30 | von Rückkehrern und überraschenden Meinungen
In New York hat Viola verstanden, weshalb Harry die Anonymität der Großstadt genießt. Zwar wurde er einige Male auf der Straße erkannt, doch genauso schnell konnte er auch wieder in der Menge abtauchen.
In Kuba, während ihres spontanen Abstechers in die Karibik, durfte Viola Harrys Abenteuerlust aus nächster Nähe erleben und fand sich dort kurzerhand auf dem Surfbrett wieder.
Zurück in Europa hat sie in Frankreich begriffen, dass Harrys Interesse an Mode weit über das Ihre hinausgeht und eine regelrechte Leidenschaft in ihm steckt. Nie zuvor hat Viola auch nur einen einzigen Laden eines exklusiven Designers von Innen gesehen. In der Zeit mit Harry hat sie das Pensum all dieser Jahre innerhalb nur eines Tages aufgeholt.
Auf ihrem letzten Stopp, in Italien, haben Harry und Viola endlich eine Gemeinsamkeit entdeckt: Das Essen.
Bei ebensolchem lassen sie ihren letzten Abend in Manarole ausklingen, ehe sie morgen wieder nach London zurückkehren.
In einem authentischen, kleinen Restaurant, das von einer italienischen alten Frau geführt wird, sitzen sie einander gegenüber und lachen herzhaft über die vergangenen Wochen und alles, was sie erlebt haben.
Es fühlt sich nach einer unbeschwerten, leichten gemeinsamen Zeit an, wenn sie bloß alles ignorieren, was ihnen Kopfschmerzen bereitet und sie keinen Blick in die Zukunft wagen. Sie müssen im Hier und Jetzt und vor allem bei sich bleiben, damit sie sich weiterhin dieser Illusion hingeben können.
Das gestaltet sich allerdings mit jedem Tag schwieriger, inbesondere jetzt, kurz vor ihrer Rückkehr nach London. Immerhin warten dort einige Menschen und Gegebenheiten, die sie unsanft zurück in die Realität reißen.
„Bist du dir sicher, dass du nicht noch ein wenig hierbleiben und deine Familie hier besuchen willst? Ich muss zwar nach London zum Proben, aber du kannst die Zeit gerne noch genießen."
Wie schon einige Male zuvor, als ihr Harry ebendas vorgeschlagen hat, schüttelt Viola den Kopf.
„Die Wenigen, die noch hier leben, sehe ich so selten. Ich glaube, es wäre wirklich seltsam, würde ich plötzlich alleine bei ihnen sein", beteuert Viola wieder. Dass ihr zudem den Gedanken, auf Harrys Kosten alleine ihre Familie zu besuchen, widerstrebt, behält sie für sich.
Genauso verschweigt auch Harry den wahren Grund, weshalb er Viola lieber in Italien als in London wüsste. In Italien kann sie Thommy nicht wiedersehen.
Ihm ist nämlich nicht entgangen, dass Viola mehr denn je auf ihrem Smartphone herumtippt und jedes Mal, wenn er unauffällig auf dessen Bildschirm lugt, steht dort entweder der Name Leyla oder Thommy.
„Was steht dann Zuhause so an, während ich ausnahmsweise diszipliniert und fleißig probe?", fragt Harry also vorsichtig, während er sich auf die Antwort gefasst macht, die er am Wenigsten hören will.
„Hm", überlegt Viola kurz.
Allerdings überlegt sie nicht, wie sie ihre Tage verbringen wird, denn das weiß sie sehr wohl. Sie denkt darüber nach, ob sie ehrlich sein soll. Doch sie kommt schnell zu dem Entschluss, dass es nicht der richtige Weg sein kann, Harry von nun an anzulügen, bloß um den Namen Thommy konsequent zu umgehen.
„Also erstmal werde ich Leyla im Detail berichten müssen, was wir so gemacht haben. Dann werden mich meine Eltern möglichst subtil ausquetschen. Und Thommy werde ich auch wiedersehen, er ist inzwischen auch zurück in London."
Obwohl Harry geahnt oder gar gewusst hat, dass er diese Antwort zu hören bekommen würde, trifft sie ihn doch. Aber er weiß, er muss sich daran gewöhnen und das will er auch versuchen.
