Schmerz
PoV Seokjin
Ich konnte nicht atmen.
Hoseok lag auf dem Boden, seine Bewegungen langsam, als würde die Dunkelheit ihn verschlingen.
Sein Schrei war nicht menschlich gewesen, sondern roh, verzweifelt - ein Klang, der mir noch lange in den Ohren widerhallen würde.
"Rennt!" hatte er geschrien, bevor er zusammensackte, seine Hände ausgestreckt, als wollte er uns noch im letzten Moment schützen.
Aber ich konnte mich nicht bewegen.
Meine Beine fühlten sich an, als wären sie in Beton gegossen, mein Kopf war leer, während meine Augen auf die Szene vor mir fixiert blieben. Jimin weinte, laut und herzzerreißend.
Jungkook hatte sich nach vorne geworfen, doch Jimin hielt ihn zurück, seine Hände um Jungkooks Arm geklammert, als wäre das die einzige Möglichkeit, ihn zu retten.
Und ich? Ich stand einfach da.
Die Engel - oder was auch immer sie waren - standen über Hoseok. Ihre Präsenz war überwältigend, eine Mischung aus Schönheit und Grausamkeit, die mich vollständig einnahm. Es war, als könnte ich nichts anderes sehen, nichts anderes fühlen.
Mein Blick blieb an einem von ihnen hängen. Er war anders als die anderen, strahlender, fast... hypnotisierend.
Seine Augen glühten wie flüssiges Gold, sein Gesicht war perfekt, als wäre es von einem Künstler mit unendlicher Geduld und Hingabe geschaffen worden.
Seine Flügel waren schwarz wie die Nacht, aber sie schimmerten in einer Art, die ich nicht beschreiben konnte - wie ein gefährlicher Tanz zwischen Licht und Schatten.
Ich wusste, dass ich Angst haben sollte.
Ich wusste, dass er Teil dieser Hölle war, die Hoseok verschlang. Aber da war etwas in mir, etwas, das ich nicht verstand. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden.
Er trat näher an Hoseok heran, sein Gesicht ungerührt, beinahe neugierig, während Hoseok keuchend nach Luft schnappte.
Es war, als würde er diesen Moment genießen, als wäre der Schmerz, den er verursachte, für ihn eine Kunstform.
"Hör auf!" wollte ich schreien, doch meine Stimme versagte.
Mein Mund war trocken, und selbst meine Gedanken schienen nicht mehr mir zu gehören.
Seine Augen wanderten kurz zu mir. Nur ein Wimpernschlag, ein Moment und doch fühlte es sich an, als hätte er durch meine Seele gesehen, jedes Geheimnis, jede Angst, jede Schwäche.
Es war, als würde ich vor ihm nackt stehen, völlig entblößt.
"Interessant," sagte er und seine Stimme war tief, wie ein dunkles Lied, das man nicht vergessen konnte.
Mein Körper zitterte.
Es war keine Kälte, die mich durchfuhr, sondern etwas anderes - etwas, das ich nicht benennen konnte, nicht benennen wollte.
Hoseoks letzter Atemzug riss mich zurück in die Realität. Seine Brust hob und senkte sich ein letztes Mal, dann wurde es still.
"Nein," flüsterte Jimin, seine Stimme erstickt. Jungkook starrte stumm auf den leblosen Körper, sein Gesicht blass, seine Augen leer.
Ich wollte etwas tun, etwas sagen, aber ich konnte nicht.
Mein Blick war immer noch auf den Engel gerichtet. Seine Augen funkelten und ein Lächeln - kalt und dennoch faszinierend - zog sich über seine Lippen.
"Seokjin, komm!" Jungkooks Stimme riss mich aus meiner Trance.
Ich riss meinen Blick von dem Engel los und sah die anderen. Ihre Gesichter waren voller Tränen, voller Panik. Doch ich konnte mich nicht bewegen.
"Seokjin!" Jimin packte meinen Arm und zog mich zurück.
Die Tür schloss sich vor uns mit einem dumpfen Knall, wie das endgültige Siegel eines Sarges.
Ich hörte Jungkooks keuchende Atemzüge, das Schluchzen, das Jimin kaum zurückhalten konnte - und mein eigenes Herz, das so laut schlug, dass es alles zu übertönen schien.
Doch die Engel waren unbeeindruckt.
Sie standen da, wie Figuren aus einer anderen Welt, unnahbar, grausam und doch von einer erschreckenden Schönheit. Hoseok lag noch immer auf dem Boden, leblos und die Dunkelheit um ihn herum schien tiefer geworden zu sein, als würde sie ihn verschlingen.
Jimin trat einen Schritt vor, sein ganzer Körper zitterte.
