03 Genna
03 Genna
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Casterlystein
Sie kämpfte, als ihr Vater die Botschaft überbrachte.
Das Schild in der einen, das Schwert in der anderen Hand wich sie den Schlägen Roroks aus und setzte nur vereinzelt Stiche nach vorn. Rorok war ein herausragender Krieger und so fiel es ihr schwer, sich gegen ihn zu behaupten. Er war groß, deutlich größer als sie, und sein Kreuz war breit und muskulös. Wenn er kämpfte, dann tat er das mit seinem gesamten Körpergewicht und jeder Schwertstreich ließ Genna Lennister einen weiteren Schritt nach hinten weichen.
Sie duckte sich, sprang zur Seite und versuchte die Schnelligkeit auszunutzen, die er nicht besaß.
Dennoch verlor sie diesen Kampf, dennoch war sie es, die durch einen einfachen Stoß, der zu plötzlich kam, als dass sie hätte ausweichen können, zu Boden gestoßen wurde.
Mit einem breiten Lächeln drückte Rorok die Schwertspitze gegen ihren Kehlkopf, bevor er sich schließlich von ihr abwandte und auf die Knie sank.
„Mylord, ich entschuldige mich."
Ein Wutschnauben entwich der jungen Löwin, als sie sich wieder auf ihre Beine rappelte und den dunklen Staub von ihren Hosenbeinen rieb. Sie hasste es, zu verlieren und noch mehr hasste sie das Lächeln ihrer Gegner, das stolz und unnachgiebig auf ihre Lippen wich, wenn sie die junge Frau zu Boden zwangen.
Eine Frau, die kämpfte war nicht gern gesehen. Nicht auf Casterlystein und an keinem anderen Ort in Westeros. Es wäre lächerlich. Eine Lady könne nicht kämpfen.
Genna Lennister hatte sich vorgenommen das Gegenteil zu beweisen. Doch mit jedem verlorenen Kampf überzeugte sie ihren Vater, dass sie für das Kriegsfeld nicht geschaffen sei.
Noch dazu stand er an jenem Tag, an dem sie erneut gegen Rorok verlor, am Rande des Hofes, die Hände ineinander verschränkt und seine Lippen fest aufeinander gepresst.
„Erhebt Euch, Rorok. Es gibt keinerlei Grund sich zu entschuldigen. Ihr hattet einen Kampf zu gewinnen."
Bei seinen Worten entwich Genna ein Laut der Entrüstung, doch entweder nahm ihr Vater diesen nicht war oder er ignorierte ihn.
„Ich danke Euch, Mylord."
Rorok wandte sich von Lord Tyren ab und schenkte seiner Tochter ein letztes gewinnendes Lächeln, bevor er schließlich aus ihrem Sichtfeld verschwand.
Die nun plötzlich eintretende Stille zwischen Genna und ihrem Vater war der jungen Lady so unangenehm, dass sie sich auf ihre im Kampf benutzen Waffen konzentrierte und sie vorsichtig in das vorgesehene Gestell hing. Ihr Vater, ruhig und entschlossen, sah ihr dabei zu.
„Was wollt Ihr?" Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und so konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Sie war nervös, schrecklich nervös.
„Das weißt du, Genna."
Natürlich wusste sie es, dennoch wollte sie die Worte von seinen Lippen hören, wollte sich sicher sein, dass ihr Leben sich verändern würde, dass es keinen anderen Ausweg mehr gab.
Sie wollte Gewissheit haben, auch wenn es schmerzte.
„Wir sollten nicht hier darüber reden."
„Bald wird es jeder wissen."
Sie lachte, ein ironischen Lachen voller Angst vor dem, was auf sie zukommen würde.
„Genna, komm."
Sie wandte sich ihm zu, wohlwissend, dass ihre keine andere Wahl blieb. Er war ihr Vater, er bestimmte über sie. Sie musste sich ihm beugen, auch wenn sie nicht wollte.
