IV
Das große, in den Farben Wildhain's geschmückte Schloß war von köstlichem Duft erfüllt. Nicht nur die leckeren Speisen erfüllten es mit verlockendem Versprechungen, auch hatte Marianna Räucherkerzen aufstellen lassen. Nach dem Frühstück, das sie kaum runter bekommen hatte, beeilte sie sich, in ihre Gemächer zu kommen, denn bald war es soweit. Sie schlüpfte in ihr Hochzeitskleid und als sie sich im Spiegel betrachtete, musste sie an den schönen, sanften Mann denken. Nun, selbst, wenn sie frei wäre, er würde sie nicht wollen. Er hatte doch nur den Weg wissen wollen!
„Eure Hoheit? Coriolanus ist eingetroffen." sagte Lothar und Marianna zuckte zusammen.
Sie drehte sich zu Lothar um und sah, dass er ziemlich blaß geworden war. Oh, Gott, ja, Karl war bestimmt eine furchteinflößende Erscheinung! Sie richtete sich tapfer auf, trat durch die Tür und ging zur Treppe. Auf dem halben Weg nach unten- drei Zofen trugen ihre lange Schleppe- blieb sie abrupt stehen, denn in der Gruppe von etwa dreißig Männern, die unten in der Halle versammelt waren, erkannte sie den Mann mit den leuchtenden Augen. Er überragte die anderen, sodass er ihr sofort ins Auge gefallen war. Und jetzt wurde es ihr klar, natürlich, er gehörte zu Karl und war einer seiner Späher! Er war prunkvoller gekleidet als in der Stadt, aber die Lumpen waren ja nur Tarnung gewesen, die sie selbst auch benutzt hatte! Gloster strahlte Marianna an. Klopfte laut.
„Ihre königliche Hoheit Marianna die Zweite." rief er laut und der Mann blickte zu ihr hoch.
Sein Blick war erst regungslos, dann sah sie Erkennen in ihm aufflackern. Der hübsche Mann legte den Kopf schief und schmunzelte. Marianna fiel ein, dass es Karl wahrscheinlich verärgern würde, wenn sie mit einem seiner Männer Blickkontakt haben würde und schaute schnell woanders hin. Doch dann klopfte Gloster noch einmal und die Leute bildeten einen Gang für sie, der genau vor dem großen Unbekannten endete!
„Seine königliche Hoheit, der Herrscher über die sieben Landen, Caius Martius Coriolanus." tönte ein Graf aus Wildhain und Marianna spürte, wie ihre Knie weich wurden und sie drohte, ohnmächtig zu werden.
„Gloster..." zischte sie und griff panisch nach seinem Arm.
„Ich bin bei euch. Keine Sorge." raunte er zurück.
Sie konnte ihm doch nicht sagen, dass sie sich vor zwei Tagen in ihren zukünftigen Ehemann verliebt hatte! Gloster tätschelte ihre Hand und dann stand sie vor Karl. Sie atmete tief durch, lächelte ihn an und sagte:
„Willkommen in Lilienthal, eure Majestät."
„Vielen Dank für eure Einladung. Es ist mir eine große Ehre, Königin Marianna. Man hat euch also doch nicht erwischt?" blinzelte der große Mann und sie errötete.
„Euch ja auch nicht..." murmelte sie.
„Eure Wachen sind nicht gerade auf Zack, Hoheit." grinste er nun verschwörerisch und hielt ihr einen Arm hin.
Sie hakte sich ein. Für einen blutrünstigen Tyrannen lächelte Karl ziemlich viel! Sie folgten Gloster und dem Grafen aus Wildhain und Marianna antwortete spitz:
„Glückssache. Sie sind im Moment alle im Rausch, weil sie sich so sehr mit ihrer Königin freuen."
„Höre ich Sarkasmus in eurer wunderschönen Stimme?" erwiderte er amüsiert.
