Göttliche Fügung
Der Blick geht an die gegenüberliegende Seite des Raumes, der Kopf wird von der Hand abgestützt, Stille. Nur der Schneesturm draußen, der so gut wie alles gerade abschirmt, tobt und gibt ein paar Geräusche von sich. Nicht viele sind heute bis in die Arbeit gekommen, aber das ist nicht schlimm. Im Moment läuft so oder so alles auf Sparflamme, so wie Dinah's Gehirn. Sie wohnt hier, sie hat hier ihren eigenen Lebensraum, wenn man es so sagen möchte! Wofür bräuchte sie Privatsphäre, wenn sie hier 24/7 rumläuft und sich um irgendwelche Dinge kümmern muss. Alucard hingegen hat die Augen leicht zusammengekniffen und beobachtet die Frau, wenn er ihren Gedanken glauben schenken darf, dann brennt da oben in der guten Stube nicht einmal ein Lämpchen. Das hätte er gestern gebrauchen können, jetzt ist da wirklich nichts! Aber selbst wenn er sich anstrengt- Er bekommt nichts anderes aus ihren Gedanken raus als die Dinge, an die sie aktuell denkt. Sollte sie nicht vielleicht einmal arbeiten? Oder... frühstücken...? Zumindest sieht das aus wie Frühstück, sie haben es halb acht in der Früh und die Schüssel mit dem Müsli ist offensichtlich nicht einmal angerührt worden. Von Pip hat er sich sagen lassen, dass eingeweichtes Müsli jetzt nicht unbedingt der Hit sein soll, aber vielleicht gibt es einfach Menschen die das mögen? Kann ja auch sein. Trotzdem sollte sie endlich weiter daran arbeiten um die restlichen Artefakte zu finden und vielleicht auch der Lady ein paar Dinge weiterzugeben, sodass auch sie ihre Fühler ausstrecken und helfen kann, das alles zu finden.
„Weißt du wie schnell man dich umbringen könnte?" Nicht einmal das Zucken der Augenlider ist zu sehen, hat sie ihn überhaupt wahrgenommen? Er tritt aus seiner Ecke hervor, in welcher er schon ein paar Minuten gewartet hatte, streckt seine Hand aus und holt seine Waffe raus. „Würde uns einiges ersparen, Menschlein." Doch selbst nach dem leichten Drücken des Laufes gegen die Seite ihres Schädels reagiert sie überhaupt nicht, schläft sie mit offenen Augen? Sie blinzelt nicht einmal. Ein Blick auf ihre Brust reicht aus um zu wissen dass sie atmet. Auch besitzt sie einen Puls. Ruhig und stetig, wie bei einem schlafenden Menschen. Was zur Hölle? Urplötzlich reißt sie den Mund auf und schnappt nach Luft, als wäre sie nun schon stundenlang unter Wasser gewesen. Die Augen wirken panisch, so weit sind sie aufgerissen. Er kann ihr Herz von einer Sekunde auf die andere rasen hören, das Blut pumpt schon fast mit Spitzengeschwindigkeit durch ihren Körper. Nicht einmal Alucard hat eine Ahnung was hier los ist und kann nicht verstehen was mit ihr geschehen sein muss, um solche Reaktionen hervorzurufen. Sie hatte ihre Augen doch gerade aus gerichtet gehabt, sie war wach! Oder? Oder doch nicht? Aber wenn sie geschlafen hätte, dann wäre er in ihren Kopf gekommen. Er hätte Zugang zu allem gehabt. Die braunhaarige Frau versucht sich zu einer ruhigen Atmung zu zwingen und lehnt sich nach vorn, legt sich beide Hände auf das Gesicht und murmelt irgendetwas auf Finnisch vor sich hin, was er jetzt zugegebenermaßen nicht so ganz versteht. „Was... bei allen verfickten neun Höllen... war DAS."
