Weltweiter Impuls
Überrascht hebt Viktor den Kopf und sieht nach links, bevor seine Augenbrauen hochgehen und er dann doch leicht Schmunzeln muss. Sie hat wohl nicht gelogen als sie vor ein paar Tagen noch meinte dass sie kaum wirklich Schlaf zusammenbekommt. Jetzt ist sie im Auto eingeschlafen und ihr Körper drückt leicht gegen seinen während er seine Mails weiter bearbeitet. Es hatte ihn eh schon gewundert dass sie so lange durchgehalten hatte, aber wenn sie jetzt auf der Fahrt ein wenig schlafen kann, dann sollte man sie auch lassen. Im Moment geht es Schlag auf Schlag, denn man hat einen schnellen Durchbruch bei dem Artefakt gehabt und genau deswegen sind sie jetzt auf dem Weg vom Flughafen zur Ausgrabungsstätte. Zum Glück in einem klimatisierten Wagen, aber der Schwarzhaarige stellt sich innerlich die Frage wie sie wohl bei so einem Gewackel aufgrund der unebenen Straßen immer noch so ruhig schlafen kann. Als hätte man einen Knopf gedrückt, so ist sie von einer auf die andere Sekunde einfach weggewesen. Immer wieder sieht er nach vorn, Viktor kann sich in einem Fahrzeug nicht lange auf etwas konzentrieren oder ihm wird schlecht. Ekelhaft, wenn man gleichzeitig ein klein wenig Arbeit erledigen möchte! Er bräuchte eine von diesen komischen Brillen die diese Flüssigkeit im Gestell haben, vielleicht würde das ja ein wenig helfen.
Zweieinhalb Stunden fahren sie zum Arsch der Welt, bis Viktor die ehrenvolle Aufgabe hat seinen Boss zu wecken. Und das möglichst so, dass man ihn nicht umbringt. Leicht bewegt er seine Schulter und versucht sie auch leicht von sich wegzuschieben, wobei Dinah zwar aufwacht, aber nur den Kopf hebt um ihn aus halb offenen Augen anzustarren. Man kann deutlich erkennen dass sie noch nicht wach ist und hoffentlich macht sie jetzt keine Scheiße. Der Fahrer ist noch im Auto, deswegen kann ihr Assistent jetzt nicht mit ‚Boss' daherkommen. „Wir müssen los, die Ausgrabungsstätte wartet." Dinah blickt ihn weiterhin noch an als wäre sie auf einem anderen Stern. „Der Boss wird nicht zufrieden sein wenn einer von uns die ganze Zeit pennt und Spoiler, ich bin es nicht!" Nur langsam richtet sich die Braunhaarige auf und reibt sich die Augen, sie sind schon da? Sie sind doch echt gerade erst losgefahren, oder nicht? Ugh, der Schlafentzug ist nicht gut. „Nun bewegen Sie ihren wunderbaren Hintern aus dem Wagen, wir haben Arbeit anzuschauen." Dinah wirft ihm nur einen kurzen Blick zu und steigt dann aus, läuft aber erst einmal gefühlt gegen eine Wand aus Hitze. Im klimatisierten Wagen ist es angenehm kühl gewesen, jetzt schmilzt sie gleich. Viktor ist ebenfalls ausgestiegen und schon um den Wagen herum zu ihr gegangen, sieht sie ein wenig verschmitzt an. „Na? Heiß?" Seine Chefin schnaubt und streicht sich durch die Haare, um diese ein wenig glatt zu bekommen und zündet sich dann eine Zigarette an. „Ein Ding über mich... Wenn es heißer ist als in der Arschritze des Teufels, bin ich normalerweise drin und in einer klimatisierten Umgebung! Wenn man gewollt hätte dass ich in einem Ofen rumhängen soll, hätte der Herr mich zu einem beschissenen Chicken Nugget gemacht." Fair.
