Totenbild
„Na, wer wird denn da schon zurück sein?" Nur langsam öffnet die Yshcalar die Augen. Erst ist noch alles verschwommen, bevor der Blick schärfer wird und sie in einem weißen Raum eine golden leuchtende Person erkennen kann. „Herr." Die Yshcalar neigt den Kopf und schließt die Augen erneut wieder, in dieser Dimension hat man ihm allen Respekt zu zeigen den man aufbringen kann. „Meine kleine Yshcalar, stell dich richtig hin und sieh mir in die Augen, so wie du es auf Erden auch immer tust." Sie tut wie ihr geheißen, hier hat sie keinen richtigen Körper, nur eine goldene Form so wie der Herr eine besitzt. „Du weißt dass ich dich immer im Blick habe und unter anderem ist mir aufgefallen dass du meinen Befehlen folgst und das ist eine gute Sache." Natürlich folgt die Yshcalar allen Befehlen die ihr gegeben wurden, dass ist der einzige Grund wieso sie am Leben ist. „Und du befolgst meine Befehle schon seit einer sehr, sehr langen Zeit." Weiterhin bleibt sie still, weiß nicht auf was er hinaus möchte. „Und auch wenn du es androhst, du erzählst Vater nichts von dem was abläuft." Der Herr kommt auf sie zu und legt ihr beide Hände auf die Schultern, nickt ihr zu. „Ich habe dich erschaffen um dich Herausforderungen entgegen zu stellen denen nur du gewachsen bist und du beschwerst dich kaum bis gar nicht, weißt du das? In all den Jahrtausenden bist du eine konstante in dieser Welt, du hältst die Menschheit davon ab ausgerottet zu werden und du bist nach uns das mächtigste Schutzschild der Menschen und der Bewohner der Erde."
Beide Hände gehen zu ihren Wangen und man könnte meinen dass er lächelt. „Ich weiß dass du an dein Leben als Dinah auf der Erde keine Erinnerungen mehr hast." Sie hieß einmal Dinah? Was ist das für ein Name und wo soll der bitte hergekommen sein? „Du hattest Freunde, meine werte Yshcalar." Yshcalar ist der Name den sie hat, nicht Dinah. Aber nun gut, er wird wissen von was er redet. „Freunde und sogar gab es eine Person die dich auf einer Ebene mochte und es... immer noch tut, die nichts mehr mit Freundschaft zu tun hat." Freundschaft... ist das gut? So wie es der Herr ausspricht sollte es gut sein und das andere scheint er wohl skeptisch zu betrachten, also sollte sie auch misstrauisch gegenüber dem sein was das ist. „Weißt du was ich meine, Yshcalar?" Sie weicht dem Blick aus und schüttelt dann den Kopf. „Entschuldigt, Herr. Ich weiß nicht was Ihr meint." Ist das Enttäuschung in seinem Blick? Seufzend lässt er sie los und schüttelt leicht den Kopf, was soll man von jemandem erwarten der Freundschaft erst seit ein paar Jahren kennt und das Worte ‚Liebe' noch nicht einmal in den Mund genommen hat. „Ich habe mit Vater gesprochen und wir beide sind der Meinung dass du so etwas wie eine Belohnung verdient hast. Auch wenn das in deinem Zustand schwierig wird zu entscheiden." Eine Belohnung? Sie? Weil sie das gemacht hat für was sie vorgesehen war? Das ist ihr einziger Existenzzweck, warum sollte man dafür einen Lohn erhalten?
