♪ Highway to Hell - AC/DC
Kieran
Harris nervte mich total. Scheinbar hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, mich täglich auseinander zu nehmen. Egal was ich tat, es war nicht gut genug, egal was ich antwortete, er hatte immer noch etwas hinzuzusetzen. Langsam bezweifelte ich, ob ich die Prüfung jemals schaffen würde, denn er war nicht nur unser Ausbilder, sondern gehörte auch dem Prüfungskomitee an.
„Vermutlich will er nur deine Schmerzgrenze testen", sagte Cory, als wir abends gemeinsam den Fitnessraum aufsuchten.
„Oh, die ist ziemlich hoch, glaub' mir das", entgegnete ich missmutig und besetzte einer der Trainingsmaschinen für die Beine.
„Ich glaube, das sieht er nicht so", gab Cory bedenken.
„Mir egal, aber so einfach kriegt er mich nicht."
So schlimm, wie es sich für mich derzeit innerhalb der Akademie gestaltete, hatte ich es mir nicht vorgestellt. Hinzu kamen meine nächtlichen Träume, die mich hin und wieder heimsuchten. Natürlich wurde Cory davon wach und ich erklärte ihm in groben Zügen, dass dies mit einem Erlebnis aus meiner Vergangenheit zu tun hätte.
Morgens fehlte mir der Schlaf, Mittags war ich schon so platt, dass ich mich hätte hinlegen können und abends, wenn ich meine Ruhe haben wollte, da machte Harris seinen berühmten Rundgang durch die Zimmer.
Ich kam mir vor, wie bei den Soldaten. Allerdings kontrollierte er nicht unsere Schränke, sondern vergewisserte sich nur, dass wir anwesend waren. Ausgang war nur bis elf Uhr gestattet, dann mussten wir alle im Gebäude sein. Ich sehnte mich nach den Wochenenden, da konnte ich wenigstens nach Hause fahren. Freitags, um vier Uhr fiel der Hammer, doch heute war erst Mittwoch und ich hatte noch zwei volle Tage vor mir.
Zwei Tage, in denen Harris mich so richtig in die Mangel nahm.
Der Donnerstag begann mit einer sehr interessanten Materie, nämlich wie man sich gegenüber Kindern verhielt, welche gemeinsam mit ihren Eltern in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurden.
„Horan, wie würden Sie da vorgehen?", wollte er von mir wissen.
Schemenhaft zog die Vergangenheit an meinem inneren Auge vorüber.
„Das kommt immer darauf an, wie alt das Kind ist", erwiderte ich zunächst.
„Gut, sagen wir das Kind ist fünf Jahre alt."
Verdammt, er wusste alles über mich, das wurde mir erneut bewusst.
„Ich würde mich als ein Freund der Familie ausgeben, also mich quasi so verhalten, als sei ich mit den Eltern befreundet, damit das Kind nichts merkt. In diesem Alter versteht man das noch nicht wirklich", erklärte ich ruhig, obwohl mein Herz bis zum Hals schlug.
Alistair, Harry, Louis, Briana, Liam, Sophia und Eleanor hatten mich niemals spüren lassen, dass sie aus beruflichen Gründen an unserer Seite verweilten. Lange Jahre war ich der Ansicht gewesen, dass sie Freunde meiner Eltern seien. Im Grunde genommen verhielt es sich auch so aber die berufliche Komponente ihrer Anwesenheit nahm den größeren Teil ein. Ständig mussten sie auf der Hut sein und zudem immer gute Miene zum bösen Spiel machen. Für mich gehörten diese Menschen damals zu unserem Leben dazu, ich machte mir keine Gedanken, weshalb wir mit Freunden gemeinsam in einem Haus in Nord Alaska lebten oder warum ich einmal für einige Wochen bei Rosie und Alistair zu Hause wohnte, während meine Eltern durch die Weltgeschichte gondelten.
