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08 - Blue Rose

Sonntag, 04.10.2020

Lange habe ich mir die Frage gestellt, wie es wohl sein wird, wenn Blue Rose und ich uns irgendwann gegenüberstehen. Die bloße Vorstellung daran, endlich zu sehen, wen ich meinen besten Freund nenne, ist aufregend gewesen und das ist es noch immer. Doch nach elf Jahren anonymer Distanz fühlt es sich wie ein Traum an, sodass nicht viel Raum für Freude bleibt. Mein Innerstes ist gefüllt mit Unglauben und Nervosität und ich weiß nicht, was ich mit mir und all den Fragezeichen in meinem Kopf anfangen soll.

Wie wird es zwischen uns sein? Werden wir so locker miteinander reden können wie wir immer schreiben? Wird diese besondere Bindung trotz allem da sein? Ich muss sagen, dass die Anonymität schon einen gewissen Reiz hat und mir geholfen hat, eine gewisse Hemmschwelle zu überwinden. Wie werden wir uns überhaupt begrüßen? Mit einem Handschlag, einer Umarmung oder vielleicht doch einem peinlichen Hallo? Die wichtigste Frage ist allerdings: Wer ist er?

Er hat oft gesagt, dass er mich kennt und weiß, wie ich aussehe und wo ich wohne. Damals habe ich immer gedacht, dass meine Mama ihm Fotos von mir gezeigt und ihm unsere damalige Adresse genannt hat, denn sein erstes Paket wurde vor unserer Haustür abgestellt. Woher will er gewusst haben, wo ich gewohnt habe? Wenn ich nun aber darüber nachdenke, ist es mir ein Rätsel, wie er hat wissen können, dass Olivia und Christian mich in ihre Obhut genommen haben. Dass er nun auch den Standort meiner neuen WG kennt, ist noch seltsamer, zumal ich nicht die Gelegenheit gehabt habe ihm davon zu erzählen. Nicht einmal die Adresse von Amber, bei welcher ich mehrere Wochen gelebt habe, habe ich ihm verraten. Daran denkend machen sich Spekulationen in mir breit. Was, wenn er jemand ist, der sich ganz in meiner Nähe aufhält? Ich überlege, wer meine neue Anschrift kennt und grenze somit den Verdächtigenkreis ein. Es sind eigentlich nur meine Mitbewohnerinnen, Steven und die zwei O'Connor Brüder. Dabei fallen Pamela und Amber weg, weil ich weiß, dass Blue Rose keine Frau ist, abgesehen davon kenne ich Amber noch nicht so lange, das heißt, sie hätte mir vor elf Jahren gar nicht schreiben können. Dasselbe gilt für die drei Jungs, mit denen ich erst in diesem Jahr Bekanntschaft gemacht habe. Wer könnte es also sonst sein? Und ist es überhaupt sinnvoll, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wenn ich die Antwort schon morgen Abend erhalten werde?

Ich entscheide mich dafür, mir keine weiteren Gedanken über seine Identität zu machen. Stattdessen überlege ich, was ich anziehen soll. Es ist zwar kein Date, aber ich will schließlich passabel aussehen, wenn ich ihm gegenübertrete. Meine Gedanken wandern zu seinen Worten, die in meinen Ohren wie ein verstecktes Liebesgeständnis geklungen haben. Auf welche Art Frau steht er und wie sollte ich mich ihm am besten nicht präsentieren, um keine falschen Signale zu senden?

Ähnliche Gedanken scheint auch Pamela zu haben, die mir hilft, den Schreibtisch in meinem Zimmer aufzubauen. „Hast du schon überlegt, was du morgen anziehst?"

„Ich weiß nicht genau", antworte ich ratlos. „Was will er überhaupt so spät am Abend machen?"

„Geht irgendwohin wo viele Leute sind", schlägt sie vor und umgeht meinen mahnenden Blick, indem sie konzentriert eine Schraube festzieht.