Er führte sie über den Hof, den Blick der Ritter und auch der Zofen wohlwissend auf ihren Schultern. Sobald sie aus ihrem Blickfeld verschwinden würden, das wusste Genna, würde das Tuscheln beginnen, das Lachen und das Hochziehen der Augenbrauen. Sie würden Wetten abschließen um die Löhne ganzer Wochen und sie würden mit dem Finger auf sie zeigen. Sie würden die Damen im nahegelegenen Dorf aufsuchen und sie würden mit ihnen über die Gerüchte sprechen, die sich alsbald über das gesamte Land ausbreiten würden.
Wenn es denn nicht schon jeder wusste, wem Genna Lennisters Hand versprochen ward.
Es war der Festsaal, in den ihr Vater sie führte und es war der wohl unpassendste Ort, an dem sie darüber hätte sprechen können. Die Wände hatten Ohren, noch dazu in einer Burg wie dieser.
„Nun gut, Genna." Er setzte sich an das Kopfende des gewaltigen Tisches, der den gesamten Saal einnahm, und verschränkte seine Hände vor seinem Bauch. Seine blauen Augen blickten vorwurfsvoll zu seiner Tochter, als erwarte er von ihr eine Reaktion.
Doch die junge Lady stand einfach nur da und versuchte sich das Zittern nicht anmerken zu lassen, das ihre Gliedmaßen befallen hatte. Oh, die Angst war groß. So groß, dass sie sich nicht einmal traute die Frage zu stellen, wer ihr Zukünftiger denn sei.
„Ich habe mit deiner Mutter gesprochen, Genna. Sie ist einverstanden." Er erwähnte noch immer nicht seinen Namen.
„Die Heirat wird in wenigen Wochen stattfinden. In seiner Burg. Zuvor möchte er dich aber besuchen kommen. Er möchte dich erst kennenlernen, bevor er sich sicher sein kann, das gesamte Leben mit dir zu verbringen."
Genna nickte, mehr ein Instinkt als von ihr gewollt.
„Teran Martell. Du wirst Teran Martell heiraten."
Teran Martell. Sie hatte viel von ihm gehört und das meiste befasste sich mit den Frauen, die er schwängerte und den Bastarden, die er von sich stieß. Einmal hatte eine Zofe gesagt, dass er ein guter Kämpfer sei. Vielleicht kämpfe er nicht fair, aber er würde immer gewinnen.
„Er war bereits auf Casterlystein, Genna. Vor zehn Jahren. Du wirst dich an ihn erinnern."
Oh, sie erinnerte sich an ihn. Sie erinnerte sich an die braunen Augen, dessen Blick sich in sie hinein gezwängt hatte. Sie erinnerte sich an seine Hände, die sich um ihr blondes Haar gelegt hatten. Und sie erinnerte sich an seine Worte, an das Säuseln seiner Stimme und an den warmen Atem an ihrem Ohr.
„Wann wird er kommen?" Ihre Worte waren leise, fast nur ein Flüstern.
„An deinem zweiundzwanzigsten Namenstag, Genna." Seine Stimme war noch immer vorwurfsvoll, als würde er noch immer von ihr enttäuscht sein, dass sie erst in diesem hohen Alter heiratete.
Sie nickte. Akzeptierte. Weil ihr keine andere Wahl blieb und weil sie ihren Vater endlich stolz machen wollte. Vor drei Jahren hatte er bereits den Versuch getätigt, sie zu verheiraten. Doch sie war mit neunzehn noch jung gewesen, naiv und wild und auch launisch. Sie hatte all die Anwärter von sich gestoßen, hatte sich ihnen gegenüber flegelhaft und unhöflich verhalten.
Dennoch bereute sie es nicht. Maas Tyrell, ein Junge in ihrem Alter, hatte das Kämpfen verabscheut, hatte gelacht, als sie ihm von ihren täglichen Übungen berichtete. Anschließend hatte sie ihn aufgefordert zu duellieren. Damals war er der erste gewesen, den sie, noch dazu als Frau, besiegt hatte.
„Ich sollte jetzt gehen, Vater." Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und drehte sich auch nicht mehr um als sie den Saal verließ.
Es tat weh, zu wissen, dass die eigene Seele und auch der eigene Körper verkauft worden waren und dennoch ließ Genna sich keines ihrer Gefühle anmerken.