Es war richtig, mir nichts zu sagen, ich hätte es damals nicht verstanden.
Harris nickte mir zu, es war das erste Mal, dass er nichts auszusetzen hatte. „Das ist korrekt, Horan. Man sollte gerade kleinere Kinder dies niemals spüren lassen. Aber dazu müssen Sie auch Vertrauen zu dem Kind aufbauen. Wie würden Sie da vorgehen?"
Durchdringend blickte Harris mich an, so als ob er die perfekte Antwort erwartete.
„Ich würde versuchen, möglichst nahe an das Kind heranzukommen, das mit ihm zu machen, was es gerne tut."
Die Zoobesuche mit Harry, auch in den späteren Jahren, waren mir immer in guter Erinnerung geblieben. Ich hatte nichts von alldem vergessen, mich durch die Behandlung bei meiner Psychologin an vieles besser erinnert.
Immerhin schien Harris zum ersten Mal nichts an meiner Antwort auszusetzen zu haben. Dafür stellte er uns vor eine neue Herausforderung.
„In der nächsten Woche bekommen Sie jeweils ein Kind zugeteilt, für das Sie zwei Tage verantwortlich sein werden. Die Kinder werden morgens hierher, in die Akademie gebracht und abends wieder abgeholt. Denken Sie nicht, dass dies so einfach werden wird."
Wir hatten also quasi ein Wochenende um uns darauf vorzubereiten. Am heutigen Tag beschäftigten wir uns mit theoretischen Szenarien, die auf einem zukommen konnte, wenn man Kinder schützte. Sie rissen sich los, liefen davon, all dies hatte ich hinter mir und ich wusste, wie schwer es damals für Harry und die anderen gewesen war. Selbst für meine Eltern war es ein Albtraum, als Dimitri, der für die russische Mafia arbeitete, mich entführte. Man durfte die Kinder aus dem Zeugenschutz praktisch nicht eine Minute aus den Augen lassen.
Den ganzen Tag beschäftigten wir uns mit der Materie, dabei wurde besonders das Bringen und Abholen von der Schule oder einem Kindergarten ins Blickfeld gerückt. Auch hier bot man ein leichtes Angriffsziel.
Das Schlimme war, dass man uns nur für diese Situationen sensibilisieren konnte, mehr nicht. Wenn das Fall eintrat, war man auf sich alleine gestellt. Das galt im Übrigen auch für die Erwachsenen, die man zu schützen hatte. Immer wieder rief Harris uns in das Gedächtnis, dass wir für das Leben unserer zukünftigen Klienten verantwortlich seien und uns kein Fehler unterlaufen dürfte.
Der Freitag gestaltete sich total anders als erwartet, denn Harris verkündete am Morgen, dass heute Teil eins des Fahrtrainings stattfinden würde. Natürlich war ich Feuer und Flamme und konnte es kaum erwarten, den schnellen Wagen durch die Kurven zu prügeln. Zu diesem Zweck durften wir eine der Strecken auf einem abgegrenzten Gelände benutzen, die eigens dafür zur Verfügung standen.
„Oh Gott, ich kann es kaum erwarten, das Ding in Gang zu setzen", meinte Cory, der neben mir stand, als wir die Autos zum ersten Mal zu Gesicht bekamen.
„Ich auch nicht", erwiderte ich.
Letzte Woche hatten wir in einem Fahrsimulator gesessen, der uns das Gefühl einer Verfolgungsjagd vermitteln sollte, aber Harris hatte immer wieder betont, dass wir dies in der Praxis, mit echten Wagen üben würden. Heute war es endlich soweit.
Da es regnete, wurden wir gleich nochmal härter gefordert, was Harris und Mr Hill, der den bösen Buben verkörperte, jedoch immens zu freuen schien.
