Kapitel 7
In der Nacht konnte Alec gar nicht gut schlafen. Also eigentlich konnte er gar nicht schlafen.
Natürlich war er in gewisser weise Stolz Leandras Namen, das Mädchen, welches in der ganzen Stadt nur als das Blumenmädchen bekannt war, zu kennen. Ihm hatte sie ihren (wenn auch nicht ganz) echten Namen verraten!
Aber immer noch war da dieser Gedanken. Seine schmerzliche Erinnerung. Die Krone.
Die Krone aus gelben Blumen, die er vor gerade mal einer Woche bekommen hatte.
Der Grund, warum er sie überhaupt näher kennengelernt hatte.
Diese Krone würde bald verwelken und dann sollte er sterben. Eigentlich hatte er es immer noch nicht wirklich realisiert und auch war er immer noch nicht ganz sicher ,dass es Magie gab, er hatte nur Leandras Aussage und diese Morde, die waren aber auch kein Handfester beweis.
Trotzdem. Die Möglichkeit besteht und Alec realisierte nach und nach, dass er sie ziemlich ernst nahm.
So ernst, dass ein grauenhafter Gedanken, ihm wahre Todesangst einjagte.
Niestet sich ihre Seele nicht schneller in meine ein, wenn ich sie verstehe und sogar sowas wie Mitleid für sie empfinde?
Am nächsten Tag setze er sich mit grimmigen Gesicht neben Leandra.
"Werde ich schneller sterben, wenn ich dich mag?", fragte er ohne zu zögern, ohne ein Fünkchen Gefühl in der Stimme, ohne sie wenigstens anzusehen. Er verstand langsam aber sicher den Ernst der Lage.
Leandra ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie nahm eine weitere Blume. Heute waren es weiße Rosen, deren Stacheln entfernt wurden.
Erst nach drei weiteren Blumen und einem Aufatmen redet sie schließlich weiter.
"Mag sein..", sagte sie schließlich, so leise das Alec es kaum verstand.
Ungläubig schaute er zu ihr rüber. "Wie meinst du das, 'mag sein'?! Hier geht es um mein Leben, es ist-"
Sie unterbrach ihn, ihre Stimme war immer noch ruhig aber bestimmt. "Aber am schnellsten würde es gehen, wenn du es auch wollen würdest. Deine Seele wehrt sich zur Zeit. Du hast eine wirklich starke Seele, obwohl du mich kennengelernt hast, lebst du immer noch. Ein Jammer ,dass du nur ein Sterblicher bist"
Alec seufzte auf. Ja, es ging schneller, wenn er sie kennenlernte. Ihm ging noch ein Gedanke durch den Kopf. Er war ein Sterblicher und Leandra kannte die Geschichte der Sterblich, besser als diese sie selbst kannten.
"Du kannst doch das Leben, der Sterblichen sehen, aber trotzdem weißt du nicht wer deine Seelenverwandten sind, also siehst du ihre Zukunft wie es wäre, wenn sie nicht deine Seelenverwandten wären?", fragte er und starrte eine Locke an, die sich auf ihrer Schulter kräuselte.
"Du bist ziemlich schlau", sagte sie leicht lächelnd, als hätte sie gerade ihren Sohn für eine Nichtigkeit gelobt. "Das stimmt."
Er atmete nochmal durch.
"Erzähl mir von meiner"
Leandra hielt mitten in der Bewegung inne. Langsam drehte sie den Kopf zu ihm und die Locke fiel ihr auf den Rücken
Alec fiel auf dass ihre Augen heute so weiß waren wie die Rosen, die sie flechtete. Der Wind kam ihm eisiger vor und ihr Blick schien ihn zu durchstechen, obwohl dieser nicht böse war.
Er war prüfend.
Schließlich atmete sie durch, ihr Blick wurde mitfühlender und sie kam etwas näher.
"Oh Alec..." Sie flüsterte, als wolle sie sicher gehen dass nur er dies hörte. Ihre Haare wehten um ihr Gesicht und kitzelten ihn an der Stirn.
"Die Zukunft ist eine gefährliche Sache..."
"Ich werde doch ehe sterben", erwiderte dieser ohne zu zögern, er war selbst von der Kälte in seiner Stimme überrascht.
Leandra ließ sich mal wieder nicht aus der Ruhe bringen. "Genau das macht sie so gefährlich. Du wirst etwas nachtrauern, das du niemals haben wirst". Sie schüttete leicht den Kopf ,um ihre Aussage zu unterstreichen und lächelnte milde.
Ihre Haare streiften seine Wange.
"Ich trauere jetzt schon genug nach", erwiderte er und schaute sie weiter ausdruckslos an.
Sie schnaufte wieder mitfühlend, lehnte sich zurück und widmete sich wieder den Blumen.
Nach einer langen Pause holte sie schließlich tief Luft.