Sie holte tief Luft, um den Anflug von Ärger hinunter zu schlucken und ruhig antworten zu können:
„Macht euch nur über mich lustig! Mir ist bewußt, dass ich keine besonders ansprechende Partie bin."
„Das war keine Antwort auf meine Frage." sagte Karl. „Und ich weiß, dass ihr mich nur aus politischen Zwecken ehelicht. Mein Anliegen ist derselben Natur, also ist doch alles entspannt."
Die Königin zuckte zusammen. Ja, Karl hatte gerade deutlich gemacht, dass wohl aus der gemeinsamen Hochzeitsnacht nichts werden würde. Trotzdem musste sie es versuchen!
Die Hochzeitszeremonie im Thronsaal war lang und anstrengend. Während der ganzen Zeit überlegte Marianna, ob Karl sie später küssen würde. Als sie Ringe tauschten, zitterte Marianna und Karl strich ihr sanft mit dem Daumen über die Finger. Eine kleine, beruhigende Geste, die sofort Wirkung zeigte. Der Römer jedoch war die Ruhe selbst.
„Ich habe schon ein bisschen Übung darin." flüsterte er, als der Geistliche wieder in seinem Monolog versunken war.
Obwohl alles so furchtbar war, musste Marianna lächeln. Wahrscheinlich, weil Karl anscheinend gespürt hatte, an was sie gedacht hatte.
„Das heißt aber nicht, dass es zur Gewohnheit werden soll." setzte er nach.
„Schht." machte sie leise.
„Spielverderber."
„Das ist ja wohl..." begann sie wütend und dann sah sie, dass er schmunzelte und musste kichern.
Der Geistliche bekam nichts mit, er war jemand, der sich gerne reden hörte und wenn er nicht die Bürde auferlegt bekommen hätte, Gott zu dienen, wäre er wohl Schauspieler geworden. Marianna seufzte gelangweilt. Nun stupste Karl sie an und sie stupste zurück. Er wurde energischer, aber da sie nicht so leicht umzustoßen war, machte es ihr nichts aus, ganz im Gegenteil, es brachte ihr Spaß. Eine Weile ging es hin und her und dann merkte Karl, dass er mit seiner Vorsicht nicht weit kommen würde. Er schubste seine Braut etwas härter und sie kicherte vergnügt. Marianna nutzte ihre ganze Körperkraft und stieß gegen ihn, Karl taumelte.
„Woah." sagte er. „Ihr würdet mich ganz bestimmt im Zweikampf besiegen."
Marianna reckte ihre Brust in die Höhe.
„Wollt ihr es ausprobieren?" grinste sie.
„Wir werden es zusammen ausprobieren. Heute Nacht..." raunte er verführerisch und nun war auch bei dem Geistlichen Schluß.
Er guckte das Brautpaar tadelnd an. Karl drückte sanft Marianna's Hand und sie schaute schuldbewußt zu Boden.
„Nun gut, dann kommen wir zu dem Kuss." brummte der Geistliche.
Marianna drehte sich erschrocken zu Karl und er lächelte.
„Nicht wieder schubsen, ja? Ich darf das jetzt." raunte er.
Er nahm ihr Kinn und zog es sanft zu sich heran. Dann spürte sie seine kühlen Lippen auf ihren. Ja, genau so hatte sie es sich erträumt! Was? Nein! Dieser Mann war kein mutiger, romantischer Heldenkönig, er war das Grauen in der Nacht, er schändete und mordete, und Marianna stöhnte, als sein Kuss intensiver wurde. Sie jaulte leise auf, denn sie ertrug es nicht, dass es sich einfach wundervoll anfühlte!
„Entschuldige. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen." lächelte Karl und entließ sie aus der Umarmung, nahm ihre Hand.