„Bei trockenem Wetter macht das Ganze doch gar keinen Spaß", kommentierte Mr Hill, ein drahtiger Zeitgenosse, den wir bereits kennengelernt hatten, als wir den Fahrsimulator benutzten. Er hatte unser Schwächen und Stärken genau gesehen, was einen anstrengenden Tag garantierte.
Da wir die Übung in Alphabetischer Reihenfolge durchzogen, war ich der Dritte, der in den Wagen steigen durfte. Vor mir kamen Ruppert Adamsallen und Tobias Clark an die Reihe. Da die Strecke sehr lange und kurvig war und zudem durch hügeliges Gelände führte, konnten wir alles nur über einen großen Bildschirm beobachten, auf welchen die Kameras, die überall an der Streckenführung angebracht waren, ihre Bilder sendeten. Während wir alles anschauten, gab Harris seine Kommentare ab, die uns wissen ließen, dass es hart werden würde. Außerdem ließen sich die Schwierigkeiten live verfolgen, wenngleich wir nicht wussten, was sich Hill für den nächsten Anwärter ausgedacht hatte.
Als Tobias endlich mit dem Wagen eintraf, erhob ich mich automatisch, doch Harris hielt mich kurz zurück.
„Horan, ich habe mir sagen lassen, dass Sie einen rasanten Fahrstil haben. Dann zeigen Sie mal, ob er Ihnen was nützt."
Seine sarkastische Bemerkung hätte er sich sparen können. Ohne ein Wort zu sagen, stieg ich in den schwarzen Porsche, das gleiche Modell, wie Louis es fuhr. Damit kannte ich mich nun besten aus und war dementsprechend locker, als ich den ersten Gang einlegte und den Wagen ins Rollen brachte. Direkt neben mir tauchte Hill mit einem nicht minder PS-starken Auto auf. Ich bekam die Anweisung ihm einen gewissen Vorsprung einzuräumen und als er um die erste Kurve verschwand, ließ ich den Motor kurz aufheulen.
Jetzt konnte es endlich losgehen.
Hill einigermaßen auf den Fersen zu bleiben, gestaltete sich schwieriger als gedacht, denn er beherrschte sein Fahrzeug und kannte zudem die Strecke wie seine Westentasche. Er war klar im Vorteil und so würde es auch manchmal sein, wenn man jemanden im echten Leben verfolgte. Fluchend trat ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch, als er mir erneut davonfuhr. Der nächste Hügel kam näher und ich hatte keine Ahnung, was sich hinter der Bergkuppe verbarg. Trotzdem blieb ich auf Angriffskurs, ich dachte gar nicht daran langsamer zu werden. Steil ging es oben und auf der anderen Seite wieder nach unten, bis plötzlich eine scharfe Kurve vor meinen Augen auftauchte.
Das Letzte, was ich erblickte waren die roten Rückleuchten von Hills Auto, das sich erneut aus dem Staub machte. Aber ich gab nicht auf. Wenigstens ich wollte ihn einholen und stellen, das was die anderen beiden vor mir nicht geschafft hatten. Ungeachtet der Tatsache, dass sich auf der Strecke immer wieder große Pfützen befanden, prügelte ich den Porsche durch die nächste Kurve. Als die Rücklichter von Hills Wagen wieder vor meinen Augen auftauchten, grinste ich zufrieden drein. Eine lange Gerade lag vor uns, was ich als Chance sah, ihn endlich zu schnappen.
Immer näher kamen die Rücklichter, ich holte mächtig auf und fragte mich ernsthaft, warum er nicht einfach Gas gab und versuchte mich abzuhängen.
Wasser spritzte gegen die Scheiben, als ich durch die nächste riesige Wasserlache preschte und plötzlich kam die nächste scharfe Biegung der Straße. Hill hatte vorher abgebremst, ich jedoch nicht und somit raste ich mit relativ hoher Geschwindigkeit darauf zu. Eine Vollbremsung bei der Nässe der Fahrbahn zu veranstalten wäre einem Selbstmord gleichgekommen, also blieb nur eine Möglichkeit. Runter vom Gas und versuchen nicht aus der Kurve zu fliegen.
