14| Fernando
Wir liefen die langen Straßen entlang durch die Stadt. Unsere kleine Gruppe hatte (mal wieder) einen Schwächeanfall namens Hunger und laut Jin musste man diesen Zustand schnellstens ändern. Ich lief ihnen die ganze Zeit hinterher und war nicht ganz bei der Sache. Das Telefonat mit Kelsey hatte mich doch etwas mehr mitgenommen, als ich es gedacht hatte und spukte mir weiterhin im Hinterkopf herum. Und dabei ging es meiner Mom doch wieder besser. Ja okay, vielleicht verschönerte ich ihren Zustand auch, aber wer würde das nicht tun? Fakt war, dass es ihr wieder gut ging und obwohl ich diesen 'Anfall', wie Kelsey ihn genannt hatte, nicht mitbekommen hatte, war es ja auch nicht so schlimm gewesen, dass ich wieder hätte nach Hause kommen müssen. Kelsey hätte mir das sonst sofort gesagt. Auf sie kann ich mich immer verlassen.
"Suji! Hey, Sweetheart!" Langsam drang Jimin's Stimme aus dem Hintergrund zu mir und ich zuckte kurz zusammen, als Jimin mir mit einer Hand wie wild vor dem Gesicht herumwedelte. Moment, wie hatte er mich gerade genannt? Ich blickte verwirrt um mich, um mir einen Überblick zu verschaffen. Wir waren mittlerweile am Hafen angekommen. Die Menschenmassen bewegten sich stetig und in einem schnellen Tempo weiter. Eine lange Schlange an Autos stand an einer roten Ampel und wartete ungeduldig und über all dem stand die strahlende Sonne und kreischende Möwen. Jimin und ich wurden etwas geschubst, da wir relativ mitten auf dem Gehweg standen. Die anderen Fußgänger bahnten sich genervt einen Weg um uns herum und Jimin zog mich schnell an den Rand der Straße und somit aus dem Gefahrenbereich.
Den Rest der Gruppe entdeckte ich nahe einer kleinen Gasse und sie beäugten uns belustigt und aus einiger Entfernung. Anscheinend war ich so in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie die Jungs stehen geblieben sind und bin einfach weiter gelaufen. Ich lächelte leicht und fuhr mir durch die Haare."Tut mir leid, ich war in Gedanken." Ich zuckte verlegen mit den Schultern. "Das nächste Mal lasse ich dich weiterlaufen. Du bist süß, wenn du so gedankenlos durch die Gegend rennst.", sagte Jimin in einem gedämpften Tonfall, sodass ich ihn in dem Lärm um uns herum kaum verstehen konnte. Ich schaute gespielt empört auf und schlug ihm auf den Arm "Du Pabo!", sagte ich, doch konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen. "Los komm, die anderen warten schon.", lachte ich und er nahm meine Hand in seine und zog mich hinter sich durch die Menschenmenge.
"Das hat ja lange gedauert.", bemerkte Yoongi, als wir wieder bei ihnen standen und Taehyung seufzte theatralisch. "Jetzt sind wir doch wieder da, also können wir weiter?", fragte ich und versuchte davon abzulenken, dass ich eigentlich der Grund für die Verzögerung war und dass Jimin immer noch meine Hand hielt, was jedoch scheiterte. Hoseok's Mundwinkel zogen sich fast schon siegessicher in die Höhe, als er uns von der Seite her betrachtete und ich zuckte nur ahnungslos mit den Schultern.
"Wir sind sowieso schon da. Gleich da vorne ist Fernando's.", sagte Jin und zeigte in die kleine dunkle Gasse. Ich zog skeptisch die Augenbrauen in die Höhe. Das sah weniger nach einem vertrauenswürdigem Ort aus. Wohl eher nach einer zwielichtigen Gegend in der man all den Menschen begegnet, denen man nicht auf offener Straße entgegen treten will. Ich stellte mir vor, wie hier gerade Jack the Ripper 2.0 sein Unwesen trieb und schauderte. Ich war zu jung um so zu enden, aber ich hatte ja immerhin sieben Beschützer, von denen hoffentlich keiner vorhatte in nächster Zeit zum Serienmörder zu werden. Immer noch etwas widerstrebend wurde ich mitgezogen und kam schließlich hinter Namjoon, der die Führung übernommen hatte zum stehen.
Wir befanden uns vor einem großen Holzbau, welches unscheinbar zwischen den anderen Häusern lag. Wäre ich nicht mit den Jungs unterwegs gewesen, wäre ich wahrscheinlich ahnungslos an dem Restaurant vorbei gelaufen. Die milchigen Fensterscheiben ließen keinen Einblick zu und über der Tür stand in verblichenen Buchstaben Fernando's. Hoffentlich macht es ihm Inneren mehr her, als von außen. Ich wollte hier einfach mal auf die Männer vertrauen. Namjoon hielt die breite Flügeltür auf und scheuchte uns alle mit einer Handbewegung ins Warme. Bevor ich eintrat ließ ich Jimin's warme Hand los.