Diesmal ist sogar ein leichtes Zusammenzucken zu sehen, wobei Dinah den Kopf dreht und ihn schon fast verängstigt anblickt. Dann aber schüttelt sie den Kopf und reißt sich zusammen, richtet sich auf und atmet noch einmal tief durch. Das Herz rast immer noch, ihre Hände zittern ein wenig. „Alles gut." Er zieht eine Augenbraue hoch, sagen tut er nicht wirklich etwas. Er sieht sich kurz in ihren aktuellen Gedanken um, woraufhin die zweite Augenbraue folgt. „Du weißt es selbst nicht, oder?" Die Menschenfrau presst die Lippen aufeinander und schließt für ein paar Sekunden die Augen, aber sie kann es ihm nicht verdenken dass er in ihrem Kopf war. „Nein, zufrieden? Ich habe keine Ahnung was... DAS war." Ungeniert stellt sich Alucard zuerst direkt neben sie, ehe er die Schüssel mit dem Müsli in ihre Richtung schiebt und sich dann auf den Tisch setzt. „Bist du komplett weg gewesen? Hast du was gesehen? Seit wann hast du es und inwieweit könnte dass die Suche der Artefakte beeinflussen." Dinah reibt sich die Schläfe und lehnt sich nach hinten, ihr ist noch ein wenig schwindlig. „Ich- Keine Ahnung. Es ist als... würde ich träumen. An sich ist es wie ein Traum! Ein... bruchstückhafter Traum." Das beantwortet jetzt weder eine Frage ganz, noch geht sie auf das andere ein. „Menschlein, konzentrier dich. Beeinträchtigt das irgendwie die Suche und was hast du gesehen." Die graublauen Augen gehen zu ihm hoch, als ob das irgendwie was bringen würde. „Um genau zu sein fürchte ich dass es irgendetwas mit den Artefakten zu tun hat, ich hab das seit dem ersten Fund..."
Dinah ist dankbar dass Alucard nicht gleich einen weiteren dummen Kommentar von sich gibt und seufzt. „Ich- Ich habe keine Ahnung was es ist." „Ist es ein Wesen? Ein Ding? Ein Gegenstand?" Alucard braucht Infos! Doch es kommt keine Antwort, oder zumindest keine, die er erwartet hätte. Ihre Stimme ist leise, leicht fassungslos. „Hörst du mir... eigentlich zu?" Natürlich, immerhin braucht er die Infos! „Wenn du mir die richtigen Antworten gibst, dann würde ich dir noch mehr zuhören. Aber ja, eigentlich schon." Leicht schüttelt sie den Kopf und sieht wieder gerade aus. „Warum stellst du mir dann die Frage ob es ein Wesen, ein Ding oder ein Gegenstand ist, wenn ich dir gesagt habe dass ich keine Ahnung habe was es ist." Die roten Augen werden verdreht. „Mach jetzt keinen auf Drama, Menschlein. Nur weil man keine Ahnung hat was es ist, kann es eben auch ein Wesen oder ein Gegenstand sein. Selbst ich sage ‚keine Ahnung was es ist', wenn ich keine Ahnung habe was für ein Wesen oder was für ein Gegenstand es ist. Also?" Die braunhaarige Frau reibt sich den Nasenrücken und murmelt wieder etwas auf ihrer Sprache vor sich hin, ehe sie die Hand sinken lässt. „Es ist weder das eine, noch das andere. Es ist- Es ist eine... gestaltlose Stimme. Das Umfeld ändert sich nur wenn wir ein neues Artefakt haben. Erst war es eine- ja, schon fast friedliche Wiese. Als nächstes ein Strand. Dann eine Höhle. Und jetzt ist eine Berglandschaft. Ich höre die Stimme immer nur, ich sehe es nicht." Eine gestaltlose Stimme? Sie sollte vielleicht mehr schlafen. Aber ihm fällt spontan ein dummes Ding ein! „Sag mal... wo habt ihr die Artefakte gefunden?"
Dinah schnaubt, ein leichtes Schmunzeln ist zu sehen. „Du kommst schnell drauf. Aber ja, es zeigt die ungefähren Aufenthaltsorte. Nur dass es nicht die richtigen sind, sondern... Andeutungen, in welcher Landschaft sie sich befinden. Und ich bekomme Rätsel. Hört sich dumm an! Aber... es hilft bei der Eingrenzung. Länder, Regionen, bestimmte Orte..." Alucard streicht sich über das Kinn, das Wesen, welches man durch die Artefakte beschwören wird, spricht mit ihr. Es will befreit werden. Das ist, aus seiner Sicht, nicht das beste Anzeichen. „Bist du dir bewusst dass es dich manipuliert? Was weißt du über das Wesen selbst?" Dinah zieht eine Augenbraue hoch. „Es reicht mir zu wissen dass man vollständige Kontrolle hat wenn man die Artefakte zusammengekratzt hat." Fassungslos starrt der Urvampir sie an, ist die dumm oder so? „Du- Du besitzt schon so etwas wie ein Hirn, oder?" Wie kann man sich so sehr gegen die Wahrheit stellen? „Ich gehe davon aus, aber auf was willst du raus." „Bist du komplett allergisch gegen das Denken? Das Wesen zieht dich in seinen Bann, zeigt dir die Standorte und will, dass du alles findest... und es ist nicht zu 100% sicher dass du vollständige Kontrolle hast und ob du nicht schlussendlich als Gefäß endest! Schon einmal darüber nachgedacht wer und WARUM man die Artefakte so verstreut hat? So, dass man nicht durch Zufall drauf stoßen kann? Sag mal- Wenn ich gegen deinen Kopf schlag, dann fallen höchstens die Priester auf die Knie weil du so verdammt hohl klingst!"
