Kapitel 25 - Flucht
Flucht
Ich erwachte aus einem Albtraum, schlug die Augen auf und fuhr in die Höhe, während die Nachwehen meines Traums sich in blassen Schatten auflösten. Bilder von wilden Tieren, die mich jagten, die nach mir schnappten und mir das Fleisch von den Knochen rissen.
Mein Atem ging schwer und rasselnd, mir war schwindelig und ein dumpfes Dröhnen erfüllte meinen Schädel. Seufzend ließ ich mich wieder umfallen, rieb mir mit dem Handballen über die Augen, über die Stirn, strich mir die feuchten Haare aus dem Gesicht, die mir unangenehm auf meiner Stirn und meinen Wangen klebten, bevor ich den Blick auf meine Umgebung richtete und überhaupt zum ersten Mal wahrnahm, dass ich in einem fremden Zimmer lag. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dann setzte ich mich doch wieder auf, sah mich stirnrunzelnd um. Das Zimmer war großzügig geschnitten, die Decke beige, die Wände in einem hellen Türkis, abgesetzt mit Zierborten. Das breite Bett, in dem ich lag, fügte sich farblich bestens ein, die Decken waren ebenfalls in einem hellen Cremeton, abgesetzt mit türkis. Außerdem waren Kopf- und Fußteil aus verschnörkeltem Metall. Neben mir auf einem zierlichen Nachttischchen, brannte eine kleine Lampe, ein Schaukelstuhl aus geflochtenem Rattan stand gleich rechts an der Wand, das Kissen drauf ebenfalls farblich harmonisch. Ich runzelte die Stirn. Alles in diesem Zimmer wirkte auf seltsame Weise alt und trotzdem sehr stimmig. Links verdeckten bodenlange Vorhänge wohl die Fenster, der ganze Raum lag in schummrigem Dämmerlicht.
Ich war bei Suga, fiel mir wieder ein, auch wenn ich diesen Raum nicht kannte und mich nicht erinnern konnte, wie ich hierhergekommen war. Außerdem war ich allein, was mich ebenfalls verwirrte, noch mehr, als ich aus dem Bett schlüpfte und sah, dass ich eine dunkelblau-gestreifte Pyjamahose trug sowie ein weißes T-Shirt. Beides gehörte nicht mir, passte mir aber genau. Leidlich durcheinander stellte ich die nackten Füße auf den Teppich und grub die Zehen in das weiche Material. Warum konnte ich mich an nichts erinnern? Mit dem nächsten Blick auf meine Umgebung entdeckte ich zwei Türen, eine an der rechten Wand, eine gegenüber meines Bettes, an der kurzen Seite des Raumes. Ich tappte die paar Schritte bis zur nächstgelegenen Tür, doch als ich sie öffnete, fand ich dahinter lediglich ein Badezimmer. Okay, das war mir fürs erste auch recht. Ich fühlte mich entsetzlich benommen und zittrig, trat schwankend in das Bad und tastete unbeholfen nach dem Lichtschalter. Als das Licht ansprang kniff ich stöhnend die Augen zu, es war irgendwie unangenehm grell und verstärkte meine dröhnenden Kopfschmerzen. Deswegen sah ich mich auch gar nicht weiter um, wankte einfach weiter und befand, dass eine Dusche nur helfen konnte, also steuerte ich diese an. Im Gehen streifte ich meine Kleider ab, trat durch die Glastür und seufzte zufrieden, als das warme Wasser auf mich herabprasselte. In einer Halterung an der Wand fand sich von Duschgel bis Shampoo alles, was man brauchte, doch erst als ich nach der ersten Flasche griff, fielen mir die dunkelroten Male an meinem linken Arm auf. Im ersten Moment war ich wie erstarrt, dann schlug die Erinnerung so abrupt und gnadenlos zu, dass mir die Shampooflasche aus den zitternden Händen glitt und vor mir auf den Boden klatschte.
Suga!
Er hatte mich gebissen!
