27. Kapitel
Triggerwarnungen: Alkoholkonsum, Drogen,
sexuelle Inhalte, Schimpfwörter.
Zwei Monate vor dem Umzug in die USA.
Otilia
„Bald sind wir da, es dürfte nicht mehr allzu lange dauern."
Ich nicke stumm und öffne das Fenster - die klare Luft des Meers vermischt sich mit den Abgasen der Stadt.
Zu schade...
Wir fahren an unzähligen Häusern vorbei, dann an Bäumen, an Höfen... alles sieht gleich aus und langweilt mich.
„Lass uns etwas trinken gehen. Ich habe das Bedürfnis, ein paar Drinks zu nehmen."
„Du kannst eine Caprisonne haben, wenn du möchtest, aber Alkohol kommt nicht in Frage."
„Mimimimi... du bist so eine scheiss Moralapostel, Léon. Ich mochte Simon viel mehr als dich, der hat wenigstens seinen Schwanz ausgepackt, wenn mir danach war."
„Tja und jetzt hat er keinen mehr", er räuspert sich, als wäre ihm das gerade herausgerutscht.
„Léon?"
„Ja?", fragt er mit belegter Stimme. Ich bin mir sicher, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege.
„Du weißt nicht zufällig, was mit Simon und den anderen Personenschützern passiert ist, oder?"
„Wie kommst du darauf?"
„Nur so eine Frage...", schwindle ich.
„Okay."
„Okay? Was soll das, dieses okay..."
Der Kerl macht mich wahnsinnig! Wieso können Männer nie eine klare Aussage treffen?! Was soll diese Geheimniskrämerei?
„Okay eben. Ist nur so eine Antwort, genauso wie du ‚nur so eine Frage' stellst."
„Scheiße, Léon! Du langweilst mich!"
Ich schlage mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett.
„Ich bin auch nicht hier, um dich zu entertainen, Otilia."
„Halt an", fordere ich ihn auf. Und ob er hier ist, um mich zu bespaßen.
„Ich kann hier nicht halten, du musst dich noch ein wenig..."
„Du sollst verfickt nochmal anhalten!"
Ich werde lauter, doch Léon lässt das sichtlich kalt. Er aktiviert die Kindersicherung und ignoriert mich einfach.
Wieso bringt er mich nur immer so auf die Palme?! Hat er Angst, dass ich aus dem fahrenden Wagen springe? Ich bin doch nicht bei den Expendables.
„Weißt du, was ich nicht verstehe? Und bevor du antwortest, die Frage ist rhetorisch", sagt er und biegt in eine Haltebucht. „In einem Moment, bist du total liebenswürdig und setzt dich für schwächere ein... weinst, weil du deine Familie und Freunde nicht zurücklassen willst..."
„Lass mich raten... und im nächsten führe ich mich auf, wie eine Bitch?", frage ich mit einem apathischen Lächeln.
„Nein..."
Nein? Das kam überraschend.
„Im nächsten Moment tust du mir einfach nur leid, Otilia. Du setzt tagtäglich deine Maske auf und lässt Außenstehende in dem Glauben, dass du einerseits unerreichbar bist, andererseits leicht zu haben. Du versuchst den Schmerz in dir mit Alkohol, Drogen und Sex zu betäuben...
W-Was... sagt er da?
„Ist es wirklich das was du für dich willst, Otilia? Denkst du wirklich, dass das die Lösung deiner Probleme ist?"
Ich kann nicht antworten, weil ich sonst wieder anfange zu weinen. Ich fühle mich wie das kleine Mädchen von damals, das nicht verstanden hat, wieso ihre Mama sich ihr gegenüber auf einmal anders verhält.
„Ich sehe die Person hinter der Maske. Ich sehe deine Seele und sie ist gut. Du bist stark und so viel mehr als das, was du vorgibst zu sein."
Eine heiße Träne rollt über meine Wange, wie eine winzige Lavakugel.
Ich seufze und sage: „Nett gesagt... falsch gedacht." Gleichgültigkeit schwingt in meiner Stimme mit.
Anschließend wandert mein Blick zu Léons Oberarmen. Meine Mitte pulsiert, wenn ich dieses Tier von einem Mann so vor mir sehe.
Ich brauche dringend eine Ablenkung... muss für einen Augenblick loslassen...
„Ich bin eine Bitch, weil ich das besonders gut kann. Aber du wirst es nie erfahren, weil du mich nicht fickst. Manche Menschen wollen auch einfach unwissend sterben, ohne vorher am wirklich guten Honig geleckt zu haben. Ihnen reicht billiger Agavendickssaft."
„Was meinst du mit unwissend?", möchte er wissen.
Wie gut, dass er gerade dieses Wort als aufgeschnappt hat... er hat wirklich ein Talent dafür, für ihn unwichtige Dinge auszublenden.
„Wie es wäre mich zu ficken..."
„Ach und du denkst, dass ich noch nie darüber nachgedacht habe? Du denkst, dass ich dich nicht ficken will? Dass ich nicht jedes Mal an dich denke, wenn ich dabei bin mir einen zu wedeln?"
Ich schlucke hart und laut. Mein Herzschlag wird schneller...
„Ich will dich nicht ficken, Otilia."
„Warum erzählst du mir das alles dann?", hake ich verbissen nach.
„Ich will dich nicht ficken, weil du kein Ding bist Otilia. Du bist ein Mensch, eine Frau... und du hast es verdient respektvoll behandelt zu werden."
Es sticht... mein Herz.
Zeig keine Schwäche Otilia... sonst wird er dir wehtun... alle tun das irgendwann. Und falls er es nicht mehr kann, wird Tata dir wehtun, indem er dir alles nimmt, was du liebst...
„Bullshit! Du hast Angst vor den Konsequenzen, die dich erwarten...", fauche ich.
„Nein. Wenn du denkst, dass ich Angst vor deinem Vater habe, dann täuscht du dich gewaltig."
„Was ist es dann?! Sag es mir, du weichgewordener Waschlappen! Und hör gefälligst auf, um den heißen Brei zu reden!"
Ich bin so geladen, wie ein Atom kurz vor der Spaltung.
„Ich liebe dich Otilia, seit dem Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich will dich nicht ficken, weil ich Angst habe dir das Herz zu brechen... ich will dich küssen und umarmen... und was ich mir am meisten wünsche ist, dich lächeln zu sehen..."
Ich... ich...
„Kannst du dich an den Tag erinnern, als wir uns kennengelernt haben?" Ich nicke, wie betäubt. „Du hast die Ballons für den vierzigsten Geburtstag deiner Mama aufgeblasen und dabei mit deinem Hund gespielt... du warst so wunderschön und hast so unbeschwert gelacht... ich wünschte, dass du immer so lachen könntest..."
Seine Worte schnüren mir die Kehle zu... berühren mein Herz und erfüllen meine Seele.
Mit einem Mal, nimmt Léon mir all meine Unsicherheit und all den Schmerz.
„Ich habe mich in dein Lächeln verliebt... wie könnte ich dich also jemals benutzen und wegwerfen, wenn ich dich doch eigentlich für immer behalten will..."
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