5 | Krisengespräch
Auch abends, als ich zuhause angekommen bin, kann ich noch immer nicht verstehen, was sich heute im Büro ereignet hat. Noch immer kann ich nicht glauben, dass ausgerechnet Trevor Smith, der Freund meiner Chefin, der Mann gewesen ist, der mich auf dem Maskenball geküsst hat.
Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Tatsache umgehen soll und genau das ist der Grund, warum ich Sadie und Nola herbestellt habe. Ich muss mit ihnen drüber reden und mein kleiner Bruder ist sicherlich kein guter Ansprechpartner. Normalerweise versuche ich es zu vermeide, dass meine Freundinnen den Weg nach Brooklyn auf sich nehmen, aber heute geht es nicht anders. Ich bin wohl kaum in der Lage heute noch klar zu denken und Menschenmassen machen es mir da nicht wirklich einfach. Das schlimmste Szenario wäre, wenn ich obendrauf noch auf ihn und Rebecca treffen würde. So ist es zumindest immer in all den Filmen oder Bücher, die ich besitze.
Gott, ich selbst komme mir vor, als wäre ich eine dieser Protagonistinnen in einem Buch. Diese Situation schreit nur geradezu danach, dass jemand darüber eine Geschichte oder ein Drehbuch schreibt.
So absurd und doch verzweifelt wie ich bin, würde es mich nicht wundern, wenn ich jeden Moment umkippe. Diesen zusätzlichen Stress, vor allem durch meine Schuldgefühle, kann ich wirklich nicht gebrauchen. Alles, was ich wollte, war meinen freien Abend mit meinen Freundinnen zu genießen und ich muss mich direkt von einem Mann ansprechen lassen und dann auch noch einwilligen, dass wir einen heißen Tango tanzen, bei dem Körperkontakt vorprogrammiert ist.
Viel schlimmer ist aber, dass er überhaupt so weit gegangen ist und mich angesprochen hat. Wieso macht er, Trevor, so etwas, wenn er sich schon in einer Beziehung befindet? Das ist das, was mich am Meisten beschäftigt. Rebecca scheint glücklich zu sein mit ihm und er küsst mich?
Es klingt an unserer Wohnungstür, weshalb ich mich von der Couch erhebe und zur Tür laufe. Ich öffne diese und erblicke dahinter meine zwei besten Freundinnen, die mich mit ihrem Grinsen fast erschlagen könnten.
»Wir wollen alles wissen!«
Ich seufze leise und lasse die beiden hinein, nachdem wir uns mit einer kurzen Umarmung begrüßt haben. Die beiden laufen ins Wohnzimmer und lassen sich auf dem Boden und der Couch fallen. Ich setze mich ebenfalls, doch ehe ich mich versehe, wirft Sadie mir einen großen Becher Eis in die Hände. Zischend lasse ich es fallen, weil es verdammt kalt ist und suchen nach der Sorte.
»Danke«, erwidere ich und löse den Löffel an der Seite, um direkt essen zu können. Nach diesem Tag ist wirklich Schluss mit guter Ernährung. Dieses Eis wird von meinen Nerven benötigt, denn ich weiß, dass ich morgen wieder zu Arbeit und Rebecca unter die Augen treten muss. In meiner jetzigen Verfassung ist das absolut unmöglich.
»Also? Fängst du an oder müssen wir alles aus dir herauskitzeln?«, beginnt Nola und sieht mich auffordernd an. Ich verdrehe leicht die Augen und schlinge meine Beine dicht an meinen Körper.
»Ihr erinnert euch an den Mann, mit dem ich getanzt habe?«
»Oh, Gott sei Dank. Du hast dich aufreißen lassen!«, fällt Sadie mir ins Wort und grinst breit, doch ich werfe ihr nur einen entnervten Blick zu, welchen sie mit einem Grinsen erwidert.
»Nicht wirklich. Wir sind nach unseren Tanz nach draußen und irgendwie... hat er mich geküsst«, erkläre ich und Nola quietscht aufgeregt.
Herrje, sind wir hier in einem Teenie-Film?
»Und was ist dann passiert?«
»Das wollte ich doch gerade erzählen. Könnt ihr euch zusammenreißen? Ich bin wirklich nicht gut gelaunt!«
Sadie sieht Nola an, bevor ihr Blick auf mich fällt und sie nickt.
»Wir haben uns geküsst und ich würde sagen, dass es ziemlich heiß hergegangen wäre, wenn Calvin uns nicht unterbrochen hätte. Die Geschichte kennt ihr ja bereits. Jedenfalls heute im Büro stand genau dieser Mann, Trevor Smith, vor mir und wollte seine Freundin Rebecca Ashton besuchen.«
»Du verarschst mich, oder?«
»Nein, er hat mich glaube ich nicht erkannt. Zumindest nicht zu erst. Ich habe ihn reingeschickt, weil ich so überfordert war mit dieser Situation. Jedenfalls sind sie kurze Zeit später rausgekommen und Rebecca wollte sich verabschieden. Er hat sich mir dann vorgestellt und mir die Hand gereicht. Danach wurde es merkwürdig. Er hat meine Hand länger als nötig festgehalten und mich so komisch angesehen. Ich bin mir aber immer noch unsicher, ob er mich wirklich nicht erkannt oder einfach über die Tatsache, dass ich die Assistentin seiner Freundin bin, hinweg gesehen hat«, erwidere ich leise und steche danach mit meinem Löffel tief in die Eiscreme.
