7 | Entschluss & Lüge
Das Schlimmste ist überstanden. Das versuche ich mir, seitdem ich ein weiteres Mal mit Trevor und Rebecca in einem Auto sitze, immer wieder klarzumachen.
Natürlich hat er es sich nicht nehmen lassen, uns auch wieder zurück ins Büro zu fahren, obwohl wir zu Fuß nur zehn Minuten unterwegs wären. Mein Angebot, dass ich auch laufen könnte, um ihnen ein wenig Zeit zu zweit zu verschaffen, hat Rebecca sofort ausgeschlagen, während Trevor den Eindruck machte, ebenfalls nicht sonderlich erpicht von der Idee zu sein, mich erneut mit seinem Auto durch die Gegend zu fahren.
Ich muss nicht erwähnen, dass ich diese Situation noch immer nicht als angenehm bezeichnen kann. Die Tatsache, dass Trevor sich auch noch so merkwürdig mir gegenüber verhalten hat, nachdem Rebecca mich mit der Planung der Feier beauftragt hat, ist ebenfalls merkwürdig. Es hat den Eindruck gemacht, als würde er sich darüber freuen, was gleichzeitig aber auch absoluter Quatsch ist.
Wieso sollte er sich für mich freuen? Er hat mich nicht erkannt und weiß somit nicht, dass ich diejenige war, die er auf dem Maskenball angesprochen hat. Somit wären wir entweder zwei Fremde Menschen. Oder aber, er weiß doch, wer ich bin und zieht im Hintergrund irgendwelche Fäden, damit Rebecca nichts von seinem Seitensprung erfährt. Vielleicht will er mich ruhig stellen, damit ich meinen Mund halte?
Da müsste er sich nicht einmal anstrengen, weil ich von seiner Freundin abhängig bin. Ohne sie, finde ich womöglich nie wieder einen Job, den ich ohne eine abgeschlossene Ausbildung mit entsprechender Bezahlung ausüben kann.
Niemals werde ich ein Sterbenswörtchen gegenüber Rebecca verlieren. Über die Konsequenzen dieser Handlung bin ich mir mehr als nur bewusst.
Meine Gedanken brechen ab, als ich sehe, wie Rebecca ihre Hand auf Trevors Oberschenkel legt und ziemlich eindeutig ihre Hand bewegt. Auf Trevors Lippen spielt sich ein kleines Lächeln, was ich durch den Rückspiegel entdecken kann und es sorgt dafür, dass ich ein Stechen in meiner Brust spüre.
Gott, diese ganze Situation ist viel zu absurd. Ich wünschte, ich wäre niemals auf diesen Ball gegangen. Dann hätte ich Trevor nicht kennengelernt, nicht mit ihm getanzt und seinen Kuss nicht erwidert. Wenn ich einfach auf mein inneres Ich gehört hätte, wäre ich jetzt nicht in dieser Lage. Ich würde mich nicht so fühlen und ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Chefin haben, die ganz offensichtlich ziemlich glücklich mit ihm zu sein scheint. Sie lieben einander und wer bin ich schon, dass ich mich zwischen das Glück eines Paares stellen könnte?
∞
Ich atme erleichtert aus, als sich die Türen des Fahrstuhls öffnen und Rebecca und Trevor vor mir aussteigen. Wie zu erwarten, laufen sie geradewegs auf ihr Büro zu, nur um dann wortlos darin zu verschwinden. Ich will wirklich nicht daran denken, was die beiden hinter verschlossenen Türen miteinander tun könnten, weil ich weiß, wie fantastisch seine Lippen sind.
Ich will mir nicht vorstellen, wie sie sich küssen oder miteinander schlafen und kann nicht verhindern, dass ich mich automatisch einsam fühle. Trevor war der erste Mann, den ich seit dem Tod meiner Eltern geküsst habe. Er war der erste Mann, den ich seitdem wieder an mich herangelassen hatte, sei es auch nur für einen kurzen Moment.
