35 | von bröckelnden Beziehungen
„Sie ist so verflucht hübsch, dass sie fast schon wieder hässlich ist", fasst Viola raunend ihre Meinung, die sie sich gestern kurzerhand über Nadine gebildet hat, zusammen. Selbstverständlich ist dieser Eindruck ausschließlich aus der Ferne entstanden, ohne auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln.
Irritiert und beeindruckt von der impulsiven Abneigung ihrer besten Freundin guckt ihr Leyla in die Augen. Eigentlich hatte sich Leyla heute mit ihrem Freund Sam treffen wollen, doch wenn Viola von Harry Styles' Geburtstagsparty berichten will, schmeißt sie ihre Pläne gerne um. Neugierig sitzt sie der Italienerin also in ihrem Lieblingscafé gegenüber.
„Und sonst gibt es nichts Interessantes zu berichten?", hakt Leyla ungläubig nach, nachdem ihre Begleitung bislang ausschließlich von Harry und dessen neuer Flamme erzählt hat. „Du musst doch sämtliche Leute getroffen haben!"
Unbeeindruckt zuckt Viola mit den Schultern.
„Schon. Ich hab Liam und seine Freundin Sophia kennengelernt. David Beckham war da. Chris Martin auch. Und ich glaube ich habe irgendeine Kardashian oder Jenner oder was weiß ich gesehen. Du weißt, ich kenn die alle nicht auseinander. Und ansonsten natürlich James Corden und Cara Delevingne, glaube ich. Bestimmt eine geschätzte Model-Kollegin von Nadine."
So gelangweilt sich Viola zu Anfang ihrer Aufzählung anhört, so gehässig klingt sie am Ende dessen. Das bleibt auch Leyla nicht verborgen.
„Mir schlackern hier alleine vom Hören all dieser Namen schon die Ohren", hakt sie ein. „Und anstatt mir davon zu berichten, hängst du dich ständig an dieser Nadine, von der ich noch nie gehört habe, auf? Seit wann bist du überhaupt so giftig?"
Seufzend senkt Viola ihren Blick und rührt lustlos mit dem Strohhalm in ihrem Latte Macchiato.
Sie hat gestern einen seltsamen Abend verbracht. Sie hat dort viel gesehen und mit Thommy heiß über diverse Gäste diskutiert, doch ins Gespräch sind sie lediglich mit Liam und Sophia gekommen. Und auch das hatte sie bloß einem sichtlich angetrunkenem Niall zu verdanken.
Ansonsten hat sich Viola gekonnt vor einer erneuten Konfrontation mit Harry, dem Nadine keine Sekunde von der Seite weichen wollte, gedrückt. Zwar konnte er ihr dadurch keine Leute vorstellen, aber das nahm sie gerne in Kauf, solange sie auch Nadine nicht kennenlernen musste.
Letztendlich war die Party ohnehin aus dem Ruder gelaufen und Viola und Thommy hatten die Gunst der Stunde genutzt, als Harry betrunken an der Karaoke-Maschine „Time of my life" geschmettert hat. Unbemerkt hatten sie die Party verlassen und Viola ist sich sicher, dass sich Harry nicht eine Sekunde Gedanken um sie gemacht hat.
„Ich bin einfach überrascht, dass Harry plötzlich so verliebt ist", gesteht Viola zumindest die halbe Wahrheit. Der Anblick von Harry mit Nadine steckt ihr immer noch in den Knochen.
„Du klingst ja fast eifersüchtig", bemerkt Leyla und weiß im Moment nicht recht, für wie ernst sie die Lage einschätzen sollte und ob ein Grinsen oder doch ein besorgter Gesichtsausdruck angebracht wäre. Schließlich entscheidet sie sich für Ersteres. „Dabei hattest du lange genug deine Chance. Ich hab dir dieses Dessert unbewusst quasi auf dem Silbertablett serviert, aber du wolltest ja nicht zugreifen."
Augenrollend lehnt sich Viola in ihrem Stuhl zurück. „Ha-ha", lacht sie ironisch. „Das Thema ist durch. Ich hab doch selbst Thommy. Trotzdem war es eben unerwartet, ihn so zu sehen."