Ich seufzte erleichtert. Das Innere des Restaurants war um einiges ansehnlicher als die heruntergekommene Holzfassade. Gedämpftes Licht fiel auf kleine runde Tische und an den Seiten zogen sich mit rotem Stoff gepolsterte Sitzbänke entlang. Mir stieg der wohltuende Geruch von Pizza in die Nase. Leise Musik lief im Hintergrund und die ruhige freundschaftliche Atmosphäre, die Leute, die um die Tische saßen und miteinander lachten, machte das ganze Bild direkt sympathisch.
"Impossibile! Meine jungen Freunde!" Ein kleiner Mann, augenscheinlich und dem Akzent nach zu urteilen Italiener, kam aus dem hinteren Bereich auf uns zugeeilt. Er hatte etwas Mehl im Gesicht und ich musste mir das Grinsen verkneifen, als er freudig, wie ein Kind, in die Hände klatschte und vor uns stehen blieb. "Fernando!" Jin begrüßte den Mann herzlich und was mich wunderte auf Englisch und auch der Rest schloss sich ihm an. "Che sorpresa! Damit hatte ich heute wirklich nicht gerechnet! Wie lange ist das schon wieder her? 2 Monate?"
Hoseok lachte "Sogar schon ein halbes Jahr." "Davvero? Wie die Zeit doch vergeht." Er lachte laut auf und sein Lachen war so ansteckend, dass wir direkt mit einfielen und ich mich unwillkürlich wohl fühlte. Fernando's Blick glitt stolz von einem zum anderen und blieb schließlich verwundert an mir hängen. "Toh! Wer bist du denn?", fragte er und schaute dann verschmitzt grinsend in die Runde. "Zu wem gehört la bella signorina, huh?" Ich spürte, wie sich mein Gesicht aufheizte, trat schnell einen Schritt nach vorne und stellte mich vor, um ein mögliches Missverständnis zu vermeiden. "Ich bin Suji. Ich bin eine Freundin", sagte ich und nickte in die Richtung der Meute hinter mir. "Freut mich Sie kennen zu lernen." Ich streckte ihm die Hand entgegen. Er nahm sie in beide Hände und gab mir einen leichten Handkuss, woraufhin ich noch röter würde. "Wirklich schade, aber die Freude ist ganz auf meiner Seite!", sagte er und ließ meine Hand wieder los, bevor er uns allen ein herzliches Lächeln schenkte. "So, dann bring ich euch mal zu euren Plätzen!"
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"Das ist so nie passiert!" Jungkook schaute fassungslos zu Fernando, der sich das Lachen nur schwer verkneifen konnte. Wir anderen hatten es bereits aufgegeben und lagen vor Lachen fast auf dem Boden. Wir saßen in einer Nische auf einer Sitzbank um einen breiten Tisch herum und Fernando gab gerade eine Geschichte von der Zeit, als die Jungs zum ersten Mal hier waren, zum Besten. Zu seinem Leidwesen traf es Jungkook, der bereits seinen Kopf in seinen Händen vergraben hatte vor Peinlichkeit.
"-und dann kommt er hier herein, nur mit Schlafhose, Tshirt und mit einem Schuh- ja, nur ein Schuh, und will sich eine Pizza bestellen." Der ganze Tisch brach in Gelächter aus und ich klopfte Jungkook mitfühlend auf den Rücken. Fernando entfernte sich amüsiert über die Reaktion von Jungkook wieder zurück in die Küche und ließ uns ebenfalls lachend zurück. Jungkook startete noch einen Versuch das ganze aufzuklären.
"Wie oft soll ich das noch sagen. Es war eine Wette! Eine Wette, okay?" "Ja natürlich, wenn du das sagst.", meinte Yoongi ironisch und schüttelt den Kopf. "YAH, außerdem hatte ich wirklich hunger." Seine Ausführungen führten jedoch nur dazu, dass wir noch mehr lachten.
"Immerhin hatte das Ganze etwas Gutes.", sagte Hoseok und ich hob fragend eine Augenbraue. "Denn hätte unser Golden Maknae nicht so einen Hunger gehabt, dass er im Schlafanzug-" Er lachte noch einmal kurz auf und erntete dafür einen strafenden Blick von Jungkook. "Naja, dann hätten wir diesen Laden gar nicht gefunden." Er nickte anerkennend und langsam hob der Jüngere wieder seinen Blick. Das Lachen erstarb und wir schauten ihn nur noch lächelnd an. Auch seine Mundwinkel zogen sich allmählich in die Höhe und er grinste stolz.
