XLIII - Die Händler
„Wir sind glaube gleich da", durchbricht Helene die unangenehme Stille. Nicht einmal Vögel zwitscherten hier in den nicht halb so saftigen Bäumen wie vor einigen Metern. Alles hier wirkte bedrohlich und längst nicht mehr so schön.
Ein sauer, süßer Geruch stach ihnen in die Nase, als die beiden den aufgeweichten Weg betraten. Der weiche Untergrund gab immer wieder schmatzende Geräusche von sich, als die schon verdreckten Stiefel der beiden, ihren Weg suchten. „Etwas Geld, Brot, Wasser ... " Eine zerlumpte Gestalt streckte ihre dürren Finger nach den beiden empor, ein Auge unter schmutzigen Bandagen, das Andere trüb, setzte sie ein Flehen auf.
„Letum können wir ihr Helfen?" Helene spürte sofort ein mitleidiges Gefühl der alten Frau gegenüber. „Wir haben doch noch etwas Proviant und sind auch gleich in der Stadt, wir werden ihr doch sicher etwas geben können"
Letum zog das Kind ein Stück weiter, während sie einen kleinen Taler aus ihrem Beutel kramte. Wortlos warf sie das Kupferstück vor der Frau in den Dreck. Dem leisen aufklatschen folgte das Geräusch von Händen, die im Schlamm danach fischten. „Helene, Schattenhain ist Arm, unzählige Menschen betteln hier, wir können nicht allen helfen", wisperte die Magierin um nicht aufzufallen. Durch ihre zerlumpte Kleidung würde es leichter werden, in dem Rattenloch, was einmal ein Dorf gewesen sein musste, unbemerkt zu bleiben, doch spätestens wenn sie Reittiere besaßen, würden sie genug Bettler anziehen um ein eigenes Dorf zu gründen.
„Aber ... ", wollte das Mädchen wiedersprechen, doch verstummt dann als sich vor ihr das Stadttor darbot. Der Geruch von altem Fleisch und Fisch biss dem Kind in die Nase als sie in die unfreundlichen Gesichter der Händler blickt.
Das Tor selbst war wohl einst aus Holz gefertigt, mit schweren Türen, die sich in Hochzeiten, bei Gefahr verschließen ließen. Jetzt waren es marode Blöcke, zerfallen und verdreckt, rahmten sie das Bild des Marktes, von wo aus Händler mit müden, harten Gesichtern gierig nach Kunden Ausschau hielten. Auch Letum könnte die durchbohrenden Blicke spüren, gierig und kalt, immer auf der Suche nach Opfern, hatten sie das ungleiche Paar, welches durch die Pforte Schritt, bereits erspäht. Unter den Füßen der Blinden wurde der Weg nur unbedeutend besser, doch die Essenzen füllten das Dorf und Letum war wieder in ihrer Welt. Ein selbstsicheres Gefühl flutete durch ihre Adern, verlieh ihr eine Leichtigkeit, die sie am liebsten hätte Lächeln lassen, doch sie würde den Vorteil einer von ihnen zu sein nichts so schnell aufgeben. Mit Hilfe aller Sinne, die sie in den 14 Jahren seid dem Verlust ihrer Augen geschult hatte, schritt sie die reihe der Stände ab, bis sie an eine gelangte, der wenig besucht war. Der beißende Geruch das Färbemittel mischte sich hauchdünn in den Gestank der Stadt. „Wollt ihr was, gaffen ist nicht", raunte eine unfreundliche Stimme hinter der Theke, die sich vor Helene und ihrer Begleiterin aufbaute. „Was wollt ihr", fragte sie erneut ohne auf die vorige Antwort gewartet zu haben und ihre grauen Augen bohrten sich in Helenes Seele.
„Kl-kleidung", stotterte das Mädchen bei diesem scharfen Blick und sie machte automatisch einen leichten Schritt zurück. Der schlampig gefärbte Stoff lag unordentlich auf der Theke aus. Helene gefielen die Kleider nicht sonderlich, aber wenigstens waren diese nicht zerrissenen mit Blut verfärbt oder zu groß. „Dieses da" die Prinzessin deutet auf ein leicht grünlich gehaltenes Kleid. „Gute Wahl!", rieb sich die Händlerin die Finger und zog es hervor „20 Taler, weil ihr es seid", ihr grinsen wurde immer breiter.