Sie schüttelte verwirrt den Kopf und folgte ihm dann durch den Thronsaal. Das Paar stieg in die offene Hochzeitskutsche, die nun, wie es Tradition war, durch die Stadt fahren würde, sodass alle Untertanen ihren neuen König und seine Braut feiern konnten. Marianna vergaß einen Augenblick alle Sorgen und strahlte über das ganze Gesicht. Winkte den jubelnden Menschenmassen zu und freute sich darüber, dass sie kein einziges grimmiges Gesicht erblickte! Karl hielt die ganze Zeit ihre Hand, er hob sie hoch und zeigte allen, dass sie nun ein Paar waren. Die Menge brüllte verzückt und viele der Umstehenden warfen Blumen. Ein kleines Mädchen brachte Marianna einen wunderschönen Rosenstrauß an die Kutsche. Sie bedankte sich und küsste die Kleine. Nein, es war tatsächlich wie in ihren Märchenbüchern! Sie schaute Karl an, er lächelte schon wieder! Seine Augen blitzten angeregt, wenn er sie ansah. Sie war fast versucht, ihn zu fragen, ob er unterwegs vielleicht vertauscht worden war. Sie küsste seine hübsche Nasenspitze, ja, selbst die war außerordentlich attraktiv, und Karl schnappte lustvoll nach ihren Lippen.
„Können wir die Feierlichkeiten nicht überspringen?" murmelte er heiser und ihr wurde warm.
„Ich...verstehe nicht? Ich dachte, dein Interesse an mir wäre rein zweck gebunden?" flüsterte sie.
Seine Augen blitzen wieder und eigentlich brauchte er ihr nicht zu antworten. Sie sah an seinem Blick, dass er sie als Geliebte wollte! Und dann passierte es. Sie hatten halten müssen, weil ein Gemüsewagen in einen Graben gerutscht war. Marianna war gebannt durch Karl's hungrigen Blick, der sich nun innerhalb von Sekunden veränderte. Kalt wurde. Doch nicht ihretwegen, sein Blick war zur Seite gehuscht. Er packte seine Braut und warf sich über sie. Marianna hörte ein Zischen. Karl zuckte zusammen, als ein Pfeil über ihn hinweg schoß, nur Millimeter von seiner Schulter entfernt. Marianna schrie leise auf, dann hörte sie laute Rufe. Die Kutsche setzte sich wieder in Gang.
„Bleib liegen." wies Karl sie an, obwohl sie sich gar nicht hätte bewegen können.
„Bist du verletzt?" hauchte sie.
„Ich glaube, nicht. Hab keine Angst, wir sind gleich in Sicherheit."
„Wer hat das getan?" hauchte sie leise.
„Ein Söldner. Den Farben nach...weiß und hellblau..."
„Engelheim!" flüsterte sie.
„Ja." murmelte Karl und strich seiner Frau sanft über den Arm. „Königin Isadora ist untergetaucht. Meine Männer konnten sie noch nicht aufspüren."
„Oh, jetzt verstehe ich, warum Isa meine Einladung nicht beantwortet hat!" sagte Marianna, der langsam unter dem großen Mann unbehaglich wurde.
Nicht, weil er sich nicht gut anfühlte, nein, im Gegenteil. Sie fühlte sich geborgen, und wenn es so weiterging, würde sie ihren Plan nicht umsetzen können! Doch jetzt sah Karl sie stirnrunzelnd an.
„Du hast was getan?" fragte er.
„Isadora eine Einladung geschickt."
Karl stöhnte.
„Marianna...ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass sie es als Provokation auffassen könnte? Ich habe schließlich ihr Land erobert!" tadelte er und ihr Blick verfinsterte sich.
„Natürlich habe ich das bedacht." brummte sie und rutschte unruhig hin und her.
Endlich trafen sie im sicheren Schloss ein und alle möglichen Menschen stürmten auf das Brautpaar zu. Karl wurde sofort von seinem Heiler untersucht, während Marianna auf ihr Zimmer flüchtete und ihre Zofen bat, sie einen Moment alleine zu lassen. Sie schnappte sich Boxy und weinte bitterlich. Ja, sie kam sich töricht vor. Aber von IHM getadelt zu werden, traf sie schwerer, als wenn Gloster es getan hätte, der nun klopfte und um Einlass bat.
