28 | von Feuerwerken und Neujahrswünschen
Silvester war für Viola nie ein großes, bedeutungsvolles Ereignis. Für die junge Frau ist es bloß, genau wie ihr Geburtstag, ein Tag, der sie die Zeit spüren lässt.
Dass dieses Jahr das bisher außergewöhnlichsten ihres Lebens ist, steht für Viola außer Frage. Sie sitzt auf Ellen DeGeneres' Yacht in LA, unter anderem mit Niall Horan und Harry Styles an ihrer Seite.
Glücklicherweise hat inzwischen der Alkohol nach den verfahrenen, seltsamen Situationen des heutigen Tages, die Anspannungen und die Zungen wieder gelockert. Die Stimmung ist somit halbwegs entspannt, als sich das neue Jahr ankündigt.
Kurz vor dem Jahreswechsel stehen Viola und Harry an der Reling des Bootes und warten auf den Countdown, während Niall und Melly unweit von ihnen ein paar Fotos schießen.
„Als meine Schwester und ich noch Kinder waren, hat meine Mutter uns immer kurz vor Mitternacht gefragt, für welche drei Dinge wir im vergangenen Jahr am dankbarsten sind. Sollen wir diese Tradition wieder aufleben lassen?", fragt Harry.
„Das klingt nach einer sinnvollen Tradition", nickt Viola lächelnd.
Nachdenklich richtet sie ihren Blick aufs Meer und kuschelt sich fester in ihre Strickjacke. Auf dem Wasser ist es inzwischen um Einiges kälter geworden, doch die Stimmung und die Lichter auf der Yacht, schaffen eine herrliche Atmosphäre.
„Was sind denn deine drei Dinge, Harry?"
„Ich bin für so vieles dankbar. Da ist es schwierig, sich auf nur drei zu beschränken", seufzt Harry und überlegt kurz. „Ich bin auf jeden Fall unheimlich dankbar für alles, was wir dieses Jahr mit der Band erreicht haben. Und für die Nerven meiner Familie, weil sie mich immer unterstützen, obwohl ich mir viel zu wenig Zeit für sie nehme. Und für die Begegnung mit dir."
Bei Harrys letztem Punkt lacht Viola laut auf.
„Das sagst du doch auch nur, weil ich gerade neben dir stehe!"
Lachend schüttelt der Sänger den Kopf.
„Gar nicht! Du hast mich durch den Entstehungsprozesses unseres letzten Albums gebracht und hast es sogar geschafft, mich die ganze Zeit über in London zu halten. Du hattest viel Einfluss auf die zweite Hälfte meines Jahres."
Harrys Worte schmeicheln Viola, das kann sie nicht leugnen. Insbesondere deshalb, weil sie ihm jedes Wort glaubt. Schließlich war es in ihrem Fall nicht anders.
Dankbar lächelt sie ihn an.
„Was sind deine drei Dinge?", gibt Harry die Frage dann an Viola zurück.
„Ganz ähnlich, glaube ich", antwortet sie ehrlich. „Ich bin unheimlich dankbar dafür, dass mich meine Familie immer noch so unterstützt und mich zu nichts zwingt. Und ansonsten wurde das Jahr sehr von dir überschattet, aber im positiven Sinne. Ich bin dankbar, dass wir uns kennengelernt haben und dass du mich so viele Dinge erleben lässt, die für die meisten niemals erreichbar wären. Und mich überhaupt erst so weit gebracht hast,
mich darauf einzulassen."
Lächelnd sieht Harry aufs Meer hinaus und hört Viola zufrieden zu.
„Das musstest du jetzt ja fast sagen", lacht er, ist aber hörbar glücklich, in Violas Aufzählung stattgefunden zu haben.
„Ich mein's aber auch wirklich ernst", verspricht Viola.
Lächelnd reißt Harry seinen Blick vom Wasser los und sieht Viola nun doch direkt in die Augen. Sofort fühlt es sich wieder an, wie es heute Morgen am Runyon Canyon der Fall war.
„Ich weiß", versichert ihr Harry sanft.
Ehe der Moment wieder eine Wendung nehmen kann, der ihre Beziehung zueinander noch verwirrender machen kann, zucken die beiden erschrocken zusammen.
Die letzten Sekunden des Countdowns waren angebrochen und einige übermotivierte Menschen an der Küste haben bereits die ersten Raketen gezündet. Kurz darauf erstrahlt der gesamte Himmel in verschiedensten Lichtern und vereinen sich zu einem riesigen Feuerwerk.
