Bitte um Verzeihung
Es fühlt sich seltsam an, mit so einer Leidenschaft begrüßt zu werden die nicht von Viktor kommt. Dennoch nimmt sie es gern an und lässt sich von ihm dann auch aufhelfen, bevor sie selbst dem Paladin aufhilft. Man muss ja dann doch so ein wenig darauf Rücksicht nehmen dass er an sie gebunden ist! „Dinah, deine Hand ist eiskalt... Du brauchst wirklich etwas warmes zu trinken." Zwar lächelt sie, runzelt aber die Stirn als Alexander an ihr vorbeigeht und sie ihm folgt. Kalte Hände? Sie hat doch normalerweise immer relativ warme! Die Yshcalar hebt ihre Hand und nimmt ein Büschel ihrer Haare zwischen die Finger, sie fühlen sich strohig an. Die Enden sehen aus als würden sie abbrechen. Nein. Nein, nicht jetzt. Das ist zu früh! Wieso jetzt schon? Nein, sie kann das noch aufhalten, oder? Der Körper muss durchhalten! Sie kann jetzt nicht noch einmal 18 Jahre warten! Vielleicht geht es ja noch. Vielleicht- Vielleicht hat sie ja noch Glück? Dinah kann jetzt nur noch hoffen. „Willst du einen Tee, oder einen Kaffee? Eine heiße Schokolade?" Mit dieser Frage wird sie aus ihren Gedanken gerissen und sie hat gar nicht gemerkt dass sie schon in dem Speiseraum sind. „Ich- Ein Tee, danke." Anderson geht los und hat dann erst ein paar Schritte später die Erleuchtung, dass sie ja eigentlich noch bei ihm dran ist. Ugh, wie kann man das nur immer wieder vergessen? Doch Dinah folgt ihm mit einem Lächeln und selbst Alucard ist bei ihnen, Viktor ist es so oder so. „Ihr wisst schon dass ich das auch holen könnte, oder? Nur so nebenbei.", murmelt er und sieht dabei vor allem seinen Boss an. Dass die ihm aber auch nicht zutraut ihr einen Tee zu holen- Autsch?
Nachdem man sich alles geholt hatte, setzt man sich an einen der Tische und kommt erst einmal wieder runter. Alexander und Dinah können sich von dem Flug ein wenig entspannen, Alucard ist froh die Yshcalar wieder bei sich zu haben und Viktor gibt ein paar Updates was die Organisation angeht. Es ist friedlich! Es herrscht keine Anspannung, man kommt gut miteinander aus und niemand ist dem anderen wegen irgendetwas böse. Und selbst Alucard und Anderson fahren ihre Streitereien so ein wenig herunter und lassen es zumindest für den heutigen Tag bleiben. Man hat einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gemacht und auch wenn der nächste Schritt schon ansteht, es bringt jetzt nichts überhastet irgendwelche Fehler zu machen oder sich zu bekriegen. Dinah hält währenddessen aber ein Gespräch mit dem Herrn, wobei ihr das Endergebnis überhaupt nicht gefällt und ihr dabei auch fast die Tränen in die Augen schießen. Und sie spürt auch etwas, dass sie nach unten blicken lässt. Er hat die Verbindung zu Alexander getrennt. „Hey Alex..." Dieser sieht mit einem Lächeln zu ihr und nickt ihr zu. „Wir sind wieder getrennt. Wir können... also in Ruhe wieder das tun was wir wollen. Und vor allem alleine duschen und auf die Toilette gehen." Der Blondhaarige Mann fängt noch breiter an zu grinsen. „Wirklich? Aber wie- Ich dachte der Herr möchte doch dass du... Wieso?" So plötzlich vor allem. Dinah zuckt nur lächelnd die Schultern. „Wir sollten das nicht hinterfragen, ansonsten sind wir wieder aneinander gebunden. Genieß die Freiheit." Oh das wird er! Auf jeden Fall! Dann wird ihr Gesicht ein wenig ernster.
