdes Lächeln. »Danke.«

Hin und wieder hörte man das Gelächter der Fernsehshow, ansonsten herrschte einsames Schweigen.

»Wie kam es dazu?«, durchbrach Julian schließlich die Stille, und nippte an seinem Tee.

Cassandra seufzte.

»Ich habe keine Ahnung. Ich war den ganzen Tag im Krankenhaus ...« Nachdenklich starrte sie aus dem Fenster, ihre Hände spielten verträumt mit dem Henkel der pastellblauen Tasse. »Als ich sie herbrachte - Ever ist uns im Flur über den Weg gelaufen, aber ansonsten ist nichts weiter passiert. Kaum war Kalia in ihrem Zimmer, wollte ich zu ihm, doch er hat die Tür nicht aufgemacht ...«

Julian seufzte schwer, nahm sich ein Plätzchen vom Tablett, drehte es abwesend hin und her.

»Und sie? Wie geht es ihr?«

Cassandra zuckte mit den Achseln.

»Sie schläft. Die Schmerzmittel haben ihr arg zugesetzt - ich hielt es für besser, sie ausschlafen zu lassen.«

»Nun, wenn das so ist, dann werde ich mich jetzt auch ein wenig hinlegen. Gib mir Bescheid, falls sich ihr Zustand ändert.«

Cassandra nickte.

»Vater?«

»Hm?«

»Ich bin froh, dass du wieder da bist.«

Julian verharrte, sein Lächeln gequält und voller Verständnis.

»Ja, ich weiß.«

DRAUẞEN WAR ES KALT. Der Nobelvorort des Kapitols wurde von Eis verhüllt, und eine zentimeterdicke Schneeschicht hatte sich auf den Dächern ausgebreitet.

Ever stand auf der Westseite des Gartens, den schwarzen Wintermantel eng um sich geschlungen, und blickte auf das Chaos, welches sein Vater ihm aufgetragen hatte, zu beseitigen - ein Mädchen, der Umriss ihres Körpers halb vom Schnee verborgen, ihr hübsches, puppenartiges Gesicht verzerrt, die Haut blau und erfroren, die Glieder starr und klamm.

( Ihr Genick gebrochen, der Hals in einem unnatürlichen Winkel zum restlichen Verlauf ihres Körpers - )

Augenverdrehend kniete Ever sich hin, wischte die Flocken weg, die sich des Nachts über ihre Gestalt gestohlen hatten, und hob mithilfe einer Gartenschaufel ein flaches Grab aus, in das er kurz darauf den gefrorenen Körper beförderte.

Ein wenig Schnee über der Stelle verteilend, winkte er den Nachbarn zu, die soeben aus ihrem Familienauto stiegen, drei kleine Kinder im Schlepptau.

( Ever wusste, dies war nicht der Weg, den sein Vater im Sinn gehabt hatte, als er ihm befahl, seinen Mist aufzuräumen - doch es konnte ihn kaum mehr interessieren, was sein Vater bevorzugte, als dass es ihn interessierte, was es zum Abendessen gab. )

Als er sich abwandte, und auf den Pfad zurückkehrte, der zur Auffahrt führte, bemerkte er die kleinen Lichterketten, die sich um die Bäume schlangen, und ein spöttisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. 

( Cassandra. )

Seine Schwester war schon immer recht sentimental gewesen - kein Wunder, dass sie sich so blendend mit der neuen Errungenschaft seines Vaters zu verstehen schien - Warum Julian sich diese neue Tussi zugelegt hatte, war ihm ein Rätsel -

( Vielleicht war er einsam. )

Erneut huschte bei diesem Gedanken ein Lächeln über seine Lippen, nicht minder abfällig als zuvor.

Ever empfand keinerlei Mitgefühl für Julian - mehr noch, hoffte er, Kalia gegen seinen Vater aufbringen zu können, ihr Lügen einzuflüstern, damit es ihn ruinierte, so wie Julian sein Leben ruiniert hatte, kaum, dass er einen Fuß in dieses verfluchte Haus gesetzt hatte.

