➳ Kapitel 19 / Eden
Die Staubwolke ist das einzige was noch von Sarah's Dad übrig bleibt, als er fluchtartig verschwindet. Die Neuigkeit über meine Gefühle hat nicht nur ihn mitgenommen. Im Augenwinkel merke ich, wie Sarah mich ansieht und Mariella sowie alle Männer samt Jay den Rückzug antreten. Als wir alleine sind, habe ich das Bedürfnis mich zu erklären.
"Bevor du etwas sagst... Sag mir nur eines... Stimmt es was du gesagt hast oder hast du es nur gesagt, damit du ihn verletzen kannst?" murmelt sie und starrt mich an. Ihr Blick durchbohrt mich. "Ich liebe dich." wiederhole ich meine Worte von vorhin. "Das war kein Scherz oder ein Mittel um jemanden zu verletzen. Es ist die Wahrheit. Ich habe dich nicht umsonst gebeten nach Hause zu kommen. Du gehörst hierher, an meine Seite."
Etwas Anspannung fällt von ihr ab und ihre Schultern wirken längst nicht mehr so gestrafft wie die ganze Zeit über. Ich weiß, daß sie Fragen hat - viele, auch welche, bei denen es um ihre Mutter geht - und ich bin bereit jede einzelne zu beantworten. Alles was ich jetzt noch will ist das sie mir vertraut und glaubt, das ich nichts mit dem Unfall zutun habe. Es ist kein Geheimnis das zwischen ihrem Vater und mir Krieg herrscht - schon immer. Wir sind seit jeher wie Licht und Schatten, Gut und Böse. Aber egal wie skrupellos und bösartig ich auch gewesen bin, ich habe nie etwas getan, das der Frau an seiner Seite schaden könnte. Kinder und Frauen waren schon immer die Grenze, die ich gezogen habe - selbst wenn es mich nicht im geringsten betroffen hat. All meine Geschäftspartner früher wussten das und auch, was geschieht sollten sie die von mir gesetzte Grenze überschreiten.
Langsam schließe ich den Abstand zu Sarah. Als ich nach ihrer Hand greife zuckt sie kurz zusammen, lässt mich aber dennoch gewähren. "Das ist alles so abgefuckt." flüstert sie und versucht zu lächeln, was ihr aber nur teilweise gelingt. All das was sie gerade erlebt hat mit ihrem Vater wird sie noch länger beschäftigen, das weiß ich. Also ist es an mir, es ihr so angenehm und leicht wie möglich zu machen. "Lass uns rein gehen. Na komm." sage ich und ziehe sie mit mir.
…
Drinnen herrscht Totenstille - die Art von Stille, die ich mir früher oft gewünscht habe, die mich jetzt aber beunruhigt. Mariella ist womöglich auf ihrem Zimmer und Jay hält sich absichtlich zurück, was mir Zeit gibt mich ganz auf die Frau an meiner Seite zu konzentrieren. Noch hat sie kein Wort darüber gesagt was sie über mein Geständnis denkt und mir käme nie der Gedanke sie zu bedrängen, aber tief in meinem inneren wünsche ich mir nichts mehr als das sie es erwidert.
Als ich sie so anschaue und beobachte sehe ich kleine Sorgenfalten, die ich sofort weg küssen will - doch zum ersten mal seit wir uns näher gekommen sind ist es Sarah, die mich aufhält. Mit erhobener Hand bringt sie mich dazu keinen Schritt weiter zu gehen. "Ich werde die nächsten Tage bei Mariella bleiben... Ich muss nachdenken. Gute Nacht Eden."
Und damit verschwindet sie aus meiner Nähe, aus meinem Sichtfeld und lässt mich stehen, ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen.
…
Für mich ist klar, daß an Schlaf nicht mehr zu denken ist. Meine Gedanken kreisen unaufhörlich um Sarah und das, was bisher geschehen ist. Ich versuche mir einen Reim darauf zu machen wieso ich so weich geworden bin - gerade bei ihr.
In Gedanken versunken fülle ich ein Glas in meinem Büro, lasse mich langsam auf den Sessel gleiten und atme genervt aus, weil nichts so läuft wie es soll... Und wie aufs Stichwort schiebt Jay seinen Kopf durch die Tür. Offenbar hat er das Licht des Büros gesehen und bereits geahnt das ich alleine bin. Als er näher tritt und sich schließlich vor dem Schreibtisch auf den Stuhl sinken lässt habe ich bereits einen Plan. "Ich will alles über den Unfall was du ausgraben kannst. Jedes noch so kleine Detail." zische ich und hebe das Glas an. Ich leere den Inhalt mit einem Zug und schenke mir nach ohne auch nur eine Sekunde auf Jay und seine Reaktion zu achten. "Dieser Mistkerl ist sich so sicher das ich der Verursacher bin... Ich muss wissen was passiert ist."
"Findest du nicht, du übertreibst...?" murmelt Jay und zieht den Kopf ein als das erneut geleerte Glas in seine Richtung fliegt. Es zerspringt an der Wand und verteilt Scherben auf dem gesamten Boden. Ich weiß das es nicht mein Befehl ist, den er in Frage stellt - sondern mein rasant wachsender Konsum von Alkohol. Womöglich denkt er, daß ich mich nicht mehr im Griff habe - irgendwie hat er recht.
"Melde dich sobald du was hast." gebe ich ihm plump zu verstehen und verlasse anschließend das Büro. Ich kann mir sein mitleidiges Gesicht nicht länger ansehen.
Alleine und mit rotierenden Gedanken liege ich im Bett und starre an die Decke. Ich bin gewohnt das es holprig wird, das es chaotisch zugehen und manchmal auch an Nichtigkeiten scheitern kann, aber was ich definitiv nicht gewohnt bin ist diese Sehnsucht die mich quält und mich nach einer Frau verzehren lässt. In all den Jahren in denen ich weibliche Bekanntschaften hatte ging es nur um Sex und Gefühle spielten nie auch nie eine Rolle... Wir trieben es und gingen danach getrennte Wege, was völlig in Ordnung war.
Doch bei Sarah ist alles anders und das macht mich wütend, denn durch sie wirke ich schwach und weich, bedürftig und verzweifelt. Aber ich kann ihr das jetzt nicht einfach aufs Brot schmieren, weil sie sich in der sicheren Blase meiner Tochter befindet - also muss ich mich auf das besinnen was wichtig ist... Einen Schritt nach dem anderen gehen und dafür Sorge tragen, daß die Anschuldigungen gegen mich verschwinden.
…
Am nächsten Morgen komme ich frisch geduscht und bereit den Tag richtig anzugehen in die Küche. Die Kaffeemaschine läuft bereits auf Hochtouren und überall auf der Arbeitsplatte liegen Dokumente und Notizen - ein klares Zeichen dafür, daß Jay noch weniger geschlafen hat als ich. Er hat die ganze Zeit recherchiert und Gefallen eingefordert, nur um mir Ergebnisse zu liefern.
"Morgen." nuschelt er als er um die Ecke biegt und sich an der Kaffeemaschine zu schaffen macht. "Mariella und Sarah waren noch nicht hier, also dachte ich ich nutze das als Operationsraum... Vorerst. Ich trage gerade alle wichtigen Dinge zusammen um den Ablauf zu rekonstruieren."
"Das sehe ich. Kommst du voran?" frage ich und werfe einen kurzen Blick auf die Schriftstücke. Auf den ersten Blick scheint nichts davon von belang. Jay nickt, gießt sich eine Tasse ein und reicht mir ebenfalls eine, verharrt dann jedoch in der Bewegung als sich Schritte nähern. Meine Tochter schießt um die Ecke und bleibt abrupt stehen, will sich abwenden aber so einfach mache ich es ihr nicht. "Mariella."
"Dad. Jay."
In ihren Augen spiegelt sich mein inneres wider und ich spare mir weitere Worte, setze mich sofort in Bewegung. Als ich an ihr vorbei rausche legt sie ihre Hand auf meinen Arm. "Sie hat nicht besonders gut geschlafen. Bedräng sie nicht." gibt sie mir als Warnung mit auf den Weg.
Das letzte was ich höre ist, wie Jay sich scheinbar normal mit Mariella unterhält - worüber auch immer. Mein Fokus liegt ganz klar auf der Frau im Zimmer meiner Tochter und genau dort will ich jetzt hin. Ich muss mit ihr reden und wissen, daß es ihr gut geht - zumindest den Umständen entsprechend gut.
…
Als ich an die Zimmer Tür klopfe weiß ich nicht was ich erwarte - aber etwas ist anders. Sarah öffnet mir die Tür, wirkt wenig begeistert, lässt mich aber dennoch hinein. Sie bleibt auf Abstand, was mich wahnsinnig macht. "Ich wollte sehen wie es dir geht." presse ich heraus und warte ob sie antwortet. Ihr Blick verrät nichts und ihre gesamte Haltung deutet eher auf Ablehnung hin. "Gut." antwortet sie schließlich irgendwann leise und schaut zu Boden. Wieder setze ich an ihr näher zu kommen und sie macht einen Schritt zurück.
"Was... Sarah, verdammt. Was ist los?" frage ich und werde allmählich zornig. Ich kann verstehen wenn es ihr nahe geht was geschehen ist, aber ihre ablehnende Haltung mir gegenüber ist nicht fair. Wieder nähere ich mich ihr, doch diesmal achte ich darauf das sie mir nicht ausweichen kann. In ihrem Rücken befindet sich bereits die Wand. "Rede mit mir. Schließ mich nicht aus."
Ich greife nach einer Haarsträhne, zeichne danach ihre Wange mit meinem Zeigefinger nach. Ihr Puls ist bereits beschleunigt. Mein Blick weicht von ihren Augen zu ihren Lippen und die Versuchung ist groß sie einfach zu küssen, sie wissen zu lassen was ich fühle und denke. Das ich sie brauche, auch wenn es verweichlicht klingt... "Meine Mom." beginnt sie, "... Ich habe über das nachgedacht was mein Dad gesagt hat. Und wie sicher er sich war, das du..."
"Ich habe sie nie angefasst. Ich bin ihr nie zunahe gekommen. Das habe ich gesagt und so gemeint, Sarah. Hältst du mich wirklich für das Monster, das dein Vater versucht von mir zu zeichnen?" knurre ich und stoße mich von ihr und der Wand ab. Es war eine scheiß Idee hierher zu kommen... Ich bin ja so töricht.
"Wenn du mir nicht glaubst kann ich daran nichts ändern." flüstere ich schließlich.
Ich gehe ohne noch einmal in ihre Richtung zu schauen. Ich muss es tun, ich muss weg... Bevor ich mich in der Verzweiflung und Wut verliere und etwas sage, das ich bereuen werde. Vielleicht braucht sie Zeit oder vielleicht passen wir doch nicht zusammen... All das kann ich nicht beeinflussen oder kontrollieren und genau das macht mich so unfassbar wütend.
Mir bleibt nichts, außer auf sie zu warten.
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