Dinah blickt ihn nur an und wartet ab, er muss sich wahrscheinlich auch erst einmal auskotzen und seinem Frust Luft machen. Erst nachdem er sie noch ein paar Mal aufgrund ihrer Inkompetenz und des fehlenden Hirns beleidigt hatte, räuspert sich Dinah und zieht eine Augenbraue hoch. „Fertig, oder kommt noch was?" Alucard starrt sie stinksauer und schon fast fassungslos an, wie kann man bis jetzt so überlebt haben?! Da er nach ein paar Augenblicken immer noch nichts sagt, nickt sie leicht. „Gut, dann passt es ja. Aber ich finde es ja wirklich nett wie du dir das alles ausmalst, wirklich." Der Urvampir verschränkt die Arme, das klingt so als würde sie ihn gleich eines besseren belehren wollen. „Ein wenig bunt, aber nett. Vielleicht ein wenig ZU bunt? Weißt du eigentlich WEM du hier gegenüber sitzt? Hast du irgendeine Ahnung was meine Person angeht?" Sie ist komplett ruhig, was ihn wiederum ein wenig verunsichert. Auf was will sie hinaus? „Spürst du gar nichts? Überhaupt nichts?" Was soll er jetzt bitte noch spüren?! Alucard ist jetzt doch ein wenig verunsichert, lässt es sich aber nicht wirklich ansehen. Dinah mustert ihn und nickt dann leicht. „Du hast keine Ahnung, dann belassen wir es dabei. Sagen wir es so... ich kenne mich mit Dämonen aller Art aus. Frühere... Arbeit." Der Urvampir ist sich nicht sicher was genau sie meint, aber ein Dämon ist sie sicherlich nicht! Auch sonst ist da nicht wirklich irgendetwas, außer dieses leichte glimmen. Aber das kann jetzt auch vom Licht sein, er sollte sich da nichts einbilden. Wobei ihm das gestern schon aufgefallen ist. „Was für eine Arbeit." „Eine mit, beziehungsweise GEGEN Dämonen."
Das hilft ihm jetzt überhaupt nicht. „Menschlein, es wäre mir eine Freude dir eine Kugel in den Kopf zu ballern und deinem Körper dabei zuzusehen wie er auf den Boden fällt." Dinah lächelt nur leicht. „Noch einmal tot sein? Ich verzichte." Noch einmal? Was bei allen neun Höllen geht hier ab? „Was für ne Reinkarnations-Scheiße geht hier ab?" Ein leises, aber zufrieden wirkendes Kichern. „Keine Reinkarnation. Nur- oder kann man das- Doch... Doch! Das kann man als Reinkarnation sehen. Wiedergeburt. Also an sich... doch. Reinkarnation." Alucard starrt sie nur an, was labert die für einen Mist? „Was bist du..." Ihr kurzes Lachen lässt ihn diesmal sogar leicht zusammenzucken. „Weißt du... ich bin an sich ein Mensch! Mit... Zusätzen. Aus einem früheren Leben. Ich habe meine Erinnerungen erst mit... ich glaube ich war... 18? Da konnte ich mich wieder an alles erinnern. Was für eine... göttliche Fügung." Die roten Augen gehen an ihr runter und wieder hoch. „Ein Gott? Ne jetzt, oder?" Mit gerunzelter Stirn schüttelt sie den Kopf. „Ich würde niemals diese Verantwortung wollen, nein danke." Dann steht sie auf und klopft ihm auf den Oberschenkel. „Viel Spaß beim raten, ich muss die nächste Lokalisation des Artefakts finden."