Dieses Haus, in dem jeder vor jedem Geheimnisse hatte, in dem keiner mit keinem sprach - Seine Schwester, die alles tat, um ihrem Vater zu gefallen - und Julian, den dies seit jeher kalt ließ, der sich Tag für Tag in seinem Arbeitszimmer einschloss, sich vor seinen Kindern versteckte -

Kopfschüttelnd lief Ever den schmalen Pfad entlang, durchquerte den Garten, vorbei an den Lichterbäumen, vorbei an Rosenbüschen und Vogelhäuschen. Seine Stiefel knirschten, als er die Eiskristalle zertrat, die sich im Laufe der Nacht auf dem Weiß gebildet hatten.

Einer Eingebung folgend, fischte er sein Kommunikationssystem aus der Tasche, und scrollte durch die Kontakte. Kaum hatte er den Namen gefunden, den er suchte, hielt er inne.

Es klingelte.

»Hallo?«

»Fawn«, grüßte er, während das Gartentor krachend hinter ihm ins Schloss fiel. »Was hältst du von einem kleinen Treffen?«

DER DUFT VON FRISCH GEMAHLENEM KAFFEE UND ZITRONENTÖRTCHEN SCHWEBTE DURCH DAS CAFÉ.

Fawn seufzte leise, ihre behandschuhten Hände umschlangen die heiße Tasse Karamellmacciato, während sie nachdenklich aus dem frostverhüllten Fenster starrte.

Ein paar Limousinen versuchten, sich einen Weg durch die verschneiten Straßen zu bahnen, während Avoxe eifrig Gehsteige und Pflasterstraßen kehrten. Kapitolbewohner eilten bibbernd den Boulevard entlang, die Händen voller Einkaufstaschen, gekleidet in extravagante Pelzmäntel, die Haare mit Tüchern nach oben gebunden, um sich vor dem beißenden Eiswind zu schützen.

Eine Glocke klingelte, ein junges Mädchen betrat das Café.

Fawn wandte sich vom Fenster ab, nippte an ihrem Kaffee, und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen.

Das Café war klein, ausgestattet mit einem zartrosa Marmorboden, und schlichter, cremefarbener Wandverkleidung. Lichterketten rankten sich um ein paar Säulen, die das Interior stützten, und aus den Lautsprechern erklang festliche Musik.

Kapitolbewohner saßen an zierlichen weißen Tischchen, neben sich Bücher und Kommunikationssysteme, erledigten ihre Arbeit bei einem Stückchen Kuchen oder einer heißen Tasse Kaffee. Eine Gruppe Spielmacher hatte ein Hologramm in die Luft projiziert - auf einer Bank zusammengedrängt, diskutierten sie miteinander.

Die Türglocke klingelte erneut, und drei junge Frauen betraten den Raum, würdigten sie nicht eines Blickes, als sie sich einen Tisch in ihrer Nähe suchten, ihre schneeweißen Pelzmäntel über die Stuhllehnen hängten.

Fawn senkte den Kopf, fuhr sich unsicher durch die blonden Locken, mit einem Mal alles andere als glücklich über den schlichten puderrosa Glitzerpullover und den weißen Tüllrock, den sie beschlossen hatte, zu tragen. Vielleicht hätte sie, statt sich im letzten Monat eine neue Couch zu kaufen, stattdessen lieber in einen Pelzmantel investieren sollen -

»Du solltest nicht immer so an dir zweifeln«, ertönte seine Stimme neben ihr, und Fawn fuhr zusammen.

»Ever«, sagte sie tadelnd und lächelte schmal. »Schleich dich nicht so an. Das ist unheimlich.«

Ihr Tonfall strafte das Lächeln Lügen, dass sich bei seinem Erscheinen auf ihrem Gesicht ausbreitete - warm, und herzlich, und erleichtert - war sie nun nicht mehr der oberflächlichen Ignoranz ihrer Mitmenschen ausgesetzt.

