Das Ritual
"Ähm, ich dachte, du liebst deinen Typ da, dessen Namen ich vergessen habe."sage ich verwirrt. Wenn sie nicht mehr lieben kann, wird sie meine 'Gefühle' nicht mehr nachempfinden können und alles ist im Eimer.
"Das ist das Problem, ich will nicht mehr Angreifer sein und so bin ich viel stärker."entgegnet sie hartnäckig. "Ich dachte, ihr Menschen liebt die Liebe." "Was ist daran liebenswert. Der Herzschmerz? Nein, Danke."antwortet sie knapp. Ich muss mir was besseres überlegen, bevor ich ernsthafte Probleme bekomme. "Du wirst alle vernichten? Überleg dir das nochmal in deinem jugendlichen Leichtsinn. Du ziehst dir den Zorn aller Vampire auf dich."warne ich sie spitz. "Nein, weil sie Angst vor meiner Macht haben werden."entgegnet sie. "Sicher!"spucke ich ironisch aus. Sie kommt auf mich zu und blickt mich mit den dunklen Augen bedrohlich an. "Vielleicht hast du ja auch Angst." "Ich?!",lache ich auf,"Soweit kommt's noch, dass ich Angst vor einem Kind habe. Ich will Ray tot sehen, aber nicht die ganzen Vampire zum Feind." "Du hast also Angst." "Ha! Was muss ich tun, damit du mir glaubst, dass ich keine Angst habe?"will ich zornig wissen. Mein Blick bohrt sich in ihren und ich muss feststellen, dass das Mädchen Rückgrat hat. "Bei diesem Ritual wirst du ebenfalls was geben." Verwundert ziehe ich meine Augenbrauen hoch. "Was willst du, ein paar Tropfen meines Giftes?" "Nein, du wirst mir deine Unsterblichkeit geben."fordert sie. Überrascht weiten sich meine Augenbrauen. "Bitte was?"hake ich schneidend nach. Das kann sie doch wohl vergessen. Ich gebe ihr nicht meinen Triumph, meine Überlegenheit.
"Dann wirst du ebenfalls vernichtet. Du behältst deine Fähigkeiten, doch ein Stich ins Herz wird dich töten." Ironisch lache ich los. "Ist das dein Ernst?" "Und wie." Ich gebe dir bis zu Sonnenuntergang Zeit zum Überlegen, dann beginnt das Ritual." Sie dreht sich und geht einfach, während ich da stehe. Ich hab jetzt 2 Möglichkeiten: Entweder vernichtet werden oder wieder sterblich sein.
Wütend lecke ich mir über die dunkel geschminkten Lippen und marschiere den kleinen Weg entlang. Vorbei an den baufälligen Steinhütten, in denen es nach Kräutern und Rauch riecht.
Die Autotür schlage ich zu und drücke aufs Gas. Wie kann es diese kleine Hure wagen? Meine Hände umklammern das Steuerrad, während ich planlos über die Waldstraße fahre. Die kahlen Bäume neben mir wiegen sich im Wind und die harte Straße erstreckt sich vor mir.
Ohne, dass ich es gewollt habe, bin ich auf dem Weg zu Ayla. Quetschend kommen die Räder zum Stehen und ich steige aus dem Auto, mit zu Fäusten geballten Händen marschiere ich auf ihr Häuschen zu. Ich höre ihren Herzschlag und rieche ihr Blut.