„Naja, du weißt doch selbst, wie schnell das gehe kann. Ich war auch überrascht, dass du mit Harry auf Reisen bist, um dich von deiner Partnersuche abzulenken und einen Tag nach deiner Rückkehr verliebt mit Thommy rumrennst."
Dem kann Viola nicht widersprechen. Trotzdem kann sie sich nicht für Harry freuen und sie weiß auch ganz genau weshalb. Sie hätte sich nun mal gewünscht, dass die ganze Sache zwischen ihnen anders gelaufen wäre. Sie will sich nicht ausmalen wie, doch einfach anders.
„Auch wieder wahr", räumt Viola also widerwillig ein und erinnert sich daran, dass Harry ihr immerhin erneut angeboten hat, ihn während der Tour zu besuchen.
Die Tatsache, dass Nadine nun in seinen Leben existiert, hat daran also nichts geändert und alleine das beruhigt die Italienerin ein Stück weit. Genauso wenig hat Thommys Rolle in ihrem Leben etwas daran geändert, dass sie Harrys Angebot gerne annehmen will.
Allerdings war Harrys Einwand berechtigt. Zunächst muss Viola Thommy diesen Plan mitteilen.
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Lachend entledigt sich Harry seiner In-Ears und springt energiegeladen die Stahltreppe, die von der Bühne in den Backstagebereich führt, nach unten.
Es ist der Tag, dem er lange entgegengefiebert hat. Endlich ist er mit Louis, Liam und Niall in Sydney und hat soeben den Soundcheck für den Tourstart vollbracht.
Zwar ist die letzte Welttournee noch kein Jahr her und jedem von ihnen ist bewusst, dass sie dieses Tempo nicht lange halten können, doch heute wird Harry wieder einmal bewusst, wie sehr er die Bühne liebt.
Es ist nicht nur die Bühne, es ist die gesamte Show. Die Diskussionen mit den Technikern, die Wahl der Outfits, der Zeitdruck, der gerne ignoriert wird und die Crew, die sie nun schon seit Jahren begleitet. Harry liebt alles daran, auch wenn sein Körper langsam an seine Grenzen kommt.
Hinter der Bühne sitzen bereits Louis' Freundin Eleanor und Liams bessere Hälfte auf den schwarzen Tischen am Rande des Ganges und warten auf ihre Männer.
„Du bist ja voller Elan", bemerkt Sophia gähnend, während im Hintergrund Nialls Soundcheck-Gitarrenspiel auf der Bühne zu hören ist. „Beneidenswert. Ich bin, glaube ich, immer noch teilweise in London."
Gut gelaunt zuckt Harry mit den Schultern.
„Ihr müsst ja auch nicht gleich vor über 60.000 Menschen spielen", erwidert er dann, ehe Liam zu ihnen stößt. Auch er nimmt sich seine Kopfhörer und Mikros ab und reicht sie einem der Crew-Mitglieder.
„So, ich bin fertig, Babe", verkündet er und schnappt sich Sophias Hand. „Jetzt können wir zum Catering."
Liam ist der Einzige der Band, dessen Magen vor der Show tatsächlich stark genug ist, um Essen aufnehmen zu können. Harry bewundert ihn immer wieder dafür, denn er selbst wird erst spätabends nach dem Konzert etwas zu sich nehmen können.
Während Liam und Sophia den Gang entlang laufen und verschwinden, bleibt Eleanor seufzend zurück.
„Und wo bleibt Louis?"
„Der kommt auch gleich", gibt Harry vor zu wissen, obwohl er seinen Bandkollegen kurz zuvor von der Bühne in den Zuschauerbereich hat klettern sehen. In Australien herrschen aktuell noch sommerliche Temperaturen und vermutlich genießt er die Sonne, die durch das offene Stadion scheint, anstatt sich zu seiner Freundin zu gesellen.