„Yshcalar, du kannst dich zwischen zwei Dingen entscheiden." Sie darf also noch wählen? Was hat sie bitte gemacht um so etwas zu verdienen? „Du kannst etwas bekommen dass dir dabei hilft die Qywesh noch besser und schneller aufzuspüren und umzubringen. Eine neue Fähigkeit, so klingt es am einfachsten." Die eigentliche Aufgabe noch besser und schneller vollbringen? Das klingt doch nach etwas was sie auf jeden Fall nehmen wird! Aber dennoch sollte sie die sich noch die zweite Option anhören. „Oder ich schicke dich zurück zur Erde mit deinen Erinnerungen als Dinah, du bist wieder du selbst und du behältst diesen Körper auf Ewigkeiten." Damit deutet er auf die Seite und sie sieht eine weibliche Person. Oder beziehungsweise die Hülle davon. „Du kannst dir diesen Körper noch einmal ansehen wenn du möchtest. Überlege gut was du nehmen wirst, diese Entscheidung gibt es nie wieder." Nur zögerlich geht die Yshcalar auf den Körper zu. Braune Haare die bis zur Schulter gehen. Ein wenig unordentlich, aber nicht schlimm. Graublaue Augen die sehr kühl und abweisend wirken. Eine gerade Nase, darunter schmale Lippen und ein leicht hervorstehendes Kinn. Hohe Wangenknochen geben dem Körper ein schon fast extravagantes Aussehen. Die Muskeln kann man deutlich sehen, dennoch sind sie definiert und geben trotzdem eine weibliche Figur ab. Die Brüste sind nicht sonderlich groß, dürften aber auch nicht bei einem Kampf im Weg sein. Auf dem Rücken entdeckt sie blasse Spuren von Krallen, dieser Körper muss wohl etwas durchgemacht haben was der Regenerationskraft einer Yshcalar einiges abverlangt. Plötzlich findet sich Bilder von verschiedenen Menschen in ihrem Kopf wieder. Vampire. Andere Wesen. Emotionen überfluten sie als hätte man Staudämme aufgebrochen. Was ist das?
„Und sie ist jetzt einfach so... nicht mehr da?" Makube sitzt mit den anderen am Tisch, Anderson nickt zustimmend. „Sie ist friedlich eingeschlafen, so viel können wir bezeugen." Dass man in der Früh eine Besprechung abhalten wollte war ja nichts ungewöhnliches! Dann aber die drei anzutreffen ohne dass Dinah dabei war, war schon leicht alarmierend. Dass man die Lady dabei hatte war noch alarmierender und dass es so aussieht als hätten die drei Männer geweint, lies nur auf eines schließen. Der Bischof sieht auf den Tisch vor sich, er wusste nicht einmal dass Dinah und der Pater zurückgekommen waren. Jetzt von ihrem Tod zu erfahren, von der einfachen Aufgabe ihres Körpers aufgrund des ganzen, das ist nicht das worauf er gehofft hatte. Enrico beobachtet Viktor, doch der ist in seiner Trauer verschwunden. Die Augen rot und verquollen und immer wieder zieht er die Nase hoch. Viel kann er nicht machen und so muss es wohl reichen dass er ihm eine Hand auf die Schulter legt. Maxwell hat damit gerechnet dass keine Reaktion kommt, dementsprechend ist er auch nicht wirklich davon überrascht als Viktor ihn ignoriert. „Und was machen wir jetzt?" Integra hat die Augenbrauen hochgezogen, wartet auf eine Antwort der anderen und auch wenn es schade ist dass sie verstorben ist, beziehungsweise der Körper aufgegeben hat... sie haben immer noch zwei Artefakte zu finden. Und das Ding zu erledigen! Wie auch immer das heißt.
„Auch wenn sie vielleicht nicht katholisch war, ich bin für ein Begräbnis hier im Vatikan." Alexander sieht die Lady mit einem Blick an der keine Widerworte duldet und er wird es auch nicht dulden wenn sie jetzt unbedingt ihren Willen durchsetzen will aufgrund der Artefakte. Doch die Lady versteht was nun läuft und nickt. „Sagt uns die Uhrzeit und wir werden da sein." Vielleicht hatte sie Dinah nie wirklich persönlich kennengelernt, aber sie scheint eine gewisse Persönlichkeit besessen zu haben die selbst die Katholiken überzeugt hatte. Froh dass sie es einsieht, richtet sich der Paladin ein wenig auf. „Morgen, halb sieben Abends. Sie mochte die Abende lieber als die Morgende." Sie wissen alle dass sie an sich eine leere Hülle begraben. Aber es ist für sie alle auch eine Art des Abschieds, denn niemand außer Alucard und Alexander wissen ob sie diese 18 Jahre noch erleben und Dinah in anderer Form und mit einem anderen Namen wiedersehen werden. Integras Blick geht zu Alucard, doch der hat nicht ein einziges Mal aufgesehen. Der scheint wohl wirklich etwas an ihr gefunden zu haben wenn er so reagiert. Obwohl sie es verstehen kann, es ist eine Person die länger lebt als er, mehr erlebte als er und dennoch immer noch fröhlich und offen genug war um das alles mit sich machen zu lassen was nun eben passiert ist. Und nun 18 Jahre warten? Das ist nicht so einfach. „Also gut, ich werde alles in die Wege leiten um mit Seras dort zu sein. Wir sehen uns morgen." Damit unterbricht die Lady die Verbindung und Viktor drückt eine Taste um den Bildschirm auszuschalten.