"Dieses Mädchen, Maria, du weißt schon, die neben der du im Biologie-Kurs saßt"
Natürlich kannte Alec sie. Maria, seine ehemalige Sitznachbarin, war schon immer eine Optimistin gewesen. Sie erzählte ihm immer von ihren Zukunftsplänen. Sie wolle die Welt bereisen und sich mit Gelegenheitsjobs Überwasser halten und irgendwann, wenn sie von diesem Lebensstil genug haben würde, würde sie nach Hause zurück kehren, das Restaurant ihrer Eltern übernehmen und zwei Kinder bekommen. Den Abschluss mache sie nur ihren Eltern zu liebe, damit die sich keine Sorgen machen mussten.
Alec hatte ihr immer lächelnd zugehört. Er hatte schon immer ihre Stimme gemocht und ihre Art mit den Händen zu gestikulieren, wenn sie redete.
Doch er hatte sie seit dem Abschluss vor sechs Jahren gar nicht mehr gesehen. "Ja", brachte er heraus, er ahnte schon was kommen würde.
"Du hättest sie in etwa sechs Monaten, in einem Restaurants als Kellnerin wiedergesehen. Ihr wärt ins Gespräch gekommen und hättet schließlich beschlossen, euch mal wieder zu treffen. Du hättest sie mit dreißig geheiratet, du hättest nicht den besten Abschluss an der Uni bekommen, aber um sich um die wirtschaftliche Seite des Restaurants zu kümmern,welches Maria und du übernommen hättet, reichte es um längen.
Maria wäre dagegen die gute Seele im Restaurant und hätte den Gästen gut gelaunt von ihren Reisen erzählte. Mit 33 wärst du Vater eines kleinen Sohnes geworden, ein Jahr später käme eine Tochter dazu. Sie würden durch das Restaurants rennen und Stammgäste begrüßen. Das Mädchen würde Marias Freigeist erben und dich stets anlächeln, der Junge wäre ziemlich schlau geworden und den besten Abschluss seines Jahrgangs erzielt. Beide würden jeweils zwei Kinder haben und dein Sohn hätte das Restaurant übernommen, während die Tochter eine recht bekannte Künstlerin wurde.
Die letzten Jahre deines Lebens, wärst du mit Maria ans Meer gezogen. Nach Italien, von all ihren Reisen, konnte sich Maria nämlich vor allem von Italien nicht mehr trennen. Es wäre ein wirklich schönes Haus gewesen, klein mit roten Dach und cremefarbener Fassade. Mit 85 wärst du schließlich an einer Lungenentzündung gestorben", endete sie traurig.
Alec wusste nicht was er fühlen sollte. Ihm war mehr oder weniger bewusst, dass sein Leben sicher nicht so perfekt sein würde, wie Leandra es dort geschildert hatte, aber doch. Er würde eine nette Frau finden, selbstständig sein, in weniger als 10 Jahren verheiratet und werdender Vater von zwei Kindern sein.
Stattdessen wird Maria jemand anderen heiraten, die Kinder eines anderem werden durch die Tischreihen rennen. Jemand anderes wird selbständig werden und er würde sicher keine 85 werden.
Noch vor Sonnenaufgang rannte er zurück in seine Wohnung.
Er hatte sich nicht nach Leandra umgedreht, aber er könnte schwören, dass ihr Blick voller Schmerz war.
Er rannte hoch und setzte sich an den Küchentisch. Er würde sein ganzes Leben verpassen und Leandra würde dran Schuld sein.
Alec wäre gerne wütend geworden, aber irgendwie schafte er es einfach nicht. Er starrte den Blumenkranz in der Mitte des Tisches an. Die Blumen waren grellgelb und immer noch noch so schön wie am ersten Tag.
'Aber am schnellsten würde es gehen, wenn du es auch wollen würdest'
Leandras Worte hallten in seinem Kopf nach.
Zauberer mochten vielleicht allwissend sein, aber trotzdem konnte Alec sie nur bemitleiden.
Sie wussten so viel, aber doch kannte auch sie nicht die Antwort auf die wohl wichtigste Frage. Auf die Frage nach dem Sinn.
Mit einem leichten Lächeln schaute er der ersten Blumen zu, wie sie langsam farbloser wurde und schließlich verwelkte.
-----------------------------------------
Wie ihr diese Geschichte interpretiert, steht euch offen.
Hat Leandra nur mit Alec geredet, damit ihre Seele, sich schneller, in seiner einniestet.
Mochte sie ihn einfach nur und fand es interessant eine andere Art von Sterblichen zu treffen? Einen der Magie tatsächlich akzeptieren kann?
Hat sie seine Zukunft verschönicht oder schlechte Sachen weggelassen, nur damit er es endlich zulässt und sie schneller sterben kann?
Was hat der Blick voller Schmerz ihres Seits bedeutet? Fand sie es traurig, dass er seine Zukunft nicht erleben wird oder tat es ihr Leid ihn aus egoistischen Gründen zu belügen?
Es steht euch offen wie ihr sie versteht und man kann sie meiner Meinung nach auch sehr verschieden interpretieren.
Grüße<3
Anna
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro