Chapter 4
Harrys POV:
Das Einkaufszentrum war für einen warmen Freitagnachmittag ziemlich überfüllt. Überall stieß ich mit Leuten zusammen, die sich dann lauthals beschwerten, bis sie meinen Blindenstock sahen oder Louis kam und mich zur Seite zog, während er irgendeinen giftigen Spruch losließ. In der Hinsicht war ich froh, dass er dabei war und ein bisschen auf mich aufpasste. „Gott wie hälst du das immer aus?“, fragte er, als wir die Drogerie betraten. Kaum, dass er die Tür aufstieß, kam mir eine Parfümwolke entgegen, die so süßlich roch, dass ich erst mal die Luft anhielt. Sonst erstickte ich noch. Wie aufs Stichwort begann ich zu husten und klammerte mich panisch an Louis fest, der glücklicherweise direkt neben mir lief. „Harry.. alles okay?“, wollte er besorgt wissen und klopfte mir auf den Rücken, was jedoch nicht gerade förderlich war, sondern meinen Hustenanfall eher noch verschlimmerte. In meinem Kopf rasten die Gedanken. Wo zum Teufel hatte ich mein Asthmaspray? Zuhause oder doch vielleicht in meinem Rucksack? „Louis“, krächzte ich, nach Luft ringend. Aus diesem Grund mied ich solche Geschäfte! Hätte ich doch besser mal auf mein Gewissen gehört... oder mein Spray griffbereit. Schon kamen einige Leute auf uns zugestürmt, ich hörte ihre aufgeregten Stimmen und das Gestöckel ihrer Schuhe. „Kann ich Ihnen helfen?“ Plötzlich spürte ich eine Frau neben mir, die direkt in mein Ohr sprach. „Setzen Sie sich am besten!“, schlug ein Mann vor und dann wurde ich auf einen Stuhl gedrückt, dennoch hielt Louis immer noch meine Hand. „Was hat er?“, fragte die Frau schrill und klang beinahe so, als würde SIE gleich umkippen und nicht ich. Langsam wurde mir schwindelig. „Mein Spray...“, röchelte ich und bemühte mich, zumindest etwas Luft in meine Lungen zu pumpen. „Ach verdammt!“ Louis ließ auf einmal meine Hand los und rannte davon. „Shhh ist gut“, säuselte die Frau neben mir und ergriff nun meine Hand. „Ihr Freund ist gleich da.“ „Ich hab den Notarzt gerufen“, sagte der Mann und nahm die andere. Ich hustete immer noch und konnte schon gar nicht mehr darauf antworten, denn plötzlich wurde alles leise um mich herum.
Als ich wieder aufwachte, vernahm ich die Stimmen meiner Mutter und Louis. „Wo bin ich?“, fragte ich ängstlich und meine Hände versuchten sich zu orientieren, indem sie um sich schlugen, allerdings nichts berührten. „Schatz!“ Mum kam näher. „Du bist im Krankenhaus. Du hattest einen Asthmaanfall. Alles ist wieder in Ordnung“, erklärte sie und drückte meine Hand an ihren warmen Oberkörper. Auch Louis kam näher; ich merkte, wie das Bett, in dem ich anscheinend lag, auf der anderen Seite zusammensank. „Tut mir leid... das war ne blöde Idee gewesen“, meinte er zerknirscht und tätschelte vorsichtig meine Schulter. Ich lächelte versöhnlich. „Ich bin doch nicht gestorben. Alles okay. Beim nächsten Mal sind wir schlauer.“ Er schnaubte, so als würde er schmunzeln, also tat ich es auch.
