Prolog
„Es ist von den Göttern gesegnet."
Alte, knochige Finger überreichten das schreiende Bündel an die zierlichen Hände, einer blonden Frau, auf deren Stirn der Schweiß der Geburt noch glänzte.
Der Geruch von frischem Blut erfüllte den Raum - der Duft, der neues Leben, aber auch den Tod verkünden konnte.
Eng drückte sie ihr weinendes Kind an ihren bebenden Körper, strich behutsam über die Wangen, die so weich waren, wie frisch gegerbtes Leder. Augenblicklich beruhigte sich das wimmernde Baby, in dem Wissen, dass es die Finger der Mutter waren, die es ganz sanft berührten.
Donnernde Schritte ertönten hinter der Tür, die nur einen Wimpernschlag später mit der Kraft einer Sturmböe aufflog.
Eiskristalle klebten in dem geflochtenen, rostfarbenen Bart des Mannes, den die erschöpfte Frau bereits sehnlichst erwartet hatte.
Er brachte die Kälte mit sich, doch das störte sie nicht, denn die Wärme der neu entfachten Liebe zu ihrer Tochter, schützte sie davor zu frieren.
„Es ist, wie ich dir gesagt habe. Ich habe davon geträumt. Die Götter haben es mir bereits vor langer Zeit verraten", hauchte sie ihm die müden Worte entgegen, versuchte sich gerade aufzurichten, um ihm sein Kind besser präsentieren zu können.
Die Holzdielen knarrten unter seinen schweren Schritten, als er sich seiner Familie näherte, um sich das in Decken gewickelte Bündel genauer anzusehen.
Als er das noch faltige Gesicht des kleinen Mädchens erblickte, weiteten sich seine Augen, die den Farbton von dunklem Tannenholz trugen und seine vom Winter blau gefärbten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das so breit war, wie ein gespannter Bogen.
Nur kurz darauf ertönte sein rauchig klingendes Lachen, erfüllte den ganzen Raum, nahm ihn ein, wie ein Herrscher ein Stück Land.
Er hob ihr das Kind aus den Armen, drückte es eng an seine von Hirschfellen bedeckte Brust.
Noch nie hatte die neu geborene Mutter ihren Mann mit solch einem Leuchten im Blick gesehen. Nicht einmal der hellste Stern des Nachthimmels schien so grell zu funkeln, wie es seine dunklen Seelenfenster in diesem Moment taten.
All die Monate hatte er ihr nicht geglaubt, doch nun sah er selbst, dass sie die Wahrheit gesprochen hatte und nicht von ihren Wünschen geblendet worden war.
Vorsichtig, als könnte er das Mal mit seinen Fingern fortwischen, wenn er nicht aufpasste, fuhr er seine Linien nach. „Von Odin geküsst, von Freya gestreichelt", wisperte er dem Mädchen entgegen, das wieder zu wimmern begann, als der frostige Atem seine warmen Wangen benetzte.
Unter seinem rechten, noch geschlossenem Auge, prangte in feuerroter Farbe das Abbild eines Wassertropfens. Ein Gemälde der Götter, eingebrannt in die ansonsten makellose Haut.
„Ich will ihr den Namen Caja geben." Die erschöpfte Frau griff nach dem Arm ihres Mannes, spürte die Kälte, die sich hartnäckig wie Baumharz an seiner Kleidung festgesetzt hatte.
„Caja", wiederholte der Bärtige. „Die Reine. Das Licht. Ja, so soll sie heißen. Sie wird unser Dorf erhellen und unser aller Schicksal erleuchten."
Als würde das Mädchen zustimmen, lachte es leise im Schlaf. Ein Glucksen der Glückseligkeit, das selbst das schwerste Herz dazu verleitet hätte, Freudensprünge zu schlagen.
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