„Also gut... wer kümmert sich um was?" Makube richtet diese Worte an alle, denn wenn man etwas zu tun hat, dann muss man nicht so extrem nachdenken. „Ich werde mich um einen passenden Platz kümmern." Enrico meldet sich dafür freiwillig und denkt den passenden Ort gefunden zu haben. Viktor schluckt und nickt leicht. „Ich... übernehme Blumen und so etwas..." Gut, dann wäre das auch schon einmal abgehakt. Chief seufzt und lehnt sich nach hinten. „Ich werde mich um das organisatorische kümmern. Brauchen wir einen Leichenschmaus?" Das trifft eher auf allgemeine Ablehnung. Naja, muss man ja auch nicht machen. „Alucard und ich übernehmen den Grabstein, den Sarg und die Bilder." Überrascht sieht man zu den beiden. Die arbeiten doch tatsächlich zusammen? Die beiden? Dass Hasspärchen Nummer eins? Oha. „Will jemand eine Rede halten?" Chief blickt erneut in die Runde, das andere lief ja super und ohne Probleme. Die Verteilung der Aufgaben hatte er sich anders vorgestellt. Schwieriger. Auch hier hebt Pater Anderson die Hand, gefolgt von Viktor. Wenn nur jede Bestattung so schnell und unkompliziert ablaufen würde wie diese, dann wäre das alles kein Problem. „Auch wenn in diesen Augenblicken irgendwo ein Baby auf die Welt gekommen ist welches ihre Seele besitzt, wir werden sie trotzdem in allen Ehren verabschieden und ihr Gedenken. Sie hat Leben gerettet, Freude gebracht und andere Sichtweisen gegeben an die man sonst nicht denken würde. Sie hat es verdient, selbst wenn sie irgendwann auftauchen und uns deswegen auslachen würde." „Das würde sie nicht." Die tonlose Stimme Alucards zieht die Aufmerksamkeit auf ihn. „Dinah würde so etwas nie tun, sie wäre dankbar dass man an sie denkt und wir sie nicht vergessen."
Der folgende Abend ist schneller da als man gedacht hatte und selbst Alucard steht in einem schwarzen Anzug da und hat den Kopf gesenkt als er neben Seras und der Lady in der Kirche steht und dem Papst bei einer Rede zuhört die um Dinah und ihre Taten geht. Seras hat ihren Meister noch nie so traurig erlebt und gibt ihm immer wieder zu verstehen dass sie für ihn da ist wenn er etwas braucht. Integra hat schnell gemerkt dass sie sich hier einen Namen gemacht hat, umsonst ist der Petersdom nicht voll und man lockt sicherlich nicht mit damit dass ein Engel für sie gestorben wäre! Alexander und Alucard tragen den Sarg als mittlere Sargträger, sodass Maxwell, Viktor, Makube und Heinkel nicht so viel zu tragen haben und lediglich abstützen. Während zur Trauerfeier jeder eingeladen war, geht es nur im engsten Kreise zum eigentlichen Beerdigungsort. Auf dem Campo Santo Teutonico, dem eigentlich ‚deutschen Friedhof' welcher dem Staat Italien gehört und nicht zum Vatikan, haben sie es mit ein wenig Überredungskunst geschafft eine Ecke für den Vatikan zu bekommen und dort den Körper zu beerdigen. Es ist der einzige Friedhof im Vatikan, weswegen Maxwell es für das beste hielt es dort ablaufen zu lassen.