"Trotzdem, was ich mich immer gefragt habe, warum nur im Schlafanzug" Jin's Augen lagen wirklich interessiert auf ihm und er zuckte nur mit den Schultern. "Ich hatte wirklich hunger." Kopfschüttelnd wendete sich Jin ab und ihm nächsten Moment stand Fernando wieder neben unserem Tisch. Beladen mit großen Tellern voller Essen. "Va bene! Hier kommt euer Essen." Das Wasser lief mir allein schon vom Hinsehen im Mund zusammen und ich musste mich beherrschen, mich nicht direkt auf die Pizza zu stürzen, als Fernando diese vor mir abstellte. "Lasst es euch schmecken." Wie aufs Kommando griffen wir zum Besteck und machen uns ans essen. Ich merkte erst wie hungrig ich überhaupt war, als ich den ersten Bissen zu mir genommen hatte. Die Pizza war schön locker und der zerschmolzene Käse zog lange Fäden. Es schmeckte einfach großartig. In einem Satz. Ich war im siebten Pizzahimmel.
Während dem Essen blieb es die meiste Zeit ruhig, weil wir uns alle aufs Essen konzentrierten, aber als die ersten fertig waren, wurde es wieder lauter am Tisch. Weitere alte Geschichten wurden ausgepackt und ich wusste im nächsten Moment nicht worauf ich mich konzentrieren soll. Ich erzählte auch die ein oder andere Story aus meinem Leben. Meistens etwas, was ich mit Kelsey erlebt hatte. Sie kenne ich bereits seit dem Kindergarten und dementsprechend viel gab es zu erzählen. Aber auch manche der Geschichten der Jungs sind echt einmalig und ich kam fast gar nicht mehr zum Essen so viel lachte ich. Ich strich mir eine Lachträne aus den Augenwinkeln und nahm schließlich den letzten Bissen meines Mittagessens zu mir. Seufzend legte ich das Besteck nieder und lehnte mich auf der Sitzbank zurück.
Fernando kam noch mehrmals zu unserem Tisch und redete mit uns, wurde aber genauso oft wieder in die Küche gerufen, weil es Probleme gab. Das war wirklich schade, denn obwohl ich ihn gerade erst kennen gelernt hatte, schätzte ich ihn sehr. Er war wirklich ein fröhlicher Mensch und außerdem hatte ich so die Chance mehr interessante Sachen über meine Freunde zu erfahren.
Nach einer Weile stand ich auf, mit der Begründung ich müsste einmal das Badezimmer aufsuchen, und ging an der Küche vorbei zu den Toiletten. Nachdem ich mir die Hände gewaschen hatte, richtete ich mir meine Haare wieder ordentlich zusammen und trat dann wieder nach draußen auf den langen Gang. Als ich an der Küche vorbeilief vernahm ich Fernando's Stimme. "Wirklich schade." Er stand lächelnd im Türrahmen und trocknete gerade einen Teller ab. Ich blieb stehen und lächelte ihn ebenfalls an. Ich zog eine Augenbraue fragend in die Höhe, doch er lachte nur kurz in sich hinein.
"Die Jungs sind wirklich klasse", sagte er und ich nickte schnell. "Ja, das stimmt. Ich wüsste nicht, was ich jetzt tun würde, hätte ich sie nicht kennen gelernt." Natürlich hatten wir Fernando von unserer Reise und unserem Zusammentreffen erzählt. "Du passt gut zu ihnen, holst sie mal auf den Boden der Tatsachen zurück. Das tut ihnen sicher gut." "Wie meinst du das?", fragte ich und er blickte mich verwirrt an. Dann schüttelte er traurig den Kopf. "Sie können froh sein dich als Freundin zu haben." "Ich bin auch froh, dass ich sie zu meinen Freunden zählen kann.", sagte ich sichtlich verwirrt über die plötzlich ernste Stimme.
Ein sanftes Lächeln schlich sich schließlich auf sein Gesicht. "Sie mögen dich wirklich sehr. Manche vielleicht etwas mehr als die anderen.", bemerkte er, wobei er den letzten Satz fast flüsterte, sodass ich ihn kaum verstand. Auf meinen verdutzten Blick hin lachte er nur leise. Ich wollte gerade etwas erwiedern, aber er unterbrach mich. "Du gehst am Besten wieder zu ihnen, principessa. Sie scheinen dich schon zu vermissen.", sagte er und zeigte durch eine Glasscheibe, wodurch ich die Jungs sah, die sich bereits suchend umsahen.
Ich nickte verstehend und winkte ihm noch zu bevor er in der Küche verschwand. Als ich auf unseren Tisch zuging, lächelte ich jeden in der Runde einzeln an, wobei mir die Worte von Fernando immer wieder durch den Kopf gingen. Manche vielleicht etwas mehr als die anderen. Mein Blick blieb an einem der sieben länger hängen, als er sollte und er lächelte breit und mit strahlenden, warmen Augen zurück.
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