Sie ließ sich ankleiden, ließ ihre Haare frisieren und sprach dabei mit der Zofe kein Wort. Ihre Kehle war noch immer eingefroren, noch immer von dieser eisigen Hand umklammert, sodass kein Laut von ihren Lippen weichen konnte.
Auch während des Abendmahls schwieg sie, blickte nur stumm auf den von Fleisch und Brot bedeckten Teller und schob das zu lang gekochte Gemüse von der einen zur anderen Stelle.
Sie wusste, dass ihr Vater die frohe Botschaft noch heute verkünden würde.
Nur die engsten Vertrauten, die nicht einmal ein Fünftel der Plätze einnahmen, saßen an der langen Tafel im Festsaal.
Ihre Mutter und ihr Vater am Kopf, zu ihrer beiden Seiten befanden sich Gennas Tante und ihr Cousin Tiron. Sie kannte ihn schon seit der Kindheit, war nach dem Tod ihres Onkels mit ihm aufgewachsen und hatte ihn stets wie einen kleinen Bruder behandelt. Er war drei Jahre jünger als sie, verhielt sich seinem Alter jedoch nicht gerecht.
Er war naiv, wild, ungestüm, unhöflich, vorlaut und launisch. Er verhielt sich Mensch und auch Tier gegenüber wie ein Flegel, respektierte niemanden und lachte über jeden. Mit seiner Art war er stets Streitpunkt zwischen seiner Mutter und deren Bruder gewesen. Der Lord hatte schon oft versucht, ihn fortzuschicken, während die Witwe sich stets an ihren Sohn geklammert hatte.
Letztendlich hatte sie die Diskussionen um die Zukunft ihres Sohnes gewonnen, wenn auch nur, weil das Mitleid von Gennas Vater über allem stand, was die Verbindung zu ihr betraf.
Er war gestorben, ihr Mann, auf tragische Art und Weise. Man hatte seine Leiche gefunden, das Herz durchbohrt, die Gliedmaßen, Beine sowie Arme, vom Rumpf getrennt.
Noch immer, sechzehn Jahre später, wusste niemand von dem Mörder. Nicht einmal Gerüchte, auf dessen wahren Kern man sich stützen konnten, kursierten in den Dörfern.
Gennas Vater hatte gesucht und hatte alles in seiner Macht stehende getan, um den Mörder zu finden. Doch seine Bemühungen waren erfolglos und so hatte er seine Schwester schließlich zu sich genommen, um sie in seinem eigenen Hause vor dem Feind beschützen zu können.
Nun saß sie dort, neben ihrem Bruder. Die Arme auf dem Tisch verschränkt und den Blick stier geradeaus gerichtet. Ihre blauen Augen waren grau und von Schatten durchzogen, ihre dunklen Lippen zu einem Strich verzogen. Sie war gealtert, die Sorge machte sie noch immer krank.
„Ich habe etwas zu verkünden."
Bei seinen Worten zuckte Genna zusammen, hatte sie doch nicht geglaubt, dass er bereits während des zweiten Ganges das Thema ansprechen würde.
Er erhob sich, ein Glas in seinen Händen, als wären es nicht nur vier Personen, die seinen Worten gespannt lauschten. Sein Blick suchte den Gennas und so konnte sie sich nicht von ihm abwenden.
Unter der Tischplatte hatte sie ihre Hände zu Fäusten geballt.
„Meine Tochter wird heiraten. Teran Martell."
Gennas Mutter, wie sie nun einmal war, klatschte begeistert in die Hände, den Ausdruck falscher Freude im Gesicht und ihren Mund lachend aufgerissen.
Die Tante würdigte ihre Nichte nur eines kurzen Blickes und wandte sich dann wieder ihrer Mahlzeit zu.
Es war Tiron, dessen Reaktion Genna tatsächlich verblüffte, wenn auch vor allem, weil der Schock nach seinen Worten zu tief in ihren Glieder verharrte.
„Teran Martell." Er ließ den Namen geradezu auf seiner Zunge verschmelzen und schüttelte dann, mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen, den Kopf.
„Ist das nicht der dornische Fürst, der Frauen sowie Männer vögelt?"
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