„Leute?" Die Aufmerksamkeit der drei Männer liegt auf ihr und sie lächelt schon fast entschuldigend. „Können wir uns später treffen? Nur wir vier. Ich... muss eine kleine Ankündigung machen." Viktors Lächeln gefriert, das klingt alles andere als gut. Ihre Stimmlage wirkt... gezwungen ruhig. Auch ihre Ausstrahlung hat an Glanz abgenommen, genau wie die Lebensfreude in ihren Augen. Er kennt doch ihren Blick, jetzt wirkt er schon fast verklärt. „Klar, aber... was ist los? Nur damit ich mich darauf einstellen kann wie ich da rein gehe. Fröhlich? Gut gelaunt? Oder eher... im negativen Sinne?" Alucard lehnt sich besorgt nach vorn, wobei er sich denken kann dass das nichts gutes sein kann. Er möge sie noch nicht so lange wie Viktor kennen, aber auch er kann sagen dass etwas nicht so ist wie sonst immer, dass die Fröhlichkeit abgeht. Die Leichtigkeit mit der sie das sonst alles macht! All das ist verschwunden und dass so urplötzlich wie sie ihnen das mit Gott und allem anderen gebeichtet hatte. „Es könnte... durchaus etwas auf das Gemüt drücken.", erwidert Dinah nickend und Alucard sieht besorgt zu Anderson. Weiß der vielleicht irgendwas? Doch auch er sieht so besorgt und unwissend aus wie alle anderen. Es hieß zwar dass es erst später auf das Gemüt drücken sollte, aber das tut es jetzt schon. „Warum erst später? Warum nicht jetzt gleich?" Viktor will versuchen wenigstens das herauszufinden, doch die Yshcalar schüttelt nur leicht den Kopf. „Ich muss noch ein bisschen was erledigen. Wir treffen uns in zwei Stunden im Aufenthaltsraum?" Nachdem man nur leicht genickt hat steht sie auf, bringt die Tasse weg und geht nach draußen, wobei der Urvampir auf den Tisch vor sich blickt. Was kann so schlimm sein dass es selbst für sie zu einer Art... Ausnahmesituation gekommen ist? Sie ist doch die Ruhe in Person, oder nicht? Was ist los?
Auch wenn der Erzbischof nach Updates gefragt hat, hat er kaum welche bekommen und er sieht die Anspannung der drei Männer deutlich, die nach den Heißgetränken sofort in den Aufenthaltsraum des Gasthauses gegangen sind und dort auf die Person warten, um die es eigentlich geht. Selbst Integra hat Alucard abgewürgt und ihr gesagt dass er ihr später Bericht erstatten wird- jetzt ist etwas anderes gerade wichtiger und es geht um die Klärung von etwas großem. Dinah kommt mit einem kleinen Rucksack wieder, wobei sie auf den Boden blickt als sie an den Männern vorbei geht die ihr fragende Blicke zuwerfen. „Dinah- Was ist jetzt los? Musst du weg? Hast du von oben eine Anweisung bekommen?" Alucard kann sich ihr Verhalten sonst nicht wirklich erklären und während sie sich auf die Couch setzt, nimmt Alucard auf der einen und Anderson auf der anderen Seite Platz. Viktor schiebt sich den Sessel direkt vor sie und man wartet ab, was sie nun zu sagen hat. Die Yshcalar selbst kann sich noch nicht so wirklich mit dem Gedanken anfreunden bei so einer Nachricht solch... negativen Gefühle zu besitzen. Normalerweise macht ihr das doch auch nichts aus! Seit Jahrhunderten macht sie das schon so- Seit wann würde ihr das plötzlich so etwas bedeuten? Aber dieses Leben hatte von Anfang an schon eine sehr komische Seite und die wird sich nun wohl vollenden.
„Dieser Körper stirbt." Mit diesen Worten fängt sie das alles an und blickt dabei jeden der drei Männer an. Alexander runzelt die Stirn, Viktor zieht irritiert die Augenbraue nach oben und Alucard presst die Kiefer aufeinander. „Was- Was genau meinst du, Dinah. So ein Körper stirbt nicht einfach, das geht nicht." Die Yshcalar leckt sich über die Lippen und nickt dann aber, bevor sie ihre Hand ausstreckt. „Hier." Die grünen Augen gehen von ihrer Hand zum Gesicht und dann wieder zurück. „Und was soll ich-" „Fass sie an." Nur zögerlich zieht er sich den Handschuh aus und nimmt ihre Hand, wobei er sofort auch wieder zurückzuckt. „Warst du im Kühlschrank?!" Dinah lächelt leicht, aber nicht der Hauch von Freude ist zu erkennen. „Kalte Hände... die Haare werden abrupt spröde und brechen ab... Müdigkeit die sich nicht mehr mit Schlaf beseitigen lässt... Die ersten Anzeichen waren schon vor ein paar Tagen da, jetzt sind sie extrem und ich weiß dass ich, in diesem Körper, nicht mehr lange überleben werde. Ich habe mit dem Herrn gesprochen und auch er meinte, dass ich den heutigen Sonnenuntergang nicht mehr erleben werde. Nicht in diesem Körper." Viktor legt sich eine Hand auf den Mund, das kann doch nicht ihr ernst sein. Eine plötzliche Leere breitet sich in ihm aus und er wüsste nicht, was er noch sagen sollte. „Und... ich weiß dass es sehr selbstsüchtig von mir ist! Aber ich hätte eine Frage an euch." Ihr Blick geht auf den Boden vor ihr, bevor sie schluckt. Solche Trauergefühle hatte sie noch nie, wenn es um solche Arten von Abschieden ging. „Darf ich meine letzten Stunden... mit euch verbringen? Ich weiß es ist hart! Und- Und... ich verstehe es wenn ihr nicht wollt. Aber... in diesem Leben wäre es wohl das erste Mal dass ich mich in den letzten Augenblicken eines Körpers mit Leuten umgeben kann, die mir etwas bedeuten."