Nachdem der Arzt mich nochmal durchgecheckt hatte und Louis sich vorläufig verabschiedet hatte („Tschüss Kumpel! Bis morgen. Und nicht zu oft dran riechen!“ Er hatte mir dann das Parfüm in die Hand gedrückt, was er noch gekauft hatte), fuhr Mum mich zu meiner Wohnung. „Ihr scheint euch doch ganz gut zu verstehen“, bemerkte Mum glücklich, als wir schließlich gemeinsam auf der Couch saßen, jeder eine Tasse Tee in der Hand. Ich nickte lächelnd. „Ja. Ich glaube, es war vielleicht doch gar keine so schlechte Idee...“ Sie strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Siehst du. Vertrau mir einfach.“ Sie küsste meine Stirn und stand dann auf. „So, ich geh dann mal nachhause, Robin wartet bestimmt schon auf mich.“ Die Tür fiel ins Schloss und ich war nun allein, das Parfüm in meinen Händen haltend. Ich tastete die Verpackungen ab, sie war glatt und hatte einen eingravierten Schriftzug, den ich leider nicht entziffern konnte. Meine Finger suchten nach der Lasche, was gar nicht so einfach war, da die Packung so ebenmäßig war, dass ich nicht erkennen konnte, wo oben und unten war. „Mist“, fluchte ich und wollte das blöde Ding gerade in die Ecke schmeißen, da konnte ich sie endlich greifen. Innen drin befand sich ein schmaler, länglicher Flakon. Er fühlte sich gut an. Ich drehte den Verschluss ab und roch am eigentlichen Parfüm. Genau das gleiche wie Louis. Keine Ahnung warum, aber plötzlich breitete sich ein warmes Gefühl in meiner Magengegend aus und ich presste den Flakon an meine Brust. Das würde ich jetzt öfters tragen, so viel stand fest.
Abends lag ich in der Dunkelheit (haha). Plötzlich kam mir mein Bett unendlich groß vor und es fühlte sich an, als würde ich darin versinken. Meine Hände griffen immer wieder nach meiner Bettdecke, doch der weiche Stoff glitt durch meine Finger. Was Louis wohl gerade tat? Oder Mum? Oder Gemma? Ob sie auch im Bett lagen und daran dachten, wie groß das Universum doch im Vergleich zu uns war? Und das es komisch war, dass man immer dann jemanden brauchte, wenn man vollkommen allein war? Seufzend setzte ich mich auf. Ob es unhöflich war, wenn ich jetzt um diese Uhrzeit noch bei einem von ihnen anrief? Mein Handy fand ich sofort, es lag an seinem Stammplatz direkt neben meinem Kissen. Die Frauenstimme führte mich ins Adressbuch und wählte zuerst Mums Nummer, allerdings gab ich nach dem 7. Klingeln auf. Sie schlief garantiert schon tief und fest. Als nächstes war Gemma an der Reihe. Sie hob direkt nach dem 1. Klingeln ab. „Harry? Was ist los?“ Im Hintergrund wummerte ein Bass und ich hörte Stimmengewirr. „Ich konnte nicht schlafen“, erklärte ich zerknirscht und drehte mit meinem Zeigefinger an meinem Ring am Ringfinger. „Warum denn nicht?“ Sie klang besorgt. Tränen brannten in meinen Augen und ich brachte nur „Das Übliche“, heraus. Sie seufzte. „Mach dir nicht zu viele Gedanken. Es ist ein Uhr nachts. Trink ein Glas heiße Milch, hör ein wenig Musik und sieh zu, dass du zur Ruhe kommst. Wir sehen uns Sonntag zum Brunch, alles klar?“ „Ja okay. Danke“, schniefte ich und rappelte mich auf. Sie hatte aufgelegt. Während ich hier einsam saß und hellwach war, feierte sie mit ihren Freunden die wildesten Partys. Plötzlich kam ich mir noch dreimal mehr einsamer vor. Louis. Ich musste ihn einfach sprechen. Er war doch schließlich mein Betreuer! Auch er ging relativ schnell dran, hatte aber eine total verschlafene Stimme. „Harry, wo brennt es denn? Bist du etwa doch gefallen?“ Ich konnte nicht anders, als loszulachen. „Nein... ich kann nur nicht schlafen und...“ Schluchzen unterbrach mich und ehe ich weitersprechen konnte, hatte auch er aufgelegt. Arschloch! Jetzt flossen meine Tränen erst recht und ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen.
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