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Was folgte nahm ich wie durch einen Nebel wahr, der im Nachhinein dem Geschehen umso mehr Unwirklichkeit verlieh und alles wie in einer verschwommenen Fotografie ineinander verlaufen ließ. In dem Moment, in dem mein Verstand begriff, welche Absurdität ich gerade durchlebte, konfrontierte man ihn mit einer neuen. Die Zeitabfolge kam mir in Kürze abhanden und so konnte ich nur noch zwischen „nach dem Stillstehen" und „vor der Baracke" einordnen, das was dort lag jedoch war wirr.

Irgendwann nannte ich jemandem mit einer Liste meinen Namen, Alter und Beruf – Hanna Cohen, 18 bald 19, im Dienste des Staates arbeitslos.
Schließlich wurden jegliche Wünsche, die ich hätte hegen können, verboten; nicht einmal die dem Regime ganz eigene grobe Schmeichelei etwas von mir Geschriebenes und Veröffentlichtes verbrannt zu sehen blieb mir vergönnt. 

Es wäre gelogen, hätte ich behauptet diese Worte so ausgesprochen zu haben. Stattdessen antwortete ich auf die letzte Frage ganz artig „keiner".

Irgendwann befahl man uns, uns auszuziehen und ich hörte um mich ein Gewirr aus leisem Protest, geflüsterter Angst und ungläubigem, panischem Kichern.
Irgendwann musste ich gehorcht haben und sagte Leah dasselbe wie schon zuvor.

„Schau nur nach vorn. Nicht zu ihnen. Sie sind nicht da. Und wenn du sie doch siehst, vergiss nicht, dass das keine Menschen wie wir sind, sondern Maschinen in Uniform." Der Vergleich schien einigen zu gefallen und sie ein wenig zu erleichtern, zumindest half er ein Stück weit über die Demütigung und Scham hinweg, schutzlos und nackt vor fremden Männern stehen zu müssen. 

Irgendwann war da eine fremde Hand in meinem Haar, die es festhielt, während die andere es mit einer Schere durchtrennte. Es waren nicht die dunklen Locken, über die ich in diesem Moment weinen wollte, würden diese doch nachwachsen, sondern die bloße Tatsache, dass jemand sie mir nehmen konnte. Dass jemand mich mit ein paar wenigen, unvorsichtigen Bewegungen meiner Würde und dessen, was mich zum Menschen macht, beraubte. Eben noch war ich eine junge Frau gewesen. Nun war ich ein Häftling. Noch weniger Teil der Gesellschaft als zuvor. Und jeder konnte es sehen.

Auch Leah vergoss keine Träne über ihre goldbraunen, langen Zöpfe, die sie so geliebt hatte. Sie glitzerten lediglich in ihren Augen, doch sie gab sich diese Blöße nicht, sondern starrte das Kinn hochgereckt grimmig auf einen Punkt in der Ferne. Ich war unsicher, ob mich das mit Stolz oder Schrecken erfüllte.

Irgendwann durften wir uns in eisigem Wasser waschen, das uns frierend zurückließ.

Irgendwann erhielten wir gestreifte Kleidung, die keinem wirklich passte, und Davidstern und Nummer, die wir daran befestigen sollten. Damit wurde der Rest Hanna Cohens, die das Lager betreten hatte, ausgelöscht. Was blieb war 2245.

Irgendwann schleifte uns eine grimmige Frau, die nicht der SS angehörte, aber wohl doch etwas zu sagen hatte, zu einem Fotografen, der wiederum eindeutig Häftling war. Bei ihm waren zwei andere mit Armbinden. Kapo. Was bedeutete das?

Fingerabdrücke, Blitzlicht, ein Schlagstock, der meinen Kopf in die richtige Position hob und zuschlug, als man bemerkte, dass mein Stern ein wenig schief saß. Er tat es noch einmal, weil ich es korrigieren wollte.

Irgendwann trieb uns diese Frau zu einer Baracke, willkürlich Prügel verteilend, denn jetzt, da unsere Gesichter ordentlich abgelichtet waren, müssten wir nicht mehr passabel aussehen, wie sie sagte.

Irgendwann lag ich zitternd in einem Holzgestell, feucht-faules Stroh als Matratze, die eigene Jacke als Kissen und ohne Decke, zusammengekauert. Ich hielt die Augen offen an irgendeinen Punkt gerichtet, ohne zu sehen, und das Einzige, das die Leere in meinem Inneren füllte und mich daran erinnerte, dass ich noch lebte, war Schmerz. An meiner Seite durch den Schlagstock und überall wo er mich nicht erwischt hatte, durch den Weg von unserer Wohnung hierher, der mir in jedem Knochen und Muskel saß. 