Eiskalt geht sie an ihm vorbei und lässt ihn in ihrem Büro sitzen. Kein Mensch. Oder doch? Göttliche Fügung? Reinkarnation? Was verheimlicht sie sonst noch? Was weiß man wirklich über Dinah Owen, oder ist das überhaupt ihr richtiger Name? Wie lange will sie noch spielen und wird das noch schlimmer? Die Braunhaarige trifft auf dem Gang auf Viktor, der so ein klein wenig den Kopf eingezogen hat. Dass Hellsing sich nun an der Situation beteiligt, daran ist nur er allein schuld. „Morgen..." Dinah lächelt ihn aber an. „Morgen Viktor, ein Wunder dass du es heute hergeschafft hast!" Verwundert, dass sie ihn überhaupt nicht auf Alucard oder das von gestern anspricht, mustert er sie noch kurz und nickt dann aber. „Ich habe mich in der Pflicht gefühlt." Er sollte versuchen das alles ein wenig auszugleichen, die Scheiße die er gebaut hat, wird ihm nicht sonderlich gut stehen. „Ich hoffe nicht dass du dafür dein Leben aufs Spiel setzt, ich brauch dich." Ein kurzes Schmunzeln seinerseits. „Man braucht mich... In welchem Sinne?" Der Blick wird kurz zweideutig, wobei Dinah die Augen verdreht. „Für die Arbeit." „Man kann vieles als Arbeit sehen! Man sollte schon spezifizieren." Ihr Ausdruck wird emotionslos. „Arbeit im Sinne von Papieren. Recherche." Brummend zieht er eine Schnute, richtet sich dann aber wieder auf und nickt. „Und wo wir schon bei Recherchen sind! Ich habe ein paar mögliche Lokalisationen!"
Da wird die Braunhaarige gleich aufmerksam. „Weißt du... Schränke die Lokalisationen auf Berglandschaften ein. Entweder auf, unter oder in der direkten Nähe von Bergen." Bei Alucard konnte sie nicht lange etwas vorspielen, aber Viktor sollte sie im Ungewissen lassen. „Berge?" Dinah nickt leicht. „Ich konnte ein paar weitere Zeilen entziffern, die Texte sprechen von Bergen." Der Schwarzhaarige grinst schon fast breit, was würde man nur ohne sie und ihre Fähigkeit machen diese Texte zu übersetzen? „Natürlich! Moment..." Er gibt das alles auf dem Tablet ein und es braucht ein paar Sekunden, bis er die übriggebliebenen Standorte hat. „Ich hätte... Guatemala und Peru!" Gut, so weit dürften die nicht auseinander liegen. „Wir konzentrieren uns auf die Bereiche. Geht das ein wenig genauer?" Ein wenig Tippen später, nickt Viktor erneut. „San Marcos in Peru und in Guatemala in der Nähe des Vulkans Santa Maria! Gibt es sonst noch irgendwelche Eingrenzungen aus den Überlieferungen?" Dieses Mal gibt es leider nur ein Schütteln des Kopfes, weiter weiß sie leider auch nicht. Diese Visionen von dem Wesen sind nie genau der Ort, wo das Ding später wirklich liegen wird. Es grenzt es nur immer mal wieder ein, vor allem wenn sie komplett falsch liegen. „Ich werde mich mal mit ein paar anderen Leuten in Verbindung setzen, vielleicht haben die etwas." Leute, die sich wirklich mit den Überlieferungen und den Texten auseinandersetzen. Vielleicht haben die einen guten Hinweis, auf das Wesen kann sie nicht immer vertrauen. Das Ding macht was es will, wann es das will und in welchem Ausmaß. Sie kann es nur zulassen und muss darauf warten. „Aber zuerst geh ich eine Rauchen, kommst du mit, oder willst du weitermachen?" Viktor denkt kurz nach, nickt dann aber und geht mit seinem Boss raus in den halben Schneesturm, wobei sie diesmal den überdachten Raucherplatz nutzen. Viktor raucht nicht, ist aber hin und wieder einfach mit dabei um sie nicht komplett allein zu lassen. „Hey Viktor... kann ich dich eine Sache fragen?" Dinah nimmt die Zigarette und holt das Feuerzeug raus. „Klar, immer." „Wie hältst du den Scheiß aus. Hier vor allem, es ist immer irgendetwas, sei es Mord oder gefährliche Artefakte. Dann die Unsicherheit immer unter dem Radar arbeiten zu müssen und dann noch für ein undankbares Arschloch wie mich." Der Schwarzhaarige schnaubt amüsiert und zuckt mit den Schultern. „Ich hab das undankbare Arschloch gern?"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro