Wahrheit
PoV Jimin
Ich spürte, wie sich die Dunkelheit in mir breit machte, als Yoongi begann zu sprechen.
Seine Worte schlangen sich wie ein unsichtbares Band um meine Brust, hielten mich fest und drückten die Luft aus meinen Lungen.
Ich wollte mich abwenden, wollte etwas sagen, aber es war, als ob sein Blick mich festhielt – zu stark, zu intensiv, als dass ich fliehen konnte.
„Der Himmel“, begann Yoongi, seine Stimme ruhig, aber voller einer unbestimmbaren Dunkelheit,
„ist nicht das, was ihr euch vorstellst. Es ist nicht der Ort des Friedens, den dir die Geschichten überliefert haben. Der Himmel ist ein Ort des Verrats und der Zerrissenheit.“
Ich hörte seine Worte, doch in meinem Inneren kämpfte ein Gefühl, das ich nicht benennen konnte.
War es Angst?
Oder war es etwas anderes?
Etwas, das mich dazu trieb, mehr zu erfahren, obwohl ich wusste, dass es mich nur noch weiter in diese düstere Welt hineinzog.
„Was meinst du?“, fragte ich leise, doch selbst ich konnte nicht wirklich glauben, dass ich es wagte, nachzufragen. Ich wollte die Antworten nicht hören. Ich wollte nicht wissen, was diese Engel wirklich von uns wollten. Aber irgendetwas in mir, eine dunkle Neugier, konnte nicht anders, als zu fragen.
Yoongi schien sich zu amüsieren. Seine Lippen verzogen sich zu einem beinahe unsichtbaren Lächeln.
„Du wirst es erfahren. Alle von euch werden es erfahren“, sagte er mit einer Stimme, die sowohl das Versprechen einer dunklen Zukunft als auch den Hauch von etwas, das man nicht entkommen konnte, in sich trug.
In dem Moment, als Yoongi weitersprach, änderte sich die Atmosphäre im Raum.
Es war, als ob die Luft um uns herum dünner wurde. Etwas verschob sich, und es fühlte sich an, als würden wir nicht mehr in diesem Raum, in dieser Gegenwart, verweilen. Die Zeit schien stillzustehen.
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Die Vergangenheit im Himmel
Der Himmel war nicht der Ort, den man sich in den Erzählungen vorstellte.
Es war kein Ort des ewigen Friedens, sondern eine Welt, die genauso fehlerhaft war wie die, die sie verließ. Es war ein Reich aus Licht und Schatten, wo Regeln befolgt wurden, aber die Dunkelheit immer lauern konnte, nur einen Atemzug entfernt.
Yoongi, Namjoon und Taehyung hatten die ersten Jahre im Himmel als Engel verbracht.
Sie waren geschaffen worden, um zu dienen – zu dienen, wie es von ihnen erwartet wurde, in einer Welt, die auf Ordnung und Harmonie ausgelegt war.
Aber die Ordnung war zerbrechlich. Der Himmel war ein Ort, an dem der Glaube an das Gute immer mehr ins Wanken geriet, als dass er jemals wirklich Bestand hatte.
Namjoon war der Engel der Lust. Anfangs war seine Aufgabe einfach gewesen: die Freude der Welt zu behüten, das Feuer der Leidenschaft zu bewahren.
Doch er wusste, dass diese Freude oft mit Schmerz und Zerstörung einherging. Und das war es, was ihn quälte. Was, wenn die Lust nicht nur das war, was man in seinen Momenten des Glücks suchte, sondern auch ein gefährliches Spiel war, das in Zerstörung enden konnte?
Taehyung, der Engel des Chaos, hatte einen anderen Blick auf die Welt.
Er wollte das Leben schützen, nur ein wenig aufmischen, die Schönheit des Wachsens und das Streben nach einem besseren Morgen.
Aber auch er hatte bald bemerkt, dass das Chaos nicht immer nur Wachstum brachte. Es brachte auch Zerstörung, Verfall und Tod.
Yoongi, der Engel des Todes, hatte immer gewusst, dass sein Weg ein anderer war.
Er hatte nie in der Vorstellung gelebt, dass der Tod das Ende war. Er wusste, dass er der Übergang war, das Tor zu einem anderen Reich.
Und doch, in den tiefsten Winkeln des Himmels, hatte er die Wahrheit erkannt: Der Tod, so wie der Himmel ihn verstand, war nicht das, was er zu sein schien.
Es war ein schmaler Grat, den sie alle entlanggingen.
Ihre Existenz war ein Balanceakt zwischen dem Streben nach einem höheren Zweck und der Erkenntnis, dass sie von den Mächten, die den Himmel regierten, nicht immer verstanden wurden.
Doch was Yoongi, Namjoon und Taehyung gemeinsam hatten, war die Erkenntnis, dass sie sich irgendwann von diesem Ort, von dieser Welt abwenden mussten. Der Himmel hatte sie nicht akzeptiert, sie waren zu viel für das, was der Himmel sein wollte. Sie wurden zu einer Bedrohung für die Ordnung, die sich über Jahrtausende gehalten hatte.
In den stillen, verborgenen Hallen des Himmels begannen sie, an ihren eigenen Überzeugungen zu zweifeln. Jeder von ihnen trug die Last der Unzufriedenheit mit sich, jeder von ihnen hatte irgendwann den Schmerz und die Dunkelheit gespürt, die der Himmel niemals gezeigt hatte.
Sie begannen, Fragen zu stellen, die verboten waren. Sie begannen, nach einem anderen Weg zu suchen, einem Weg, der nicht den Regeln des Himmels folgte.
Die Entscheidung, sich gegen den Himmel zu wenden, war nicht plötzlich.
Es war ein schleichender Prozess, ein wachsendes Verstehen, dass ihre Existenz mehr war als das, was ihnen vorgegeben wurde.
Die wahre Rebellion war nicht der Wunsch, den Himmel zu stürzen.
Es war der Wunsch, sich selbst zu finden. Doch dieser Wunsch war ein Verrat, und der Himmel konnte Verrat nicht dulden. Es war dieser Verrat, der sie schließlich verstoßen hatte, dieser Moment des Wissens, dass sie für die Wahrheit, die sie entdeckten, bezahlen mussten.
Sie waren nun Fallen, Wesen zwischen den Welten – weder Engel noch vollständig gefallene Geschöpfe. Und so standen sie nun hier, in dieser Welt, die sie selbst erschaffen hatten, gefangen in ihrer eigenen Wahrheit und der Dunkelheit, die sie mitgebracht hatten.
Die Verstoßung war ihre Strafe, aber auch ihre Erlösung. Sie waren fortan nicht mehr nur Engel.
Sie waren die Ausgestoßenen, die Boten der Zerstörung und der Lust, der Liebe und des Lebens – Wesen, die nicht zurückkehren konnten.
Der Himmel hatte sie verbannt und sie waren gezwungen, ihre Reise in einer Welt fortzusetzen, die sie nicht verstanden und die sie nie vollständig annehmen würden.
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Gegenwart
„Verstehst du jetzt, Jimin?“, fragte Yoongi, als seine Worte das Ende der Geschichte erreichten.
„Der Himmel ist nur eine Illusion. Und wir – wir sind die, die wirklich wissen, was es bedeutet zu leben.“
Ich stand immer noch da, den Blick starr auf den Engel des Todes gerichtet.
Die Worte, die ich gehört hatte, hallten in mir wider und das Gewicht der Wahrheit fühlte sich plötzlich viel schwerer an.
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