Kapitel 37 - Besucher
Besucher
„Sie kommen."
Ruckartig hatte Suga den Kopf gehoben, sein Blick glitt zur Tür, dann stand er bereits und seine Hand legte sich ganz vorsichtig auf meine Schulter.
Da hatte ich noch gar nicht begriffen, was genau eigentlich hier gerade geschah.
„Hör zu." Seine Finger drückten behutsam in meine Schulter, wie um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass einer von ihnen so dreist ist, sich hier an dich heranzuwagen, musst du vorsichtig sein. Okay? Du darfst sie nicht provozieren. Ich habe dir gesagt, dass Jimin gefährlich ist, aber... sie sind eine Familie. Im Zweifelsfall ist jeder von ihnen gefährlich."
„Aber", murmelte ich mit belegter Stimme. „Sie... werden mir doch nichts tun. Deswegen bin ich doch hier, oder nicht?"
„Sie werden dir nichts tun", bestätigte Suga, „das heißt, sie kommen nicht mit diesem Vorsatz. Du bleibst dennoch eine Versuchung. Behalte das immer im Hinterkopf, wenn du mit ihnen sprichst."
Ich rümpfte die Nase. „Ich will aber gar nichts mit ihnen zu tun haben. Ich will, dass sie mich in Ruhe lassen, damit ich wieder ein normales Leben führen kann."
Jetzt sah Suga mich ganz seltsam an, seine Zungenspitze huschte kurz über seine Lippen und er nickte schwach.
„Weißt du...", begann ich gerade, verstummte dann aber, weil es an der Tür klopfte und sah unruhig in eben jene Richtung. Der dumpfe Ton hallte durch den Flur. Wieder drückte Suga meine Schulter, flüsterte dabei „warte hier" und machte sich dann auf den Weg, seine Besucher zu begrüßen.
Ich blieb unterdessen im Wohnraum zurück, war aber nun viel zu nervös, um tatsächlich einfach ruhig sitzenzubleiben. Mit einem unterdrückten Murren sprang ich auf und lief ein paar Schritte, fuhr mir durch die Haare, zupfte unnötig an meinen Klamotten - wozu? Wollte ich ihnen gefallen? - und drehte dann doch wieder um. Ich hörte Stimmen. Draußen im Flur war Gemurmel zu hören, allerdings zu leise, um einzelne Worte zu verstehen. Aber lange dauerte es ohnehin nicht, dann tauchte Suga im Durchgang auf und kam zu mir, sein Blick aufmerksam bis warnend.
Hinter ihm trat der angekündigte Tross in den Raum. Drei Männer, wie er gesagt hatte, jeder einzigartig, jeder auf seine Weise wunderschön. Als Jin wurde mir der erste vorgestellt. Seine Haare waren von einem hellen Blond, er war sehr groß, schlank und sein Gesicht so ebenmäßig, dass es fast unwirklich erschien. Außerdem hatte er strahlend blaue Augen eingerahmt von tiefdunklen Augenbrauen. Über seine linke Schläfe zog sich ein weißes, leuchtendes Muster, das an ein Tattoo erinnerte und sich schillernd von seiner gebräunten Haut abhob. Sein Auftreten konnte man im besten Fall als gelangweilt beschreiben, denn sein Blick streifte mich kaum, dafür unterzog er wohl seine Umgebung einer genaueren Musterung und war... enttäuscht? So wirkte es. Er trug einen langen Mantel mit auffälligem Blütenmuster, etwas, dass ich nur für viel Geld auf offener Straße getragen hätte und auch das Darunter war schrill und bunt, nicht gerade unspektakulär. Irgendwie sah er aus, als wäre er geradewegs vom Laufsteg einer skurrilen Modenschau gepurzelt und hatte noch keine Zeit gefunden, die abstrakten Designerstücke wieder an den Schöpfer zurückzugeben. Unauffälligkeit war wohl nicht so seins.
