➳ Kapitel 13 / Eden
"Sie hat gerade mit der Kreditkarte bezahlt." sagt Jay während er mein Büro betritt. Mit erhobener Augenbraue beobachte ich ihn, schwenke das Glas in meiner Hand und trinke kommentarlos. Mariella und Sarah sind verschwunden - was ich erst etwa eine Stunde nach dem misslungenen Abendessen bemerkt habe. Anstatt jedoch wie Jay nervös auf und ab zu laufen versuche ich ruhig und gefasst zu bleiben auch wenn ich nicht verstehe wieso meine Tochter lieber die Flucht antritt, anstatt mit mir zu reden. "... Aber sie sind in der Nähe. Das heißt das sie es so entschieden hat nicht weit weg von Zuhause zu sein." kontere ich. Es ist ein schwacher Trost, allerdings bin ich froh das Mariella mich nicht gänzlich ausschließen möchte - denn sonst wäre sie so weit weg geflüchtet wie möglich.
Und Sarah... Sie ist bei ihr. Ich vertraue darauf, daß sie das richtige tut.
Immer wieder lasse ich das was am Esstisch geschehen ist Revue passieren, versuche zu begreifen was genau vorgefallen ist, rekonstruiere - ohne großen Erfolg. Mein Blick schweift ins Nichts, in vollkommene Leere, bis sich ein Gedanke vollends verfestigt...
Adam.
Irgendwas stimmt nicht und ich muss wissen, was es ist. Meine Befürchtung, das er etwas mit Mariella's Verhalten zutun hat wird dadurch bekräftigt, daß sie anders reagiert hat als üblich als ich seinen Namen genannt habe. Jay läuft immer noch auf und ab und starrt auf den Bildschirm des Tablets in seinen Händen, auf denen er die Bewegungen von Mariella's Kreditkarte verfolgt. Ich presse seinen Namen durch einen dünnen Spalt meiner Lippen, mehrmals - bis er endlich aufschaut und auf mich reagiert. "Finde heraus wo Adam ist." sage ich und er macht sich sofort ans Werk.
Sobald er aus dem Büro verschwunden ist sacke ich etwas zusammen und lehne mich zurück. Ich spüre nichts außer die kühle des Glases an meiner Hand.
…
In den frühen Morgenstunden sitzen Jay und ich noch immer zusammen und während er spekuliert was los ist, drifte ich in meine eigenen Gedanken ab. Nichts von alledem ergibt einen Sinn und die einzige die Licht ins Dunkel bringen kann ist meine Tochter. Aber wieso redet sie nicht mit mir!?
Das plötzliche läuten meines Telefons lässt mich zusammen zucken, sofort greife ich danach. Sarah's Name taucht auf dem Display auf und Hoffnung keimt in meinem Inneren. "Sarah?"
"Du musst kommen, Eden. Bitte. Sofort." flüstert sie. Ehe ich antworten kann ist die Leitung tot und die Schwere auf meinen Schultern wiegt noch einmal mehr. Dank der Kreditkarte weiß ich ganz genau, wo sie ist.
"Wir müssen los. Sofort." keife ich und laufe so schnell ich kann neben Jay zu meinem Wagen.
…
Die Rezeption ist um diese Uhrzeit nicht besetzt, weshalb ich Sarah dazu bringen muss mich hinein zu lassen. Mit gesenktem Kopf öffnet sie uns und führt uns zu dem Zimmer, das die beiden gebucht haben... Und in dem nichts verdächtig wirkt nachdem ich eingetreten bin. Fragend sehe ich Sarah an, die nur auf die geschlossene Tür - die wohl zum Badezimmer führt - deutet. "Ich weiß nicht was passiert ist... Zuerst war alles okay, aber dann... Sie will nicht raus kommen, ich habe alles versucht. Ich mache mir Sorgen." murmelt sie.
"Was genau ist denn passiert?" will Jay wissen und wirkt dabei ernster als sonst - als würde er sich tatsächlich Sorgen machen.
"Wir kamen hier an und sind dann sofort runter zur Bar. Mariella wollte abschalten, meinte sie. Sie hat einen Drink nach dem nächsten bestellt und als ich von der Toilette zurück kam saßen an unserem Tisch zwei Männer. Ich hab versucht ihr zu sagen dass das keine gute Idee ist und das wir gehen sollten, aber sie hat nicht auf mich gehört. Als wir dann zu viert aufs Zimmer gingen und einer der Männer mit ihr im Badezimmer verschwand dauerte es keine fünf Minuten und sie schrie wie am Spieß. Die Typen sind natürlich abgehauen... Seitdem ist sie dort drinnen und ich weiß nicht was passiert ist... Was sie so hat austicken lassen." erklärt Sarah und sieht mich gequält an.
Da ist noch mehr, dessen bin ich mir sicher.
Als ich mich der Tür nähere um meine Tochter dort raus zu holen, hält Sarah mich am Arm fest. Fast weinerlich wirkt ihre Stimme. "Wenn du sie jetzt gleich siehst... Bitte hör ihr zu." warnt sie, was mich nur noch schlechter fühlen lässt. Ich habe Angst vor dem, was ich entdecke wenn ich meine Tochter vor mir habe.