Mit aller Macht versuchte ich den Porsche auf der Bahn zu halten, doch der Wagen verfolgte seine eigenen Pläne. Er brach schneller aus, als ich schauen konnte, mir stand der kalte Schweiß auf der Stirn, doch ich hatte nicht den Hauch einer Chance, als der Wagen eiskalt die Spur verließ, um auf die großen Heuballen zuzusteuern, die überall neben den haarscharfen Kurven aufgestellt worden waren. Aus Sicherheitsgründen, die sich als total richtig erwiesen, denn das spürte ich in jenem Moment.
Der Aufprall war hart genug, um die Airbags zu aktivieren, welche mich vor schlimmen Verletzungen bewahrten.
Meine Knie fühlten sich wie Pudding an, als ich versuchte aus dem Porsche zu steigen. Hill hatte sofort gewendet, er besaß eine Kamera in seinem Wagen, die aufzeichnete, was mit dem Fahrzeug hinter ihm geschah.
„Horan, sind Sie in Ordnung?", lautete seine besorgte Frage, während ich mir an den Kopf fasste.
„Ich glaube schon, Sir."
Das Rasen meines Herzens ignorierend, fühlte ich die Trockenheit in meinem Mund und stellte die Frage, vor deren Antwort ich am meisten Angst hatte.
„Bin ich jetzt raus?"
Hill starrte mich an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen, dann sagte er: „Nein, denn sowas passiert auch bei einer richtigen Verfolgungsjagd. Sie sind aufs Ganze gegangen, was ich so nicht erwartet hätte. Ich habe Sie gereizt und Sie sind darauf angesprungen."
Der leicht verbeulte Porsche stand am Straßenrand, so als ob er mich auslachen würde, weil ich einem hervorragenden Fahrer auf den Leim gegangen war.
„Steigen Sie ein, Horan. Wir fahren zurück", forderte Hill mich auf. „Der Wagen muss abgeholt werden und Harris sollte den Zweitwagen kommen lassen."
„Was? Es gibt mehrere für das Training?"
Laut prustete Hill los. „Oh ja, ist nicht das erste Mal, dass sowas passiert."
Mit gemischten Gefühlen nahm ich meinen Platz auf dem Beifahrersitz ein, bevor Hill den Motor aufheulen ließ, um zu unserem Ausgangspunkt zu fahren. Dort warteten die anderen einschließlich Harris, der mich mit einem undefinierbaren Blick bedachte. Vermutlich würde er mir gleich den Hintern aufreißen.
Zu meiner Überraschung blieb er jedoch ziemlich gelassen und sagte nur: „Ich habe das Zweitfahrzeug bereits angefordert. Es steht in wenigen Minuten zu Verfügung. Außerdem wird der Porsche gleich abgeholt."
Bevor er sich umdrehte, wandte er sich an mich: „Wir sprechen uns später, Horan."
Cory sprach mich an, als ich auf ihn zutrat. „Alter, was hast du angestellt? Das sah böse aus, wir dachten schon, dir ist was passiert."
„Nein, wie du siehst, ist alles heil", entgegnete ich halbwegs erleichtert. „Pass auf die Kurven auf, lass ihn lieber davonfahren", legte ich meinem Mitstreiter ans Herz.
„Wird gemacht", versprach er, denn er war als nächster dran.
Einer nach dem anderen kam an die Reihe, nachdem das Ersatzfahrzeug eingetroffen, und der lädierte Porsche von der Strecke geräumt worden war. Niemand gelang es Hill einzuholen, er fuhr einfach wie der Teufel persönlich. Ich hatte riesigen Respekt vor diesem Mann, der anschließend an das Training lange Gespräche mit jedem einzelnen führte, wobei Harris stets zugegen war.
„Horan, ich bin beeindruckt von ihrem Fahrstil. Der kommt ja fast an Tomlinson heran", meinte er.
„Bitte was?" Ein wenig überrascht schaute ich drein, da sprach Harris auch schon.
„Lobe ihn nicht zu sehr." Er machte eine kurze Pause, um dann zu sagen: „Ihr Fahrstil passt zu Ihrer Arroganz, Horan. Seien Sie vorsichtig und schließen Sie nicht über das Ziel hinaus, das könnte böse ins Auge gehen. Ansonsten wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag."
Mit Louis verglichen zu werden, ehrte mich sehr und dass Hill sogar dessen Fahrstil kannte, ließ mich wissen dass die beiden sich vermutlich in der Vergangenheit einige Male über den Weg gelaufen waren. Aber von Harris als arrogant bezeichnet zu werden, das nagte doch sehr an mir. Das ungute Gefühl, welches ich mit mir herumtrug, seit er dies ausgesprochen hatte, verging auch nicht, als ich mich später auf den Heimweg machte. Dieses Mal fuhr ich ausgesprochen vorsichtig, denn das heutige Erlebnis mit dem Porsche reichte mir vollkommen.
Was Louis wohl dazu sagen würde, wenn er dies erfuhr?
Es war kurz nach sieben am Abend, als ich in meinem Elternhaus eintraf. Alle waren anwesend, zu meiner Freude saß Aiden gemeinsam mit Lennard und meinen Eltern am Esstisch. Freudig wurde ich begrüßt, Mum umarmte mich und stellte sogleich einen Teller hin, damit ich mitessen konnte.
Die Stimmung wirkte locker und ausgeglichen, deshalb sah ich davon ab, von meinem kleinen Unfall zu berichten. Das würden sie noch früh genug erfahren, spätestens wenn Louis mal wieder zu Besuch kam.
Direkt nach dem Essen versuchte ich Freddie anzurufen, aber ich erreichte ihn nicht. Lediglich die Mailbox meldete sich und deshalb hinterließ ich dort eine Nachricht für ihn. Mein bester Freund sollte nicht glauben, dass ich ihn vergessen hatte, nur weil ich zurzeit viel um die Ohren hatte.
Doch kaum hatte ich meine Nachricht fertig gesprochen, da rief er mich an.
„Hey, Kieran, alte Socke, wie geht es dir?" Freddie klang euphorisch, fast so als ob er sich in einem Rausch befinden würde und ich sollte auch gleich den Grund erfahren.
„Du klingst, als ob man dir gerade das Gehirn freigeblasen hat", zog ich ihn auf.
Sein lautes Lachen erklang in meinen Ohren. „Lass das bloß nicht Lorena hören, sie ist gerade nebenan im Bad."
„Was? Sag bloß, ihr seid wieder zusammen?"
„Ja, ich habe es geschafft. Wir hatten ein Date in einem netten Restaurant, redeten über alles und da ich inzwischen ja einen anständigen Job habe, gibt es keinen Grund, weshalb wir es nicht miteinander versuchen sollen."
Ich gönnte ihm sein Glück von Herzen, die beiden passten so wunderbar zusammen.
„Dann will ich nicht weiter stören", sagte ich grinsend.
„Du störst niemals, Bro. Wie sieht es aus, treffen wir uns morgen Abend? Ich würde Lori mitbringen, wenn es dir nichts ausmacht. Sieben Uhr in unserem Stammpub?"
„Geht klar."
Ich freute mich wahnsinnig darauf, die beiden zu sehen und obwohl ein Teil meines Herzen unglaublich erleichtert war, so wurde der andere Teil plötzlich unsagbar schwer. Als ich meine Augen schloss, sah ich Tia vor mir, fühlte ihre zarten Hände auf meiner nackten Brust, spürte ihre vollen Lippen auf meinen und begann automatisch zu träumen. In St. Ives hatte ich den schönsten Sommer meines Lebens verbracht. Ich würde alles dafür geben, die Zeit zurückdrehen zu können, um ihr die drei magischen Worte zu sagen. Aber vorbei war vorbei, ich hatte meine Chance damals einfach vertan. Außerdem würde dies nichts an unserer Situation ändern. Sie war und blieb unerreichbar für mich.
Langsam erhob ich mich aus meinem Bett und griff nach meiner Geldbörse, die auf dem Schreibtisch lag. Dort holte ich die Münze hervor, die Tia mir einst in New York schenkte, als wir noch Kinder waren. Diese war zu einem ständigen Begleiter geworden, ich trug sie immer bei mir. Traurig blickte ich auf das Geldstück, einen russischen Rubel und urplötzlich poppte der Gedanke nach ihrem Vater in meinem Kopf auf. Ob er wohl noch am Leben war?
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Eigentlich hatte ich am Samstag so richtig ausschlafen wollen, doch mein Handy machte mir einen Strich durch die Rechnung. Bereits um halb neun meldete ich Louis bei mir.
„Guten Morgen, Kieran, bist du fit?", dröhnte mir seine Stimme ins Ohr, während ich damit kämpfte, die Augen offen zu halten.
„Es kommt darauf an wofür", stellte ich die Gegenfrage, welche sogleich beantwortet wurde.
„Ich würde dich gerne abholen kommen, damit du mich zu einem wichtigen Gespräch begleitest."
„Ok, ich stehe gerade auf und beeile mich", erwiderte ich ein wenig verwundert. Allerdings wäre es mir nie in den Sinn gekommen, eine solche Einladung meines zukünftigen Chefs abzulehnen. Louis musste einen triftigen Grund haben, mich an einem Samstagmorgen aus dem Bett zu schmeißen, wo er doch genau wusste, wie gerne ich ausschlief.
„Ich bin in einer halben Stunde da, schaffst du das?"
„Natürlich."
In Windeseile duschte ich, zog mich an und lief die Treppe nach unten, wo meine Eltern bereits in der Küche saßen, um sich das Frühstück einzuverleiben.
„Na, schon so früh auf?", meinte Dad grinsend, während er mir einen Berg Rühreier auf den Teller häufte, die frisch aus der Pfanne kamen.
„Louis kommt mich nachher abholen", erklärte ich, bevor ich mich über das Frühstück hermachte.
Mums Frage, was er denn wolle, konnte ich leider nicht richtig beantworten und so gaben sich die beiden mit der Tatsache zufrieden, dass ich gleich weg sein würde. Es dauerte auch nicht lange, da läutete es an der Tür. Louis war echt superpünktlich und ich zog schnell meine Jacke über, nachdem er meine Eltern kurz begrüßt hatte. Auch hier ließ er nicht verlauten, wohin uns die Reise führte, erst als wir beide in seinem Porsche saßen, dessen Anblick mich unweigerlich an das zerbeulte Exemplar der Akademie erinnerte, begann er zu sprechen.
„Wir fahren jetzt nach Belmarsh."
Für eine Sekunde starrte ich ihn perplex an. „Was machen wir denn dort?"
Niemals hätte ich erwartet, heute eines der größten Gefängnisse Englands aufsuchen zu müssen.
„Wir besuchen jemanden, er hat darum gebeten dich sehen zu dürfen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei ihm um einen wichtigen Zeugen handelt, wollte ich seiner Bitte nachkommen."
Mein Herz schlug schneller, der Verdacht, der in mir aufkeimte, erhärtete sich noch, als Louis den nächsten Satz aussprach.
„Er ist mein größter Fang und wir sind ganz gespannt darauf, welche Informationen er uns geben wird."
„Habt ihr Nicholas Romanow eingebuchtet?", platzte ich heraus, worauf Louis spitzbübisch grinste.