Ich seufze. „Ich weiß, was du damit sagen möchtest, aber er wird mir nichts tun, Pam." Langsam habe ich diese Anschuldigungen satt.

„Man kann nie wissen, wie eine Person wirklich tickt", wirft sie ein und sieht nun endlich zu mir hoch. „Ich unterstelle ihm nichts. Ich will nur, dass du vorsichtig bist, das ist alles."

„Das verstehe ich ja", schnaufe ich schließlich ergebend und lege den Kopf in den Nacken. „Ich bin selbst etwas überfordert. Das kommt so plötzlich."

„Ganz mein Gedanke", stimmt sie mir eifrig zu und legt den Schraubenzieher zur Seite, um sich auf mich zu konzentrieren. „Warum gerade jetzt nach all der langen Zeit?"

Unwissend sehe ich sie an. Das habe ich mich auch schon gefragt. Warum jetzt, wenn er doch erst vor einigen Wochen gesagt hat, dass er noch nicht bereit dazu ist. Ist er jetzt etwa der Mann, der er hat sein wollen? Hat er den Mord an meiner Mama aufklären können, wie er es vorgehabt hat? „Na ja, ich werde es sicher morgen Abend herausfinden."

„Bist du aufgeregt?", fragt meine beste Freundin und trägt ein erfreutes Lächeln auf ihren rosigen Lippen.

Ich mache es ihr nach und nicke fiebrig. „Und wie! Ich habe so viele Fragen an ihn."

„Denkst du–" Das Klingeln an der Haustür schneidet ihr das Wort ab. Fragend sehe ich zu ihr, weil wir eigentlich keine Gäste erwarten. Sie blickt mich entschuldigend an und bedeutet mir mit einer Handbewegung, dass ich nachsehen soll, wer es ist.

Verwirrt komme ich ihrer Aufforderung nach und ziehe scharf die Luft ein, als ich Jordan vor mir stehen sehe. Daher also Pams Schuldbewusstsein. Die Drei haben es wieder geplant. Verstohlen nehme ich mein Gegenüber in Augenschein. Er trägt eine lockere graue Arbeitshose und ein schwarzes T-Shirt, welches sich eng um seinen muskulösen Oberkörper schmiegt. Dieser Mann raubt mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem.

„Was machst du hier?", stammele ich perplex und wende meinen Blick von seiner stählernen Brust ab, hoch zu seiner eiskalten Miene.  Wie kann es sein, dass er mein Inneres in Flammen setzt und mir gleichzeitig einen kalten Schauer über den Rücken jagt?

„Lässt du mich nicht rein?", fragt er und hebt herausfordernd eine Augenbraue, als würde er mich stumm fragen, wie ich es wagen kann, ihm den Eintritt zu verwehren.

Ungeschickt stolpere ich zur Seite und bitte ihn wortlos herein. Als er mit festen Schritten an mir vorbei ins Wohnzimmer stolziert, mache ich die Tür hinter ihm zu und folge ihm skeptisch. Dort sind Nicolas und Amber gerade dabei die Möbel an den richtigen Fleck zu rücken.

Mein Blick fällt auf die Dahlien, die ich in einer Vase auf dem Esstisch platziert habe. Gegen das strahlende Lächeln, das sich auf meine Lippen stiehlt, kann ich nicht ankämpfen.

„Danke, dass du gekommen bist." Es ist Nicolas' Stimme die mich aus meinen Träumereien holt. Überanstrengt wischt er sich mit dem Unterarm die Schweißtropfen von der Stirn und wirft seinem Bruder einen undefinierbaren Blick zu.

„Hatte ich eine Wahl?", entgegnet dieser gereizt grummelnd. Im nächsten Moment scannt er das Chaos um sich herum mit den Augen ab, bis sein Blick an den Blumen und der Weinflasche hängen bleibt. Seine Stirn legt sich in Falten und seine Nase kräuselt sich leicht, als er sich mir mit einem fragenden Ausdruck zuwendet. „Von wem sind die Blumen?", fragt er ruhig, doch der Unterton in seiner Stimme ist messerscharf.