Die ausgeschaufelte Erde liegt in einem großen Haufen in einigem Abstand dahinter, sodass die Aufmerksamkeit auf dem Grab selbst liegt. Ein Bild von einer breit grinsenden und zwinkernden Dinah ist aufgestellt, es steht in einem schwarzen Rahmen und ein schwarzes Band geht über eine der Ecken. Alucard hatte einige Screenshots gemacht, wer hätte gedacht dass eines der Bilder einmal als Totenbild herhalten muss? Und auch noch so schnell? Viktor hat die Musikauswahl übernommen und da sie ein kleiner Fan von dem Musical Hamilton war, läuft im Hintergrund während der gesamten Tragezeit ‚Who Lives, Who Dies, Who Tells Your Story'. Es hat nicht viel mit einem richtigen Trauermarsch zu tun, aber Viktor ist sich sicher dass sie es gefeiert hätte. Beim Grab angekommen wird der Sarg in die vorgesehene Halterung gesetzt und dieses Mal sind es der Paladin und Viktor die ihre kleinen Reden halten. Ihr Assistent nickt leicht als er nach vorn geht. „Um das alles mit ihren Worten zu beginnen... Die Zeit steht nicht für jeden still und sie wiederholt sich für die wenigsten in einem bewussten Rahmen." Er seufzt und lässt die Zettel sinken die er sich vorbereitet hatte. Was bringen ihm die noch. „Ich weiß dass im Leben alles mit einem Grund passiert, aber manchmal wünsche ich mir ich wüsste was dieser Grund wäre. Dinah hat mich geprägt, sie hat mich aufgezogen! Sie... hat mich zu dem gemacht was ich heute bin und was ich kann, das kann ich auch nur weil sie es mir beigebracht hat. Du wirst alleine geboren und du stirbst alleine und diese Welt verpackt das alles mit Regeln damit man diese Dinge vergisst- Aber Dinah hat es geschafft mich diese Regeln vergessen zu lassen. Sie hat mich dazugehörig fühlen lassen, sie hat mich akzeptiert wer ich bin und wie ich lebe... Sie hat jeden akzeptiert. Egal wie diese Person war. Und daran zu denken dass ich vielleicht nicht mehr die Möglichkeit habe sie zu treffen, dass- Dass ist hart. Es ist, als hätte ich eine große Schwester verloren, sie war- sie IST Familie." Das Weinen verkneifend streicht sich Viktor die Tränen aus den Augen und tritt auf die Seite, mehr Worte bringt er nicht mehr raus.
Somit ist Alexander an der Reihe und auch wenn er gefasst wirkt, es hat ihn dann doch extrem tief getroffen. „Dinah war, beziehungsweise IST jemand, die all den Schmerz den sie erleben muss in sich behält und nicht damit prahlt. Sie lässt sich lieber selbst zerstören als dass es andere zerstört. Stures Weib, da können wir alle zustimmen." Allerdings. Vereinzelt sieht man ein Nicken, bevor er fortfährt. „Wir könnten an dem heutigen Tag Milliarden an Worte verprassen und es bringt uns die Person nicht zurück um die es geht. Auch werden es keine Milliarden an Tränen oder Gedanken. Für manche ist es eine Frage der Zeit bis man sie wiedersieht und sie trifft, für andere wiederum ist dass hier der letzte Abschied weil sie es nicht erleben werden. In 18 Jahren kann und wird viel passieren, nicht jeder wird es überleben und das ist vollkommen normal." Der Paladin richtet sich ein wenig auf und sieht zum Sarg, während dieser nach unten gelassen wird. „So oft wie sie die Welt gerettet hat, so oft blinzeln wir am Tag. 176.000 Jahre und es geht immer weiter, es gibt nichts was sie nicht erlebt hätte und sie stirbt jedes Mal für uns. Sie ist eine der stillen Helden, von denen man nicht weiß bis man alles aufgedeckt bekommt." Die grünen Augen gehen wieder in die Menge. Alucard sieht nur den Sarg nach unten sinken. Eine Heldin? In vielem Sinne, das auf jeden Fall. Für jeden ist es ein anderer Grund. „Aber wir werden sehen was... passieren... wird..." Er wird immer langsamer mit dem Sprechen, die Augen weiten sich. „Huh... ich hätte noch den Insider mit dem Rucola reingetan. Aber sonst? Hübsch!" Alucard reißt den Kopf auf die Seite und starrt die Person neben sich an die die Arme auf dem Rücken verschränkt hat und ruhig lächelnd auf das Grab blickt. „Ich mag die Blumen.", gibt Dinah von sich und hebt leicht das Kinn.
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