21. Kapitel
Die ganze Woche, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, mit Tim zu sprechen. Ihm alles zu erklären. Sein Versprechen, dass nichts zwischen Nick und mir laufen wird, habe ich eingehalten und das soll er wissen. Allerdings war es mir unmöglich, Tim in dieser Woche aufzuspüren.
Es ist die Woche vor dem Abiball, was zur Folge führt, dass die gesamte Woche kein Unterricht mehr stattfindet, sondern nur die Vorbereitungen für den Ball. Und davor hat er sich gekonnt gedrückt. Ich war mit Thea jeden Tag in der Schule. Marlon ebenfalls, aber kein Tim.
Nicht einmal auf dem Handy konnte ich ihn erreichen. Zweimal, bin ich sogar bei ihm Zuhause aufgekreuzt. seine Mutter, die keine Ahnung hatte, wer ich bin, konnte mir ebenfalls keine Antwort darüber geben, wo er sein könnte. Noch verwunderter, dass seine Mutter nicht weiß, wo ihr Sohn steckt, wundert es mich, dass sie mit meinem Namen nichts anfangen konnte.
Wenn Tim echte Gefühle hat, warum wissen seine Eltern dann nichts von mir? Erzählt man davon nicht Zuhause? Nach kurzer Überlegung verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich habe meine Eltern Monate lang über meinen Aufenthalt und meiner Gefühle für meinen Lehrer belogen.
Inzwischen ist es Freitag und niemand hat ihn gesehen. So langsam beginne ich mir ernsthafte Sorgen zu machen. Warum hat niemand eine Ahnung, wo er ist?
Wieder wähle ich seine Nummer und wie immer, geht nach viermal klingeln, der Anrufbeantworter dran.
„Das gibt es doch gar nicht“, fluche ich und würde am liebsten mein Handy gegen die Bühne schmettern, die die Jungs aus meinem Kurs soeben mühselig aufgebaut haben. Warum ist es so verdammt schwierig etwas zu beenden, dass nie richtig angefangen hat? Vor lauter Zorn schlage ich mit der Faust gegen die Wand der Bühne.
„Aua“, schreie ich auf und halte die Hand zwischen meinen Beinen, um den Schmerz ein zu dämpfen.
„Was machst du bitte?“, will Thea wissen und kommt von der Bühne gesprungen, mit den Händen voll bunten Bändern, die sie um das Geländer wickelt, das die Bühne eingrenzt.
„Gar nichts“, knirsche ich mit den Zähnen.
„Dein ‚gar nicht‘, sieht aber sehr schmerzhaft aus“, stellt sie fest und zieht meine verletzte Hand hervor und betrachtet sie von allen Seiten. Durch den Schlag, ist mein kleiner Finger rot und etwas geschwollen.
„Beweg deine Finger mal“, befiehlt sie mir und ich tue, was sie mir sagt. Alle Finger lassen sich bewegen, gebrochen ist also nichts. Nicht, dass ich genügend Kraft aufbringen könnte, mir einen Finger selbst zu brechen. Meine Kraft hat nicht einmal dafür gelangt, dass ich mir einen Nagel abbreche. Schwache Leistung.
„Ich hole dir einen Kühlakku. Nicht wieder zuschlagen, verstanden?“, verlangt sie von mir und läuft in Richtung des Helfer-Raums. Nicht, dass es nötig wäre.
„So und jetzt hinsetzen und kühlen“, erteilt sie mir einen weiteren Befehl und nimmt das restliche Material, das sich in meinem Besitz befunden hat, an sich. Und so bin ich von der einen auf die andere Sekunde überflüssig geworden.
„Du bist eine ganz schöne Sklaventreiberin, weißt du das?“, keife ich, noch immer verstimmt von der Grundsituation und bereue sofort meine Wortwahl. Wenn jemand nichts dafür kann, dann Thea.