„Sie sind ein Geschenk", erwidere ich schulterzuckend und umgehe seine Frage. Demonstrativ wende ich mich zum Gehen ab, um diese Konversation nicht mit ihm führen zu müssen.

„Bleib stehen!", verlangt er gebieterisch, aber ich schüttele nur den Kopf, gehe wieder in mein Zimmer und schlage die Tür zu.

Bisher habe ich mich wegen meines schlechten Gewissens gut zusammenreißen können und bin ihm entgegengekommen, wann immer er gemeint hat, mich herumkommandieren zu müssen, aber irgendwann ist das Maß voll. Ich will sehr, dass zwischen Jordan und mir wieder alles in Ordnung kommt, deswegen habe ich gedacht, dass ich nicht das Recht habe, wütend auf ihn zu sein. Immerhin hat er nichts falsch gemacht und das alles ist einzig und allein mein Fehler. Sein bipolares Verhalten hingegen macht mich ganz kirre. In einem Augenblick denke ich, dass er mich verachtet und im nächsten ist er liebevoll und wirkt wie ein eifersüchtiger, besitzergreifender Partner. Nur weil ich ihm Unrecht getan habe, bedeutet das nicht, dass ich mich so von ihm behandeln lassen muss. Das werde ich zukünftig auch nicht mehr.

Bevor Pamela den Mund aufmachen und etwas sagen kann, öffnet sich die Tür zu meinem Zimmer und schlägt gegen meinen Rücken, sodass ich nach vorne hüpfe. Fluchend reibe ich mir die schmerzende Stelle. Auch ohne mich umzudrehen weiß ich, wer der Übeltäter ist.

Pam, die noch immer am Boden hockt, sieht mit großen Augen zwischen mir und der dritten Person im Raum hin und her. Wortlos gibt sie mir zu verstehen, dass ich etwas tun soll.

Augenrollend blicke ich hinter mich und sehe geradewegs in das entschuldigende Gesicht Jordans. Als wäre ich verzaubert worden, verraucht meine Wut und Anspannung mit seinem Anblick, wie wenn jemand geschnipst hätte, um mich aus einer Art Trance herauszuholen. Innerlich verfluche ich mich, meine geringe Selbstdisziplin und meine anscheinend nicht vorhandene Selbstachtung.

Dennoch bringe ich kein Wort heraus, sodass Pamela das Ruder in die Hand nimmt. „Was gibt es?", fragt sie ihn freundlich. Seine Augen wandern kurz zu meiner Freundin, ehe er mich wieder ansieht.

„Nicolas will, dass wir etwas zu Essen und zum Trinken besorgen", sagt er unbeirrt und deutet mit dem Kopf in Richtung Tür. „Begleite mich."

Irritiert lege ich den Kopf schief. „Warum? Wir sind doch nicht einmal eine Stunde hier und gefrühstückt haben wir auch schon alle, bevor wir gekommen sind."

„Begleite mich", wiederholt er nachdrücklich und tritt aus meinem Zimmer. „Bitte", fügt er im Gehen hinzu, um seinem Ton die Schärfe zu nehmen.

Hilflos suche ich Rat in Pamelas Gesicht, doch sie deutet lediglich richtungsweisend zur Tür. Mir klappt die Kinnlade über ihren Verrat herunter. „Danke", säusle ich beleidigt und stampfe Jordan hinterher. „Eine große Pizza Hawaii für mich, bitte", höre ich sie noch zwitschernd rufen.

Der Polizist wartet an der offenen Haustür auf mich und spielt mit seinem Autoschlüssel in der Hand. Als er mich kommen sieht, macht er eine ausladende Bewegung Richtung Hausflur und lässt mich hinaustreten. Sobald er die Tür hinter uns zuschlägt, spüre ich, wie sich sein Blick in meinen Hinterkopf bohrt. Unwillkürlich und um beschäftigt zu wirken, richte ich den Kragen meines Pullovers, spüre aber wie meine Körpertemperatur von Sekunde zu Sekunde steigt.