»Oh, das würde die neue Freundin meines Vaters sicher auch behaupten - wenn sie denn reden könnte«, gab Ever spöttisch zurück, und ließ sich ihr gegenüber auf einen Stuhl fallen, während er gleichzeitig eine Kellnerin heranwinkte. »Willst du noch ein Stück Kuchen dazu?«, fragte er Fawn, nachdem er bestellt hatte, und nickte zu der Tasse Kaffee, die sie noch immer umschlossen hielt.

»Zitronencreme, bitte.«

Kaum war die Bedienung hinter einem Paravent verschwunden, kam Fawn auf das Thema zurück.

»Seit wann hat dein Vater denn eine neue Freundin? Ich hörte doch, er sei verliebt in seine Arbeit - stimmt das etwa nicht?«

Ihre himmelblauen Augen weiteten sich gespielt - wie alle Kapitolbewohner liebte auch sie Klatsch und Tratsch, und kannte somit fast jeden Skandal, den das Kapitol zu bieten hatte - man wusste schließlich nie, wann einem dieses Wissen mal nützlich daherkam.

»Oh, er hat sie gestern aufgegabelt«, antwortete Ever, seine Stimme bebte vor Hohn. »Und sie ist wirklich allerliebst

Seinen Wintermantel beiseite hängend, zupfte er an seinem weißen Kaschmirpullover herum.

»Tja, ich schätze, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie irgendwann unter eurem Haus liegt«, meinte Fawn schnippisch, und nahm einen kleinen Schluck Kaffee.

Ever verdrehte die Augen.

»Nicht du auch noch. Ich hatte heute früh bei weitem genug Probleme mit meinem Vater. Da kommt er von seiner dämlichen Geschäftsreise, mit einer dämlichen Nervensäge in unserem dämlichen Haus, keinen Gedanken daran verschwendend, wie meine Mutter das wohl gefunden hätte, und erwartet, dass alles in Butter ist.«

Fawn hob den Blick.

Ever wirkte aufgebracht - die Tatsache, dass seine Mutter durch Julian den Tod gefunden hatte, traf bei ihm seit jeher einen wunden Punkt.

»Willst du - willst du darüber reden?«

»Was soll das helfen?«

»Ich - ich weiß es nicht. Ich dachte ... Vergiss es, es war nur so eine Idee.«

( Tatsächlich hatte es ihr ebenfalls nicht geholfen, nach ihren Hungerspielen mit einer zugewiesenen Betreuerin zu sprechen - im Gegenteil, nach nur zwei Sitzungen hatte sie alles abgeblasen, und war ins Kapitol zurückgekehrt - für immer. )

»Danke. Es würde mir allerdings so viel mehr helfen, wenn du stattdessen den Tag mit mir verbringen würdest - ich habe keine große Lust, in nächster Zeit überhaupt nach Hause zurückzukehren.«

»Okay«, meinte Fawn lächelnd, und nahm erneut einen Schluck von ihrer Kaffeetasse. »Ich denke, das lässt sich einrichten.«

ES WAR SPÄTER NACHMITTAG, ALS CASSANDRA NACH HAUSE KAM.

Den Kristallglasschlüssel in die Schale neben der Tür werfend, schüttelte sie sich die Flocken aus dem Haar. Während der letzten Stunden hatte es endlich zu schneien aufgehört - auch wenn für den Abend bereits ein heftiger Sturm angekündigt worden war.

Cassandra seufzte.

Im Krankenhaus war nicht allzu viel passiert, die meiste Zeit ihrer Mittagsschicht hatte sie damit zugebracht, Akten zu ordnen, und hin und wieder einen Patienten im öffentlichen Bereich anzumelden.

Als sie ihre Schuhe nahe der Tür abstellte, zeigte ihr das Fehlen von Evers Mantel in der Garderobe, dass ihr Bruder noch immer in der Stadt unterwegs war - und dort wer weiß was trieb.