Sie spürt ein leichtes Brennen in ihren Augen, doch mehr als einen glasigen Blick lässt sie nicht zu. Alucard legt ihr eine Hand auf die Schulter, in ihm zerbricht gerade alles was es nur zu zerbrechen geht. „Du meinst das ernst? Du... Du gehst einfach?" Ein trauriges Lächeln wird ihm zugeworfen. „Alucard, ich- Ich bin in 18 Jahren wieder da. Da habe ich meine Erinnerung wieder und auch wenn ich einen anderen Körper habe, werde ich mich an euch alle erinnern. So wie ich mich an alle anderen erinnert habe die in meinem Leben waren. Und wenn es euch nichts ausmacht- Dann würde ich in 18 Jahren, an dem Tag an dem ich meine Erinnerungen erhalte, wieder zu euch zurückkehren. Also... darf ich?" Sie will nicht allein gehen, ihre Gedanken werden nur darum kreisen wie schlimm sich das für Alexander, Viktor und Alucard anfühlen wird und das wird sie nicht mehr loslassen. Und niemand möchte solch extremen Schuldgefühle werden der letzten Minuten seines Lebens haben, bevor man sich erst in 18 Jahren wieder daran erinnern kann und dann mit dieser Schuld leben muss. „Von meiner Seite aus steht nichts dagegen, Boss." Viktor nickt ihr mit einem Lächeln zu, dennoch sieht man, wie bei ihm die Tränen links und rechts herunterlaufen. Er hat sie kennen und lieben gelernt, zumindest in einem freundschaftlichen Sinne. Sie hat ihm öfters als einmal den Arsch gerettet und aus Situationen gezogen, aus die man niemanden ziehen sollte und sie war immer für ihn da! Da ist es ihm eine Ehre, für sie in den letzten Stunden da zu sein. Alexander nickt ebenfalls leicht. „Ich lass dich nicht allein, auch wenn ich es nicht fassen kann dass eine Freundin, die ich gerade erst gefunden habe, jetzt schon wieder gehen muss. Aber die Pläne des Herren..." Er lässt den Satz unbeendet, einfach weil er sonst anfangen würde zu weinen. Und Alucard? Der sieht auf den Boden, stellt sich nur die Frage was er getan hat um sie nun zu verlieren.
Kurze Stille in der man eigentlich auf eine Antwort von Alucard warten würde, doch der nimmt schlussendlich nur ihre Hand. Er spürt ihre Kälte, wo zuvor noch so lebendige Wärme war und auch hier ist es wieder die Realisation, dass das alles nur von kurzer Dauer ist. Jedes Glück, dass ihm die Liebe beschert, ist nie von langer Dauer und das tut ihm noch mehr weh. „Viktor?" Sie lehnt sich nach vorn und will den Rucksack aufheben, doch Alucard lässt ihre Hand nickt los und sie lächelt ihn leicht an, bevor sie nur eine Hand hernimmt und es ein wenig umständlicher ist. Ihr Assistent wartet skeptisch ab, was ist in diesem Rucksack? Erst holt sie etwas heraus, dass ich nach dem einhändigen Aufklappen als Kreditkartentasche herausstellt. „Alle Kreditkarten der Organisation, die PIN's habe ich auf einen Zettel hintendrauf geschrieben. Hier." Sie hält ihm die Tasche hin und nickt ihm zu. „Ich habe telefoniert, dadurch dass ich dich so oder so als Miteigentümer eintragen lies, habe ich alles auf dich umgeschrieben." Als nächstes fördert sie einen kleinen Schlüssel zutage und hält ihn hoch. „Es gibt ein Schließfach in der Schweizer Zentralbank. Dort sind alle Unterlagen drin die das Geschäft angehen und nicht nur die Organisation. Du brauchst immerhin Geld um das alles zu leiten." Auch das nimmt Viktor mit einer leicht zitternden Hand entgegen. Er schluckt und sieht erst auf den Schlüssel, dann zu ihr. „Und- Und Ihr Zimmer? Ihre privaten Dinge?" Dinah lächelt leicht. „Wenn ihr es nicht mehr brauchen könnt, dann spendet es. Man kann sicherlich einen Schreibtisch oder ein Bett oder dergleichen brauchen. Seht zuerst in den Obdachlosenheimen nach, in Ordnung?"