In unangenehmem Schweigen treten wir die kurze Fahrt zum nächsten Imbiss an. Den ganzen Weg über frage ich mich, warum ich ihn begleiten muss. Immerhin hat er ein Auto und muss nichts in den Armen tragen. Außerdem würde der Umzug schneller verlaufen, wenn so viele wie möglich mit anpacken. Also hoffe ich inständig, dass die Fahrt schnell vergeht und nicht noch unangenehmer wird.

Doch bevor ich den Gedanken überhaupt zu Ende denken kann, spricht Jordan darauf los. „Ich finde, du solltest dir ein neues Handy zulegen. Am besten auch gleich eine neue Nummer."

„Was?", entkommt es mir perplex, obwohl ich ihn verstanden habe. „Ich bin voll und ganz zufrieden mit dem, das ich aktuell habe."

„Es ist alt."

„Na und?", erwidere ich sauer und sehe ihn fassungslos an. „Ich will kein Neues. Ich dachte, ich hätte mich das letzte Mal klar ausgedrückt."

„Ich glaube nur, dass–"

Schnippisch unterbreche ich ihn. Diesmal kann ich meine Wut wirklich nicht zügeln. „Was du glaubst, ist mir ziemlich egal. Ich werde mit dir nicht darüber diskutieren."

Durch seine ruhige Stimme lässt sich kein Schluss darauf ziehen, dass er aufgebracht ist, weil ich ihn angefahren habe. Stattdessen ist er verdächtig gelassen, als er weiterspricht, fast schon witzelnd: „Ganz schön frech, meinst du nicht?"

„Frech?", wiederhole ich empört und reiße die Augen auf. „Findest du nicht, dass du sehr dreist bist und dir viel zu viel aus deiner Position herausnimmst?"

„Welche Position?", will er ernsthaft wissen, als er das Auto in eine Parklücke auf dem beinahe leeren Parkplatz vor dem Imbiss lenkt. Sobald er den Motor ausgeschaltet hat, wendet er sich mir abwartend zu.

Ausgelaugt von der Anstrengung, die ein Wortgefecht mit Jordan erfordert, seufze ich. „Ich weiß, dass ich die Böse bin und du das Opfer meiner Taten. Es tut mir leid, auch wenn du es mir vielleicht nicht glaubst, aber bitte krieg' deine ambivalenten Gefühle in den Griff und mach mir keine Hoffnu– lass es einfach sein." Beschämt darüber mich fast verraten zu haben, werfe ich meine Haare ins Gesicht, um die aufsteigende Röte in meinen Wangen zu kaschieren.

„Inwiefern bin ich denn widersprüchlich?", bohrt er nach und legt seinen Ellenbogen auf dem Lenkrad ab, um seinen Kopf auf der Hand abzustützen.

„Ist das eine ernstgemeinte Frage?"

Jordan zuckt die Achseln und sieht gedankenverloren aus der Windschutzscheibe. „Du hast mein Vertrauen in dich missbraucht, Rosie." Bei dem Spitznamen zucke ich heftig zusammen. Ich erinnere mich an das erste Mal, als er mich so genannt und unzählige Schmetterlinge in meinem Bauch hat tanzen lassen. Doch dann kommen mir meine wilden Spekulationen von eben in den Sinn. Ich habe Steven, Jordan und Nicolas sofort ausgeschlossen, aber gleichzeitig sind sie die einzigen, die ansatzweise als Blue Rose infrage kommen.