Ihr Vater dagegen, schien zu Hause zu sein. Sie hörte das Klappern von Geschirr - zu spät, als dass die Bediensteten das Mittagessen abräumten, und zu früh, um das Abendbrot zuzubereiten.

Als sie in die Küche kam, sah sie ihren Vater den Tisch decken.

Auf der weißen Oberfläche befanden sich etliche Schalen, gefüllt mit verschiedenen Salaten, mehrere Körbe mit Weißbrot und eine Kristallkaraffe mit süßem Sekt.

»Sie müsste bald aufwachen««, meinte Julian, der ein Wasserglas in der Hand hielt, und sah zu, wie seine Tochter einen Stuhl heranzog, und sich etwas Tomatensalat auftat.

»Cassandra?«

»Ja?«

»Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wie es dir damit geht - mit dieser neuen ... Situation - Ich - du solltest wissen - es lag nicht in meiner Absicht, das Andenken deiner Mutter zu ruinieren-«

Cassandra schüttelte den Kopf.

»Ich bin nicht Ever«, sagte sie leise. »Nicht mir musst du Vorträge darüber halten, Mutters Andenken zu beschmutzen.«

Julian nickte resigniert.

Ever. Ever, der sich nie um irgendeine Form von Zuneigung bemühte, der sich kaum an die Gesetze hielt - wo man jede Woche fürchten musste, er würde ein neues Mädchen aus dem Fenster werfen, und der pro Monat mindestens einmal Ärger mit den Friedenswächtern hatte.

»Wo ist er überhaupt?«, hakte Cassandra nach, und nippte an ihrem Glas Granatapfelsekt.

»In der Stadt. Mit Fawn Citriné.«

Tatsächlich hatte er die beiden gesehen, als er während der Mittagszeit in sein Büro geeilt war, und sich ein paar neue Gesetzesentwürfe hatte geben lassen.

Cassandra schnaubte abfällig.

Sie hatte nie viel von Fawn Citriné gehalten - das Mädchen war ihrer sehr bescheidenen Meinung nach, nichts weiter als eine verzogene Göre, die ihren Bruder benutzte, um sich durch Verpflichtungen zu schummeln - so zum Beispiel auch durch den Vertrag, den die überlebenden Sieger mit dem Präsidenten geschlossen hatten - ob freiwillig oder unfreiwillig, spielte dabei keine Rolle.

Sie tat, als wäre sie eine von ihnen - doch weder ihre hübschen Kleider, noch ihre tadellosen Manieren, konnten etwas daran ändern, dass sie nicht hierhergehörte. Nicht in diese Stadt, nicht in dieses Haus, und ganz sicher nicht ins Bett ihres Bruders.

Cassandra fragte sich, wieso Ever der kleinen Hure nicht endlich den Laufpass gab - wieso er nicht zur Abwechslung mal sie aus dem Fenster warf - doch offenbar hatte er über die Jahre hinweg Gefallen an ihrem hübschen Lächeln gefunden ...

( Zu schade. )

Ein melodisches Sirren riss sie aus ihren Gedanken.

Julians Kopf fuhr nach oben. Sein Blick glitt zu dem Hologramm an der Wand, das die Vitalfunktionen des Haushalts anzeigte. Ein hellblauer Punkt bewegte sich auf kleinem Raum - dort, im ersten Stock des Anwesens.

»Sie ist wach.«

DIE WELT VERSANK IN STILLE.

Leise rieselte der Schnee, fiel hinab auf prachtvolle Gärten - verzierte Steine, Büsche und Bäume mit Frostblumen und Eiskristallen.

Schweigend marschierten Ever und Fawn durch den Park, Schals und Mäntel eng um sich geschlungen.

( Fawn liebte die Kälte - die Einsamkeit, die Stille, der Winter, der das Leben mit Eis erstickte - )

Vor einer Weide kamen sie zum Stehen, betrachteten die herabhängenden Zweige, die feinen Kristalle auf dem Holz des Baumes, der die Last des plötzlich hereinbrechenden Winters mit sich trug, dazu gezwungen war, in seiner Form zu erstarren, bis irgendwann ein Sonnenstrahl sich seiner annahm.

Fawn seufzte.

Die runde Turmuhr einer kirchenähnlichen Kapelle zeigte, dass es bereits kurz vor Mitternacht war. Sie sollten sich beeilen, bevor der angekündigte Eissturm die Stadt überrollte - Caesar Flickerman hatte die Leute schließlich ausdrücklich davor gewarnt, nicht nach Mitternacht das Haus zu verlassen.

Schneeflocken aus ihrem Haar schüttelnd, wandte sie sich ab - bis Evers Hand sie innehalten ließ.

Fawn hob den Blick.

Nachdenklich schaute Ever auf die Trauerweide, die Parkbänke, den schmiedeeisernen Zaun, der das Areal umgab, ein dunkler Schatten auf seinem Gesicht.

»Ever? Was ist?«, fragte Fawn, ihre Stimme unsicher und verwirrt.

»Du weißt, was passiert, wenn jemand davon erfährt? All das Wissen, das du durch mich erlangt hast? All das, was ich dir erzählt habe?«, meinte Ever unvermittelt, seine Stimme kalt und fremd, und Fawn zuckte zusammen.

»Vertraust du mir nicht?«

Ever schenkte ihr ein schmales Lächeln.

»Hier kann man niemandem vertrauen - wenn ich mich recht entsinne, das Erste, was ich dir beigebracht habe, kaum, dass du dich entschlossen hast, herzuziehen.«

Fawn schluckte. Innerlich fühlte sie sich schwach - beleidigt und wütend, doch würde sie sich hüten, dies nach außen zu tragen.

»Ich würde niemals etwas erzählen.«

»Nun, das wäre besser - für dich. Du schuldest mir einiges«, murmelte er - noch immer wachsam, noch immer skeptisch - lockerte jedoch den Griff um ihren Arm, sodass sie ihren Spaziergang fortsetzen konnten.

Unwirsch fuhr sich Fawn durch die Haare. Eiskristalle klebten an ihren Fingern, während ihre Gedanken in die Ferne schweiften.

( Ein Salon. Hohe Decken, dunkles Parkett. Ein hell erleuchteter Schminkspiegel, eine Garderobe voller Abendkleider. Cashmere. Cassia. Johanna. Cashmere, ihr Kleid tiefpink und funkelnd, während sie selbst in einem Stuhl saß, sich durch die glänzenden Haare fuhr, sich fühlte, als stünde sie meilenweit über ihren Freundinnen - war ihr Kleid doch edler, schneeweiß, mit Kristallsteinchen besetzt, mit hohem Kragen und bodenlangem Saum - würde sie den Ball doch nicht am Arm eines Fremden verlassen, waren Snows Drohungen für sie nichts weiter, als ein schwacher Windhauch in einem Wirbelsturm. »Wie schaffst du das nur immer?«, hatte Cassia gefragt, ihre Stimme voller Neid. Und Fawn hatte gelächelt, mit den Schultern gezuckt, die Augen unschuldig aufgerissen. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst.« )

Zurück in der Gegenwart, konnte sie Ever sein Misstrauen nicht einmal mehr übelnehmen.

Sie hatte kein Recht, verletzt zu sein - Natürlich machte er sich Sorgen, was passierte, wenn die vielen Geheimnisse, die er ihr anvertraut hatte, an die falschen Personen kamen - Doch wusste er nicht, wie dankbar sie war? Er hatte alles für sie getan. Er war alles für sie.

Plötzlich verzweifelt, zwang sie ihn dazu, stehenzubleiben.

»Was ist?«

»Ich will nur - Ich - Du kannst mir vertrauen«, flüsterte sie. In ihren Augen schimmerten Tränen, und hätte er ihre Bekundung als Verschwendung seiner Zeit interpretiert, so ließ ihn ein Blick auf ihr Gesicht umdenken. »Ich schwöre es.«

Zögernd griff Ever nach ihrer Hand.