Laut klopfe ich an die Tür und warte ungeduldig, bis sie die Tür aufmacht. "Schlag nicht die Tür ein!" Wortlos dränge ich mich an ihr vorbei ins innere. Ihre Burgunderfarbene Couch ist von den weihnachtlichen Kissen befreit, stattdessen liegen dort jetzt 2 weiße. "Was ist den los?"fragt sie verwirrt und lässt die Tür ins Schloss fallen. "Die kleine Hure plant ein Ritual alle ihre Hexen zu Schwarzmagierinnen zu machen und das Beste: Sie will alle Vampire in New York vernichten und wenn ich überleben will, soll ich meine Unsterblichkeit aufgeben!"beschwere ich mich rauchend vor Wut. "Wow. Die Kleine weiß was sie will."kommentiert Ayla das Ganze und läuft langsam in die Küche, wo der Wasserkocher leise pfeift. "Wow? Das ist unfassbar. Entweder ich haue in das kleine Kaff ab und lebe auf ewig bei Bat und lasse mich nie wieder hier blicken. Dann kann ich dir Vampirblüte vergessen und meine Superkräfte auch oder ich spende meine Unsterblichkeit und muss mich immer umsehen, dass ich nicht erstochen werde.","Bloß ein Stich ins Herz kann dich töten!"äffe ich sie nach. Ayla streckt sich und öffnet einen Schrank und holt eine Flasche Schnaps raus. "Hier." Sie hält sie mir hin, während sie ihren Tee aufkocht. Ich durchquere den Raum, nehme die Flasche und reiße den Verschluss ab. Anschließend nehme ich einen großen Schluck der brennenden Flüssigkeit. "Kannst du irgendwas tun?"frage ich sie hoffnungsvoll. Es muss einen anderen Weg geben, ich werde weder fliehen noch meine Unsterblichkeit abgeben.
"Ich komme nicht gegen einen ganzen Zirkel an. Tut mir leid." Ungläubig starre ich sie an. Ich kann nicht, nein, das darf nicht. Ich kann unmöglich ein sterblicher Vampir sein. Ich kann unmöglich getötet werden, wie soll ich da eine Machtperson sein? Eine Machtperson, die man mir nichts, dir nichts töten kann.
Ich schlucke, um die Enge in meinem Hals zu vertreiben. Allein die Vorstellung wieder zu den Schwachen zu gehören, die Schwächste zu sein, lässt meine Augen feucht werden. "Ich kann nicht."sage ich gepresst. "Ich kann nicht schwach sein."
Die Schnapsflasche in der Hand starre ich resigniert auf den Holztisch vor mir. "Warum muss man Lebenswille nur so groß sein?"frage ich tonlos und nehme einen weiteren Schluck. "Weil du Rosalie Higgins bist und es muss doch keiner wissen, dass man dich töten kann. Jeder große Herrscher hatte Schwächen. Ludwig XIV war zum Beispiel schwer krank, hatte Löcher im Mund und andere unerfreuliche Krankheiten. Trotzdem war er der erste und beste absolutistische Herrscher."versucht sie mich aufzumuntern. "Als er Herrscher wurde, war er noch nicht krank und ich bin nichts. Ich schlaf mit dem Vorsitzenden des Menschenrats, um nicht zu sterben. Ich habe einen Deal mit Ray und wofür? Ich werde doch nie an alle Zutaten für das Mittel zur absoluten Macht kommen." Ich erhalte mich mit Deals und schmutzigen Spielchen, meine Karten liegen verdeckt auf dem Tisch. Ich bluffe, um am Leben zu bleiben. Wie jämmerlich!
"Rose, das ist es gerade. Niemand sieht deine Karten, niemand hat dich in seiner Hand. Du hast dich aus der Zelle befreit, du bist dem Votum entgangen und du hast eine eigene Armee. Du hast immer einen Ass im Ärmel und einen Joker in deinen Karten. Du bist skrupellos und ich bin mir sicher, dass du einen Weg findest, dass keiner bemerkt, dass du sterblich bist."sagt sie mit Nachdruck und entreißt mir die Schnapsflasche. Ich denke über ihre Worte nach, es klingt echt lobenswert.
"Ich bin eine Überlebenskünstlerin, ich habe auch als Mensch überlebt. Warum sollte mich das jetzt zurückwerfen?"frage ich mich selbst, mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen steigt, bis es wieder auf dem alten Punkt ist. "Danielle will meine Unverwundbarkeit, sie will, dass man mich töten kann. Bitte, ich bin eine, die überlebt." Ich stehe auf und blicke Ayla mit funkelnden Augen an. "Ich denke, ich muss mich bedanken. Ich werde jetzt zu dieser Schlampe fahren und in ein paar Wochen ist sie tot." Ich umarme sie und ich habe dieses 'Danke' wirklich ernst gemeint und komischerweise fühle ich mich auch so.