Dass Louis, als auch Liam derzeit in kriselnden Beziehungen stecken, weiß Harry längst. Seine beiden Bandkollegen macht dieser Umstand ordentlich zu schaffen und auch Eleanor und Sophia strahlen eine solche Unzufriedenheit und Negativität aus, dass Harry spätestens jetzt skeptisch geworden wäre.
Wie anstrengend es sein muss, neben dem Job auch noch eine ernsthafte Beziehung am laufen zu halten, kann sich Harry kaum vorstellen. Eines davon bleibt immer auf der Strecke und offensichtlich ist es aktuell das Privatleben.
Sophia und Eleanor hätten gerne mehr von ihren Männern und würden gerne Zeit mit ihnen verbringen, doch das gestaltet sich schwierig, wenn diese von einer Tour in die Nächste stolpern und zwischendurch an Alben basteln müssen.
„Louis meinte, du bekommst neben Anne und Gemma auch noch weiblichen Besuch auf Tour", grinst Eleanor ihn plötzlich wissend an. Sie stehen sich nah genug, dass sie sich diese neugierige Frage erlauben kann. „Was ist da denn plötzlich los?"
Augenrollend winkt Harry ab.
„Ach, nur 'ne Freundin. Aber das ist alles noch gar nicht spruchreif", antwortet Harry lässig, als ob er nicht seit einer Woche bei jedem Blick auf sein Smartphone nervös werden würde. Viola hat ihm immer noch nicht sicher sagen können, ob sie nun unterwegs zu ihnen stoßen will.
Seit ihrem letzten Gespräch an seiner Geburtstagsparty haben sie nicht mehr miteinander geredet. Ob er diese letzte Begegnung, inklusive Violas latenten Anflug von Eifersucht, als positiv oder als negativ werten soll, hat Harry bisher noch nicht entschieden. Genauso wenig hat er darüber nachgedacht, welchen Weg er mit Nadine einschlagen soll. Ihr Name erscheint nämlich zu genüge auf seinem Handydisplay.
Über all das will er sich erst nach einem gelungenen Tourstart Gedanken machen.
Argwöhnisch runzelt Eleanor die Stirn und grinst in sich hinein. In all den Jahren hat Harry selten weibliche Begleitung während der Tour erwartet. Die Braunhaarige glaubt Harry also kein Wort, genauso wenig wie all seine Bandmitglieder.
„Falls sie doch noch kommt, ist sie herzlich eingeladen, ihre Zeit mit uns zu verbringen", sagt Eleanor und zuckt mit den Schultern. „Mit euch ist ja nie viel anzufangen."
Dass in ihren Worten ein vorwurfsvoller Unterton mitschwingt, erkennt Harry auf der Stelle. Allerdings gilt dieser Vorwurf weniger ihm als Louis.
Zwar bereisen sie während ihrer Tour den Globus und stehen dort auf den Bühnen aller Welt, doch von den jeweiligen Städten und Ländern sehen sie kaum etwas. Spielen sie dort Shows, werden sie von der breiten Masse erwartet und vom ersten Moment an großräumig belagert. Das Hotel zu verlassen, wird damit nahezu unmöglich.
Dieses Mal sieht Harry Eleanor wissend an.
„Du kannst ihm nicht seinen Job zum Vorwurf machen", sagt er und schüttelt leicht seinen Kopf, ehe er die inzwischen langgewachsenen Locken zu einem Dutt bindet. „Du wusstest, worauf du dich einlässt."
Missmutig rümpft Eleanor die Nase.
„Manchmal glaube ich, ihr wusstest selbst gar nicht, worauf ihr euch einlasst", raunt sie und springt von dem schwarzen Tisch, ehe sie davonstapft, um Louis ausfindig zu machen.
Momente wie diese führen Harry wieder vor Augen, weshalb es besser ist, sich jegliche Zukunft mit Viola aus dem Kopf zu schlagen. Auch sie hat, genau wie Sophia und Eleanor, eine andere Vorstellung von Beziehung und Partnerschaft. Ein Leben an seiner Seite kann ihr nun mal nichts von dem bieten, was sie will. Harry kann ihren Anforderungen kein bisschen gerecht werden.
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