Die kratzigen Geräusche an der Tür und ein leises Stöhnen bestätigen mir mehr als gut, dass ich mit meinen Gedanken gar nicht mal so falsch gelegen habe. Natürlich küssen und berühren sie sich, wenn sie allein sind. Das tun Paare nun einmal und ist sicherlich nichts, was mir etwas ausmachen sollte.
Und doch macht es mir etwas aus.
Ich schnappe mir einen ganzen Stapel von Zetteln und verschwinde im Kopierraum, wo ich mich an die Arbeit mache. Rebeccas Büro ist hier außer Hörweite ist und ich mache mich schnell an die Arbeit. Ich beginne damit den Stapel nach dem Alphabet zu sortieren und scanne sie allesamt ein, sodass ich sie auf dem PC in Rebeccas Ordner verschieben kann, damit sie alle Rechnungen und Zahlungseingänge auf einen Blick sehen kann.
Ganz automatisch wandern meine Gedanken wieder zu den beiden und die Idee mich Trevor gegenüber so zu verhalten, als würde ich ihn nicht kennen, wird in meinem Kopf immer mehr für gut befunden. So kann ich es schaffen, meinen Job zu behalten, weil Rebecca niemals von uns erfahren wird. So kann ich dafür sorgen, Calvin weiterhin zuverlässig versorgt wird. Alles, was ich tun müsste, wäre zu lügen.
Ein absolutes No-Go für mich und ich weiß auch, dass meine Eltern diesen Entschluss nicht gutheißen würden, aber ich fürchte, dass ich keine andere Wahl habe.
Ich kann kein Risiko eingehen. Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich unversehrt aus dieser ganzen Sache herauskomme.
Mein Handy vibriert, während ich darauf warte, dass jedes einzelne Papier eingescannt wurde. Ich ziehe aus meiner Tasche der Strickjacke, die ich heute über meiner weißen Bluse trage und entdecke eine neue Nachricht von Calvin.
Calvin
Wann kommst du nach Hause? Ich habe Hunger!
Ich rolle mit den Augen, als ich seine Nachricht lese und beginne zu tippen.
Hailey
Dann mach dir ein Sandwich! Ich habe erst um halb fünf frei, das weißt du.
Ich lege das Handy zur Seite, um den nächsten Stapel in das Fach hineinzulegen, als es erneut vibriert.
Calvin
Jason sagt, dass du mehr für mich tun solltest.
Ich brumme genervt, als ich das lese und nehme mein Handy wieder in die Hand.
»Weißt du was, Calvin? Es interessiert mich einen Scheißdreck, was Jason sagt. Du bist sechszehn Jahre alt und ganz sicher allein in der Lage ein Sandwich zu machen. Wenn nicht, kann ich gerne noch einmal im Kindergarten nachfragen, ob sie dort für dich noch einen Platz haben«, zische ich ins Handy und schicke die Sprachnachricht ab.
»Ob Rebecca weiß, dass du während der Arbeit am Handy bist?«
Ich fahre herum und lasse vor Schreck mein Handy fallen, als ich entdecke, wer da in der Tür steht. Mit großen Augen sehe ich Trevor an und hebe das ältere iPhone auf, um zu sehen, ob es den Sturz überlegt hat. Ich erkenne einen Riss, der sich über das gesamten Display zieht, weil es wohl ungünstig gefallen sein muss.
Ich verziehe den Mund, als ich erkenne, dass der Bildschirm nicht mehr aufleuchtet, wenn ich den Homebutton drücke und lasse es dann in meiner Tasche verschwinden.
»Rebecca weiß, dass ich Nachrichten bekomme, die ich zwangsläufig beantworten muss«, erkläre ich und wende den Blick ab.
Über ein neues Handy muss ich mir morgen Gedanken machen. Erst einmal gilt es eine glaubwürdige Fassade aufrecht zu erhalten, damit ich ganz schnell wieder auf andere Gedanken komme.
Trevor sieht mich einen Augenblick nachdenklich an, ehe er sich dreht, um die Tür zu schließen. Ich kann das Ganze nur aus den Augenwinkeln erkennen und frage mich, was zu Hölle er da gerade tut. Wieso geht er nicht einfach zu Rebecca zurück oder wo auch immer er hin wollte, als er Rebeccas Büro wieder verlassen hat?
»Ich sage Rebecca nichts, wenn du ihr nichts sagst.«
Ich zucke zusammen, bete jedoch, dass er nichts davon bemerkt hat. Das wäre wirklich fatal. Reiß dich doch mal zusammen, Hailey. Sag ihm einfach, dass du keinen blassen Schimmer hast, wovon er gerade redet.
»Was soll ich ihr nicht sagen?«
»Du weißt genau, was ich meine, Hailey«, erwidert er, doch ich schüttele den Kopf.
»Ich weiß nicht, was du meinst. Deswegen habe ich gerade noch einmal nachgefragt«, entgegne ihn und konzentriere mich darauf, dass alle Blätter gerade aufeinander liegen. In der nächsten Sekunde werden mir diese jedoch aus der Hand genommen und ich blicke überrascht in Trevors Augen, die die meine finden.
»Könntest du vielleicht einen Moment aufhören das Papier zu richten? Du und ich wissen beide, was wir meinen - den Kuss auf dem Maskenball«, sagt er.
Ich spüre, wie mein Plus in die Höhe schießt und versuche nicht zu verraten, was er mit diesen Worten in mir anrichtet. Ein Chaos, das er erneut verursacht, wobei ich mich doch als vollkommen ahnungslos und fremd ihm gegenüber verkaufen wollte.
»Ein Kuss auf einem Maskenball?«, frage ich gespielt amüsiert.
»Es tut mir leid, dass ich dich nicht direkt erkannt habe, aber ich-«
»Ich glaube kaum, dass das ich gewesen sein kann. Ich bin eine Frau aus Brooklyn, nicht von der Upper East Side. Ich arbeite als Assistentin von Rebecca und weiß nicht, wie ich es finden soll, dass du scheinbar eine andere Frau, die ganz sicher nicht ich gewesen bin, geküsst hast, obwohl du mit meiner Chefin zusammen bist«, versuche ich ruhig zu erwidern, allerdings schlägt mein Herz so laut, dass ich mir sicher bin, dass er es hören kann.
Trevors Hand wandert an meine Taille und ich ziehe scharf die Luft ein. Sanft wandert sie unter meine Strickjacke und unter die Bluse, sodass er im nächsten Augenblick meine warme Haut streichelt.
»Was tust du da?«, entfährt es mir leise, als mich eine Gänsehaut überkommt.
»Mich davon überzeugen, dass du mir etwas vorspielst«, sagt er leise. Spätestens jetzt schaltet sich mein Gehirn wieder ein, sodass ich meine Hände gegen seine Brust stemme.
»Verdammt, ich weiß nicht wovon du sprichst, okay? Ich muss weiterarbeiten und ich hoffe für dich, dass Rebecca nicht gesehen hat, was du hier abziehst!«
Trevor taumelt ein wenig zurück, doch sein Blick ist noch immer fest mit meinem verankert, sodass ich nicht anders kann, als ihn zu erwidern. Erst nach wenigen Sekunden regt er sich wieder und räuspert sich.
»Es tut mir leid. Ich habe mich vermutlich wirklich geirrt«, sagt er und ich nicke, bevor ich mich abwende. Ich spüre, wie ein paar Tränen in meinen Augen brennen und nur darauf warten, dass er den Punkt überschreitet.
Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, öffnet er die Tür und verlässt den Raum. Ich höre, wie seine Schritte immer leiser werden und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Erst als ich den Gong des Fahrstuhls höre, löse ich mich aus meiner Starre.
Was zur Hölle war das?
———
Hallo, ihr Lieben und herzlichen Willkommen zum wöchentlichen Kapitel!
Ich wünsche euch frohe Ostern und hoffe ihr habt gestern einen tollen, sonnigen Tag gehabt. ♥️🐰
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Was glaubt ihr, hat es mit Trevors Verhalten auf sich? 🙊
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