Dankbar.
Zwar finde ich es immer noch nicht besonders toll, aber ich bin jetzt an dem Punkt, dass ich damit leben kann und außerdem will ich es dieser kleinen Hexe zeigen. Sie bekommt mich damit nicht runter. Nichts wird mich auf die Knie zwingen. Nichts tötet mich.
"Hey, Danielle!"rufe ich unfreundlich in das vermeintlich leere Witch Quarter. Aber ich rieche sie, ich höre ihren Herzen schlage.
Daraufhin höre ich Schritte, leichte Schritte auf dem festen Boden und kurz darauf biegt sie um die Ecke. Die braunen Haare fallen ihr voluminös über die Schultern, sie ist stark geschminkt und steckt in einem pompösen, weinroten Kleid. Entgeistert blicke ich auf die entstellte Danielle. "Das is'n Witz?"
"Hast du dich entschieden?"fragt sie schroff. "Ja, mir ist es ziemlich egal, weißt du. Nimm mir die Unverwundbarkeit, ich bin immer noch unsterblich und bitte, niemand traut sich mich zu erstechen. Also, lass mich rein, wir machen dieses kleine Ritual und dann zeige ich dir, wie man den Schminkkasten und den Farbkasten unterscheidet."sage ich scheinheilig lächelnd und verschränke die Arme vor der Brust. "Das gehört zum Ritual."sagt sie und wieder öffnen sich die Tore. "Muss mich auch in den Farbkasten fallen?"frage ich spitz. "Nein, du musst bloß die Klappe halten!"entgegnet sie mürrisch. "Autsch!" Ich verziehe ironisch das Gesicht und folge ihr. Die Kleine hat einen Sturmschritt, der ist beachtlich, doch ich halte mühelos Schritt. "Können wir noch schneller gehen?"frage ich und lächle unschuldig. "Ich kann dir die Zunge wegzaubern, dann bist du still."droht sie gereizt. Ich drehe meinen Kopf zu ihr und beiße mir auf die Zunge und ziehe eine Grimasse, was ihr gar nicht gefällt. Aber sie gibt sich damit zufrieden, dass ich still bin.
Wr betreten das kirchenähnliche Gebäude. Es besteht aus einem langen Gang , der in einem halbrunden Raum endet. Ein Altar aus weißem Quarz steht in der Mitte und auf ihm stehen verschiedene Schalen aus Messing. Auf den alten, verblassten Goldkronleuchtern brennen dünne Kerzen, die den Raum in ein dunkles Licht tauchen. Der Gang ist mit Holzbrettern als Boden ausgelegt und fensterlos.
"Sehr gemütlich!"kommentiere ich das Ganze und und gehe durch den tunnelähnlichen Gang, der fast dunkel ist. Mit meinem geschrägten Sehsinn finde ich mich perfekt zurecht. Die hohen Absätze meiner schwarzen Stiefel klacken dumpf auf dem Boden. Das ganze Gebäude ist weder zeremoniell, noch feierlich. Eher beklemmend. Die kalten Steinwände, lassen den Gang schmaler wirken, als er von Außen aussieht. Der halbrunde Raum mit dem Altar hat was von den Räumlichkeiten der verrückten Sekten aus dem Fernsehen.
Ein paar Hexen, die nicht irgendwelchen schwarzen Sand auf den Boden streuen und wildes Latein murmeln, starren mich.
"Sie tut es tatsächlich."
"Sie ist mutig."
Bei dem 'mutig' lächle ich selbstgefällig. Ayla hatte Recht.
"Du willst das wirklich tun?"fragt Danielle nach. "Wäre ich sonst hier in diesem mehr als unschönen Gebäude?" Fragend ziehe ich meine Augenbrauen hoch.
Danielle stellt sich hinter en Altar und breitet die Arme aus, wie ein Priester, der den Segen verkündet. Die weiten Ärmel ihrer Robe hängen hinunter und die Enden reichen sogar zum Boden. Sie sieht aus wie ein verkleidetes Kind, nicht sehr ernstzunehmend.