Gähnend streckt sie sich, bevor sie nach vorn sieht und ihnen schon die Leute vom letzten Besuch entgegenkommen. Wenigstens einigermaßen bekannte Gesichter. Leider geht es nur von dem einen Wagen zum nächsten und schon wieder fahren sie durch eine karge Landschaft, die nicht wirklich viel Schutz vor der stechenden Sonne bietet. Ungefähr eine halbe Stunde später sind sie endlich dort angekommen wo sie hinmüssen, oder zumindest am Stützpunkt für die Arbeiter. Wägen stehen herum, da die einen nach ihrer Schicht gehen und die nächsten kommen. Schlafen und ausruhen tun sie im Hauptcamp, dort wo man Viktor und Dinah zuerst hingebracht hatte. Der Schachteingang ist gut gesichert, sodass sich keine wilden Tiere oder ungebetenen Gäste einfinden können. Gemeinsam betreten sie zuerst das kleine Höhlensystem, bevor sie mit einem improvisierten Aufzug nach unten gebracht werden. Es knackt, quietscht und wackelt extrem- nichts für schwache Nerven und verängstigte Personen. Oder Personen mit Klaustrophobie, denn das alles ist ein sehr enger Schacht der senkrecht nach unten geht- man hat keine Möglichkeit etwas anderes als Erde und Stein zu sehen. Sollte der Aufzug einmal nicht funktionieren, so muss man sich mit einer Leiter behelfen, aber auch die sieht nicht sonderlich vertrauenswürdig aus. Doch sowohl Viktor als auch Dinah haben im Augenblick nicht wirklich die Aufmerksamkeit, um sich um diese Sicherheitsmängel zu kümmern. Legal ist das sowieso nicht und wenn es hält, dann passt es. Viel mehr interessiert sie nun das, was man dort unten hat. Das Artefakt.
Es sind keine wirklich großen Maschinen hier, die bekommt man auch gar nicht runter. Dennoch sieht man so etwas wie Schlaghämmer, Bohrmaschinen und so etwas eben. Aber all das interessiert jetzt eigentlich im Moment überhaupt nicht. Die Aufmerksamkeit der beiden ist nur auf die direkte Ausgrabungsstätte gerichtet, in welcher man nun mit kleinen Hämmern und Meißeln dran ist den Rest zu entfernen und mit dem Pinsel kehrt man die unwichtigen Partikel auf die Seite sie sonst nur behindern würde. Vielleicht hatte sie der Streik zurückgeworfen, welcher aufgrund der Drohung aufgetaucht ist. Aber Dinah war noch nie so glücklich über einen Berechnungsfehler wie hier. Man dachte dass man noch ein paar Meter Gestein vor sich hätte, doch weitere Untersuchungen und die Abtragungen des Gesteins und der Erde haben gezeigt, dass es doch nicht so weit weg ist wie man dachte. „Ich glaube so aufgeregt war ich das letzte Mal als man mich hier eingestellt hatte...", flüstert Viktor und will ja nicht im Weg herumstehen. Und doch macht er sich immer wieder ein bisschen größer oder lugt an den Arbeitern vorbei um einen Blick darauf zu bekommen. Der Schwarzhaarige zögert immer einen Schritt nach vorn zu machen, er will einfach ja nicht stören und einen besonderen Augenblick mit einer möglichen Tollpatschigkeit versauen. Sein Herz schlägt ihm bis zum Hals, er kann seinen Puls in seinen Zähnen spüren. Die Handinnenflächen sind ein wenig schwitzig, weswegen er sie an seiner Hose abwischen muss. Hier unten ist es stickig und schwül. Heißer als oben! Aber durch die Aufregung ist das kaum zu spüren. Plötzlich wird Halt gemacht und man hört kein hämmern mehr. Kein leises Fegen mit dem Pinsel. Stattdessen Geflüster. Ehrfürchtige Blicke. Dann auch das Drehen der Köpfe in die Richtung der beiden die nur für diesen Augenblick hierher gekommen sind.