Den zweiten kannte ich ja bereits. Jimin, ebenfalls blond, goldblond heute, die Haut blass, die Augen unnatürlich rotbraun leuchtend. Er war deutlich kleiner als die anderen beiden, aber auch deutlich schlanker, wirkte im Gegensatz zu ihnen beinahe feminin und mir lief ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran dachte, dass ausgerechnet er womöglich der Gefährlichste in dieser Gruppe war. Als hätte er meine Gedanken gelesen, kräuselten sich seine wunderschönen Lippen jetzt zu einem kühlen Lächeln und als ich in seine Augen sah, wuchs meine Unruhe. Ja, das waren exakt die hübschen Augen, die mich in der Bar schon so fasziniert hatten. Jetzt musste ich mir die Frage stellen, was wohl geschehen wäre, wenn ich mich damals auf einen kleinen Flirt eingelassen hätte.
Stünde ich dann noch hier?
Seine Klamottenwahl war, im Gegensatz zu der seines Bruders, geradezu schlicht, allerdings war er ganz der durchgestylte Beau, heute in Skinny Jeans und Designerboots, die Lederjacke lässig über eine Schulter verrutscht, der jeden Mann und jede Frau um den Finger wickeln konnte, wenn er es wollte.
Und sie beide flankierten nun den Mann, der ganz offensichtlich der Anführer dieser Gruppe war. Namjoon, hatte Suga gesagt. Familie, hatte er außerdem gesagt. Ich betrachtete ihn zweifelnd. Er hob sich deutlich von den beiden anderen ab, war aber auf seine spezielle Art nicht weniger atemberaubend. Auch er war sehr groß, größer als der erste, größer als ich selbst, seine Haare schimmerten in einem hellen metallicblau, genau wie seine Augen. Seine blasse Haut war über und über mit Tattoos verziert. Man konnte sie an seinem Hals sehen, an seinen Armen, sie reichten bis zu seinen Fingern und überzogen seinen hochgewachsenen Körper mit einem abstrakten Muster. Jeans und ein schlichtes weißen Shirt. Keine Spur von Glamour oder kalkulierendem Style, aber das berechnende Selbstbewusstsein, welches ihm aus jeder Pore zu tropfen schien und das unmissverständlich klar machte, dass er all das gar nicht nötig hatte.
Im Gegensatz zu Jimin, der mich taxierte, als wäre ich sein bevorzugtes Entrée, war Namjoon der Einzige, der mich sofort als das wahrnahm, was ich wohl war. Der Gegenstand von Interesse, der die aktuelle Unruhe geschürt hatte. Jin hingegen strafte mich durchgehend mit höflichem Desinteresse und dafür war ich fast dankbar.
„Das ist es also", begann Namjoon prompt, war mit drei Schritten bei mir und legte einen Finger unter mein Kinn. „Das Corpus Delicti..."
Wütend knirschte ich mit den Zähnen, vor allem, weil Suga im selben Moment seine Hand auf meine Schulter legte und kaum hörbar „Tae", zischte, was womöglich sogar noch beruhigend wirken sollte. Dass er sich da mal nicht gehörig geschnitten hatte.
Ich schlug die Hand des anderen weg und funkelte ihn verärgert an. „Es", fauchte ich, „hat einen Namen..."
„Natürlich", er lächelte kühl, schien sich wirklich prächtig über mich zu amüsieren. „Taehyung", raunte er dann und mir lief ein Schauer über den Rücken, bei der Art, wie er meinen Namen sagte. „Ich beginne zu ahnen, wie dieser ganze... Schlamassel, seinen Anfang genommen hat."
Wirklich? Begann er das? Ob seine Überlegungen wohl auch bei meinem Bruder begannen?
Aber bevor ich ein weiteres unbedachtes Wort herausbringen konnte, hatte mich Suga bereits am Arm gepackt und ein Stück von ihm weggezogen.
„Ich glaube", sagte er brüsk, „wir sollten uns erst mal hinsetzen und etwas beruhigen." Sein Blick galt mir, aber es war Namjoon, der antwortete.
„In Ordnung", meinte er leichthin, drehte sich um und befahl die beiden anderen an seine Seite. „Tut mir leid, wenn das unzivilisiert war, wir... waren lange unterwegs... wirklich sehr lange..."
Lügner.
„...und wir waren schon lange nicht mehr in einem so renommierten Haus - nicht wahr, Jungs?" Mit nur einem Fingerzeig beorderte er seine Truppe in das Esszimmer, ohne überhaupt auf eine Einladung zu warten. Offenbar kannte er sich hier bestens aus.
Suga hielt mich stumm auf, schüttelte den Kopf und ließ ihnen den Vortritt. Dann nahm er meine Hand. Seine Finger waren kalt, sein Griff ein wenig zu grob. „Egal was passiert", raunte er, „du weichst nicht von meiner Seite, verstanden?"
Aber auch jetzt kam ich nicht dazu, das zu hinterfragen, denn er folgte seinen Gästen und zog mich einfach mit sich.
Bis wir die Tafel erreichten, hatten die anderen drei längst ihre Plätze eingenommen. Dabei hatte sich Namjoon exakt in der Mitte des langen Tisches niedergelassen, sein Stuhl kippelte auf den Hinterbeinen und er grinste unverschämt. Jin saß links von ihm und beförderte gerade einen Stapel sehr alt aussehender Spielkarten auf den Tisch, die er sorgfältig mischte. Jimin wiederum, die rechte Hand wohl, lehnte mit verschränkten Armen auf dem Tisch und verfolgte jeden meiner Schritte mit einem lauernden Lächeln auf den Lippen.
„Immer wieder schön bei dir", meinte Namjoon gönnerhaft und stieß Jin leicht in die Rippen. „Oder?"
„Das wird sich noch zeigen", murmelte Jin, schob die Karten gekonnt ineinander und platzierte sie mittig. Dann traf der Blick aus hellen Augen mich. „Möchtest du abheben?"
Fasziniert starrte ich in das hübsche Gesicht, hatte auch schon meine Hand ausgestreckt und meine Fingerspitzen streiften die oberste Karte, da riss Suga meine Hand zurück.
„Nein will er nicht!", knurrte er. Der Schwung hatte einen kleinen Teil der Karten umgeworfen und über das blanke Holz verstreut. Ich erkannte Schwerter, Kelche - es waren wohl Tarotkarten - und...
„Der Narr", flüsterte Jin, betrachtete die Karten, dann mich und grinste. „Sieh an..."
„Was bedeutet das?"
„Pack die Karten ein!", ging Suga lautstark dazwischen und leidlich pikiert legte Jin die Karte wieder zurück auf den Stapel. Sein Blick schweifte sekundenlang zu mir.
„Es bedeutet, dass die Gastfreundschaft zu wünschen übrig lässt..."
Ich verstand dieses Geplänkel nicht, aber neben mir rollte Suga genervt mit den Augen. „Entschuldige", entgegnete er bissig, „der Koch hat frei. Wein?"
Jin nickte reserviert, Namjoon stimmte ebenfalls zu, Jimin trommelte in einem ruhelosen Takt mit den Fingern auf dem Holz.
„Ich hätte lieber einen kleinen Happen zu essen. Ich bin hungrig." Dabei trafen sich unsere Blicke und jetzt reichte es Suga wohl endgültig.
„Halt deine Meute im Zaum!", fuhr er Namjoon an.
Der seufzte und verpasste Jimin aus dem Nichts einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. „Schluss jetzt", brummte er dabei gutmütig und wandte sich dann wieder Suga zu. Seine Augenbrauen hoben sich fragend, aber Suga kommentierte das nicht. Stattdessen packte er mich wieder am Arm und zog mich mit sich.
Gehorsam trabte ich hinter ihm her in die Küche und lehnte mich dort stillschweigend an den Tresen während er eine Flasche Wein aus dem entsprechenden Schrank nahm, sie mit so wütenden Handgriffen öffnete, dass es wirkte, als wolle er den Flaschenhals einfach abreißen, bevor er sich zu mir umdrehte.
„Lass dich nicht auf ihre Spielchen ein", fauchte er mich an und so hob ich ergeben die Hände.
„Ich hab doch gar nichts gemacht."
„Nein, aber...!" Ja und jetzt endlich schien er zu merken, was hier nicht stimmte. Er wandte sich ab, strich sich über die Stirn und murmelte schließlich: „Entschuldige. Dass sie hier sind, ist auch für mich nicht leicht. Es ist... schwer zu erklären. Es hat etwas mit unserem Instinkt zu tun, also..."
„Schon gut", versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Ich lasse mich auf nichts ein. Versprochen." Dann trat ich näher an ihn heran und berührte seinen Arm.
Seufzend betrachte Suga meine Finger, dann griff er danach und stricht behutsam darüber.
„Jin", begann er zu erklären. „Ist nicht so harmlos, wie er wirkt. Ich weiß nicht, was mit ihm nicht stimmt, aber er hat diesen esoterischen Tick, macht es von Planetenkonstellationen und astronomischen Vorzeichen abhängig, wer sein nächstes Opfer wird, also spiel um Himmelswillen nicht mit ihm und lass dir nicht die Karten legen, okay?"
„Er...?!" Verwirrt blinzelte ich und sah zurück auf den Durchgang. Sollte ich froh sein, dass nicht der Tod aufgedeckt war bei den Tarotkarten?
„Und er ist Namjoons erklärter Liebling."
Überrascht drehte ich mich wieder zu ihm um. „Du meinst...?"
„Ich meine", unterbrach mich Suga etwas ungeduldig, „dass er mit Vorsicht zu genießen ist, dass du nicht vergessen darfst, was er ist. Namjoon ist ihr Schöpfer und auch wenn er Jimin wie einen Sohn oder Erben händelt, ist es Jin, der ihm noch weit nähersteht. Er wird es ohnehin nicht zulassen, dass sich irgendwer zwischen ihn und seine Sippe stellt, aber er hat zu jedem von ihnen einen ganz speziellen Bezug."
Ich nickte stumm, weil ich auch nicht wirklich wusste, was ich mit diesen Informationen anfangen sollte und fragte mich nicht zum ersten Mal, in welcher Beziehung er selbst zu Namjoon stand oder gestanden hatte. Schließlich seufzte Suga erneut, fluchte dann auch noch leise und wirbelte wieder zu mir herum.
„Ich werde das klären", bestimmte er mit Nachdruck. „Aber das wird ein wenig dauern. Womöglich bleiben sie ein paar Tage..."
„Ein paar Tage!" Das Entsetzen war mir wohl ins Gesicht geschrieben, denn Suga machte ein ganz verkniffenes Gesicht. „Warum hast du das nicht gesagt? Ich dachte sie kommen, wir klären das und sie gehen wieder?!"
Darauf ging Suga nun nicht ein, dafür legte er eine Hand an meine Wange. „Du musst nicht hier sein", flüsterte er. „Du kannst nach oben gehen, bleib in deinem Zimmer, es wird dir nichts geschehen. Wenn du dich im Haus bewegst, denk einfach daran: Spiel nicht mit Jin, sei nicht allein mit Jimin in einem Raum, lass dich von Namjoon nicht ausfragen."
Wieder stimmte ich mit einem wortlosen Nicken zu und wiederholte die Anweisungen in meinem Kopf. Nun, ich hatte ohnehin vor, mich von Jimin so weit wie möglich fernzuhalten und die anderen beiden... Wenn ihr Interesse an mir nicht wuchs, würde es gutgehen. Ich war zuversichtlich.
Zurück im Esszimmer musste ich feststellen, dass bereits zwei von ihnen fehlten. Jin und Jimin waren nirgends zu sehen, während Namjoon immer noch in seinem Stuhl flegelte wie ein aufmüpfiger Teenager beim ungeliebten Sonntagsessen mit der Familie und sich von Suga bedienen ließ.
„Du hast doch nichts dagegen?", meinte er leichthin, kippte dabei das erste Glas Wein in sich hinein, als wäre es Wasser und schob Suga das leere Glas gleich wieder zu. „Ich habe die Jungs Essen holen geschickt, hm? Sicher sind sie so nett und...", sekundenlang wechselte sein Blick zu mir und kehrte dann wieder zu Suga zurück, „... bringen dir auch einen kleinen Snack mit."