"Hexen von New York. Heute ist der Tag, an dem wir endlich die Macht haben, die Vampire zu besiegen."spricht sie feierlich und es kommen Zustimmungen aus dem 'Publikum', die jubilierenden Hexen bringe ich mit bösen Blicken zum Schweigen.
"Heute werden wir der schwarzen Magie mächtig sein." Sie blickt zur Decke hoch, ihre Handflächen sind offen und als sie den Satz fertig gesprochen hat, flackern die Kerzen auf und es wird hell in dem Haus, so schnell, wie sie aufflackerten, so schnell leget sich der helle Lichtschein wieder.
"Dank Rosalie Higgins, die ihre Unverwundbarkeit aufgibt, damit wir alle der dunklen Magie mächtig sein können!" Sie jubeln wieder. "Warte",unterbreche ich sie verwirrt,"ich dachte, ich mach das nur, damit ich nicht mit vernichtet werde. Nicht weil ich so wohltätig bin."
"Nur das Blut eines Vampirs hebt den Fluch, dass ein Zirkel bei so einem Ritual zugrunde geht. Du wärest unsere Patronin, wie eine Heilige. Du wärest die, die uns diese Macht gibt. Wir werden dich dafür verehren." Verehrung von Hexen und das auf so einfach Weise. Es wäre dumm, jetzt zu gegen und zu sterben, nur weil ich gegen jede wohltätige Handbuch meiner selbst bin.
"Schön. Wir sehen uns auf der anderen Seite."lächle ich diabolisch.
"Tritt vor."fordert sie mich auf. Ich löse mich aus der Reihe und gehe vor den Altar. Sie senkt langsam ihre Hände und legt ihre Finger auf meine Schläfe. "Ich will einen eigenen Schrein."sage ich, bevor sie anfängt eine Formel zu sprechen.
Mein ganzer Körper erstarrt und dann spüre ich wie alles in mir zu brechen scheint. Wie sich alles aus der Eiseskälte in mir befreit. Schmerzen quälen meinen Körper und ich schreie auf. Meine Knie geben nach und ich falle auf sie. Alles in mir zieht sich zusammen und es fühlt sich an, als würde alles reißen. Die Schutzschicht über meinem Körper reicht und ich spüre, wie qualvoll das Blut durch meine Adern schießt und ich krümme mich unter den unsäglichen Schmerzen. Mein Körper fällt auf den kalten Boden und ich kann mich nicht bewegen, bringe keinen Ton mehr über die Lippen. Meine Lunge krampft sich zusammen und japse nach etwas, was ich schon länger nicht mehr brauche.
Luft
Mein ganzer Körper brennt von der Wärme, die ihn durchfließt. Ich denke, dass ich in Flammen stehe. Sie fühle ich mich jedenfalls, dass ein Feuer meinen Körper nieder fackelt. Mein ganzer Körper löst sich langsam und schmerzhaft aus der Erstarrung, der letzten Monate. Die in zusammengezogenen Organe, entziehen aus dem unsichtbaren Band, was sie zusammenhielt. Meine verkümmerten Zellen weiten sich wieder auf ihre Normalgröße aus.
Als ich mich langsam wieder bewegen kann, winde ich mich auf dem Boden und ringe weiter nach Luft.
Vor meinen Augen verschwimmt alles, ich sehe Flammen. Brenne ich?
Was hat sie getan?! Ich verbrenne! Ich kann nicht sterben. Jetzt wo mein Leben, doch endlich gut war. Meine Verwandlung war das Beste, was mir je passiert ist. Ich bin Rosalie Higgins. Eine Kämpferin.
Langsam lässt der qualvolle Schmerz nach und auch die gleißenden Flammen senken sich. Die altbekannte Kälte kühlt meinen hitzigen Körper ab. Erleichtert stöhne ich auf und heiße sie Willkommen.
Es wummert in meinen Ohren, ein langsames, gleichmäßiges Pochen. Es ist ganz deutlich in meinen Ohren und ich hab es schon oft gehört. Ich spüre dieses pulsierende Pochen in meinen Körper. Es ist dumpf und vertraut. Ich kenne diese Geräusch. Es ist ein Herzschlag.
Mein Herzschlag.
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