Sadie und Nola sehen mich unschlüssig an und ich kann es ihnen nicht verübeln. Nur ich finde mich in solchen Situationen wieder. Meine besten Freundinnen sind da ganz anders. Sobald diese auch nur Interesse an einem Mann haben, regelt sich alles andere ganz von allein. Sie haben eine schöne Zeit miteinander, bevor sich ihre Wege einvernehmlich trennen und sie jemand Neues kennenlernen.
Und ich finde mich auf ganz gefährlichem Terrain wieder, sobald ein Mann Interesse an mir hat.
»Das ist...«
»... scheiße«, beendet Nola Sadies Satz und ich seufze.
»Ich weiß. Ich habe ein schlechtes Gewissen und die Tatsache, dass er mich nicht einmal erkannt hat, setzt dem ganze noch die Krone auf. Noch nie habe ich mich so vor den Kopf gestoßen gefühlt«, sage ich leise.
Sadie rückt näher an mich heran und legt einen Arm um mich.
»Du hast ihn vorher noch nie gesehen?«
»Nein. Nie. Sie hat immer nur von ihrem Freund geredet, aber das hätte doch wirklich jeder sein könne«, sage ich leise.
»Du kannst nichts dafür. Du wusstest nicht, wen du küsst. Ich bin mir sicher, dass das nicht passiert wäre, wenn du gewusst hättest, dass er mit Rebecca zusammen ist, oder?«
»Natürlich nicht! Ich hätte nicht einmal eingewilligt mit ihm zu tanzen. Ich gehe nicht davon aus, dass mich Männer ansprechen, die schon in einer Beziehung sind. Wer macht denn sowas?«, sage ich leise.
»Er hat seine Freundin betrogen. Besonders gut kann deren Beziehung nun wirklich nicht laufen«, sagt Nola und lacht leicht.
Ich sehe sie fragend an, doch sie zuckt nur mit den Schultern.
»Ist doch so. Wieso versucht man sonst eine andere Frau aufzureißen?«
»Und du glaubst wirklich, dass er dich nicht erkannt hat? Sein Verhalten am Ende lässt sich wirklich nicht erklären und vielleicht hat er es erst dann bemerkt? Das wäre doch möglich«, sagt Sadie und ich nicke leicht.
»Er ist blöd, wenn er dich nicht erkannt hat. So stark verkleidet warst du nun auch nicht und nicht einmal deine Brille ist eine Ausrede. Wenn du mich fragst, versucht er sich von den Konsequenzen der Wahrheit zu verstecken. Du gehst einfach zu ihm hin, wenn er das nächste Mal da ist und sagst ihm, dass sein Atem nach faulen Eier gerochen hat!«
Ich lache leicht, als Sadie diese Worte ausspricht und schüttele den Kopf. Wenn es doch nur so leicht wäre, wie sie sagt.
»Ich kann ihn doch wohl kaum ansprechen, wenn Rebecca nur eine Tür weiter sitzt, um zu erfahren, warum er meine Chefin mit mir betrogen hat«, grummele ich und Sadie sieht mich schulterzuckend an.
»Und wieso nicht? Ich bin mir sicher, dass es auch in seinem Interesse ist, dass seine Freundin davon nichts erfährt«, erwidert diese. Dieses Mal bin ich es, die mit den Schultern zuckt.
»Das ist unfassbar«, sagt Nola. »Kaum bist du mal damit einverstanden und lässt jemanden an dich heran, da ist es der Freundin von Rebecca und noch dazu Erben einer erfolgreichen Werbeagentur, die unter Anderem sämtliches Marketing für Chanel und Saint Laurent übernimmt.«
»Er ist steinreich«, sagt Sadie, doch ich gehe darauf nicht ein. Mir ist es egal, ob er viel Geld hat oder nicht. Fakt ist, er ist mit Rebecca zusammen, da ist es sowieso egal, was zwischen uns passiert ist. Zwischen uns wird nie wieder etwas passieren, das ist meinen Freundinnen wohl hoffentlich klar.
»Ich finde, wir verbleiben erstmal mit der Idee, dass du ihn ansprechen wirst, wenn er das nächste Mal im Büro auftauchen wird, damit du ihm die Leviten lesen kannst. Einverstanden?«
Ich nicke leicht, bevor ich mir einen weiteren Löffel Eis in den Mund schiebe, bevor es endgültig auftaut. Meine Laune ist nach wie vor am Tiefpunkt und ich weiß nicht, ob ich es schaffe ihn wirklich anzusprechen.
Vor allem will ich mit nicht ausmalen, was bei diesem Gespräch passieren könnte. Immerhin spiele ich mit einem Schlag überhaupt nicht mehr in seiner Liga und ich weiß, dass es eigentlich besser so ist. Dennoch kann ich mich nicht davon abhalten daran zu denken, was wäre, wenn er und ich uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten.
Wenn er nicht mit Rebecca zusammen wäre und ich nicht ihre Assistentin, die für sie arbeitet.
———
Oh oh - könnt ihr Hailey in dieser Situation verstehen? 🤔☹️
Meint ihr, dass es eine gute Idee ist mit ihm zu sprechen?
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Ich wollte euch noch schnell mitteilen, dass es ab jetzt weniger Updates in einer Woche geben wird. Ich beschränke mich damit auf ein Kapitel pro Woche!
Hoffe, ihr versteht das! 🧡
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