„Ich habe dich gerade von deinen Aufgaben befreit und dir etwas gegen den Schmerz besorgt. Du kannst dich glücklich schätzen“, beteuert sie und bringt meine Arbeit, die Kunstblumen zu befestigen, zu Ende. „Vor allem, wenn man in Betracht zieht, wer auf dich wartet“, kichert sie nun und wirft mir einen frechen Blick zu.
Ich hab Thea von Nick erzählt. Wie könnte ich auch nicht? Thea ist meine beste Freundin, sie war einer der ersten, die davon Spitz bekommen haben.
Gleich montags, habe ich zu ihr das Gespräch gesucht und ihr alles gebeichtet. Sie war ganz aus dem Häuschen und hat sich wahnsinnig für mich gefreut. Aber wie Marlon und mein Vater, kam sie gleich auf Tim zu sprechen. Aus diesem Grund, bekommt sie leider meinen ganzen Frust von mir ab, dass das Schlussmachen mit Tim, alles andere als einfach ist. Wie auch, wenn ich ihn nicht zu fassen bekomme?
„Kommt er eigentlich zum Ball? Das wäre so romantisch, wenn auf einmal auftauchen würde und dich zum Tanzen auffordern würde“, träumt Thea und lässt sich plötzlich neben mir auf dem Boden nieder.
„Das wird ganz sicher nicht passieren“, zerstöre ich Theas Traum für mich und schüttele den Kopf, bevor ich ihn in den Nacken lege und gegen die Decke der Sporthalle blicke. Gestern wurden dort bereits mehrere Scheinwerfer wieder in Betrieb genommen, die in diesem Augenblick eine Probe einlegen und ein Lichtspiel zu erkennen ist.
„Aber warum denn nicht?“
„Dein Ernst? Weil er hier mal Lehrer war. Wie sähe das denn aus, wenn er mit einer seiner ehemaligen Schülerinnen tanzen würde und das vor Augen aller Lehrkräfte und Eltern. Nein danke, das Gerede kann ich mir ersparen“, erkläre ich Thea. Und zu dem ich noch gar nicht weiß, ob Nick nicht wieder an diese Schule wechseln wird, wenn wir alles zwischen uns geklärt haben. Dann kann er sich schlecht hier mit mir vorab sehen lassen. Die Gerüchteküche um Nick und die Affäre mit Tina ist immer noch in aller Munde, dann würde ich ihm das Gerede mit mir gerne ersparen.
„Du hast ja recht, aber du musst zugeben, romantisch wäre es alle mal“, feixt sie und die Herzchen in ihren Augen sind nicht zu verwechseln.
„Ja, das wäre es“, säusele ich. „Aber dafür müsste ich Tim erst mal erreichen, damit ich endlich alles beenden kann. Verdammt, warum taucht dieser Kerl nicht einmal Zuhause auf?“, platzt es einen ticken zu laut aus mir heraus und wieder würde ich am liebsten irgendwo dagegen schlagen. Stattdessen stampfe ich auf den Boden. Ja richtig, ich stampfe auf den Boden, wie die jungen Mädchen in einem klischeehaften Teenie Film und genauso fühle ich mich gerade.
„Sag mir bitte, dass du eine Ahnung hast, wo er ist?“, flehe ich Thea an und lege den Kühlakku beiseite. Er ist inzwischen nicht mehr annähernd kalt und dient meiner Hand nicht mehr.
„Ich habe ihn letzte Woche das letzte Mal gesehen, also nein. Und bei mir geht er auch nicht an sein Telefon“, gibt mir Thea zum Verstehen und steht wieder auf, um sich weiter an die Arbeit zu machen.
Ein letztes Mal, versuche ich bei Tim anzurufen, aber wieder ist es eine Nullnummer.
♥
Nach wie vor habe ich kein Lebenszeichen von Tim erhalten. So langsam wird das Gefühl in mir geweckt, dass Tim es mir damit heimzahlen will. Er wollte nicht, dass ich zu Nick fahre und ihn treffe. Ihm war genauso, wie mir, bewusst, dass wenn ich zu ihm fahre, dass es schlecht um uns steht. Dass ich mich für Nick entscheiden würde und dieses Freundschaft+ Ding beende. Und es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, wenn ich nicht die ganze Zeit während unserer gemeinsamen Zeit, genau das mir erhofft hätte.