Panisch schlug ich auf den Knopf, um das Wasser auszustellen, wankte aus der Dusche und hin bis zum Waschtisch, wo ich in den großen Spiegel blickte und eine kleine Ewigkeit fassungslos auf mein Spiegelbild starrte. Ich war mit Bissmalen übersät! Da waren kleine halbmondförmig Marken, die sich nur als rote Stellen abzeichneten und beinahe verheilt waren und andere, tiefere Bisse, wie etwa an meinem Handgelenk, die dick verschorft waren. Und sie waren überall. Überall! An meinen Armen, auf meinem Brustkorb hinab bis zu meinem Bauch, selbst an den Seiten bis hin zu meinen Hüften
Er hat dich gebissen!, kreischte mein Unterbewusstsein schrill und riss wie verrückt an meinem Verstand. Gebissen!
Reglos verharrte ich vor dem Spiegel und starrte auf mein Abbild, das mir im Moment völlig fremd war. Er hatte mich gebissen. Ein Dutzend Mal oder eher noch öfter, ich brachte es nicht über mich, die Wunden zu zählen. Gebissen - wie ein Tier! Mein Verstand drohte über eine gefährliche Schwelle zu kippen.
Du weißt was das heißt!
Nein!
Du hast es gesehen! Du weißt es. Er hat...
NEIN!
Ich stieß mich vom Waschtisch ab und taumelte weg vom Spiegel. Nein, nein! NEIN! Das war nicht real! Das war... unmöglich! Es durfte - konnte! - nicht sein. NEIN. Aber die Bilder in meinem Kopf sagten etwas anderes. Unerbittlich hämmerte meine Erinnerung in meinem Verstand, zeigte mir Dinge, die ich nicht sehen wollte und die mich noch mehr verstörten. Wie sich diese langen Zähne in meine Haut verbissen, wie mein Blut über Sugas Kinn rann, während er über mir hockte, knurrend und...
NEIN!!
Du weißt, was er ist!
Mir wurde schlecht. Mit unsicheren Schritten schwankte ich durch die Tür zurück ins Zimmer und sah mich hektisch um. Ich musste hier raus - sofort! Ich musste weg, bevor er... Mein Magen rebellierte, mir wurde unsäglich schlecht und schwindelig. Für einen Moment lehnte ich mich an die Kommode, nicht sicher, ob ich mich nicht doch würde übergeben müssen und versuchte ruhiger zu atmen. Es war nicht so einfach, einen normalen, klaren Gedanken zu fassen. Zum einen fühlte ich mich immer noch irgendwie schwach und als wäre ich nicht ich selbst, zum anderen wollte mein Kopf mir unbedingt eine Erinnerung aufzwingen, für die ich keinesfalls bereit war. Verstört und verängstigt taumelte ich durch den Raum, suchte meine Kleider und wischte mir energisch Tränen von den Wangen, aber meine Augen quollen schier über. Es war die reine Panik, die meine Emotionen so dermaßen aus der Bahn warf, aber gerade war mir das auch egal. Ich fand weder mein Shirt, noch meine Jeans, nur meine Sneakers und so rannte ich am Ende zurück ins Bad, schlüpfte wieder in die Schlafklamotten, in die Schuhe und stahl mich durch die andere Tür hinaus auf den Flur.
Das Haus lag in ruhigem Halbdunkel. Unter mir, im Erdgeschoss, brannte irgendwo Licht, wie ich erkennen konnte, weil ein schwacher Schimmer das Treppenhaus erhellte, so dass ich zumindest sehen konnte, wohin ich lief. Auch leise Musik war zu hören, ruhige Pianoklänge dieses Mal. Mit wild klopfendem Herzen schob ich mich Stufe für Stufe die Treppe hinab, bemüht, keinen Laut zu verursachen und immer auf der Hut, sollte irgendwo unter mir auch nur eine Bewegung zu sehen sein. Als ich den langen Flur erreichte, wartete ich mehrere Atemzüge lang, lauschte auf Geräusche, die mir verraten würden, wo er war. Und er war hier, soviel stand fest, ich konnte seine Anwesenheit mit jeder Faser meines Körpers wahrnehmen. Er war in der Nähe. Sein Präsenz prickelte auf meiner Haut und die Härchen in meinem Nacken richteten sich auf. Er war hier, er war ganz in der Nähe.