„Komm rein." murmelte sie, die förmliche Anrede vergessend.
Sie brauchte jetzt einen Freund.
„Marianna...Gott sei Dank." hauchte Gloster und schloß sie in die Arme.
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Gloster ließ sie los, schaute sie ernst an und berichtete:
„Lancashire ist zurück. Die Stadt ist wieder sicher, man hat zwei Söldner aus Engelheim festgenommen. Man hatte es auf euch abgesehen, Majestät! Eure Kusine ist in Rage! Und es scheint, als wolle sie, dass wir es erfahren, wir brauchten die Männer nicht einmal foltern. Sie riefen immer wieder "Hoch lebe Engelheim!""
„Man hatte auf mich gezielt?" fragte Marianna verblüfft.
„Ja. Coriolanus hat es bestätigt. Wir können von Glück sprechen, dass er so aufmerksam ist und sein Kriegerauge anscheinend niemals schläft!"
„Aber...ich verstehe nicht." murmelte Marianna, setzte Boxy ab und begann, unruhig hin- und her zu laufen. „Karl hätte mich doch eben schneller aus dem Weg haben können, als wir alle dachten? Warum hat er die Chance nicht genutzt?" überlegte sie laut.
Gloster legte den Finger auf den Mund. Ja, selbst hier waren sie nicht sicher. Marianna nickte und Gloster sagte:
„Nun kommt, ihr werdet auf den Hochzeitsfeierlichkeiten erwartet. Unter den jetzigen Umständen wird euch keiner böse sein, wenn ihr eure Rede kurz haltet."
„Ich schaffe das. Es geht schon wieder." log sie, denn der Schock sass noch tief.
Nun, dass Karl sie geschützt hatte, war ihr vorher schon klar gewesen, aber sie hatte angenommen, dass der Attentäter ihn hatte treffen wollen! Karl's Blick, der sich so plötzlich verändert hatte, dass sie im ersten Moment geglaubt hatte, er galte ihr. Sein Kriegerauge.
Sie schüttelte sich und atmete tief ein und wieder aus. Wieder klopfte es und Boxy kläffte. Beaver hob nur müde sein Köpfchen. Gloster öffnete, vor der Tür stand Karl und blickte ihn streng an. Gloster verneigte sich vor ihm und ging.
Ja, das war Karl's „Vernichtungsblick" entschied Marianna. Aber warum galt er Gloster? Lange Zeit zum Nachdenken hatte sie nicht, denn nun trafen Karl's blaue Augen ihre dunklen und sein Gesicht hellte auf. Er lächelte. Fast scheu, dachte sie.
„Sie warten auf uns." sagte er sanft.
Doch dann schoß er auf sie zu und zog sie in seine Arme.
„Es ist vorbei, mein Schatz, keine Angst. Wir haben die Attentäter." raunte er und drückte sie so fest an sich, als könne er sie jetzt noch verlieren.
Marianna seufzte leise.
„Ich weiß, Gloster hat es mir gesagt. Aber ich habe keine Angst. Nein...ich...schäme mich dafür, einen so furchtbaren Fehler gemacht zu haben!"
Sie schniefte und schon wieder musste sie weinen. Der große Mann lächelte.
„Ich hätte es wissen müssen, dass dich kleine Abenteurerin ein Attentat nicht schreckt. Aber diese Tränen..." murmelte er sanft und fuhr über ihr nasses Gesicht, „Aus Scham?"
Sie nickte.
„Und Blauäugigkeit. Isadora ist seit Kindertagen meine beste Freundin gewesen! Ich habe nicht erwartet, dass sie begeistert ist, aber...dass sie versteht, warum ich es tue. Warum ich den Mörder ihres Mannes heiraten muss!"
„Uh." sagte Karl und wich zurück. „So denkst du über mich?"
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