Und jetzt ist es so weit. Aber ich kann mich erst vollkommen auf Nick einlassen, wenn es keinen Tim und mich mehr geben wird.
Es ist zum Haareraufen. Und ich pikse mir mit der Haarnadel, die ich zum Befestigen der einzelnen Strähnen, in meine eh schon strapazierte Kopfhaut.
Fertig mit der aufwendigen Hochsteckfrisur, kombiniert mit Locken und fertigen Make-up, stolpere ich zurück in mein Zimmer. Dort befreie ich mein Kleid aus seiner Schutzfolie und hänge es an der Schranktür auf. Ich mustere es von oben bis unten. Es ist einfach perfekt.
Bevor ich in das Kleid steige, wähle ich ein Paar Schuhe aus meiner Highheels Sammlung und schlüpfe hinein. Von der einen auf die andere Sekunde bin ich um zehn Zentimeter größer und nehme mir das Kleid zur Hand.
Mit einer Hand halte ich es an meiner Brust fest, während ich mühsam mit meiner linken Hand versuche, den Reißverschluss kläglich zu schließen. Aber keine Chance.
Nach dem dritten Versuch, meinen Arm zu verbiegen, gebe ich auf. Ich brauche Hilfe.
Mit dem Kleid, das ich gegen meine Brust drücke, damit es mir nicht runterrutscht, halte ich auf Marlons Zimmer zu. Mehrmals klopfe ich, doch erhalte keine Antwort.
Einen Spalt öffne ich die Tür und finde keinen Marlon vor. Ernüchternd sinken meine Schultern und ich trotte zurück in Richtung meines Zimmers.
„Brauchst du Hilfe?“, ertönt die Stimme meiner Mutter hinter mir. Ich drehe mich zu ihr um und sehe sie auf der letzten Treppenstufe stehen. Meine Mutter trägt bereits ihr Outfit für den heutigen Abend. Zur Zeugnisvergabe dürfen die Eltern anwesend sein, für die anschließende Party in Anschluss nicht.
„Ich meine mit deinem Kleid“, deutet sie auf meinen Rücken, dessen Verschluss nur bis zur Hälfte hochgezogen ist.
Es ist das erste Mal seit meiner Ansprache, dass meine Mutter das Wort zu mir ergreift. Und ich muss zugeben, ich bin über ihre ruhige Art, etwas schockiert. Aber da ich niemanden sonst um Hilfe bitten kann, nicke ich ihr zustimmend zu. Sie lächelt mir zögerlich zu und folgt mir in mein Zimmer.
Der Reißverschluss gleitet in ihren Händen wie Wachs und das Kleid schmiegt sich an meinen Körper an.
„Das Kleid ist wunderschön, Toni. Du bist wunderschön“, staunt meine Mutter, unterdessen sie hinter mir steht und mich von vorne im Spiegel sieht. „Ich bin so stolz auf dich, mein Schatz.“
Augenblicklich gefrieren meine Gliedmaßen zu Eis. Das sind wohl die schönsten Worte, die sie jemals zu mir gesprochen hat und doch spüre ich ein Stich in meinem Herzen. Sie sind gelogen. Das weiß ich und sie auch.
„Warum sagst du das?“, kommen sie Wörter nur als ein Flüstern über meine Lippen.
„Was meinst du?“
„Wie kannst du so etwas zu mir sagen, wo wir doch beide wissen, dass deine Worte nicht der Wahrheit entsprechen“, pflichte ich ihr zu und drehe mich zu ihr um, um ihr in ihre eiskalten blauen Augen zu schauen. Ich höre sie schwer schlucken, doch sie schafft es meinen anklagenden Blick zu erwidern. Sie bleibt ganz ruhig.
