⇝ Kapitel 28 / Sarah
Es war spät und ich konnte wieder einmal nicht schlafen. Ich verbrachte meine Zeit damit Ben anzusehen während er friedlich schlief und noch keine Ahnung davon hatte, wie grausam diese Welt wirklich sein konnte.
Ich wollte ihn so lange es nur möglich war davor beschützen.
Ein Geräusch ließ mich aufhorchen. Es kam aus dem Haus, da war ich mir sicher. Meine Paranoia hatte mich mittlerweile soweit getrieben, das ich sofort nach meinem Telefon griff und Jay anrief, der nach dem zweiten läuten ran ging. "Jemand ist im Haus." flüsterte ich und legte auf. Ich musste mich vorbereiten.
Für den Notfall hatte ich eine Tasche gepackt und im Schrank verstaut - darin befanden sich ein paar Klamotten von mir und haufenweise Dinge, die Ben brauchte. Jay's schwere Schritte im Hof waren zu hören, er rannte. Er nahm meine Ängste ernst und ließ mich nie im Stich, verdoppelte seine Bemühungen sogar als Ben zur Welt gekommen war. Es folgte Stille, die mich zittern ließ. Ich konnte nichts als meinen eigenen Atem hören. Besorgt sah ich zu Ben.
In was für eine grausame Welt wurde er bloß hinein geboren?
Ein paar Geräusche die entfernt an umgestoßenes Glas erinnerten polterten plötzlich durch das große Anwesen. So gut ich konnte lauschte ich, hatte mein Ohr direkt an die Tür gelegt und war bereit mich mit aller Kraft dagegen zu stemmen, sollte sie jemand öffnen wollen. Stimmengewirr - nichts, was ich hätte verstehen können - wurde schließlich von der Stille verschluckt.
Dann dröhnte ein Schrei durchs Haus - von Mariella. Meine Gedanken spielten mir Streiche, Angst und Wut fuhren Achterbahn. Womöglich war sie in Gefahr und ich verkroch mich wie ein ängstliches Häschen... Dabei war sie meine beste Freundin, die Schwester von Ben. Ich konnte das nicht zulassen.
Als ich mein Zimmer verließ verriegelte ich die Tür und steckte den Schlüssel ein. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, so sehr verängstigt war ich. Auf dem Weg nach unten griff ich nach dem erstbesten Gegenstand den ich fand - einer Vase. Sie sah teuer aus, wie alles in diesem Haus, viel zu wertvoll um sie zu zerstören - aber wenn es darum ging einen Mensch zu beschützen würde ich nicht lange überlegen. Auf Zehenspitzen lief ich den Geräuschen entgegen die mich ins Wohnzimmer führten.
Ich sah um die Ecke, analysierte den Raum bevor ich eintrat und fand Jay im halbdunkel, der gegen jemanden kämpfte. Ich konnte nicht viel erkennen, außer die Statur und einen Teil der Klamotten, den der Angreifer trug. Alles wirkte dreckig und verwahrlost. Mariella stand etwas abseits und versuchte die beiden voneinander zu trennen, sie weinte. Irgendwelche Worte die sie murmelte und gebetsartig wiederholte waren für mich unverständlich. Meine Beine reagierten ohne mein zutun und so lief ich los, mit der Vase in beiden Händen, bereit sie einzusetzen.
Es war meine Familie - ich musste sie schützen.
Viel zu spät brachte Mariella ein gekrächztes 'NEIN!' heraus.
…
Der Eindringling ging zu Boden und Jay schnaufte, jappste nach Luft. Ich kam nicht nah genug an ihn heran um ihn weg zu ziehen. Wieder ertönte Mariella's Stimme, diesmal gefolgt von einem Lichtermeer - sie hatte den Raum durchflutet. Meine Augen brannten aufgrund der Helligkeit und ich sah mich um, erkannte auf dem Sofa eine weitere Person, allerdings nur schemenhaft. Dann kam Mariella näher.
"... D-Dad?..."
"Was?" rief ich und sah mich um. Mein Blick fiel auf den Angreifer, der nun allmählich immer klarer vor meinen Augen wurde. Ich stieß einen Schrei aus, fiel vor lauter taumeln auf meinen Hintern und versuchte so schnell es ging weg zu krabbeln, doch es ging nicht. Das musste ein Alptraum sein, ein grausamer Witz, bis...
"Oh, verdammt." grummelte der Mann neben Jay. "Du hast mich voll erwischt. Sarah..."
Allein der Klang seiner Stimme ließ meine Tränen nur so fließen. Ich erkannte sie, wusste genau wem sie gehörte und mein Kopf wurde mit so vielen Eindrücken und Erinnerungen geflutet, das mir schwindelig wurde.
Längeres Haar und ein ungepflegter wirrer Bart zierten das sonst so schöne Gesicht, das ich nur allzu gut kannte. Der Geruch war modrig.
Wie ein Kind das ein Monster unter seinem Bett vermutete und nur wollte, daß der Alptraum endete kniff ich die Augen fest zusammen - das hatte mir bisher öfter geholfen aus einem üblen Traum zu entkommen. Aber diesmal half es nichts. "F*ck. Das kann nicht sein... Wie...? Ich... Oh mein Gott." rief Jay aus. Spätestens da öffnete ich meine Augen wieder, denn es bedeutete, dass das hier kein Traum war.
Es war real. Es war wahr.
"Ich bin hier, Sarah. Ich bin hier." murmelte Eden und stemmte sich auf um auf mich zu zu kriechen. "Ich bins... Ich bin hier... Ich bin wirklich hier."
…
Während Mariella gar nicht mehr aufhören konnte zu weinen, wirkte Jay ebenfalls den Tränen nahe. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Was mich selbst betraf so war es, als würde ich in einer Blase sitzen - weit weg von allem, sicher. Ich konnte mich nicht bewegen, starrte nur das fremdwirkende Gesicht vor mir an. Eden tat sein bestes so behutsam wie möglich auf mich einzugehen. Er fuhr mir vorsichtig über die Wange, strich eine verirrte Strähne zur Seite und schenkte mir ein zartes Lächeln, das ich unter all dem Bart kaum erkennen konnte.
Er war es.
"Ich habe nach dir gesucht. Ich schwöre, ich wollte dich finden. Aber wir wurden beobachtet, bedroht. Ich konnte nicht... Es stand zu viel auf dem Spiel." rechtfertigte Jay sich und versuchte die aufkommenden Tränen runter zu schlucken. "Ich schwöre bei Gott... Ich hab dich gesucht."
"Ich weiß. Sie haben es mir gesagt, mich wissen lassen das sie die besseren Karten hatten. Und fast... Fast hätte ich aufgegeben und mich meinem Schicksal gefügt... Zu verrotten in diesem Loch, ohne Aussicht auf Freiheit. Aber dann..."
Eden sah mich an, dann Mariella. Er wirkte müde, was ich auch an seiner Haltung erkennen konnte. Er blickte auch auf die Person die auf dem Sofa lag. "Dann habe ich etwas erfahren und mein Kampfgeist war geweckt. Außerdem konnte ich Abby auch befreien - ihr hätte schlimmes bevor gestanden."
Abby? War so der Name der Person, die auf dem Sofa lag - bewusstlos? Anhand ihres äußeren konnte ich schon erahnen was ihr widerfahren war. Getrocknetes Blut im Gesicht und an der Kleidung erzählten eine ganz eigene Geschichte.
Langsam erhob sich Eden. Er nahm die Umgebung in sich auf, wohlwissend das er all das beinahe nie mehr gesehen hätte. Dann schaute er wieder zu Mariella und mir. "Wo... Wo ist es? Ich meine... Das Baby."
In diesem Moment traf es mich wie ein Donnerschlag - ich schämte mich, aber aus ganz primitiven Gründen. Durch das Chaos hatte ich Ben tatsächlich für diesen einen Moment vergessen, was mir definitiv nicht den 'Mutter des Jahres' Preis einbrachte. Ich erhob mich nun ebenfalls und stand so dicht vor Eden, daß der modrige Geruch mir die Sinne vernebelte. Unfähig sich nur einen Schritt zu tun, ergriff Mariella die Chance, weil sie die Familie endlich vereinen wollte. "Ich komme gleich wieder." sagte sie und griff nach dem Schlüssel, den ich bei mir trug.
…
Jay sah sich die Verletzungen von Abby an und befand das sie ins Krankenhaus musste, aber Eden schüttelte den Kopf. Er erklärte dass das nicht möglich sei, das sie sie dort finden würden... Und das sie niemand mehr retten konnte, wenn es so kommen würde. Also musste Jay sich darum kümmern, dass das Krankenhaus oder zumindest ein vertrauenswürdiger Arzt hierher kam. "Dann kann er auch gleich checken ob mit dir alles in Ordnung ist." murrte Jay und begann zu telefonieren, ignorierte Eden's Rufe das es ihm gut ging.
Ich verbrachte die Zeit damit, ihn etwas zu waschen, zumindest so, daß man ihn besser erkennen konnte. Er hielt mich nicht auf, obwohl es ihm nicht gerade zusagte. "Ich will einfach nur noch duschen und ins Bett." grummelte er, aber ich war unbeeindruckt und machte weiter. Die Zeit bis Mariella endlich wieder auftauchte zog sich wie Kaugummi, doch ich wusste das dies auch ein wichtiger Moment für sie war - für uns alle - und das sie Ben nicht nur wecken sondern auch hübsch anziehen wollte, ehe er seinem Vater zum ersten Mal begegnen würde.
Ich war nervös. So, so nervös.
"Dad? Darf ich dir jemanden vorstellen?" flüsterte sie auf einmal und kam mit Ben auf den Armen hinein. Sofort ließ ich den Waschlappen fallen und betrachtete wie Eden sich langsam erhob. Er starrte seine Tochter an, dann das kleine Menschlein auf ihrem Arm. Ehrfurcht blitzte in seinen Zügen auf. "Das ist Ben... Äh... Benjamin Eden Castello."
"Wirklich? Eden?"
Ich stand auf. Der Kloß in meinem Hals war so groß wie eine Melone, trotzdem gelang es mir ihn herunter zu schlucken. "Ich dachte er sollte den Namen seines Daddys bekommen."
Der Moment, als Eden sich zu mir drehte verging in Zeitlupe und meine Angst er könnte alles andere als begeistert sein löste sich in Luft auf. Mit gemischten Emotionen sah er mich an, die erst Träne kullerte ohne Probleme über seine Wange. Langsam, als wäre er gebrechlich, bewegte er sich auf Mariella zu und nahm so vorsichtig es nur ging seinen Sohn entgegen. Eine gefühlte Ewigkeit sagte er gar nichts und starrte das kleine Wesen nur an, dann roch er an ihm und küsste die kleine Stirn. "Das... Das ist mein Sohn. Unser Baby." hauchte er und wirkte als würde er jeden Moment umkippen. "Unser Sohn." hauchte er wieder. Es war, als könnte er gar nicht glauben was er da sah.
Nur am Rande bekam ich mit, wie Mariella ihren Vater vorsichtig umarmte. Ihre Worte waren dafür deutlich zu hören. "Ich bin froh das du am Leben und hier bist, Dad."
Dann ging sie und ließ die frisch vereinte, kleine Familie alleine.
…
Eden von Ben zu trennen war fast das schwerste, das ich erledigen musste - allerdings hatte der kleine Mann Hunger und sein Daddy brauchte dringend eine Mütze Schlaf und eine Dusche. Als es mir endlich gelang führte Jay einen Mann ins Haus, der aussah als wäre er gerade aus dem Bett gekommen. Mit Pyjama Hose und weißem Shirt, Pantoffeln und einer Tasche bewaffnet nickte er uns kurz zu, als er Jay folgte.
"Na los, Daddy. Geh duschen, ich füttere den Kleinen." murmelte ich und schob Eden vorwärts. Ich ahnte das er in wenigen Augenblicken wieder an meiner Seite sein würde, nur um keine weitere Sekunde mit seinem Sohn zu verpassen - aber zum Glück nahm er sich Zeit sich um sich selbst zu kümmern.
Irgendwas hatte sich verändert und damit meinte ich nicht nur die Lage oder Situation an sich - etwas in mir war anders. Die Last nicht atmen zu können und jeden Tag nur in Grautönen zu sehen war etwas schönerem gewichen. Farben, die nun langsam wieder zurück kehrten und mich daran erinnerten das nicht alles schlecht war. All das, weil der Mann den ich liebte, um den ich getrauert hatte und ohne den ich nicht sein wollte wieder zurück gekommen war. Er galt als verloren, als tot, doch er hatte sich zurück gekämpft um zu seiner Familie zu kommen.
Er war hier.
Ben bekam sein Fläschchen und ich hielt ihn während er immer wieder einschlief. Er war so klein und zerbrechlich, daß ich selbst hin und wieder Angst hatte ich würde ihn verletzen, obwohl ich ihn nur hielt. Noch vor einer Weile hatte ich nicht gedacht je Mutter zu sein, ich hatte Pläne... Aber all das war nun egal, denn ich war genau dort wo ich sein sollte - mit den Menschen die mir am wichtigsten waren. Und jetzt, da Eden lebte und wieder da war, konnte es nur noch bergauf gehen.
"Da seid ihr ja." hörte ich ihn hinter mir flüstern und sah zu ihm. Er hatte sich rasiert, geduscht und in eine Anzughose samt Hemd geworfen, was ihn wieder zu dem Mann machte, den ich kannte. Furchtbar attraktiv, obwohl seine Frisur noch nicht ganz so war, wie ich sie in Erinnerung hatte. "Alles in Ordnung?"
"Ich dachte du ruhst dich aus." tadelte ich ihn, konnte aber auch nicht fern bleiben. Mit Ben auf meinem Arm genoss ich, wie Eden schützend seine Arme um uns legte. "Du musst furchtbar fertig sein... Was du alles durchmachen musstest..."
"Das ist jetzt egal, Sarah. Ich bin zurück gekommen und werde nirgends mehr hin gehen. Der Gedanke an dich und an den kleinen Menschen auf deinem Arm haben mich deutlich angetrieben... Und ich werde jeden, der sich uns in den Weg stellt beseitigen." prophezeite er. Seine Stimmung war düster, ganz anders als früher. Ich schob es auf die Dinge die er erlebt hatte während er gefangen genommen war und redete mir ein, daß sich alles wieder bessern würde sobald das Problem beseitigt war.
Kurz danach tauchte Jay mit dem Arzt wieder auf und Eden ging zu den beiden um die Prognose zu erfahren. Wie ich lauschen konnte ging es Abby soweit gut, allerdings hatte sie schwere Hämatome, die von Misshandlungen her rührten. Ob man sie vergewaltigt hatte konnte der Arzt nicht sagen, weil ihm dazu die Ausrüstung fehlte. Am Ende entschieden die drei das es das beste sei, sie erstmal hier zu behalten, bis sie vollständig genesen war.
…
Im Schlafzimmer war es warm und kuschelig. Eden folgte mir und sah dabei zu wie ich Ben ins Bettchen legte, ehe ich mich zu ihm drehte. Ich konnte nicht genau sagen was es war, aber etwas zwischen uns war anders. Die Leidenschaft schien noch greifbar, allerdings gab es da auch noch etwas das viel tiefer, viel rauer war.
Pure Lust.
Ich konnte nicht so schnell reagieren wie Eden sich auf mich stürzte und mich küsste. Worte waren überflüssig geworden, obwohl es so viel zu sagen gab. Ich kam gar nicht mit Eden's rasantem und völlig überhasteten Getue klar. "... Eden... Wir sollten vielleicht..." setzte ich zwischen den küssen an, doch Eden reagierte kaum. Einzig ein 'shhh' entging ihm, um mich vom reden abzuhalten.
So sehr ich es anfangs auch versuchte, ich konnte ihn nicht abschütteln. Die Lust auf den Mann, von dem ich dachte er sei tot war ungebremst und raubte mir selbst den Atem. Aber ich vergaß auch nicht, daß wir nicht mehr alleine im Raum waren - und er dachte im selben Moment wohl an seinen Sohn, der ruhig in seinem Bettchen vor sich hin schlummerte.
Nach und nach fielen meine Klamotten zu Boden, gefolgt von seinen.
Vollkommen nackt standen wir uns gegenüber.
"Du musst still sein... Sonst wecken wir den Kleinen." murmelte er und kam näher. Seine Zunge glitt über die sensible Haut an meinem Hals und weiter abwärts. Eden widmete sich meinen Brüsten, hob sie vorsichtig an und umkreiste dann mit seiner Zunge jeden Nippel einzeln. Es war ein Feuerwerk, das sich tief in meinem inneren aufbaute, mich verzehrte. Ich fühlte mich begehrt, auf eine völlig neue Art.
Erschrocken stieß ich einen kurzen Schrei aus als Eden mich ruckartig herum warf und mit dem Gesicht gegen die Wand drückte. Dann drängte er sich gegen mich, tauchte tief in mich hinein und füllte mich aus, wie nur er es konnte. Seine Bewegungen waren schnell, grob und die Laute die aus meinem Mund kamen konnte ich kaum noch kontrollieren. Wieder und wieder stieß er in mich, kraftvoll - aber auch etwas zu wild.
Kurze Zeit später ergoß er sich in mir und drängte sich noch dichter an mich, sodass ich zwischen ihm und der Wand eingequetscht wurde. Wir hatten schon oft Sex miteinander gehabt, doch das hier war anders - davon abgesehen, daß ich nicht zum Höhepunkt gekommen war schien es, als müsste er mit aller Gewalt feststellen, ob das hier wirklich real war.
Er ließ von mir ab und ich drehte mich langsam zu ihm, das Feuer der Leidenschaft brannte noch zwischen meinen Beinen. Ich wollte Erlösung, genauso wie er - aber er gab sie mir nicht. Stattdessen kniete er sich hin, hob meine Klamotten auf und reichte sie mir, ohne mich anzusehen. Dann verschwand er ins Badezimmer.
…
In der Stille der Nacht lagen wir nebeneinander, berührten einander nicht. Etwas war anders, etwas war mit ihm geschehen. Und ich begann mich zu sorgen, ob es an mir lag - oder womöglich an der Tatsache, daß wir nun Eltern waren. Ich schob es sogar darauf, daß es nur eine Phase war und sagte mir selbst, das er Zeit brauchte.
Wir hatten einander wieder und diesmal durfte uns nichts und niemand mehr trennen.
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