„Na dann bist du ja gut ausgelastet", lacht Harry nach außen hin gut gelaunt.
„Freust du dich auf die Proben?", fragt Viola dann.
Nachdenklich zuckt Harry mit den Schultern.
„Eigentlich schon. Ich freue mich auch total auf den Tourstart. Aber ich weiß eben auch, dass ich zwischenzeitlich völlig fertig sein werde und es höllisch anstrengend wird. Aber das gehört wohl dazu."
Verstehend nickt Viola. Zwar hat sie noch nie eine Welttournee hinter sich gebracht, doch alleine die Wochen, die sie nun mit Harry unterwegs war, waren bereits anstregend gewesen. Es war eine gute, schöne Anstrengung , aber dennoch erschöpfend.
One Direction hingegen wird in wenigen Wochen durch Australien, Asien, Südafrika, Europa und Amerika touren und dort beinahe jeden Abend vor unzähligen Menschen auf der Bühne stehen. Wie ermüden das sein muss, will sich Viola gar nicht vorstellen.
„Das Angbeot steht übrigens immer noch", ruft ihr Harry lächelnd in Erinnerung, „Du kannst uns gerne auf der Tour begleiten oder zeitweise zu uns stoßen. Außer natürlich, du hast inzwischen schon die Nase voll von der Welt."
Viola erwidert das Lachen des Sängers.
Sie muss sich eingestehen, dass sie nicht das Gefühl hat, genug von der Welt zu haben - ganz im Gegenteil. In der Zeit, die sie nun mit Harry einen kleinen Teil davon sehen durfte, gab es Momente, in denen sie nicht an die Zukunft gedacht hat. Und diese Momente waren mit ihre glücklichsten.
Es hat auf diesem Abenteuer Momente gegeben, in denen sie sich den Kopf darüber zerbrochen hat, wo sie in einem Jahr stehen wird und ob sie das Richtige tut. Aber dann hat es genauso diese Momente gegeben, in denen sie schlicht genossen hat, was sie gerade erleben darf und dass Harry bei ihr ist.
„Ich glaube für's Erste muss ich Zuhause mal durchatmen", antwortet Viola endlich auf Harrys Frage und lacht dabei immer noch. „Meine Eltern melden sich überraschend wenig. Ich muss erstmal sichergehen, dass das Papageno überhaupt noch steht. Und dann würde ich dir Bescheid geben. Ist das in Ordnung?"
Grinsend nickt Harry.
„Selbstverständlich. Bloß nicht festlegen und keine Pläne machen – du lernst schnell", bemerkt er stolz.
Zurück in London müssen Viola und Harry beide prüfenden Augen gegenübertreten.
In Harrys Fall handelt es sich um drei Augenpaare, die ihn schon beim Betreten des Proberaums aus der Ferne durchbohren.
Zwar hat Niall die Schlagezeilen bereits an Louis und Liam weitergegeben, doch trotzdem wollen sie alle noch seine Sicht der Dinge hören.
„Fangt gar nicht erst an", nimmt Harry ihnen jedoch den Wind aus den Segeln, noch bevor sie überhaupt eine Frage stellen können. Einhaltend hebt er seine Hand. „Es ist alles beim Alten, sie ist und bleibt eine Freundin. Und vielleicht begegnet ihr ihr noch auf Tour. Mehr gibt es nicht zu wissen."
Für gewöhnlich ist Harry ein heiterer Zeitgenosse, der seine Gefühlslage gerne mit seiner Umwelt, wenn nicht sogar in Songs mit der Welt, diskutiert. Wenn er aber einen solch entschlossenen, rauen Ton anschlägt, wissen seine Freunde und Bandkollegen allesamt, dass er mit seinen Gefühlen alleine sein will.
Verstehend nicken sie alle, öffnen dafür aber die Arme.
„Schön, dich zu sehen, Harry", lächelt Louis ihn ehrlich an und zieht ihn brüderlich in eine herzliche Umarmung.