Tränen liefen über sein Gesicht, doch seine Stimme war scharf, fast wie ein verzweifelter Schrei: "Wer seid ihr? Warum... warum habt ihr das getan? Warum?!"
Seine Worte hallten durch den Raum, doch die Engel schienen sie kaum zu registrieren. Stattdessen war es, als würde die Luft um uns herum schwerer werden, dichter, als wäre jeder Atemzug ein Kampf.
Der erste Engel, der Engel mit den schwarzen Flügeln und den goldenen Augen, trat vor.
Seine Schritte waren lautlos, doch jede Bewegung strahlte Macht aus.
Er war derjenige, den ich zuvor angesehen hatte, derjenige, der mich nicht losließ.
"Warum?" wiederholte er leise, fast belustigt. Seine Stimme war tief und rau, wie das Knistern eines Feuers. "Warum nicht?"
"Was...?" Jungkooks Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
"Wir sind Engel," sagte ein anderer, der an seiner Seite stand.
Dieser hatte eine dunklere, unheilvollere Ausstrahlung, und seine Worte waren wie Eis, das die Haut berührte.
"Aber nicht die, an die ihr glaubt."
"Namjoon," sagte der erste Engel und ich wusste sofort, dass es sein Name war, obwohl er ihn nicht für uns bestimmt hatte.
Es war ein Moment, ein einziges Wort, und doch schien es alles in mir zu brechen.
"Taehyung, beruhige dich," erwiderte Namjoon, sein Ton ruhig, fast gelangweilt, doch seine Augen glitzerten gefährlich, als sie auf Jimin fielen.
Jimin wich einen Schritt zurück, als Taehyung lächelte. Es war kein freundliches Lächeln, sondern eines, das die Kälte in der Luft noch verstärkte.
Und dann war da noch der dritte.
Er stand still, beobachtete, als würde er die Situation analysieren. Seine Präsenz war weniger laut, doch nicht minder beängstigend. Seine Augen - dunkel und bodenlos - schienen direkt durch uns hindurchzusehen.
"Yoongi," sagte er schließlich, seine Stimme leise, fast ein Flüstern.
"Und er," er nickte in Richtung des goldäugigen Engels, "ist Namjoon."
"Das wisst ihr jetzt," fügte Taehyung hinzu und sein Lächeln wurde breiter, gefährlicher.
"Wir haben nichts getan, was nicht bereits geschehen sollte," sagte Namjoon und seine Augen wanderten zu mir.
Es war, als würde die Welt stehen bleiben.
Sein Blick traf mich und ich fühlte mich, als würde ich auseinandergerissen, Schicht um Schicht. Da war keine Kälte, keine Wärme, nur eine unbeschreibliche Macht, die mich vollkommen entblößte.
"Seokjin," sagte er und mein Name aus seinem Mund fühlte sich an, als hätte er eine unsichtbare Kette um meinen Hals gelegt.
"Ich..." Meine Stimme brach, bevor ich den Satz vollenden konnte.
Er kam näher, langsam, fast sanft, doch jeder seiner Schritte ließ die Luft in meinem Körper dünner werden. Seine Augen... sie wussten.
Alles. Jede Schwäche, jedes Geheimnis, jede Erinnerung, die ich tief vergraben hatte.
"Warum wehrst du dich nicht?" fragte er, seine Stimme leise, fast zärtlich. "Du hast schon so viel ertragen, nicht wahr? So viel Schmerz, so viel Scham..."
Mein Atem stockte.
"Was willst du von ihm?" rief Jimin, seine Stimme zitternd, aber voller Wut.
Namjoon ignorierte ihn.
Seine Augen waren nur auf mich gerichtet und ich konnte nicht wegblicken, konnte nicht fliehen.
"Ich kenne dich," sagte er schließlich, und sein Lächeln war wie eine Klinge, die tief schnitt.
"Ich kenne dich besser, als du dich selbst kennst."
Ich wollte schreien, wollte ihn wegstoßen, doch ich konnte nicht. Seine Worte waren wie Fesseln, die mich an Ort und Stelle hielten.
"Das ist genug, Namjoon," sagte Yoongi schließlich, seine Stimme ruhig, aber mit einer Autorität, die den Raum erfüllte.
Namjoon zog sich zurück, sein Blick noch immer auf mich gerichtet.
"Für jetzt," sagte er, fast beiläufig. Doch die Bedeutung hinter seinen Worten ließ meine Knie weich werden.
"Wir haben noch Zeit," fügte Taehyung hinzu, und sein Lächeln war breiter denn je.
"Mehr Zeit, als ihr euch vorstellen könnt."
Und dann war Stille.
Nur das schwere Atmen von Jimin und Jungkook und das Pochen meines eigenen Herzens, das mir in den Ohren dröhnte.
🌺
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro