47. Kapitel
Arcadia
Ich liebe dich...
Seine Worte hallen in meine Ohren wider, als hätte er diese in ein Mikrofon mit Echofunktion geflüstert. Ich liebe ihn auch. Aus tiefstem Herzen. Von wegen „verbannt in die tiefste Ecke meines Unterbewusstseins", ich mache mir selbst etwas vor.
Am liebsten hätte ich ihn vor dem Haus von Clints Eltern geküsst, aber ich wollte seinen schwachen Moment nicht ausnutzen oder ihn noch mehr verwirren.
Ich weiß nicht, wann ich Askan das letzte Mal hab weinen sehen. Es muss Jahre her gewesen sein, weil ich mich nicht einmal erinnern kann, wie er dabei aussieht. Aber jetzt weiß ich es. Seine großen, schönen Augen füllen sich mit Tränen und seine Nase wird genauso rot wie meine.
Nicht ich bin the rednose Reindeer, sondern du Askan.
Nichtsdestotrotz ist es wirklich schwach von Melory, ihn so zu belügen. Er hat es einfach verdient, dass man ihm die Wahrheit sagt. Wir sind in einem Alter, wo uns durchaus bewusst ist, dass Liebe nicht erzwungen werden kann. Deshalb verstehe ich nicht, warum seine Mom und sein Dad ihm die Trennung verheimlicht haben.
Ich möchte es ungern aussprechen, aber ich ahne Böses. Ich bin mir zum einen ziemlich sicher, dass bei Askan und seiner Mom daheim die Fetzen fliegen werden und zum anderen, dass er dann einfach abhauen wird. Ich kenne ihn, wenn Diskussionen ausarten, ergreift er die Flucht.
Kurzzeitig habe ich überlegt, mich an dem Küchenfenster der Harrisons zu positionieren, um notfalls einschreiten zu können. Den Gedanken, Bond-mäßig die Scheibe einzuschlagen und durch den offenen Fensterrahmen zu springen, um dann nach einer eleganten Bodenrolle wie eine Eins dazustehen, habe ich sehr schnell verworfen.
Erstens bin ich zu schwach, um die Glasscheibe einzuschlagen und zweitens kann ich gerade so über den Sims sehen. Ich bin nicht einmal für den Weitsprung an unserer Schule athletisch genug. Und die Vorgabe für ein Sportabzeichen, schaffen sogar Kinder aus der junior High.
Vielleicht warte ich doch lieber vor seiner Haustür... Andererseits sind wir Nachbarn und am Abend wird es wirklich frisch draußen. Eventuell stelle ich mich mit Dads altem Fernglas an eines unserer Fenster, und versuche so einen Blick zu erhaschen.
Je näher wir unserer Straße kommen, desto flauer wird das Gefühl in meinen Magen. Ich merke außerdem, wie Askans Atmung sich beschleunigt, sein Blick sich verfinstert und es in seinem Inneren brodelt.
Das Auto kommt zum Stehen. Ich schalte das Licht an, um mir Askans Gemütszustand nochmal genauer zu vergegenwärtigen. Außer der pochenden Wutader auf seiner Stirn und der feinen Schweißperlen auf seiner Nase, hat sich rein gar nichts geändert.
Er scheint immer noch stocksauer zu sein.
Askan
Erneut bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich kurz vor der Explosion stehe. Ich muss mich nur so lange beherrschen, bis Cadi das Haus ihrer Eltern betreten hat. Ich will nicht, dass sie oder sonst jemand von den Nachbarn etwas mitbekommt, sollte der Streit eskalieren.
Und wie dieser Streit eskalieren wird...
„Bitte versprich mir nicht auszurasten." Cadis große, braune Augen haben komischerweise eine beruhigende Wirkung auf mich. Sie legt ihre kühle Hand auf meine und beugt sich zu mir rüber. Für einen kurzen Augenblick stockt mir der Atem, weil ich ernsthaft angenommen habe, dass sie mich küssen will. „Du mir versprechen das musst. Enorm wichtig das ist", sagt sie mit verstellter Stimme, während sie Meister Yoda imitiert. Dabei berührt sie mit ihrer Nasenspitze meine.
War das ein Versehen?
Mein Herz springt mir gleich aus der Brust, wenn ich es nicht herausfinde...
Ich ziehe meine Hand unter Cadis hervor und lasse sie in ihren Nacken gleiten. Ohne großartig darüber nachzudenken, presse ich meine Lippen auf ihre und mache mich darauf gefasst, dass ich vermutlich eine heftige Ohrfeige kassieren werde. Doch dem ist nichts so, im Gegenteil. Sie schlingt ihren Arme um mich und erobert mit ihrer Zunge meinen Mund.
Was zum... was passiert hier gerade. Ich kann nicht aufhören...
Als ich für eine Sekunde lang zur Besinnung komme und mich zurückziehen möchte, wird Cadis Umarmung fester. Sie streift mit ihrer Nase meinen Mund, als wollte sie, dass ich nicht aufhöre sie zu küssen.
„Wenn du jetzt nicht sofort damit aufhörst, dann brichst du nicht einfach nur ein Herz, sondern du zerstörst auch noch eine Freundschaft", höre ich mein Gewissen schreien.
Cadis Lippen fühlen sich sogar noch besser an, als in meiner Vorstellung.
„Stopp!"
Sie sind so weich, als wären sie speziell für's Küssen erfunden worden.
„Hör auf damit!"
Ihr Duft ist so leicht und süß, als würde man in einem Meer aus frischen Blumen stehen.
„Du bist komplett irre..."
Das Gefühl, ihrer Zunge auf meiner, ist einfach unbeschreiblich gewesen.
„Und so sollte es auch bleiben... unbeschreiblich, weil du gar nicht wissen solltest, wie sich ihre Zunge anfühlt!"
„Ich lieben dich tu, Askan", raunt sie in mein Ohr. „Schon immer..."
„Oh Gott... okay, dass macht alles komplizierter. Ich ziehe mich zurück. Klein Askis Gewissen over and out."
„Schon... immer...", fasele ich ihr nach und bemerke, wie mein Hirn erst jetzt die Bedeutung ihrer Worte verarbeitet. „Ja, Askan... schon immer."
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