Dinah setzt sich als erstes in Bewegung und geht auf die Leute und das Loch zu, Viktor folgt ihr sofort. Was auch immer passieren wird, er ist hier. Diese noch sehr instabilen Artefakte sind höchst gefährlich, eine falsche Bewegung und man hat etwas an sich kleben... da wünschte man sich es wäre ein Dämon. Die braunhaarige Frau kniet sich vor das nun vollständig ausgegrabene Artefakt, ist an sich nichts mehr als ein einfacher, schwarzer Ring den man für ein paar Euro im Ramschladen holen könnte. Aber man darf sich nicht von diesem Aussehen täuschen lassen, es sind einige gestorben oder haben sich umgebracht, bis man darauf gekommen ist wie man die Dinge richtig handhabt. Ein Mann, der schon dort gekniet hatte als sie zu ihnen gekommen ist, streckt seine Hand danach aus und will den Ring der Person übergeben die so fieberhaft danach gesucht hat. Fast augenblicklich spürt er wie sein Arm zurückgerissen wird und blickt überrascht in die blaugrauen Augen. Dinah schüttelt den Kopf und lässt sein Handgelenk wieder los, bevor sie zu Viktor blickt und dieser ihr zunickt. Erst dann wendet sich ihr Assistent ab und redet kurz mit der Frau, welche ihnen letztes Mal den Aktenkoffer mit den Drohungen gegeben hatte. Diese neigt ihren Kopf und ruft etwas in einer anderen Sprache nach oben, wobei sie an dem improvisierten Aufzug stehenbleibt und weiterhin abwartend nach oben blickt.
Nur langsam wird eine Kiste nach unten gebracht, die von zwei Arbeitern getragen werden muss um neben dem Artefakt hingestellt zu werden. Dinah öffnet die Kiste und sieht zufrieden dass die Kiste in der Kiste noch einmal gut gesichert ist. Dann öffnet sie auch diese, darin befindet sich eine Schatulle, drumherum ebenfalls gute Polsterung für alle nur denkbaren Schäden. Das ist eine verdammt wichtige Fracht, nur direkt anfassen sollte man sie nicht. Mit einer Zange, vorn gepolstert, hebt sie den Ring hoch und verstaut ihn erst in der Schatulle, die sie danach schließt. Der ausgehende Impuls ist für sie deutlichst zu spüren. Danach folgt die zweite Kiste und dann die große zum Schluss. Viktor sieht ihren Gesichtsausdruck nachdem die letzte Kiste geschlossen ist und man könnte es nur noch als Stolz und Erleichterung auffassen. Hoffentlich wird sie nun ein wenig besser schlafen können, da zumindest ein Punkt abgeschlossen ist. Bis sie den Standort des neuen Artefakts haben, wird es eh noch ein paar Tage dauern, da die Schriften nicht so schnell übersetzt werden können wie man es sonst gerne hätte. „Ich glaube der Boss ist mächtig erleichtert wenn wir zurückkommen.", gibt der Schwarzhaarige von sich und Dinah nickt lächelnd. „Auf jeden Fall." Aber erst müssen sie zurückkommen und dazu muss das alles verladen werden. Sicher. Es darf der Kiste und ihrem Inhalt nichts passieren und erst wenn sie wieder in Finnland sind, werden sie den Ring richtig aufbewahren können. Bis alles zusammengetragen wurde.
Liechtenstein. Liechtenstein! Das einzige was ihm dazu einfällt ist ein verdammter Witz der größere Ausmaße hat als der Vogelschiss auf der Weltkarte! ‚Wieso ist es gefährlich von Österreich in die Schweiz zu gehen? Da Liechtenstein.' Als Alucard den das erste Mal gehört hatte war er enttäuscht von der Menschheit- Jetzt ist er enttäuscht von sich selbst dass er bei dem Gedanken an den Witz doch tatsächlich schmunzeln musste. Aber die Enttäuschung bezieht sich nicht nur auf den Witz und sich selbst, sondern auch darauf dass hier gar nichts ist. So wie... nichts. Die haben keine Ahnung wer der Joker sein soll, haben keine Ahnung von irgendetwas dahingehend und niemand weiß etwas spezielles über Morde oder sonst etwas. Die Lady klingt weniger überrascht als er dachte, aber jetzt mal ganz ehrlich, was will man von einem wannabe-Land auch groß erwarten. ‚Wenn ich mal groß bin, will ich ein Land werden!', dass ist der Gedanke des Urvampirs dahingehend. Vielleicht hilft ein wenig gießen? Milch trinken? Immer brav aufessen?
Der Schwarzhaarige sieht sich noch einmal um, bevor er sich aufmacht um zum Ersatzjet zu kommen, die Schrottkiste die man mit Gebeten noch im Himmel hält. Er hat wirklich das Gefühl dass da schon kein Benzin mehr von Nöten ist, irgendein Gott spielt schon mit. Anders kann er es sich eigentlich schon gar nicht mehr erklären wie das Ding noch abheben kann. Im Jet angekommen trifft er auf die Piloten die sich gerade einen Kaffee im Becher genehmigen und ihn mit großen Augen anstarren als er neben ihnen auftaucht. „Den Kaffee könnt ihr noch trinken wenn wir in der Luft sind, ab nach Kanada. Vancouver, um genau zu sein." Er will Seras helfen können, bis jetzt hatte sie nämlich auch noch nichts gefunden und vielleicht sehen zwei Augenpaare einfach mehr als eins. Im nächsten Moment erwischt ihn schon fast so etwas wie eine Welle der Angst und Panik, bevor sich das beklemmende Gefühl so schnell verzieht wie es aufgetaucht ist. Wie ein Impuls, eine dunkle Vorahnung. So etwas hat er nicht umsonst, irgendetwas stimmt nicht, aber was? Wo? Von wem? Gedanklich tritt er mit Seras in Kontakt, während er es sich im Jet so gemütlich macht wie es nur irgendwie geht. Seras, hast du es auch gespürt? Diese hebt zitternd ihre Hand und schluckt. Ich spüre es immer noch... was ist das? Der Urvampir legt sich eine Hand auf den Mund, verzieht leicht das Gesicht. Wenn er das wüsste, dann würde es ihm weniger Sorgen bereiten. Er hatte schon einmal so einen kleinen Impuls, aber um einiges leichter. Und wenn er so darüber nachdenkt, war da schon einmal so ein Gefühl. Ein Hauch zumindest. Ich weiß es nicht, geht's dir gut? Alles in Ordnung bei dir? Ich bin auf dem Weg nach Vancouver! Wir treffen uns am Flughafen. Ich gebe der Lady bescheid.
Seras reibt sich über den linken Unterarm, die Gänsehaut ist noch nicht ganz verschwunden und das Gefühl der Panik ist immer noch vorhanden. Ein beklemmendes Gefühl hatte sich in der Brust breitgemacht und lässt sie auch nur langsam aber sicher wieder los. Es war, als hätte sie eine düstere Vorahnung. Dass irgendetwas schlimmes passieren wird! Ob das nur sie mitbekommen haben, oder auch andere übernatürliche Wesen? Ob es komisch und unhöflich kommt wenn sie hier jemanden diese Frage stellt? Sicherlich nicht. Währenddessen macht sich Alucard wirklich Sorgen darum, er hat keine Ahnung was genau es bedeutet... aber dass diese Impulse immer stärker werden und sich scheinbar weltweit ausbreiten, ist nichts mit dem sie spielen sollten. Hoffentlich sieht die Lady es genau so und sie müssen herausfinden ob sich das nur auf Vampire, oder alle übernatürlichen Wesen bezieht. Sollte es sich nur auf Vampire beziehen, kann man davon ausgehen dass nur Vampire etwas damit zu tun haben sollen. Spüren es aber auch alle anderen übernatürlichen Wesen weltweit, wird das ein größeres Ausmaß werden als es vielleicht sogar beim Major und Millenium der Fall gewesen ist. Scheiße, sie müssen sich auch noch um Joker kümmern! Joker...? Hm, wann war denn das erste Mal als der Impuls- nein. Joker war schon lange zuvor aktiv, das hat nichts mit dem Auftreten der Impulse zu tun. Also müssen sie sich um Joker und die Herkunft dieser Impulse kümmern, vortrefflicher Zeitpunkt. Wunderbar. Sie haben ja nicht schon genug zu tun, nein! Ugh, er wünschte er könnte sich direkt klonen und... effektiver... arbeiten. An sich könnte er es. Dumm nur dass er sich dann vollkommen auf beide Sachen gleichzeitig konzentrieren müsste und sein Klon kein eigenes Gehirn hätte. Also wäre es möglich, aber sehr kompliziert. Nein, dann lässt er es lieber. Stattdessen holt er das Handy raus um der Lady bescheid zu geben was nun passiert ist.
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