Die Eingangstür lag zu meiner Linken, aber auf dem Weg dorthin waren drei offenstehende Türen die ich passieren musste und hinter jeder konnte Gefahr lauern. Andererseits, was blieb mir übrig? Ich musste es riskieren.
Lautlos machte ich mich auf den Weg, schob mich an der Wand entlang, immer auf der Hut vor dem, was hinter einer der Türen lauern könnte. Aber ich passierte alle drei Türen, ohne bemerkt zu werden, schlich weiter zur Haustür und nahm dort, an der Garderobe die direkt am Eingang war, eine schwarze Jacke vom Haken und zog diese an. Es spielte keine Rolle, dass sie nicht mir gehörte. Mit äußerster Vorsicht öffnete ich die Eingangstür, sie war beinahe geräuschlos, und schlüpfte hindurch, kaum dass der Spalt weit genug offen war. Mit einem leisen Klicken zog ich sie ins Schloss, stolperte die paar Treppenstufen hinab und rannte los.
Ich kam bis zur ersten Biegung der Auffahrt, dann flog hinter mir krachend die Tür auf und ich tauchte mit einem Sprung hinter die Hecke. Ich drückte mich auf den Boden und wickelte die schwarze Jacke fest um mich. Bitte, wiederholte ich immer wieder in meinem Kopf. Bitte nicht.
Seine Stimme peitschte brüllend durch die Nacht.
„TAEHYUNG!"
Bitte! Angst und Panik ließen mich erstarren. Bitte, bitte! Ich lag auf der Erde, hatte den Kopf eingezogen und rechnete eigentlich damit, jeden Augenblick grob aus meinem Versteck gezerrt zu werden, doch es geschah nicht. Dass er mich tatsächlich nicht aufspüren konnte begriff ich aber erst, als der schwarze BMW plötzlich die Auffahrt hinabschoss und in der Nacht verschwand. Trotzdem verharrte ich weitere endlose Minuten auf dem Boden kauernd, flüsterte immer wieder kaum hörbar „bitte", vor mich hin, bevor ich sicher war, dass das Ungetüm nicht augenblicklich wieder auftauchen würde. Erst dann kam ich schwankend auf die Beine, schlüpfte durch das Tor und tappte auf die Straße. Wenn ich die Straße entlangging, das war mir klar, würde er mich früher oder später finden, also blieb ich am Straßenrand, schlug mich bei nächster Gelegenheit ins Gebüsch und trottete von dort einfach immer geradeaus, querfeldein. Zweige zerrte am dünnen Stoff der Pyjamahose, aber ich merkte es kaum. Der Sturm hatte nachgelassen und es schneite auch nicht mehr, aber ich hätte es ohnehin nicht gespürt. Alles was ich fühlte war komplett abgestumpft, ich fühlte mich innerlich taub.
Wie lange ich so durch die Nacht gelaufen war, wusste ich nicht, ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich längst wieder in dichter besiedeltem Gebiet angekommen war und sah erst dann erschrocken auf, als Scheinwerfer mich blendeten. Ein Wagen hielt neben mir und das Seitenfenster wurde heruntergelassen.
*
Meine nächste deutliche Erinnerung war Hoseok, das Entsetzen in seinem Gesicht, als ich mitten in der Nacht vor seiner Tür stand und - kaum, dass er geöffnet hatte - in Tränen ausbrach.
„Taehyung! - um Himmels Willen, was ist passiert?"
Das wusste ich nicht so genau. Ich konnte nicht mal erklären, wie ich hergekommen war, denn jetzt war mir plötzlich entsetzlich kalt und ich zitterte so stark, dass ich kaum ein gerades Wort herausbrachte. Aber es gab dort draußen wohl tatsächlich noch den ein oder anderen guten Samariter, der Mitleid mit der erbärmlichen Gestalt gehabt hatte, die durch die Nacht getaumelt war. Dieser Fremde hatte mich hier abgesetzt, weil Hobi der einzige Mensch gewesen war, der mir in meiner Not eingefallen war. Der Einzige, zu dem ich mitten in der Nacht konnte und der mich nicht abweisen würde.
Er war es auch, der mich jetzt umarmte, in die Wohnung zerrte und nur am Rande registrierte ich die andere Gestalt, die aus dem Schlafzimmer geschlurft kam.
Hoseok bugsierte mich ins Wohnzimmer, drückte mich auf die Couch und schlang mir außerdem eine Decke um die Schultern, dann hockte er wieder vor mir.
„Was ist passiert, hm? Wo kommst du jetzt her, in diesem Aufzug?"
Aber ich konnte nicht sprechen. Ich schluchzte, hatte Mühe zu atmen, alles andere, die Gedanken in meinem Kopf etwa, waren pures Chaos.
„Mein Gott", hörte ich ihn murmeln, während er meine Hände rieb. „Du bist ja eiskalt."
„Ist er verletzt?", mischte sich eine andere Stimme ein. Das Gespräch wurde über meinem Kopf hinweg geführt und ich verstand nur bedingt.
„Ich weiß es nicht."
„Soll ich ihn mir mal ansehen?"
„Taehyung?" Etwas zerrte an der Decke, dann an meiner Jacke und ich schrie voller Entsetzen auf, während sich meine Finger in Stoff krallten.
„Lass ihn, er steht unter Schock."
Dann setzte sich Hoseok neben mich, legte einen Arm um meine Schulter und ich lehnte mich dankbar an ihn.
Erst nach einer ganzen Weile hatte ich mich so weit gefangen, dass ich zumindest begriff, was rund um mich geschah. Da war Hobi, der immer noch neben mir saß, abwechselnd sanft durch Decke und Jacke hindurch meinen Rücken rieb oder meine kalten Finger knetete. Jungkook, der mir eben eine Tasse mit heißem Tee gebracht hatte und ebenfalls in der Nähe blieb. Mir wurde auch klar, dass sowohl mein Auftauchen, als auch mein Erscheinungsbild jede Menge Fragen aufwerfen musste, dabei hatten sie das Schlimmste ja gar nicht gesehen. Ich zog die Jacke fester um mich, griff dann nach dem Tee und nahm einen Schluck.
„Danke", brachte ich endlich hervor, hielt die Tasse fest und sah auf.
„Kann ich... kann ich hierbleiben - nur heute?"
„Sicher." Hoseok seufzte, strich wieder über meinen Rücken und umarmte mich leicht. „Willst du mir sagen, was passiert ist? War er das? Warst du bei Suga?"
Ich nickte, schniefte und nahm am Rande wahr, wie Jungkook sich etwas aufrichtete. Eine stumme Kommunikation fand zwischen den beiden statt, eine, der ich nicht folgen konnte.
„Hat er dir wehgetan?", fragte Hoseok flüsternd, doch dieses Mal antwortete ich nicht. Was hätte ich sagen sollen? Ich schniefte erneut und nahm noch einen Schluck Tee. Ich fühlte mich so elend, war so angeekelt vor mir selbst, dass ich erneut schauderte.
„Darf ich vielleicht duschen? Ich bin ganz dreckig..."
„Sicher", murmelte Hoseok schon wieder und stand gemeinsam mit mir auf, allerdings schob sich jetzt Jungkook in den Weg und wieder fand diese nonverbale Kommunikation zwischen ihnen statt.
„Aber vielleicht", begann Hoseok vorsichtig, dann wurde er von Kookie bereits unterbrochen.
„Wenn er Spuren am Körper hat, müssen wir zur Polizei - jetzt gleich."
Spuren? Ich zog den Ärmel der Jacke über meine Finger. Hatte er etwas gesehen? Niemand durfte das sehen! Ich schob mich näher an Hoseok und wurde fester umarmt, trotzdem hakte jetzt auch Hoseok nach.
„Ist irgendwas passiert, Taehyung? Etwas, das... du nicht wolltest? Hat er dir wehgetan?"
Er hatte mich gebissen!
„Hat er dich zu irgendwas gezwungen?"
Ich verstand es nicht. Mit einem Seufzen schüttelte ich den Kopf und lehnte mich an seine Schulter. „Wir hatten..."
„Schon klar", raunte Jungkook, anstatt Hoseok. „Aber war es einvernehmlich?"
Einvernehmlich? Wovon redete er denn? Ich starrte ihn verwirrt an, konnte gerade nicht nachvollziehen, was er damit meinte und runzelte die Stirn. Er hatte mich gebissen! Wir hatten Sex und er hatte mich dabei gebissen wie ein Tier - konnte sowas einvernehmlich sein? War er einfach nur-? Der Gedanke brach weg, als Hoseok mich an beiden Schultern packte und somit meine Aufmerksamkeit erzwang.
„Taehyung", er stellte sich direkt vor mich und hielt mein Gesicht mit beiden Händen umfasst. „Hat er irgendwas gemacht, was du nicht wolltest?"
Na, aber sicher! Er hatte mich gebissen, zum Teufel nochmal! Ich wollte es herausschreien, nur damit es endlich aus meinem Kopf verschwand. Er hatte mich gebissen und gebissen und gebissen! Immer wieder! Mein Blut, es war überall, an seinen Händen, von seinem Kinn tropfend, verschmiert auf seinen Lippen.
Er hatte mich gebissen und dabei selig gelächelt.
Und schon wieder drängte sich Hoseok Stimme in diese Gedanken. Dieses Mal schüttelte er mich und zwang mich ihn anzusehen. Seine Stimme war leise und eindringlich, die Worte deutlich. „Was hat er gemacht, Taehyung? Wolltest du es, oder wolltest du es nicht? Was hat er getan? War es eine Vergewaltigung?"
Ja und jetzt begriff ich endlich! Mein panischer Blick fuhr zu Jungkook und kehrte zu Hoseok zurück.
„Nein", hauchte ich und schon wieder liefen Tränen über mein Gesicht. „Nein! Bitte, darf ich jetzt duschen?"
Sie warfen sich stumme Blicke zu, Kookie zuckte die Schultern, sichtbar unzufrieden und Hoseok seufzte leise. Er ließ mich nicht los, begleitete mich bis zum Bad und blieb unschlüssig im Raum stehen.
„Würdest du es mir sagen, wenn etwas passiert wäre?"
Wieder flimmerten Bilder durch meinen Kopf. Der blutverschmierte Mund, die schimmernden Augen, das Lächeln, bevor er sich erneut über mich beugte und leise knurrend die Zähne in meine Haut schlug, während ich mich stöhnend aufbäumte. Ich erschauerte leicht, mir wurde wieder etwas flau und ich wich Hoseoks Blick aus.
„Würde ich", stieß ich krächzend hervor, dann erst sah ich hin. „Würde ich", wiederholte ich fester. „Es war nur Sex."
Wahrscheinlich glaubte er mir nicht und das konnte ich ihm nicht verdenken. Mein Zustand, mein verstörtes Auftreten sprachen dafür, dass irgendwas passiert war, aber die Wahrheit konnte ich nicht erzählen.
Hoseok brachte mir frische Wäsche, Handtücher, dann ließ er mich allein und als ich eine halbe Stunde später mit nassen Haaren und in seinen Klamotten aus dem Bad trat, stand frischer Tee auf dem Wohnzimmertisch. Ein schwaches Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. So war Hobi immer gewesen. Seiner Meinung nach gab es nichts, was man nicht bei einem Tee klären konnte. Ich zog die Ärmel des flauschigen Hoodies bis über meine Hände, setzte mich und klammerte mich an meine Tasse.