Schüchtern mustere ich sein Profil und beginne ihn mit Blue Rose zu vergleichen. Ihr Charakter könnte nicht unterschiedlicher sein, aber dann wiederum sehe ich ja nur das, was sie mich sehen lassen. Was, wenn Jordan wirklich Blue Rose ist? Wenn die Seite, die er mir als Blue Rose zeigt, nur eine Masche ist? Ich habe dieses Pseudonym aufgrund seiner fürsorglichen Art über die vergangenen elf Jahre lieben und schätzen gelernt. Wenn das alles nur eine Illusion gewesen sein soll, dann weiß ich nicht, ob ich das verkrafte. Verdächtig ist die abweisende Art von Blue Rose, nachdem Jordan sich von mir abgewendet hat. Das ist der Punkt, der meine Vermutung am meisten bestärkt. Meine Gefühle für Jordan sind nicht weg, sie haben nicht einmal nachgelassen, sondern sind stärker denn je, doch wenn er Blue Rose wäre... Ja, was denn eigentlich dann? Wäre ich enttäuscht, weil er mir etwas vorgemacht hat? Glücklich, weil meine größte Stütze der letzten Jahre und der Mann, in den ich verliebt bin, ein und dieselbe Person sind? Oder vielleicht sauer auf mich selbst, weil ich es mir mit ihm als Partner und gleichzeitig als Freund verbockt habe? Egal wie sehr ich mir den Kopf darüber zerbreche, ich komme nicht auf eine Einigung mit mir selbst. Die Zeit wird es zeigen, auch wenn ich bald vor Neugier platze. Am liebsten würde ich ihn anschreien und Antworten auf meine Fragen fordern.

Als hätte er etwas gesagt, was er nicht hat sagen wollen, schließt er stirnrunzelnd die Augen und atmet hörbar aus, bevor er sich sammelt und mit einem warmen Ausdruck in meine Augen sieht. „Was ich sagen will, ist, dass du nicht nur mein Vertrauen, sondern auch mein Herz gebrochen hast. Das bedeutet aber nicht, dass ich dich hasse und du mir nicht mehr wichtig bist."

Ich brauche einige Sekunden, um die Worte sacken zu lassen. Als das geschieht, bildet sich ein dicker Knoten in meiner Brust, der schmerzhaft mein Herz umschließt. Ob nun vor Verwunderung oder Glückseligkeit kann ich nicht sagen, doch es erweckt zumindest die schlafenden Schmetterlinge in meinem Bauch.

„Wirklich?", stammele ich dümmlich und erwidere unsicher seinen Blick, der unausweichlich auf mir ruht. „Warum kommt es mir dann so vor, als würdest du mit meinen Gefühlen spielen?"

Er schenkt mir ein schiefes Lächeln. „Wenn ich ehrlich bin, will ich erst einmal für mich selbst herausfinden, wie ich wirklich für dich fühle. Vielleicht habe ich es das letzte Mal etwas überstürzt. Warum sollte ich dir also unnötig Hoffnungen machen?"

Wenn ich das Gesagte richtig deute, dann bedeutet das, es gibt die Möglichkeit, dass er mich aus seinem Leben streicht. Dass er also keine tiefen Gefühle für mich hegt und alles, was wir je gehabt haben, nur Wunschdenken gewesen ist. Der Gedanke versetzt mir einen peinigenden Stich ins Herz und übrig bleibt eine klaffende Wunde. „Aber du findest es richtig, dich arschig zu verhalten?"

„Damit du mir nicht noch mehr verfällst", gibt er grinsend zurück, doch der unsichere Ausdruck in seinen Augen verrät mir, dass das nicht die Wahrheit ist. Gerne will ich mir einreden, dass er das tut, damit er mir nicht noch mehr verfällt. „So, was willst du zu essen haben?"

*

Montag, 05.10.2020

Der gestrige und heutige Tag haben sich ewig gezogen und beinahe habe ich geglaubt, dass die Zeit stehengeblieben ist. Doch nun ist der Moment gekommen, auf den ich schon so lange gewartet habe. Elf Jahre lang habe ich einer Person hinter einer Maske mein Herz und meinen Kummer ausgeschüttet und nun werde ich endlich ein Gesicht zu dieser Person haben.

Eine leise, hoffnungsvolle Stimme aus der dunkelsten Ecke in meinem Kopf sagt mir, dass es Jordan sein wird, der in etwa zehn Minuten an der Tür klingelt. Eine andere Stimme lacht höhnisch auf und verspottet sie. Auf welche der beiden Seiten ich mich stellen soll, ist eine schwierige Entscheidung. Wäre es wirklich Jordan, wäre ich nicht enttäuscht aber auch nicht glücklich darüber. Es gäbe Argumente, die für das eine und für das andere sprechen würden.

Blue Rose wäre eine Person, die ich bereits kenne und das nicht nur durch Nachrichten, sondern persönlich. Er hat mir oft versprochen, dass er immer für mich da ist. Wenn ich überlege, wie viel Jordan als er selbst für mich getan hat, wenn ich mich Blue Rose nicht anvertraut habe, dann kann ich mit Sicherheit sagen, dass er sein Versprechen eingehalten hat. Außerdem hat Jordan etwas wie einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, was den von Blue Rose allerdings um einiges übersteigt.

Was aber kritisch wäre, ist, dass es komisch zwischen uns werden könnte. Er kennt alles von mir. Mehr, als er als Jordan zugegeben hat und das ist für mich Verrat. Er hat mich nach dem Fall meiner Mama gefragt, obwohl er bereits alles hätte wissen müssen und noch viel mehr als ich. Nachdem ich angegriffen wurde, hat er Blue Rose verdächtigt und nach seinen Kontaktdaten gefragt. Warum hat er sich so viel Mühe gegeben, um mich hinters Licht zu führen? Ist er anfangs so abweisend gewesen, damit ich keinen Verdacht schöpfe oder was genau ist sein Plan gewesen? Ist es also kein Zufall, dass wir uns begegnet sind? Steckt Nicolas mit in diesem Theater? Hat er sich mir absichtlich genähert, mich auch an der Nase herumgeführt und mich die ganze Zeit über nur belogen? Wenn das so wäre, wüsste ich nicht, ob ich ihnen das verzeihen könnte. Mag sein, dass ihre Absichten keine bösen gewesen sind, dennoch ist es verletzend zu erfahren, dass alles nur ein Schauspiel gewesen sein soll.

Meine ausschweifenden Gedanken werden durch das schrille Klingeln übertönt, welches hellhörig in der fast leeren Wohnung hallt.

Ungeschickt springe ich vom Esstisch auf und stolpere unsanft Richtung Wohnungstür.

Meine feuchten Hände wische ich an meiner schwarzen Jeans ab und streiche meine blaue Bluse glatt, ehe ich mir mit den Fingern durch die Haare kämme und ein letztes Mal tief Luft hole. Ein Anflug von Übelkeit macht sich in mir breit, als ich mit zittrigen Fingern die Türklinke herunterdrücke. Die Nervosität ist kaum zu ertragen, weswegen ich den Kopf senke und die Augen fest zusammenkneife, als würde es irgendetwas an der Situation ändern.

Die Tür steht sperrangelweit auf und ich erwarte, dass mein Gegenüber etwas sagt. Doch anstatt, dass einer von uns mit einer Begrüßung beginnt, verfallen wir für einige Sekunden in unangenehmes Schweigen. Alles, was ich wahrnehme, ist ein mir allzu bekannter Geruch, als sich plötzlich eine große Hand an meine Wange legt und meinen Kopf anhebt.

Die frische Brise und die wohlige Wärme, die von ihm ausgehen, geben mir einen Hinweis darauf, wer hier gerade vor mir steht. Erst als das vertraute Kribbeln unter seiner Berührung unerträglich wird, öffne ich zögernd die Augen und sehe geradewegs in die besorgte Miene von Jordan.

Es ist soweit! Und es hat nur 44 Kapitel gedauert!🤣

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