"Mariella... Baby... Ich bins... Komm raus..." flüstere ich und lehne gegen die Tür. Ich versuche so sanft wie möglich zu klingen um sie wissen zu lassen das ich nicht sauer auf sie bin, weil sie weg gelaufen ist denn das bin ich in diesem Moment wirklich nicht. Ich sorge mich vielmehr und kann kaum atmen, weil es mich zerreißt meine sonst so sture und starke Tochter völlig durchdrehen zu sehen. "Bitte, Schatz. Komm raus. Ich bin hier."
Ein paar Geräusche im inneren erfolgen und wenig später öffnet sich die Tür tatsächlich. Geschwollene Augen und verwischte Wimperntusche zieren das sonst so hübsche Gesicht meines Kindes. Ich spüre nichts als Ohnmacht und Mitleid als ihre Augen meine erreichen und sie sich in meine Arme wirft. "Daddy... Es tut mir leid..." jammert sie und krallt sich an mir fest, was völlig untypisch für sie ist.
Etwas stimmt nicht... Und es wird Zeit herauszufinden was es ist.
…
Jay steht an der Tür, hat die Hände vor sich verschränkt und schaut zu Boden. Sarah, Mariella und ich sitzen auf dem Sofa. Mein Kind lehnt noch immer in meiner Umarmung. "Kleines... Du musst mit mir reden, damit ich dir helfen kann. Sag mir was passiert ist." bettle ich förmlich. Sie schweigt, bewegt sich aber etwas. Als sie Sarah ansieht und diese aufmunternd nickt lässt sie sich aus ihrem glitzernden Bolero helfen und prompt überkommt mich eine derartige Wut, als ich all die Hässlichkeit erkenne, die sie so dringend vor der Welt zu verbergen versucht hat. Verblasste Blutergüsse neben noch dunklen, frischen lassen das Blut in meinen Adern gefrieren.
Auch Jay starrt, hat aber den selben mörderischen Ausdruck in den Augen wie ich.
"Ich konnte nicht früher nach Hause kommen, weil ich nicht wollte das du es siehst." beginnt sie zu erklären und schnieft. "Als wir ankamen war alles okay, aber Abends, als wir aus waren und Adam sich mal wieder daneben benahm, habe ich ihn an geschrien. Ich wollte das er endlich aufhört mich wie Scheiße zu behandeln. Ich wollte das er aufhört mit anderen zu flirten. Sobald wir alleine waren schlug er zu. Er hat nicht aufgehört, selbst als ich am Boden lag."
Wut lässt Tränen in meinen Augen aufsteigen, aber ich weigere mich sie gewähren zu lassen. All das was ich jetzt höre schickt mich zurück in eine Zeit, lange bevor Mariella auf der Welt war. Es erinnert mich daran wie damalige Geschäftspartner mit Frauen agierten. Wie angewidert ich das ganze betrachtete, aber nie den Mund aufgemacht hatte.
"Am nächsten Tag hat er sich entschuldigt und ich war dumm genug zu glauben das er es ernst meint, aber es wurde nur noch schlimmer. Er verbot mir lange Gespräche nach Hause zu führen, weil er den Verdacht hatte ich würde um Hilfe bitten. Eines Abends, als er wieder einmal länger alleine unterwegs war, brachte er ein paar Leute mit aufs Zimmer. Er hatte die Clique erst kennen gelernt und alle waren stock besoffen, auch er. Ich wollte aus der Situation raus, aber er ließ mich nicht. Er führte mich vor als sei ich irgend ein Objekt das zur Versteigerung stand. Als ich mich wehrte und auf den Knien auf dem Boden landete, drückte er mich mit seinem Fuß in meinem Rücken noch weiter runter. Alle haben gelacht."
Sarah greift nach Mariella's Hand und als ich für einen kurzen Moment in ihr Gesicht blicke sehe ich den Schmerz über die Erzählungen meiner Tochter, aber ich sehe auch die Tränen, die sich langsam ihren Weg bahnen. Jay's schnauben zeugt von purem Hass.
"Er wollte das ich bettle. Und das habe ich, obwohl ich wusste das er weiter machen würde. Ich wollte nur das es irgendwie endet." erklärt Mariella weiter. "Einer der Typen außer Clique griff mich schließlich an. Er half mir auf die Beine, begrapschte mich dann aber. Egal wie sehr ich versuchte ihn abzuwehren, ich hatte kaum eine Chance. Dann erhob Adam seine Stimme, sagte, daß er nicht teilen würde weil ich ihm allein gehöre und zog mich zu sich. Als er dann anfing mich aus meiner Kleidung zu schälen und ich mich wehrte, hauchte er das er es mag wenn ich das tue. Ich hab geweint und gebettelt er möge aufhören, aber er hat weiter gemacht. Seine neuen Kumpels hielten mich fest als Adam meinen Slip zerriss. Und sie lachten und jubelten als er mich vergewaltigte."
Die beiden Frauen im Raum weinen bitterlich und Sarah drückt Mariella so fest sie kann an sich. Geschockt von dem was ich gehört habe zeige ich kaum eine Reaktion, starre nur geradeaus - während Jay schon auf Hochtouren läuft. Er weiß was es heißt hilflos mitansehen zu müssen und nicht eingreifen zu können. Das ist etwas, das er leider bereits in sehr frühen Jahren gelernt hat und es reißt eine alte Wunde auf, von der er sich nur sehr schwer erholt hat.
In diesen frühen Morgenstunden bin ich nichts weiter als ein Vater, der die Qualen seiner Tochter im Kopf immer wieder erlebt und kaum imstande ist etwas dagegen zu unternehmen.
Doch die andere, weitaus düstere Seite an mir plant bereits Rache.
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