„Besser jetzt?", fragte Hoseok und ich nickte.
„Bist du irgendwo verletzt, soll sich Jungkook das mal ansehen?"
Ich dachte an die Bissmale - es waren dreiundzwanzig, ich hatte sie jetzt gezählt, verteilt über meine Brust, meine Arme, meinen Bauch bis hin zu meiner Taille - und schüttelte rasch den Kopf. Sie hatten gebrannt wie Feuer unter dem heißen Wasser der Dusche, aber nur drei davon, eins an meinem Schlüsselbein, zwei an meinem Arm, waren tatsächlich tiefe Wunden, der Rest war oberflächlich, oder wenigstens nicht so schlimm und würde vermutlich schnell verheilen. Trotzdem spürte ich sie jetzt bei jeder Bewegung, wenn der Stoff darüberscheuerte.
„Ich habe rasende Kopfschmerzen", log ich, „wenn du dagegen was hast."
Es war Jungkook der mir das Schmerzmittel brachte und ich erfuhr nicht was es war. Er reichte mir zwei Tabletten in die Hand und legte nochmal eine auf den Tisch neben ein Glas Wasser. „Nimm zwei jetzt, wenn es nicht reicht, kannst du später noch eine nehmen."
„Danke." Ich schluckte die Tabletten, ohne nachzufragen, griff mir erneut meinen Tee und zog die Beine auf das Sofa, um mich in meiner Ecke ganz klein zu machen. Hoseok war gerade verschwunden, um mir eine Decke und Kissen zu holen. Jungkook war zurückgeblieben, vielleicht auch, um mich zu beobachten und er saß mit verkniffener Miene gegenüber in einem Sessel. Er sah müde aus, seine Haare waren ganz wirr und ich bekam ein schlechtes Gewissen, überhaupt hier zu sein. Hoseok war nicht mehr mein Freund, ich konnte nicht ständig auf ihn zurückgreifen, wenn irgendwas in meinem Leben schieflief.
Und doch saß ich hier.
„Tut mir leid", murmelte ich, nippte von meinem Tee und blinzelte über die Tasse hinweg zu ihm. „Ich sollte nicht hier sein."
„Ah, schon gut", raunte Jungkook, winkte ab, runzelte aber gleichzeitig die Stirn. Er war nicht glücklich mit dieser Situation und ich konnte es ihm nicht verdenken. Da hockte der völlig kaputte Ex auf dem Sofa seines Freundes und bekam jede Menge Aufmerksamkeit.
Gerade kam Hoseok zurück, Decke und Kissen unter dem Arm, ließ beides auf die Couch fallen und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
„Wird nicht viel Ruhe sein hier. Kookie ist morgen früh unterwegs." Er sah auf die Uhr und korrigierte mit einem schiefen Lächeln. „Heute."
„Ist okay", murmelte ich. „Ich... bin morgen weg. Versprochen."
„So war das nicht gemeint." Hoseok seufzte, platzierte das Kissen und entfaltete die Decke. „Das weißt du."
„Du kannst bleiben", mischte sich nun auch Jungkook ein, schlang dabei einen Arm um Hoseoks Mitte, welcher sich eben überrascht zu ihm umdrehte und kaum hörbar „danke" murmelte. Jungkook hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Schon gut. Vielleicht sollten wir jetzt alle versuchen ein bisschen zu schlafen." Er schob Hoseok auf den Flur hinaus, nickte mir zu und dann war ich allein.
Für einen Moment saß ich noch im Halbdunkel, bevor ich mich tatsächlich auf dem Sofa einrollte und die Decke bis zu den Ohren hochzog. Ich ließ das gedimmte Licht brennen, weil es mich beruhigte, versuchte auch zu schlafen, doch die Gedanken rotierten in meinem Kopf und immer wieder schreckte ich hoch. Dann sah ich Sugas blutiges Lächeln wieder vor mir und mich fröstelte.
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