Dieses alte Leben in Berlin schien plötzlich weit weg.

Federleichte Schritte, durch die Stiefel auf dem Kies jedoch trotzdem hörbar, kündigten das Nähern einer Person an, was ein kurzes Raunen durch die Baracke gehen ließ, welches jedoch sogleich wie auf Befehl wieder verstummte.

Beinahe rechnete ich damit diese bösartige Frau wiederzusehen, Wilken oder den Rottenführer, doch wider jede Erwartung war es eine junge Frau, nur ein paar Jahre älter als ich selbst.

Sie trug bessere Kleidung als wir, doch auch daran haftete verräterisch ein Symbol, das sie als Häftling brandmarken musste. Auf Höhe ihres Herzens erkannte ich ein rotes Dreieck, wie bei der anderen zuvor; eine Armbinde zeichnete sie als Stubenälteste aus.

Sie sah nicht ganz so mager aus wie die anderen Häftlinge, aber dennoch unterernährt und obwohl sie hübsch war, hatte ihr Anblick etwas leicht Befremdliches an sich, denn allem an ihr schien die Farbe entzogen. Ihre Haut war weiß, ihre Augen von einem blassen Blau und selbst ihr Haar ein aschiges Blond. Sie schien als wäre sie gerade aus Schwarz-Weiß in die Wirklichkeit getreten.

„Ah, die Neuen", stellte sie mit einem Blick auf die Gruppe um Leah und mich fest, die mitunter aus Miriam Mendelssohn, zwei Frauen im Alter meiner Mutter und einer älteren Dame bestand. Sie sprach Deutsch, wahrscheinlich, weil sie es hier musste, denn ihr starker Akzent verriet, dass es nicht ihre Muttersprache war.

„In zehn Minuten ist Ausgangssperre. Später kein Licht und kein Verlassen von Baracke, wenn ihr nicht wollt erschossen werden."

Die übrigen Frauen wechselten verwirrte und besorgte Blicke. Sie verstanden kein Wort. Vermutlich hatte man sie direkt aus Łódź hierhergebracht.
Also wiederholte sie in einem Polnisch, indem ich einen verräterischen Hauch von Jiddisch zu hören glaubte, und setzte nach: „Hier lernt ihr besser schnell zu verstehen. Befehle erfolgen auf Deutsch. Wenn ihr gerufen werdet, nennt ihr eure Nummer auf Deutsch. Wer nicht versteht, überlebt in Koniec nicht lange."

Und wie lange überleben die, die verstehen?, hing die Frage im Raum, die einige nicht zu beantworten wussten, während es die anderen nicht wollten.

Ohne ihrer eigenen Aussage besonderes Gewicht zu verleihen, fuhr die Stubenälteste routiniert mit ihren Instruktionen fort, was wir wann zu tun hätten, wie wir uns gegenüber der SS verhielten und welche Vergehen uns umgehend die Todesstrafe einbrachten.

„Und fallt besser nicht auf. Nicht bei den Aufsehern und noch weniger bei der Blokowa", endete sie, zum ersten Mal mit einem Ton, der vermuten ließ, dass es sich hierbei nicht nur um das Folgen einer Vorschrift handelte, sondern einen ernstgemeinten Ratschlag.
Was geschah, wenn man doch auffiel, konnte ich mir selbst beantworten, aber ich wollte nicht daran denken.

„Blokowa?" Die Frage entkam mir, bevor ich darüber nachgedacht hatte, ob ich sie stellen durfte, ob ich überhaupt mit dieser Frau reden durfte.

Für einen Moment ruhten ihre hellen Augen auf mir und musterten mich eingehend. Ich fragte mich, was sie sah, ohne wirklich wissen zu wollen, wie schrecklich man mich zugerichtet hatte. Doch ihr Blick vertrieb jeglichen Gedanken daran sofort, denn etwas daran war so befremdlich emotionslos, so unmenschlich, dass ich beinahe darunter erschaudert wäre.

„Blockälteste", erklärte sie mit markantem Akzent, als würde das irgendetwas verständlicher machen. „Sie hat euch hergebracht. Eigentlich müsst ihr auf die Grünen achten, aber die steht ihnen in nichts nach."

Diesmal musste ich die Frage nicht einmal aussprechen. Wahrscheinlich war es uns vom Gesicht abzulesen, dass wir nicht wussten, was sie meinte.
Mit zwei Fingern auf ihr eigenes Dreieck tippend, fügte die Frau ein „Grün sind Berufsverbrecher" hinzu.