„Es wäre gelogen, wenn ich dir sagen würde, dass ich nicht stolz auf dich bin. Denn das bin ich. Nicht über alle Entscheidungen, die du getroffen hast, aber auf das, was aus dir geworden ist.“
Mit weit aufgerissenem Mund stehe ich vor ihr. Ich bin baff. Sprachlos. Kamen diese Worte gerade wirklich von ihr? Ich kann es nicht glauben.
„Das soll heißen, du akzeptierst Nick und mi..“
„Nein! Das soll es nicht heißen“, stellt sie gleich klar. „Aber ich sehe, dass du ihn wirklich liebst und du nach all den Monaten noch immer an ihm hängst und bereit bist, dein Leben für ihn zu verändern.“
„Ich kann dir noch immer nicht folgen. Du willst mir also sagen, dass du unsere Beziehung nach wie vor nicht akzeptierst, aber ..“
„Aber ich werde mich euch nicht mehr in den Weg stellen, solange ihr nach unseren Vereinbarungen festhaltet. Du bist nun mit der Schule fertig und fängst bald an zu studieren. Auch wenn es sich in den letzten Monaten für dich anders angefühlt haben muss, will ich nur, dass du glücklich bist und wenn dein Glück an Herr Engel hängt, dann werde ich damit leben müssen.“
„Wow“, ist das Einzige, das mir dazu einfällt. „Ich meine, danke, irgendwie“, stottere ich, noch immer fassungslos. Es wird noch eine Weile dauern, bis ihre Worte bei mir angekommen sind und ich sie richtig realisiert habe.
Aber ist es nicht genau das, was ich mir gewünscht habe? Dass sie wie eine Mutter reagiert und nicht wie die Anwältin Frau Thaler? Genauso ist es und doch so unverständlich.
Unvorbereitet breitet sie die Arme aus und nimmt mich in den Arm. Reflexartig schließe ich meine Arme um sie und wie auf Kommando schleicht sich eine einzelne Träne aus meinem Augenwinkel. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich habe es vermisst, in den Armen von meiner Mutter Schutz zu suchen. Und in diesem Augenblick ist es mir egal, was der ausschlaggebende Grund war, dass sie ihre Meinung ändert.
Erst durch das Klopfen an meiner Tür, wird mir schlagartig klar, dass meine Mutter und ich eine Ewigkeit Arm in Arm hier stehen und wir lösen uns voneinander.
„Ich hab dich lieb, Mama“, bringe ich hervor, dessen Bedeutung mir erst jetzt wieder bewusst wird und ich es wirklich ernst meine.
„Und ich dich, mein Schatz“, erwidert sie und wicht mir sanft die einzelnen Tränen aus dem Gesicht, ohne mein Make-up zu zerstören.
„Bist du bereit, für noch eine Überraschung?“, fragt sie mich und ihre Mundwinkel zucken verdächtig nach oben.
„Noch eine Überraschung? Deine Offenbarung war doch schon Überraschung genug“, verkünde ich und quieke auf. Unterdessen überprüfe ich mein Gesicht im Spiegel, dass ich mein Gesicht nicht noch einmal von vorne schminken brauche. Dafür hatte ich eine Ewigkeit gebraucht.
„Da ist noch jemand, der dich sehen will“, übergeht sie meine Frage und öffnet die Tür.
Mir fällt die Kinnlade runter. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.
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Hallo Leute :)
Hier das erste Kapitel diese Woche und dieser Tim macht uns immer noch Schwierigkeiten..
Was hat er vor? Verpasst er wirklich seinen eigenen Abiball?
Und, was haltet ihr von Tonis Mutter? Ich war genauso überrascht wie Toni, denn wenn ich ehrlich bin, hatte ich das etwas anders im Kopf.. Aber mir gefällt es :D
Und wer ist wohl an Tonis Tür? Tim oder...?
Wer gut aufgepasst hat, weiß wann die Auflösung kommt :P
Eure Liarie ♡
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