Jetzt war es an Letum das Gespräch zu übernehmen. Während Helene die Händlerin beschäftigt hatte, waren die Finger der Blinden im Stoff verschwunden, um Qualität und Wert zu erfühlen. Ein tiefer Atemzug bestätigte billiges Färbemittel und modrige Aufbewahrung. Letum beugte sich etwas über den Tresen, so war sie näher an der Frau, dessen ranziger Geruch ihr dabei entgegen schlug, doch weniger Ohren würden so mithören. „Ich gebe dir fünf Taler für das Kleid und zwei für eine Hose" Die Händlerin, siegessicher mit verschränkten Armen und spöttischen grinsen, das faulige Zähne entblößte, wollte schon widersprechen, als ihr gegenüber erneut ansetzte. „Hemd und zwei Mäntel will ich ebenfalls, der Wert legt bei nicht einmal 18 Taler, für alles, aber weil ich ein guter Mensch bin will ich dir 20 geben. Dafür sehe ich davon ab mir die Mühe zu machen meine Waren anderweitig zu beschaffen." Letums Stimme war fest. Sie hatte bereits ein Goldstück hervor geholt, um der Händlerin die Entscheidung zu erleichtern. Die Frau wog ihre Möglichkeiten ab, das selbstgefällige Grinsen war einem sauren Ausdruck gewichen. Sie wusste das Kind war dumm, doch die Blinde würde sie nicht so leicht über den Tisch ziehen. Letum deutete mit einer Kopfbewegung auf die anderen Händler, welche sich bereits die Finger nach den Kunden lecken. „Die oder ihr", fordere sie erneut und ein Hasserfüllte brummen schlug ihr entgegen. „Na gut, wenn ihr eine arme Frau bestehlen und ausnehmen wollt", grummelte sie voller Zorn. Die Magierin schob die beiden Goldstück, jedes 10 Taler Wert, über den Verkaufstisch, wo die Frau gierig Zugriff. Letum ließ sich von ihrer Begleiterin die Waren reichen und prüfte noch einmal, mit ihren Finger den Zustand. „Helene, du solltest überlegen ob du auch nicht lieber eine Hose willst", gab sie zu bedenken, die schweren Stoffe auf dem Arm.
„Aber Mädchen tragen doch normalerweise keine Hose", gab Helene zurück und bedachtet ihr neues Kleid, welches jetzt schon nicht wirklich ansehnlich wirkte. Ihr war schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen das Letum eine Hose und kurze Haare trug. Beides sehr untypisch für eine Frau, aber sie hat es darauf zurück geführt das sie Bild war und ihr das Binden eines Kleides vielleicht zu schwer fiele. Mittlerweile war Helene aber bewusst, dass dies nicht der Grund dafür zu sein konnte.
Diese weltfremde Aussage war ein weiterer Beweis, dass Helene aus gutem Hause stammen musste und keine Ahnung von der Welt um sie hatte. Das Volk von Mittelstadt wusste ebenso wie die Bauern auf den Feldern im hohen Süden, das Hosen oft zweckmäßiger bei der Arbeit waren. Es gab sogar Völker, in denen Frauen überhaupt keine Röcke oder Kleider trugen, wie das Reitervolk, im Osten der Steppe. Letum schüttelte schweigend den Kopf, spätestens nach einem Tagelangen Ritt im Sattel, würde sich Zeigen wie unpraktisch solch ein Kleid war.
„Was machen wir jetzt eigentlich Letum?", fragt die Prinzessin dann plötzlich aus dem nichts heraus. „Und ich vermisse Argon ... meinst du er kommt mich bald wieder besuchen, jetzt wo wir endlich wieder im freien sind?"
Die letzte Frage überhört Letum absichtlich, während ihre Füße den Geräuschen der Reittiere folgten. „Wir werden nach Caelum reiten." Eine eisige Brise ließ sie Frösteln, dort wo sie die nackte Haut berührte.
„Darf ich mir auch ein Pferd aussuchen?", fragt die kleine hoffnungsvoll und sah ihre Begleiterin an, als wieder jemand an ihrem Rock zog und Helene erschrocken zurück zuckte.
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