Während die Lichter am Himmel tanzen, spielen auf Ellens Yacht die Gefühle verrückt.
„Frohes Neues!", hört man aus jeder Richtung, zusammen mit klirrenden Gläsern. Ein neues Jahr ist angebrochen, obwohl Harry und Viola gerade hätten schwören können, die Zeit hätte stillgestanden.
Verlegen lächeln sie einander an und überlegen, was angesichts der Umstände nun die angemessene körperliche Nähe ist, die sie zulassen dürfen und können. Sie wissen beide, was das letzte Mal, als sie einander umarmt haben, passiert ist. Allerdings wäre alles andere in diesem Moment völlig verrückt.
Harry kann und will Viola nicht plötzlich per Handschlag oder Schulterklopfen ins neue Jahr schicken. Zu einem Neujahrskuss darf es allerdings genauso wenig kommen.
Entschieden öffnet er also seine Arme und schließt Viola darin ein. Auch diese erwidert seine Umarmung überraschend fest.
„Frohes neues Jahr, Harry."
„Frohes neues Jahr, Viola", erwidert Harry.
Viola ist so klein, dass Harry in ihrer Umarmung problemlos seinen Kopf auf ihrem ablegen und damit noch mehr Nähe spüren kann. Er hätte sie zu gerne auf ihr Haar oder die Stirn geküsst, doch dieses Mal muss er an sich halten.
Als Harry seine Augen wieder öffnet, Viola aber immer noch im Arm hat, sieht er über ihren Kopf hinweg, wie sich Thommy ihnen, oder wohl eher Viola, nähert.
Tief atmet Harry durch, ehe er die junge Frau widerwillig loslässt und sogar in Thommys Richtung nickt, um sie auf ihn aufmerksam zu machen.
„Ich glaube, da will jemand zu dir."
Lächelnd erkennt Viola den Blonden, als sie sich umsieht und lässt sich auch von ihm bereitwillig in die Arme schließen. Harry hingegen versetzt es einen gezielten Schlag in die Magengrube. Er will von dieser Szene möglichst wenig mitbekommen und kehrt den beiden entschlossen den Rücken, bloß um nun direkt in Nialls Gesicht zu blicken.
Brüderlich umarmt der Ire seinen Bandkollegen sofort und klopft Harry aufmunternd auf den Rücken.
„Frohes Neues", wünscht Niall seinem Freund aufrichtig, hat gleichzeitig aber auch über dessen Schulter hinweg eine prüfenden Blick auf Thommy und Viola. „Willst du reden?"
Seufzend schüttelt Harry den Kopf, während er halbherzig die Neujahrswünsche von Melissa über sich ergehen lässt.
„Da gibt's nichts zu reden", raunt er Niall zu und umarmt Melly flüchtig. Irritiert lässt Melissa Harry wieder los und überlässt die beiden Jungs damit sich selbst.
„Was soll das denn bedeuten?", will Niall verwundert wissen. „Habt ihr also nochmal offen miteinander geredet und euer ganzes emotionales Gepäck im letzten Jahr gelassen?"
Das kann Harry ganz und gar nicht behaupten. Tatsächlich hat er sogar mehr Gepäck denn je.
Ehrlicherweise schüttelt Harry also den Kopf.
„Ich will sie nicht aufhalten."
„Aufhalten wobei?"
„Dabei, Thommy kennenzulernen", gesteht Harry, auch wenn es ihm alles andere als leicht fällt. „Er scheint ein netter Kerl zu sein. Vielleicht kann er ihr das geben, was sie will und in Zukunft mit ihm glücklich werden."
Überrascht zieht Niall die Augenbrauen nach oben.
„Wow, Harry. Das klingt, als hättest du dich tatsächlich ernsthaft verliebt."
Seufzend zuckt Harry mit den Schultern. Wenn das das Gefühl verliebt zu sein ist, dann hätte er es lieber nicht kennengelernt. Er muss nun das Beste daraus machen.
Es soll ihm offensichtlich verwehrt bleiben, eine Zukunft mit Viola zu haben - zumindest nicht als Paar, denn dafür haben sie zu unterschiedliche Vorstellungen.
Allerdings weiß er ebenso gut wie sie, dass sie einander gerne haben und einander etwas bedeuten. Und das kann ihm niemand nehmen.
Zu lieben, ohne jegliche Erwartungen an den Anderen zu stellen, ist die reinste Form der Liebe. Sie ist bedingungslos.
Gleichzeitig zu wissen, dass diese Liebe keine Chance haben wird, ist die Grausamste.