Suga knirschte mit den Zähnen.
„Sie wildern in meiner Stadt."
„Wir sind nicht so primitiv, wie du jedermann glauben machen willst. Sie gehen nur schnell einkaufen, sind gleich wieder da."
Was genau einkaufen meinte, erfuhr ich eine gute Stunde später, als die beiden zurückkamen und gut gelaunt einen schwarzen Rucksack auf den Tisch wuchteten.
„Wer hat Hunger?", flötete Jimin ausgelassen und zog die Reißverschlüsse auf. Ein ganzer Berg an Blutkonserven in den typischen Kunststoffbeuteln rutschte aus dem Rucksack und ergoss sich auf den Tisch, ich rückte angewidert ein Stück ab. Zufrieden summend warf er einen Beutel zu Jin, einen zu Namjoon und hielt dann inne.
„Welche Geschmacksrichtung bevorzugt unser Gastgeber?" Ein lauernder Ausdruck lag auf seinem Gesicht, einer, der klarmachte, dass er die Antwort kannte und trotzdem wollte, dass sie laut ausgesprochen wurde.
„AB", sprang Namjoon ein, da Suga nur die Hände zu Fäusten ballte, jedoch nichts sagte. Mein Kopf ruckte herum und ich starrte ihn mit großen Augen an. Natürlich, wie hatte ich so dumm sein können, das war meine Blutgruppe. Unterdessen griff sich Namjoon auch entsprechenden Beutel und ließ das Behältnis über den Tisch in Richtung Suga schlittern. Der stoppte die Konserve, bevor sie über die Tischkante rutschen konnte, nahm sie jedoch nicht in die Hand.
„Danke", presste er nur heraus und wandte sich, mit einem letzten Blick auf mich, rasch ab. Jin war unterdessen längst am Gläserschrank und wählte hübsche stilvolle Kristallkelche für das Abendessen. Jimin forderte außerdem Schnapsgläser und zog zeitgleich eine Flasche Whisky aus dem Rucksack, die er breit grinsend auf den Tisch knallte. Sofort wurde eingeschenkt und die Shots verteilt. Ein Gläschen landete mit Schwung direkt vor mir, sodass ein wenig des Inhalts über den Rand auf das polierte Holz schwappte.
„Auf dass wir alle Missverständnisse aus der Welt schaffen können", raunte Namjoon süffisant und ich konnte mir ein leises Schnauben nicht verkneifen. Mit verschränkten Armen verfolgte ich, wie die Bande an Blutsaugern die erste Runde kippte, doch als sie den ersten Blutbeutel aufrissen, sprang ich mit einem angewiderten Laut auf und wollte gehen.
„Uhh da ist aber jemand empfindlich", kicherte Jimin hinter mir, ich hörte Gläser klirren.
Wütend fuhr ich wieder herum und traf den herausfordernd-glitzernden Blick des anderen.
„Keine Sorge", fauchte ich Jimin an, „nichts liegt mir ferner, als eure Party zu sprengen." Damit griff ich mir das Schnapsglas, das nach wie vor unangetastet an meinem Platz stand, kippte den Inhalt in mich hinein und knallte es dann vor ihm auf den Tisch.
„Geonbae!"
Zornbebend stapfte ich davon, aber ich war noch nicht am Durchgang, da war Suga neben mir und griff nach meinem Arm. Er sagte nichts, sah mich nur an, doch das unheilvolle Glimmen in seinen Augen war aussagekräftig genug.
„Ich esse in meinem Zimmer", murrte ich und riss mich gleichzeitig von ihm los. Ich sah über meine Schulter, sah, wie Namjoon genüsslich einen Schluck aus seinem Glas nahm und leidlich zufrieden schmatzte, bevor er den Kopf wiegte.
„Gibt schlimmeres - was zählt, ist die Gesellschaft, nicht wahr? Bruder... trinkst du gar nicht mit uns?", rief er uns nach. Neben mir erstarrte Suga regelrecht und fauchte dabei wie eine Wildkatze.