„Aber warum will er mich sehen?" Es ging mir nicht in den Kopf, denn ich war noch in kleines Kind gewesen, als die Dinge in New York stattfanden. Er hatte keinerlei Bezug zu mir, es sei denn es ging um Tia. Ein Frösteln durchzog meinen Körper, als ich daran dachte, dass ich mit ihr geschlafen hatte. Gott sei Dank wusste Romanow nichts davon, er wäre sicherlich nicht erbaut davon, seine Tochter mit einem Polizisten im Bett zu erwischen.
„Er hat darum gebeten und einem von der Mafia schlägt man nichts ab, wenn man etwas von ihm will. Zumindest nichts, was machbar und legal ist", erwiderte Louis. Anschließend musterte er mich von der Seite. „Was für ein Gefühl war es eigentlich, als du den Porsche gegen die Heuballen gefahren hast?"
Für einen Moment setzte meine Atmung aus. Woher wusste er das schon wieder?
„Ähm, nicht gut", erwiderte ich nachdenklich.
„Kann ich mir vorstellen, nun ja, Hill meinte, du seist grandios gewesen."
Sofort hakte ich nach. „Woher kennst du ihn so gut?"
Jetzt lachte Louis laut auf. „Hill und ich sind zusammen ausgebildet worden. Er schlug nur eine andere Laufbahn ein, aber wir arbeiteten immer eng zusammen, vor allem was die Ausbildung im Zeugenschutz anging. Er ist ein Pfundskerl."
„Den Eindruck habe ich auch, im Gegensatz zu Harris, der hat mich auf dem Kieker", stöhnte ich.
„Ach komm, nur noch sechs Wochen und du hast es geschafft."
Inzwischen hatten wir das Gefängnis erreicht, Louis zeigte seinen Ausweis und prompt öffnete man die Tore. Ich hatte Belmarsh einmal während meiner Ausbildung zum Polizeibeamten besucht, aber so groß hatte ich es nicht in Erinnerung, wie es sich nun vor meinen Augen auftat.
Da Louis genau wusste, wohin der Weg uns führte, folgte ich ihm einfach durch die unzähligen Türen, Sicherheitskontrollen und Gänge, bis wir letztendlich vor einer der Zellen stoppten, in denen die Häftlinge der Einzelhaft untergebracht waren.
Der Wärter schloss auf und Louis schob mich einfach hinein. Mein Herz raste und ich schluckte kurz, während ich innerlich von der kahlen Zelle erdrückt wurde.
Der Mafia Boss schaute genau in meine Richtung, wir musterten uns stumm, so als ob wir uns gegenseitig einschätzen wollten. Noch immer sprach er kein Wort, doch es war Louis, welcher der Ruhe ein Ende bereitete.
„Du wolltest Kieran sprechen, hier ist er."
In diesem Moment fielen mir alle meine Sünden ein.
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Kieran hat es nicht leicht. Zuerst den Stress während der Ausbildung und jetzt muss er auch noch Nicholas gegenübertreten.
Wie fandet ihr Kierans "Glanzeinlage" beim Fahrtaining?
Und wie gefällt es euch, dass Freddie und Lorena wieder zusammen sind?
Im letzten Kapitel hatte ich eine Abstimmung für den Shipnamen für Lennard und Aiden gestartet. Nach der Auszählung hat der Name Leaiden gewonnen. Danke an alle, die mitgemacht haben. Ebenso danke ich euch vor die Votes und Kommentare.
Die SOUL-Leser haben es schon mitbekommen aber ich gebe es nochmal hier bekannt. Im Winter wird meine neue Niall-Story starten. Sie trägt den Namen Cross Road und ist bereits auf meinem Profil zu finden. Wenn ihr mögt, könnte ihr sie schon in eure Bibliothek packen, das würde mich sehr freuen.
Das nächste Update von Blood Shed kommt 25.08.17, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag.
LG, Ambi xxx
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