Kapitel 22
Als Rina erwachte, war sie ein wenig irritiert. Sie lag ganz normal in ihrem Bett, doch sie war sich ziemlich sicher, nicht geträumt zu haben.
Ihre Finger fuhren über ihren Nacken, wo Deamon sie gebissen hatte, doch da war nichts. Kein Blut und auch keine kleinen Narben, die darauf hindeuten würden, dass sie nicht geträumt hatte.
Rina wurde traurig, als sie realisierte, dass alles nur ein Traum sein musste.
Langsam erhob sie sich und trat auf das Fenster zu. Als sie den Vorhang aufschob, stellte sie fest, dass die Sonne noch nicht ganz aufgegangen war.
Normalerweise wachte sie nicht so zeitig auf. Das wunderte sie. Allerdings konnte sie sich auch nicht daran erinnern, wann sie gestern ins Bett gegangen war.
Ihr Kopf schmerzte ein wenig, doch ansonsten fühlte sie sich gut.
Nachdenklich drehte sich Rina und sah sich in ihrem Zimmer um. Was sollte sie jetzt machen? Auf Essen und faullenzen hatte sie keine Lust.
Ob sie hinaus in den Garten gehen sollte? Aber was sollte sie dort machen?
Rina überlegte, ob sie vielleicht in den Innenhof gehen sollte, zu dem Angelica sie geführt hatte. Dort wo Deamon Blumen an einen Grabstein gelegt hatte. Dieser brauchte Pflege und sie wollte sich um ihn kümmern, doch sie hatte das Gefühl, dass es Deamon nicht gefallen würde.
Gedankenverloren lief Rina auf und ab, als die Tür zu ihrem Zimmer geöffnet wurde. »Du bist aber zeitig wach«, bemerkte Deamon, als er in den Raum trat. Er hatte eigentlich gehofft, dass sie noch schlief. Gern hätte er sie beobachtet.
Rina hielt inne und blickte ihn mit großen, runden Augen ungläubig an. Sie hatte nicht mit ihm gerechnet. Was machte er in ihrem Zimmer?
Unweigerlich musste sie an ihren Traum denken, was die Röte in ihre Wangen trieb und ihr Blut in Wallung brachte.
Deamon hob eine Augenbraue und schmunzelte. »Bereust du es schon, mir Gestern das Angebot gemacht zu haben, von dir zu trinken?«, fragte er mit einer sanften, aber irgendwie neckenden Stimme.
Rinas Augen wurden noch größer. »Das war kein Traum?«, fragte sie, wobei sie sich nicht ganz zwischen entsetzt und hoffnungsvoll entscheiden konnte.
Deamon musterte sie eingängig, bevor er die Hand hob. Sie wich nicht zurück, als er ihr eine Strähne hinter das Ohr schob. »Wünschst du dir, dass es ein Traum wäre?«, fragte er, wobei die Angst, dass sie es bereute, in ihm wallte. Er wollte nicht, dass sie ihn ablehnte. Weder seine Berührungen noch seinen Biss.
Rina war von der Frage sichtlich überfordert, bevor sie schnell den Kopf schüttelte. Die Erinnerungen waren schön und sein Biss hatte sie nicht geschmerzt. Es gab also keinen Grund, warum sie es bereuen sollte.
»Beruhigend zu hören«, erwiderte Deamon, der Angst hatte, dass er mit seinem nächsten Vorhaben dieses leichte Vertrauen, das sich da in ihr zu bilden schien, wieder kaputt machte. Allerdings wollte er Linneas Rat befolgen. Er würde sie behandeln wie alle anderen und diese hatte er auch mit diversen Übungen gestärkt. Bei Rina würde er jedoch nicht gleich mit Kampfübungen zur Verteidigung anfangen. Bei ihr müsste er erst einmal eine Grundbasis aufbauen. Sie war nicht hier aufgewachsen und noch immer zerbrechlich wie eine Glasvase.
»Zieh dir etwas an, in dem du dich gut bewegen kannst. Am besten das von gestern«, wies Deamon sie an.
Rina blickte überrascht zu ihm auf. »Gehen wir wieder reiten?«, fragte sie, wobei sie ihre Vorfreude darauf deutlich zeigte. Sie wollte wirklich noch einmal mit Deamon ausreiten. Das würde ihr sehr gefallen.
Der Vampir zögerte und überlegte seine Pläne zu ändern, nur um ihr Strahlen zu sehen. »Vielleicht heute Abend, wenn du dich gut anstellst«, sagte er schließlich, auch wenn es ihn schmerzte zu sehen, wie ihr Strahlen erlosch und nachdenklich wurde.
»Gut anstellen?«, fragte Rina verwirrt, die sich eigentlich gerade umziehen wollte. Jetzt jedoch blieb sie stehen und sah erneut zu Deamon, weil sie wissen wollte, was er meinte.
Dieser schmunzelte lediglich. Er könnte es ihr erklären, doch es wäre sicher lustiger, wenn er es nicht tat. So würde sie wenigstens nicht schon sofort protestieren.