Bruder! Da war es wieder.
„Ich bin gleich bei euch", knurrte er schließlich, packte meinen Arm fester und schob mich ganz in die Küche.
„Es tut mir leid", wandte er sich an mich. „Ich wünschte, ich könnte..."
„Nicht. Tu das nicht." Ich schob ihn weg, weil ich mich in seiner unmittelbaren Gesellschaft gerade mehr als unwohl fühlte und sah ihn auch nicht an. Etwas hatte sich deutlich verändert, jetzt wo die anderen hier waren. Er hatte sich verändert und seine Nähe löste bei weitem nicht das wohlige Gefühl in mir aus, wie es sonst der Fall war. Im Gegenteil. Ich fühlte mich erdrückt durch seine Präsenz und das, was gerade immer mehr an die Oberfläche drängte, machte mir Angst.
„Ich... werde mich einfach zurückziehen", murmelte ich schwach, schob mich dabei an ihm vorbei und griff mir das Lunchpaket, das in eine Papiertüte gehüllt für mich auf dem Tresen stand sowie einen kleinen Salat in einer Plastikschale. Suga sah mir stillschweigend zu, versuchte nicht, mich aufzuhalten und versuchte auch nicht, näherzukommen. Als ich mich mit ein paar gemurmelten Worten davonstahl, wandte sich Suga seufzend ab und kehrte zu seinen Gästen zurück.
Kaum durch die Küchentür, stellte ich meine Sachen ab und schlich wieder zurück in den abgedunkelten Raum.
Über den Durchgang zum Esszimmer konnte ich ein Stück der Tafel sehen. Die Whiskyflasche war jetzt schon beinahe halb leer. Leere Blutbeutel, die herumlagen wie zerknüllte Servietten, dazwischen volle. Derbe Boots, die bequem auf der Tischplatte ruhten. Namjoon nahm ich an. Gelächter war zu hören, Stimmengemurmel, das Klirren von Gläsern. Ich rückte noch ein Stückchen nach vorn, spähte um die Ecke und sah, dass Suga an der kurzen Seite der Tafel Platz genommen hatte. Seine Finger umklammerten den filigranen Stiel des Kristallglases, das bis auf einen kläglichen Rest bereits leer war. Jemand schenkte nach - fast randvoll und das Glas verschwand aus meinem Blickfeld, als Suga es anhob.
„Danke", hörte ich ihn sagen. Seine Stimme war untermalt von einem dunkeln, rollenden Grollen, etwas, das er womöglich zu unterdrücken versuchte und trotzdem die Oberhand gewann. Mir wurde kalt.
Dabei mochte er keine Konserven, hatte er das nicht zu mir gesagt? Warum mutete diese übernatürliche Zusammenkunft dann wie ein vampirisches Gelage an?
Noch mehr Gelächter war zu hören, ich trat den lautlosen Rückzug an, huschte durch die Küche, schnappte mir mein Essen und floh regelrecht in mein Zimmer.
Später, viel später, hörte ich, wie am Türknauf meiner Tür gedreht wurde, sehr behutsam. Trotzdem war ich augenblicklich hellwach, sprang aus dem Bett und tappte auf Zehenspitzen zur Tür. Mühsam kontrollierte ich meine Atmung, hoffte, dass man sie durch das Holz nicht hören konnte und wartete angespannt in der Stille. Wieder drehte sich der Knauf ein wenig, aber ich hatte die Tür verriegelt, also brachte das nichts. Trotzdem hielt ich unwillkürlich den Atem an.
War er das? War das Jimin? Dachte er wirklich, es würde so einfach werden?
Ein leises Tippen auf Holz war zu hören, ganz so, als klopfte jemand nur mit den Fingerspitzen dagegen.
„Tae? Bist du wach?"
Suga.
Wenn ich tatsächlich geschlafen hätte, hätte mich weder das Geräusch, noch seine Stimme geweckt. Ich regte mich nicht, starrte nur wie gebannt auf die Tür und als es zum zweiten Mal leise klopfte, fluchte ich verhalten und öffnete.
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