Kapitel 15
Am nächsten Morgen wachte Mirka in ihrem Bett auf. Sie war allein in ihrem Zimmer. Jenny hatte die Nacht im Zimmer von Mirkas und Rekas Eltern verbracht. Als sie gestern nach Hause gekommen waren, hatte sie sich sofort dort verbarrikadiert. Auf das Abendessen hatte sie verzichtet. Opa war noch nicht zurück. Reka hatte gemeint, er würde noch für ein paar Nächte bei den Eltern im Hotel bleiben.
Mirka stand auf und zog sich an. Sie wüsste zu gerne, was gestern noch zwischen Jenny und Johnny vorgefallen war, dass ihre Freundin so sehr durch den Wind war. 'Kümmer dich um sie.' Johnnys Worte schossen ihr durch den Kopf. Mirka lachte kurz auf. Wie denn, wenn sie sich einschließt und kein Wort redet?!, dachte sie.
Sie verließ ihr Zimmer und ging hinunter ins Wohnzimmer. Es war bereits Zehn Uhr. Sie dachte, dass Reka und Markus, der immer noch da war, sich bestimmt über ein leckeres Frühstück freuen würden. Und vielleicht würde sich sogar Jenny zu ihnen gesellen.
Mirka backte ein paar Brötchen auf und kochte Rührei. Sie belegte einen Teller mit verschiedenen Käse- und einen anderen Teller mit verschiedenen Wurstsorten. Dann holte sie noch Butter, Honig, Marmelade und Nutella aus dem Schrank. Sie deckte den Tisch und machte sich dann daran Kaffee, Kakao und extra für Jenny einen Beruhigungs- und Gute-Laune-Tee, den ihre Mutter einmal aud Brasilien mitgebracht hatte, zu kochen.
Als alles fertig vorbereitet war, ging Mirka durch das Wohnzimmer und auf das Zimmer ihrer Eltern zu. Hinter dieser Tür lag jetzt Jenny und heulte sich wahrscheinlich immer noch die Augen aus dem Kopf. Mirka atmete noch einmal tief durch; dann klopfte sie.
Hinter der Tür hörte sie, wie sich etwas bewegte. Dann wurde der Schlüssel im Schloss herumgedreht und Mirka öffnete die Tür und betrat das Zimmer.
Jenny lag auf dem Bett von Mirkas Eltern auf dem Bauch, das Gesicht gegen die Matratze gedrückt.
"Jenny?", fragte Mirka zaghaft, ruhig und vorsichtig.
Von Jenny kam ein leises Schniefen.
"Was hat er denn gesagt?"
Sofort drehte Jenny sich zu Mirka um und sah sie fest an. Erst jetzt sah Mirka, dass Jenny nicht geschlafen hatte. Ihre Augen waren rot und hervorgequollen und sie hatte dunkle Ränder unter den Augen. Auf ihren Wangen erkannte Mirka Tränenspuren.
Sie ging sofort auf Jenny zu, setzte sich neben sie auf das Bett, zog sie zu sich hoch und nahm sie in die Arme. "Beruhig dich erstmal, Jennylein. Danach kannst du mir alles ganz genau erzählen."
Jenny nickte, schluchze und drückte sich an ihre Freundin. Mirka strich ihr sanft durch die langen braunen Haare, welche total zerzaust waren.
Als Jenny sich ein wenig beruhigt hatte, ließ Mirka sie kurz los und sagte:"Ich bin gleich wieder da." Sie ging in die Küche, holte den Tee und brachte ihn Jenny. "Hier, trink das", sagte sie, lächelte und gab Jenny die Tasse.
Jenny trank und atmete dann tief ein und aus.
"So", sagte Mirka beruhigend. "Und jetzt erzählst du mir alles, okay?"
Jenny nickte. "In Ordnung. Also... wir sind ja in den Flur gegangen und ich war ziemlich deprimiert und eifersüchtig, weil ihr die ganze Zeit gelacht habt. Jedenfalls konnte ich nicht mehr anders. Ich musste mich richtig von ihm verabschieden. Also hab ich ihn geküsst... Danach haben wir uns angesehen und... dann... hab ich ihm gesagt, dass... dass... also, dass-", Jenny schniefte,"-dass ich ihn liebe." Sie brach wieder in Tränen aus.
Mirka tröstete sie wieder und führte die Tasse Tee an ihren Mund. Jenny trank und beruhigte sich wieder ein wenig.
Dann sprach sie weiter:"Er hat meine Hand genommen und gesagt, dass... er mich auch sehr mag, aber... dass es zwischen uns nie etwas geben wird, weil..." Jenny fing wieder an zu schluchzen.
Mirka legte ihr den Arm um die Schultern, um sie zu beruhigen.
Jenny trank noch einen Schluck Tee und fuhr dann mit belegter Stimme fort:"...weil ich zu jung für ihn bin, meint er. Ich habe gesagt, dass mir das egal ist, aber er hat trotzdem 'nein' gesagt. Er... er ist so... ich... hab keine Ahnung. Ich... er..."
Jenny sagte bloß noch irgendwelche Worte. Sie fügte sie aneinander, ohne einen sinnvollen Satz daraus zu bilden. Sie war einfach vollkommen verwirrt.
"Und dann hat er dich einfach so rausgeschickt?", forschte Mirka nach.
Jenny nickte. Dann schossen ihr wieder die Tränen in die Augen und sie fing wieder herzzerreißend an zu schluchzen - offensichtlich hatte Johnny es ihr ganz schön angetan. Mirka tröstete sie.
Dann ging die Tür auf und Reka und Markus standen müde im Raum.
"Wer wird denn hier gefoltert?", gähnte Reka.
"Nicht lustig, Reka", sagte Mirka, die Jenny immer noch im Arm hielt, ernst und schüttelte den Kopf. "Sie hat sich in Johnny verliebt. Aber den kann sie endgültig vergessen."
Bei diesen Worten schluchzte Jenny noch lauter. Sofort war Reka hellwach und eilte herbei. Sie kannte dieses Gefühl sehr gut - aber Reka war auch Expertin, was Gefühle jeder Art betraf. Mirka wettete mit sich selbst, dass Reka Jenny nun jeden Moment um den Hals fallen und mit ihr darüber heulen würde, wie gefühlslos Männer doch waren.
"Liebeskummer", sagte Markus leicht angefressen und winkte ab. "Ich deck dann lieber mal den Tisch."
"Nicht nötig!", wandte Mirka sofort ein. "Ich hab's schon erledigt."
Markus sah leicht beleidigt aus, verließ dann aber den Raum.
Und Mirka behielt Recht: kaum zwei Minuten später hingen sich Jenny und Reka heulend in den Armen.
"Das ist total gefühlslos! Aber er ist mein bester Freund!", kam es von Reka.
"Ja, genau!", heulte Jenny.
"Keine Ahnung, wie er dir das antun kann...", heulte Reka.
Mirka verdrehte die Augen und verließ den Raum. Sie gesellte sich zu Markus, der am Tisch saß, eine Tasse Kaffee in der Hand hielt und Mirkas Meinung nach der einzig Normale im Haus war neben ihr selbst.
"Hey", sagte sie.
"Hi", erwiderte Markus. "Was ist mit den beiden?"
"Die liegen sich in den Armen und heulen darüber, wie 'gefühlslos' Johnny doch ist. Ich hab's geahnt."
"Wie? Mag Jenny etwa... Johnny?"
"Mögen ist eventuell untertrieben, Markus", stellte Mirka fest.
"Oh", machte er und nippte an seinem Kaffee.
"Und Malte meldet sich auch nicht mehr...", murmelte Mirka betrübt, sah auf ihr Handy und legte es dann auf den Tisch.
"Wer ist Malte?", fragte Markus, der mit seinen Gedanken im Kaffee hing und jetzt aufsah.
Mirka lief rot an. "Äh... niemand!"
"Ah ja...", meine Markus wissend, grinste und sah wieder in seinen Kaffee.
Nach ein paar Schweigeminuten kam Reka dann wieder.
Mirka sprang auf. "Wie geht's ihr? Ich muss dringend mit ihr reden!"
"Schon besser. Sie zieht sich gerade an."
Mirka stürmte in das Zimmer ihrer Eltern, wo Jenny sich gerade ein T-Shirt überzog. "Wir müssen reden!"
"Hey!", beschwerte sich Jenny empört und legte ihre Hände schützend über ihre Unterhose, da man vom Tisch aus sofort ins Zimmer sehen konnte.
Ohne sie zu beachten, schloss Mirka die Tür und setzte sich auf die Bettkante.
"Was gibt's diesmal?", fragte Jenny und griff nach ihrem Rock.
"Wollen wir's heute tun?", fragte Mirka mit gesenkter Stimme.
Jenny sah sie fragend und beunruhigt an.
"Ich meine...", sprach Mirka weiter,"...wir könnten ja heute in das Haus einbrechen und den Mörder überführen. Johnny hat mir gesagt, dass dieser Typ immer ein Fenster aufhat. Und die Rollläden kriegt man auf. Wir warten bei Johnny, bis er eingeschlafen sein sollte und dann-"
"Nein!", wurde sie entschieden von Jenny unterbrochen, die energisch den Reißverschluss ihres Rockes zuzog. "Ich gehe nicht mehr zu Johnny."
"Komm schon, so schlimm ist das doch nicht!"
"Versetz dich doch mal in meine Lage, Mirka! Ich wette, du würdest dich auch so verhalten!", rief Jenny verärgert.
"Jenny..."
"Nein, Mirka! Ich komme nicht mit. Und versuch bloß nicht, mich irgendwie zu überzeugen. Nein! Und es geht dabei nicht nur um Johnny. Diese ganze Aktion ist super gefährlich, dumm und HIRNRISSIG! Mirka, werd endlich vernünftig, verdammt!", rief sie, eilte aus dem Zimmer und setzte sich wutschnaubend zu Reka und Markus an den Tisch.
Mirka folgte ihr beleidigt und grummelte vor sich hin. "Dann mach ich's eben allein..."
"Alles klar?", erkundigte sich Markus.
"Alles bestens", antwortete Mirka und biss heftig in ein Brötchen.
Reka und Markus zogen die Augenbrauen hoch und sahen sich ratlos an. Eine unangenehme und ungemütliche Stimmung lag in der Luft.
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