Es ist alles so endgültig, WIRKLICH endgültig. Viktor nickt leicht, bevor sie noch etwas rausholt und es mit einem traurigen Lächeln betrachtet, bevor sie es ihm gibt. Und bei dem Anblick des Bilds von ihm und ihr in einem Bilderrahmen kann er nicht anders, als in Schluchzen auszubrechen. Er drückt es an seine Brust und presst die Lippen aufeinander, wobei nun auch die Yshcalar kaum noch mit den Tränen zurückhalten kann. „Ich bereue viel. Und am meisten, dass ich nicht auf diesen Körper aufgepasst habe und euch verlassen muss. Dich, Viktor, als meinen treuen Assistenten der nur das wirklich Gute im Sinn hat und dem ich das meiste anvertrauen konnte. Dich, Alexander, als einen Freund den ich kennen und schätzen gelernt habe. Und dich, Alucard, als eine unerwartete Stütze in vielen Belangen und jemand, der mir an mein Herz gewachsen ist." Im nächsten Moment wird sie auf die Seite gezogen und spürt Alucards Gesicht an ihrer Halsbeuge. Er drückt sie an sich, sie spürt die Anstrengung die er auf sich nimmt um nicht vor aller Augen zu weinen. Sanft streicht sie ihm eine Strähne hinter die Ohren und gibt ihm einen Kuss auf den Scheitel. „Verzeih mir, Alucard." Dieser presst die Augenlider und Lippen aufeinander, der Unterkiefer zittert aufgrund der emotional geladenen Situation und er krallt sich regelrecht in ihre Hand ein. Erst nach ein paar Minuten lässt er sie wieder los, bevor er sich aufrichtet. Er muss sie gehen lassen, es bleibt nichts anderes übrig. Auch Alexander nimmt sie in den Arm und ihm entkommen dann doch die ein oder anderen Tränen, er kann nicht einmal sagen dass er sich an die menschliche Lebensspanne gewöhnen müsste! Viktor fällt ihr schlussendlich schluchzend um den Hals. Es ist, als würde er seine eigene Schwester verlieren und das sogar mit Vorwarnung. Jeder braucht nach diesem kleinen Abschied ein wenig Zeit um runterzukommen, wobei Dinah sich immer müder fühlt. Es ist die Zeit zu gehen. Für diesen Körper zumindest. Aber sie kann es in Frieden tun und in dem Wissen, dass sie von den Leuten umgeben ist, die sie am meisten gemocht und respektiert hat. Ein leises Schnauben ist zu hören.
„Und ich konnte nicht einmal mehr auf das Grab..." Viktor wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, seine Stimme brüchig. „Ich- Ich kümmere mich darum. Versprochen.", murmelt er und nickt ihr zu, bevor er sich räuspert. „Okay, wir brauchen echt andere Themen. Wie... wie wäre es mit lustigen Geschichten aus der Vergangenheit!" Dinah lächelt und lehnt sich an Alucard, sie fühlt sich müde und erschöpft, als wäre sie tagelang durchgeflogen und als hätte sie die ganze Zeit keine einzige Pause gemacht. Alucard legt ihr einen Arm um die Schultern, auch wenn er im Augenblick am liebsten allein wäre. Der seelische Schmerz ist tausendfach schlimmer als der körperliche. Und so fängt Viktor an mit den Erzählungen was für Dinge Dinah oder er schon verbockt haben und was ihnen schon alles passiert ist. Schlussendlich schafft er es sogar, sie alle gemeinsam noch ein letztes Mal zum Lachen zu bringen. Und irgendwann... irgendwann sieht Alucard nach unten zu Dinah und merkt, dass sie ihre Augen geschlossen hat. Auf ihren Lippen ein friedliches Lächeln und die Atmung hat gestoppt. Die Realisation, dass er nicht einmal gesagt hat was er fühlt oder dass er sich nicht einmal richtig verabschieden konnte, sie trifft hart. Er unterbricht Viktor und jeder sieht zu dem nun leblosen Körper, der so friedlich in Alucards Armen liegt als würde sie jederzeit die Augen öffnen und rufen dass das alles ein Scherz war. Alexander schluckt, als er zum ersten Mal eine Träne aus Alucards roten Augen laufen sieht. Der Schwarzhaarige gibt ihr einen zittrigen Kuss auf den Scheitel und schließt die Augen. „Ich verzeihe dir, Dina...", flüstert er und selbst in diesem Flüstern ist die Stimme gebrochen. So gebrochen, wie das Herz eines jeden hier Anwesenden.
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