»Das wirst du schon sehen«, erwiderte er mit einem Lächeln.
Rina runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Sie wusste nicht, ob er jetzt doch vorhatte, sie zu bestrafen. »Ist das wieder so ein: Wenn du brav bist, Ding?«, fragte sie lauernd. Sie traute Deamon einiges zu. Bisher hatte sie immer das Zuckerbrot bekommen. Wurde es vielleicht Zeit für die Peitsche?
»Vielleicht«, schmunzelte Deamon, der sich fragte, was in ihrem kleinen, süßen Kopf vorging. Ob sie Angst haben würde?
Rina wandte sich von Deamon wieder ab. »Ich ziehe mich um«, sagte sie, als ihr der Duft von Frühstück in die Nase stieg. Allerdings machte sie sich erst einmal daran, sich anzukleiden, während sie die Gerüche versuchte zu entschlüsseln. Brot, Eier, Schinken, aber auch etwas Fruchtiges.
Als sie zu dem kleinen Vorraum zurückkehrte, entdeckte sie Deamon, der auf dem Sofa saß. Vor ihm ein Speisewagen mit Frühstück.
Rina blinzelte. Wollte er, dass sie sich neben ihn setzte, wenn sie aß?
Ihre Haut kribbelte bei der Erinnerung, an den letzten Tag. Er hatte sie im Arm gehalten.
Allein die Erinnerung daran wärmte sie von innen und ließ sie sich nach seinen Berührungen sehnen.
Deamon klopfte neben sich auf das Sofa, als er bemerkte, dass Rina einfach im Raum stehenblieb. »Setz dich und iss«, sagte er mit einem auffordernden Lächeln.
Wenn Rina Deamon so sah, war es schwer ihn mit ihrem ersten Eindruck in Verbindung zu bringen. Er hatte so gefährlich und wütend ausgesehen. Jetzt aber war er ganz anders.
Sein Aussehen war immer noch recht kantig und wirkte hart, doch nicht, wenn er lächelte.
Rina mochte sein Lächeln, weshalb sie sich langsam zu ihm setzte. »Danke für das Essen«, sagte sie, denn ihr war klar, dass Deamon derjenige war, der sich um das Fleisch kümmerte, das im Schloss verarbeitet wurde. Dabei war er der Lord dieser Insel. Sollte er nicht Leute haben, die das machten?
Deamon machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du brauchst es gerade am meisten, also iss«, sagte er, weil er mit dem Dank nicht viel anfangen konnte. Er war es zwar gewohnt, doch die Tatsache, dass sie sich bei ihm bedankte, ließ in ihm ein seltsames Gefühl aufsteigen. Ein zufriedenes Gefühl.
Entspannt sah er zu, wie Rina aß. Wenn er sie so betrachtete, hatte er erneut das Gefühl, das ihre Haare gewachsen waren. Sie waren auch etwas intensiver als bei ihrer Ankunft.
Bisher hatte er noch nie damit zu tun gehabt, dass ein Menschenkind nicht genügend Nahrung bekommen hatte. Daher konnte er auch nicht genau sagen, ob das so normal war. Allerdings ging er eher davon aus, dass es die Magie war, die er in ihr pulsieren spürte. Ob sie sich dessen überhaupt bewusst war?
»Das Essen hier schmeckt so gut«, bemerkte sie zufrieden, während sie den gesamten Teller leerte.
Am Ende lehnte sie sich zufrieden zurück und rieb sich den Bauch.
Deamon musste zugeben, dass er noch nie einen Menschen gesehen hatte, der so viel Essen konnte. Trotzdem würde er sie dafür niemals tadeln. Essen war lebenswichtig. Das wusste selbst er als Vampir. Ihr das nötige Essen zu verwehren, aus welchen Gründen auch immer, war für ihn Folter. Daher würde er auch dafür sorgen, dass genug Essen da war, sollte er wieder einmal die Insel verlassen müssen.
Deamon erhob sich. »Komm«, wies er sie an. Wie er es gewollt hatte, trug sie die Kleidung von gestern. Sie war am besten für das geeignet, was Deamon mit ihr vorhatte. Allerdings würde er erst einmal schauen, wie es um ihre Ausdauer stand.
Rina folgte Deamon hinaus aus ihrem Zimmer und durch die Gänge, bevor sie einen der vielen Innenhöfe erreichten, den Rina schon einmal gesehen hatte. Deamon hatte hier mit Edmund gekämpft.
Was sollten sie hier?
Fragend blickte Rina zu Deamon hoch, der sich jedoch kurz umsah und dann nickte. Es war niemand da, wie er es angewiesen hatte. Deamon wollte nicht, dass jemand Rina beobachtete. Das war ihm vorbehalten.
»Ab Heute wird dein Training beginnen«, sagte Deamon entschieden, was bei Rina für Verwirrung sorgte.
Was sollte das denn bedeuten?
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