„Und rot?" Mein Blick blieb an dem kleinen Stück Stoff hängen.
„Politische." Ohne dass sich ihr gleichgültiger Ton dabei weiter veränderte, wechselte sie zurück ins Deutsche. „Ausgangssperre in fünf Minuten." Und verließ mit diesen Worten die Baracke.
„Was hat sie gesagt?", fragte Miriam verunsichert, doch mir bleib keine Gelegenheit zu antworten.

„An deiner Stelle würde ich denen nicht so viele Fragen stellen, Kindchen", bemerkte eine Frau vom anderen Ende des Raumes auf Polnisch. 

Ich konnte sie hinter den Balken der Holzgestelle nicht ganz erkennen, aber was ich sah, verriet, dass dieser Ort bereits deutliche Spuren bei ihr hinterlassen hatte. Ihre Haut war an den Wangen eingefallen und spannte sich in einer Weise über ihre Knochen, dass es unmöglich war, ihr Alter zu erraten. Sie war auch beinahe das einzige, das sie noch von einem Skelett unterschied. Um den Kopf hatte sie ein schmutziges, an einigen Stellen bereits löchriges Tuch gebunden, das nur vereinzelte struppige Haarsträhnen erkennen ließ. Wie unsere waren sie kurzgeschoren.

„Du hast Glück, dass die Horowitz einigermaßen anständig ist. Andere hätten dir mit dem Schlagstock geantwortet. Trotzdem ist sie eine von denen."

„Eine von denen?" Mir wurde immer mehr bewusst, dass ich mit dem Durchschreiten des Tors wirklich in eine andere Welt gelangt war, die nichts mit jener davor zu tun hatte. Mit eigener Sprache, eigener Ordnung, eigenen Gesetzen – und alle davon liefen auf die Frage von Leben oder Tod hinaus. Ich fühlte mich wie einer Kafkas Protagonisten, die mit einem Wimpernschlag in eine fremde Wirklichkeit geworfen werden, wie in diesem Roman von Samjatin, in dem man Menschen ebenso nur wie Zahlen nannte. Nur handelte es sich dabei um bloße Geschichten. Der Weg von der Buchseite in die Realität war kürzer als man glauben wollte.

„Die, die für die SS arbeiten. Sie kriegen diese Armbinden, besser Kleidung, mehr Essen. Und dafür machen sie, was man ihnen sagt und das ist für uns nie etwas Gutes", antwortete die Frau mit einer rauen, wie abgenutzten Stimme, „Funktionshäftling nennen die das. Verräter trifft's besser. Wenn die einen dafür wählen, dann entweder, weil er was Besonderes kann – oder weil er brutal genug ist."

„Und diese ...?"

„Horowitz. Czesława Horowitz."

Letzteres konnte ich mir schwer vorstellen. Der Name hätte mich sogar vermuten lassen, dass sie Jüdin war. Doch weshalb trug sie dann das Zeichen einer politischen Gefangenen?

„Keine Ahnung. Als wir hergekommen sind, hatte sie auch noch einen Stern wie wir," fuhr die Frau fort und tippte sich an die Brust, wo das an den Rändern verschlissene Symbol saß, wie auf einen Schandfleck. „Eines Tages war er weg. Dafür hatte sie richtige Schuhe, einen wärmeren Mantel und die Position als Stubenälteste. Vielleicht hat sie schon vergessen, wo sie herkommt, aber die vergessen es nicht. Da kann sie noch so versuchen, ihren Akzent und ihr Jüdeln zu verstecken."

Sie zuckte die Schultern.
„Mit ihr ist es besser als mit anderen. Aber es ist doch immer das gleiche. Entweder werden sie mit der Zeit grausam, um sich ihre Zusatzrationen zu verdienen, oder sie verlieren die Gunst der SS und ..."

„Und?"
„Und dann gnade ihnen Gott."

Ich bemühte mich, so viel von den Regeln in Konitz in Erfahrung zu bringen. An verstehen wollte ich gar nicht denken, sie zu wissen genügte mir schon. Denn solange wir hier noch Fremdkörper darstellten, die nichts von diesen Dingen wussten, schienen unsere Chancen nicht gut zu stehen. Das war mir klar, ohne, dass ich mir allzu bewusst Gedanken darüber machen konnte.
Letztendlich begann ich die Art, wie wir hier auf ganz eigene, dem ersten Anschein nach so nichtssagende Weise gebrandmarkt wurden, zu sehen.