Sich selbst aufgeben, um mit Viola in eine Zukunft starten, die er so nie gewollt hat, kann er nicht. Aber Harry will, dass Viola glücklich wird - auch ohne ihn.
Sie soll jemanden finden, der ihren Vorstellungen gerecht wird und auch er wird womöglich eine Frau kennenlernen, die sein Leben mit ihm teilen will. Und vielleicht hat Viola mit Thommy bereits diese Chance.
Schnell schüttelt Harry all die Traurigkeit und Zweifel von sich ab, als er sieht, wie diverse Leute auf ihn zusteuern und ihn, auch wenn sie sich noch so wenig kennen, im neuen Jahr unarmen wollen.
Gleichzeitig wagt auch Viola einen Blick über ihre Schulter und guckt zu Harry, während Thommy mit ihr spricht. Sie sieht, wie er lachend Menschen in den Arm nimmt, deren Namen sie längst wieder vergessen hat.
Sie hat kein recht, ihm Vorwürfe zu machen, das weiß sie ganz genau. Stattdessen sollte sie dankbar sein, dass ihr Thommy begegnet ist und Harry ihr den Raum gibt, ihn kennenzulernen.
Hätte sie sich dennoch gewünscht, Harry würde in ihre Unterhaltung platzen und ihr seine Gefühle gestehen? Ja.
Doch gleichzeitig ermahnt sie die Stimme in ihrem Kopf immer wieder und ruft ihr in Erinnerung, wie wenig Sinn all das machen würde.
Würde Viola ihre Wünsche für dieses Jahr ehrlich formulieren, stünde ganz oben auf der Liste, dass Harry seine Meinung ändert, mit ihr in einen ruhigen Vorort zieht und mit ihr das Leben führt, das er nicht nur einmal als „verschnarcht" bezeichnet hat. Doch Harry will weder in naher Zukunft heiraten, noch der Vater ihrer Kinder werden.
Stattdessen will er auch dieses Jahr wieder selbst als großes Kind ohne Verantwortung durch die Welt laufen.
Die realistische Variante für den Verlauf dieses Jahres ist also, dass Viola Harrys Gesellschaft weiterhin genießt und sie an ihrer Freundschaft festhalten, während Viola Thommy weiterhin kennenlernt. Vielleicht findet sie in ihm den Mann für ihr zukünftiges Leben.
Mit Harrys heutigem Verhalten und seiner vorherigen Reaktion hat er ihr bereits gezeigt, dass auch er verstanden hat, dass zwischen ihnen nicht mehr passieren kann und darf, als dass sie gute Freunde sind. Immerhin ziehen sie also am gleichen Strang.
„Darf ich nochmal deine Zeit beanspruchen und dich zur Bar oder an ein ruhigeres Plätzchen, wo wir uns unterhalten können, entführen?", reißt sie Thommys Stimme plötzlich wieder aus ihren Gedanken. „Ich will wirklich nicht unhöflich oder aufdringlich sein, aber ich will die Zeit gerne nutzen, wenn wir hier schon mal gemeinsam auf diesem Kontinent und noch dazu auf diesem Boot sind. Wenn du aber gerne noch bei deinen Freunden bleiben willst, kann ich das auch verstehen. In dem Fall sehen wir uns auf jeden Fall in London wieder."
Lächelnd sieht Viola den Dunkelblonden an. Er ist so charmant und höflich, dass er ihr gar keine andere Wahl lässt, als zustimmend zu nicken, um Zeit mit ihm zu verbringen.
Erleichtert erwidert Thommy ihr Lächeln, legt vorsichtig einen Arm um sie und zieht sie sanft mit sich.
„Moment", hält ihn Viola dann aber doch noch einmal kurz auf, als sie gerade Harry passieren.
Es ist eine seltsame Situation, an die sie sich jedoch gewöhnen will und muss. In Thommys Arm wendet sie sich an den Sänger.
„Harry, wir sind eben -"
„Schon gut", winkt Harry ab und will gar nichts Näheres dazu wissen. „Ich find' dich später schon und sag' dir Bescheid, wenn ich nach Hause fahre."
Er bemüht sich, Viola und Thommy ein ehrliches Lächeln zu schenken, doch ohne es zu wissen, macht es ihm der Blonde nicht leicht.
Locker klopft Thommy ihm auf die Schulter und strahlt Harry an. „Ich pass' schon auf sie auf und bring sie heil wieder. Frohes Neues, Harry!"
„Frohes Neues, Thommy", murmelt Harry kaum hörbar und kehrt den beiden schnell wieder den Rücken zu, ehe sie gemeinsam ihrer Wege gehen.
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