»Ich weiß. Ich hätte nicht - Es tut mir leid. Willst du heim?«

( Sie wusste nicht, was er meinte - das luxuriöse Zimmer im Trainingscenter, das sie als Mentorin bewohnte, oder die hübsche, jedoch einsame Wohnung in der Stadt, kaum zehn Querstraßen entfernt? )

»Nein.«

»Komm mit zu mir.«

( Zu ihm? Damit ich als Nächstes unter dem Haus liege - wie das Mädchen vom Abend zuvor? Wo sie sich doch nicht hundertprozentig sicher sein konnte, was er tat, weil sein Vater - )

»Ich verspreche auch, dass dir kein Leid geschieht.«

Als sie noch immer nicht antwortete, wurde seine Miene ernster.

»Du sagst, ich kann dir vertrauen - aber du weißt auch, dass du mir vertrauen kannst - nicht wahr? Dir würde ich nie etwas tun.«

Es klang aufrichtig, so aufrichtig -

( Ihr Herz flatterte in ihrer Brust - )

Dummes Herz, schalt sie sich. Ihr Verstand sagte ihr, dass es zu riskant war - bei all dem, was im Moment vor sich ging, allem, was sie über die neue Freundin seines Vaters erfahren hatte - wer sie wirklich war - doch ihr Herz kam ihrem Verstand zuvor.

»In Ordnung.«

Gemeinsam setzten sie ihren Weg durch die Winternacht fort.

Fawn wusste, dies war nicht das märchenhafte Happy End, auf das ein Mädchen aus Distrikt eins gelehrt wurde, zu hoffen - dies war auch nicht das Leben eines Siegers, wie es das Kapitol versuchte, den Leuten zu verkaufen -

Doch in all dem Chaos, das sie inzwischen ihr Leben nannte, war dies das Beste, was sie daraus machen konnte - Es war alles, was sie hatte.

Er war alles, was sie hatte.

( Und vielleicht, ja vielleicht, hätte sie es auch gar nicht anders haben wollen. )

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( author's note: )

Hᴀʟʟᴏ, ɪʜʀ Lɪᴇʙᴇɴ!

einen wunderschönen dreißigsten dezember wünsche ich euch! nur noch ein tag, dann ist das jahr auch schon wieder vorbei - ich hoffe, das nächste jahr wird noch schöner und ( in meinem fall ) stressfreier, als 2o18! dieses kapitel war nun etwas anders aufgebaut als alle kapitel zuvor - nichtsdestotrotz hoffe ich, dass es euch gefallen hat, auch mal etwas aus sicht der kapitolbewohner zu lesen! danken möchte ich zuallererst einmal jedem, der dabei geholfen hat, dass dieses buch in diesem jahr über 1ooo votes & über 990 kommentare erreicht hat! ich kann nicht beschreiben, wie glücklich & dankbar ich deswegen bin - nicht zuletzt auch wegen der 22K klicks. mein dank gilt auch worIdsaway, starryeyedturtle, tensbabygirl, Iycanthropy, louisaaa23, plaindaisies, Cathayia, BlackGirlNumber1, July112, Nakita_Herondale, S_P_Q_R_16 und TheDarkTemptation, die mich in diesem jahr besonders unterstützt & motiviert haben! ich wünsche euch nun noch einen wunderschönen abend, ein spektakuläres & magisches silvester ( ich glaube, so viel feuerwerk wie dieses jahr haben wir auch noch nie gekauft! ) & ein glückliches neues jahr!

die lieder, von denen dieses doch eher düstere kapitel inspiriert wurde, sind god rest you merry, gentlemen ( piano version ) maria walks amid the thorns ( london symphony orchestra ) & light of the seven ( ramin djawadi )

➤ dieses kapitel ist für die liebste mami auf der ganzen welt. alles, alles liebe zum geburtstag, mausi! du bist mir so wichtig! danke für all die schönen momente, die uns dieses jahr über begleitet haben - danke, dass du immer für mich da bist, mich immer unterstützt & immer an mich glaubst. ich liebe dich <3 happy birthday!

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