Kapitel 12
Ich war in Greensburg zur Highschool gegangen. In unseren Freshmen-Jahren hatten ich und ein paar Freunde es als überaus witzig befunden, uns während des Staffellaufs, Weitsprungs oder Rugbyspielens unerlaubt vom Sportplatz zu entfernen, um hinter der nächsten Mauer zu rauchen oder das Geschehen auf den Tennisplätzen zu beobachten, wo die Senior-Mädchen immer in ihren knappen Sportröcken herumspielten. Wenn uns dabei langweilig geworden war, hatten wir uns durch eine Lücke im Maschendrahtzaun vom Schulgelände geschlichen und waren zu einem der letzten verbliebenen Münztelefone gegangen, die es in diesem County - womöglich sogar ganz Indiana - gab, um anonym beim Sekretariat, der Schulbücherei oder dem ortsansässigen Pizzaladen anzurufen. Dumme Teenagerjungen, die ihre dummen Teenagerstreiche für besonders hielten, weil sie sie mithilfe eines technischen Reliktes aus dem vorherigen Jahrhundert praktizierten. Rückblickend betrachtete ich die Aktionen meines damaligen pickelgesichtigen Ichs mit sehr viel Fremdscham. Aber in jener Nacht dankte ich ihm auch, denn nur aufgrund dieser Aktionen wusste ich, dass es noch ein solches Telefon in Greensburg gab.
Das Schulgelände befand sich am nordöstlichen Rand der Stadt, umringt von Feldern und weit entfernt von den Wohnvierteln und Geschäften. Ich kam mir vor wie im Nirgendwo, während ich die einsame Schnellstraße entlangtuckerte, und ich zweifelte schon daran, dass das Telefon weiterhin existierte, bis die Scheinwerfer meines Chevrolets den Blechkasten schließlich erfassten.
Ich parkte auf dem Seitenstreifen, aber ich stieg nicht aus. Der Motor brummte, die Armaturen beschienen meine geschwollenen Fingerknöchel. Die Welt draußen schlief, war totenstill. Während das Münztelefon seiner Entsorgung weiterhin so unablässig zu trotzen schien wie uralte Bäume einem wütenden Tornado, hatte man den Maschendrahtzaun auf der anderen Seite der Straße inzwischen entfernt. Nur noch ein paar Sträucher und Eichen, hinter denen sich eine Aschenbahn und ein Footballfeld in der Nacht verloren wie in einem schwarzen, undurchdringlichen Nebel. Die Welt war noch dieselbe, aber die Dinge hatten sich geändert.
Meine Hände lagen ruhig auf dem Lenkrad. Zehn Minuten lang. Vielleicht auch fünfzehn. Als ich ausstieg und die Straße überquerte, tat ich es in einer Art Trance.
Das Display meines Smartphones war zerbrochen, aber es funktionierte noch - die Uhr zeigte zwei Minuten nach drei. Grillen zirpten, als ich das Ding wieder in die Tasche schob und den klobigen Hörer des Münztelefons in die Hand nahm. In der Ferne schallte der Lärm von Sattelschleppern durch die Nacht, die über den Interstate 74 donnerten.
Ich wurde durchgestellt. Der Klang meiner Stimme war mir so fremd, war so ruhig, dass ich das Gefühl bekam, jemand anderem beim Sprechen zuzuhören. Ich nannte die Adresse. Ich sagte, dass dort die verschwundenen Leichen zu finden seien, die man auf den Friedhöfen von Greensburg und Hartsville entnommen hatte. Ich sagte, dass die alte Dame, der das Anwesen gehörte, ebenso bereits verstorben sei. Ich sagte, dass ihre beiden Enkelinnen, die dort lebten, womöglich gewaltbereit seien. Ich sagte, dass sie Hilfe brauchten. Den zweiten Teil dieses Satzes musste ich jedoch wiederholen, weil mir die Stimme in diesem Moment versagte. Ich schluchzte und sagte, dass man die beiden ihr Leben lang allein gelassen hatte. Dann legte ich auf und rannte zu meinem Wagen und setzte mich hinters Steuer und heulte los. Aus dem Schluchzen wurde ein Schreien, ich schlug aufs Lenkrad ein und schüttelte es und warf mich auf dem Sitz hin und her.
Dann fuhr ich weiter.
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