Violas Rückkehr in ihr Elternhaus hingegen, gestaltet sich völlig anders, als die junge Italienerin erwartet hatte. Es ihre vertraute Umgebung. Nirgends ist sie so feinfühlig wie hier, was die Schwingungen an einem Ort angeht.
Schon unterwegs kam ihr manchmal der Gedanke, ihre Eltern würde etwas belasten. Zwar zeigten sie sich immer interessiert daran, wo sich ihre Tochter aufhielt, doch ein bedrückter Unterton war stets mitgeschwungen.
Als sie nun schon seit einer Stunde auch noch in das müde Gesicht ihrer Mutter blickt und ihr Vater beklommen daneben sitzt, stellt Viola direkt heraus die Frage.
„Hier ist doch irgendwas passiert, oder?", will Viola endlich wissen. „Ist alles gut? Ihr guckt so seltsam."
Zwiegespalten guckt Francesca drein.
„Ach, Liebes, hier war in den letzten Tagen die Hölle los", seufzt sie erschlagen. „Leo hat Bianca verlassen."
Nahezu erleichtert atmet Viola auf. Sie hatte bereits befürchtet, dass ihre Familie ein harter Schicksalsschlag ereilt hätte. Die Neuigkeit, dass ihre hochschwangere Cousine Bianca vom Vater ihres ungeborenen Kindes stehengelassen wurde, ist in Violas Augen ein Drama, mit dem sie leben kann.
„Oh, die Arme", gibt sich Viola trotzdem mitleidig. „Wie das denn so plötzlich?"
Sie erinnert sich noch lebhaft, wie Bianca zum ungünstigsten Zeitpunkt ihre Schwangerschaft verkündet und damit Viola ihre eigene Einsamkeit vor Augen geführt hat. Sie war damals mit der entscheidende Anstoß, dass sie sich auf das Blind Date mit Harry eingelassen hat.
„Er ist wohl der Meinung, es passt doch nicht zwischen ihnen und kann sich keine gemeinsame Zukunft vorstellen", schnaubt Francesca. „Eine reichlich späte Erkenntnis, wenn du mich fragst."
Dass Francesca vorallem mit ihrer Schwester und damit Biancas Mutter mitleidet, kann Viola gut nachvollziehen. Ihr selbst hingegen fehlt im Moment die nötige Empathie.
„Naja, sie kennen sich ja gerade mal zwei Jahre. Nach so kurzer Zeit ein Kind in die Welt zu setzen, war ohnehin etwas gewagt", tut Viola ehrlich ihre Meinung kund, ohne lange darüber nachzudenken und staunt plötzlich selbst über diese Aussage.
Bianca ist nur ein Jahr älter als sie selbst und Viola hat sie stets beneidet, seitdem sie Leo kenenngelernt hat. Sie hätte vermutlich alles ganz genauso gemacht wie ihre Cousine und trotzdem ist sie gerade der Meinung, dieser Ausgang wäre vorherzusehen gewesen.
Mit großen Augen gucken Francesca und Antonio ihre Tochter an, während Letzterem ein leichtes Grinsen im Gesicht steht.
„Die Reise hat die gut getan, ja?", grinst ihr Vater schließlich offen, während Francesca wiederum entsetzt den Kopf schüttelt.
„Dein Zynismus bringt niemanden weiter, Viola!", schüttelt diese verständnislos den Kopf.
Erschrocken vor sich selbst rudert Viola zurück. „Das war auch gar nicht so gemeint. Ich glaube, ich bin einfach ziemlich erledigt von den letzten Wochen. Ich schreib Bianca morgen direkt mal, vielleicht will sie sich ja ablenken."
Weitaus zufriedener mit dieser Reaktion nickt Francesca nun.
„Am Besten unterhalten wir uns morgen nochmal, wenn wir alle ausgeschlafen sind. Dann kannst du uns auch nochmal in Ruhe erzählen, wie es mit Harry so war."
Einverstanden nickt nun auch Viola.
Dass sie bei dieser Berichterstattung auf jeden Fall das ein oder andere Ereignis aussparen wird, weiß sie schon jetzt.
Außerdem wird sie schon morgen Thommy wiedersehen, doch auch das wird sie ihren Eltern vorerst vorenthalten.
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