Merkwürdig. Ich konnte nun also auf einen Blick sagen, wer jemand ist. Nehmen wir zum Beispiel die junge Frau im Bett mir gegenüber: Sie war Nummer 1392, Jüdin und politische Gefangene, und Tschechin. All das sagte mir alleine ihre Kleidung und zur selben Zeit kannte ich nicht einmal ihren Namen, ihre Überzeugungen und woran sie beim Wort „Heimat" dachte. Nein, ich wusste alles, wessen sie angeklagt wurde und wofür die SS sie hielt, aber rein gar nichts über sie.

Das Licht wurde gelöscht und der Raum versank in Dunkelheit.

In mir regte sich trotz der Erschöpfung der Wunsch zu schreiben, mich von dem Chaos in meinem Inneren zu befreien, meinen Gedanken eine Form zu geben und sie damit auf Papier zu bannen. Doch ich hatte weder einen Stift, noch etwas worauf ich ihn hätte benutzen können.

Es war schon seltsam, wie diese zwei schlichten Dinge, alles, was mir sonst schwer und undurchsichtig erschienen wäre, simpel und verständlich machen konnten, indem sie sie sichtbar und beständig in die Grenzen klarer Worte pressten – und für wie selbstverständlich ich es gehalten hatte, das fast jederzeit tun zu können. Jetzt war ich meinen Gedanken, die mich wachhielten, schutzlos ausgeliefert.

„Hanna?", hörte ich Leahs leise Stimme irgendwann neben mir. „Ich kann nicht schlafen. Kannst du ... kannst du mir eine Geschichte erzählen? Ich will für einen Moment nicht hier sein müssen."

„Ich weiß keine", gestand ich, ebenso flüsternd, um die anderen nicht zu wecken, „nur ein Gedicht."

„Auch gut", kam die Antwort aus der Dunkelheit, in der ich lediglich die Umrisse ihres Kopfes knapp vor mir erahnen konnte, der mir jetzt jedoch, ohne die vertrauten Zöpfe, fremder erschien.

„Gib mir deine kleine Hand.
So, nun bist du nicht allein.
Kind, du sollst nicht einsam sein
Mit dem Schatten an der Wand.

Fällt der Abend auf die Welt,
kühlt die Sonne langsam aus.
Schläft die Wolke hinterm Haus,
Nicken Blümlein auf dem Feld.

Sternlein glimmen langsam schon,
Wind nach unserm Fenster zielt.
Und der Abendengel spielt
Mit dem blassen Mondballon.

Leise, leise rauscht der Baum....
Äuglein sinkt. Nun ruhst du brav.
Segne dich ein guter Schlaf,
Segne dich ein schöner Traum!"

Es war eines jener Gedichte, die sich in meinen letzten zwei Büchern befunden hatten und nun zusammen mit meinem Koffer und allem darin, das mir lieb gewesen war, irgendwo hier in Konitz darauf wartete, wieder gelesen zu werden.

„Segne dich ein schöner Traum", wiederholte ich, so leise, dass ich es fast selbst nicht hören konnte in Leahs sanftem, regelmäßigem Atem.

Selbst, wenn hinter diesem Haus nur Schmutz und Kies war, das Wiegenlied das Knirschen von Stiefeln in der Ferne und statt Sternen und Mond das einzige Licht hier ein künstliches war, dessen fahler Schein zwischen mancher Ritze im Holz hindurchkroch und zitternde Schatten zeichnete.

Einem Kinde im Dunkeln. Schon der Titel schien auf uns zu passen, denn auch wir waren lediglich zwei Kinder hier alleine in der Finsternis.

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Jetzt habe ich also endlich meinen alten Stand an Kapiteln eingeholt - ich sehe schon den rapiden Fall von Vote- und View-Zahlen ab dem nächsten Kapitel :'D

Wie man sieht, hat sich hier inhaltlich wieder einiges verändert, vornehmlich durch das Auftreten neuer Charaktere, wie Czesia, die es so früher nicht gab, mit denen ich das Lagerleben diesmal anders porträtieren will als in der alten Version, die mir ohnehin wieder einiges an Kopfzerbrechen beschert hat.

Naiv wie ich bin, hab ich mal wieder drübergelesen, um zu sehen, was davon (auch von den unveröffentlichten Teilen) denn noch verwendet werden kann -- und meine Güte, ich hatte teilweise Gänsehaut. Nicht im positiven Sinne.

Was die Versorgung und Ausstattung im Lager betrifft, so muss dazu gesagt werden, dass es da keine absolute Regel gibt und grade was Hygiene angeht, das von KZ zu KZ unterschiedlich sein konnte. Ich habe versucht, hier einen möglichst realistischen Mittelweg zu wählen. Sollte irgendwas an den Schilderungen nicht passen, wie immer: ab in die Kommentare damit.

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