-19-
Die Stille, die nach dem Moment zwischen uns eingetreten war, fühlte sich fast erdrückend an.
Ich stand dort, atmete schwer, spürte noch immer das pulsierende Gefühl des Hungers, das sich durch jede Faser meines Körpers zog.
Doch es war nicht mehr nur das Verlangen nach Blut, sondern nach etwas anderem – etwas, das ich noch nicht vollständig begreifen konnte.
Ni-ki stand ruhig, seine Augen auf mich gerichtet.
Er hatte sich nicht bewegt, kein einziges Mal gezuckt, als ich ihn verlassen hatte.
Stattdessen wirkte er, als ob er wusste, dass es für mich nun kein Zurück mehr gab.
Und er hatte recht.
Ich war nicht mehr der, der ich einmal war.
Etwas in mir hatte sich verändert und es war nicht nur das, was in meinen Adern pulsierte, sondern auch die Dunkelheit, die jetzt tief in meinem Inneren lauerte.
„Was passiert jetzt?“ fragte ich, meine Stimme klang hohl in meinen eigenen Ohren.
Es war eine Frage, die ich nicht einmal sicher beantworten konnte, doch ich wusste, dass Ni-ki es wusste.
Er sah mich lange an, als ob er die richtigen Worte suchen würde. Dann nickte er langsam.
„Du weißt, dass du dich verändert hast. Aber es gibt noch mehr, Jungwon. Noch viel mehr.“
Ich sah ihn an, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch es war, als ob mein Verstand in Nebel gehüllt war.
Alles, was ich wusste, war dieses unausweichliche Ziehen, das in meiner Brust brannte – der Drang, mehr zu erfahren, mehr zu fühlen, mehr zu erleben, mehr zu werden.
„Mehr?“ fragte ich, obwohl ich es nicht wirklich verstand.
Doch ich spürte, dass es mehr gab. Eine Wahrheit, die tiefer lag als alles, was ich bisher gekannt hatte.
„Es gibt einen Grund, warum du das jetzt erlebst“, sagte Ni-ki, „und ich bin derjenige, der dir helfen wird, den vollen Umfang dessen zu verstehen.“
Seine Worte hatten eine Schwere, die mich durchdrang.
Es war, als ob ich durch ein Fenster in eine neue Welt blickte, doch ich konnte noch nicht erkennen, was sich hinter diesem Fenster verbarg.
„Aber was passiert, wenn ich nicht verstehen will? Wenn ich nicht bereit bin?“ fragte ich, meine Stimme unsicher.
Ein Teil von mir wollte nicht tiefer in diese dunkle Realität eintauchen.
Ich war gerade erst in die Tiefe dieser Veränderung hinabgestiegen und wusste nicht, wie tief ich noch sinken würde.
„Du wirst es nicht aufhalten können“, antwortete Ni-ki leise, „nicht jetzt. Der Durst in dir ist zu stark, der Drang, nach mehr zu streben, zu laut. Du bist bereits auf dem Weg, Jungwon. Und der einzige Weg, den du jetzt noch gehen kannst, führt durch diese Dunkelheit.“
Seine Worte ließen mich innehalten. Der Gedanke, dass ich keine Wahl mehr hatte, dass dieser Hunger, den ich fühlte, mehr war als nur ein körperliches Bedürfnis, schüchterte mich ein.
Doch irgendwo in mir wusste ich, dass er recht hatte.
Irgendetwas in mir hatte sich entfaltet, und es gab kein Zurück mehr.
„Was soll ich tun?“ fragte ich, und ich bemerkte, dass meine Stimme nicht mehr nur die Frage eines Verwirrten war, sondern die eines Suchenden, der sich nach einer Antwort sehnte. Es war, als ob dieser Moment der Erkenntnis bereits in mir brodelte, als ob ich immer gewusst hatte, dass ich mehr war, als ich jemals geglaubt hatte.
„Du musst lernen, damit zu leben“, sagte Ni-ki mit einer Stimme, die gleichzeitig beruhigend und herausfordernd war.
„Und du wirst es nicht alleine tun müssen. Ich werde dich führen. Du wirst erfahren, was es bedeutet, das zu sein, was du jetzt bist.“
Seine Worte ließen eine leise Erschütterung in mir zurück.
Ein Teil von mir wollte aufgeben, wollte alles hinter sich lassen, aber der größere Teil wusste, dass ich es nicht konnte.
Etwas in mir brannte und es würde nicht aufhören, bis ich es vollständig verstanden hatte.
Ich trat einen Schritt näher zu ihm. „Zeig mir, was du meinst“, sagte ich leise.
Ni-ki nickte nur und führte mich durch den Raum.
Es war, als ob wir in eine neue Dimension traten, als ob der Raum selbst unsere Veränderungen widerspiegelte.
Jeder Schritt, den ich tat, ließ mich tiefer in dieses unbekannte Terrain eintauchen und ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab.
Ich war auf einem neuen Weg, und ich konnte nur hoffen, dass er mich nicht in die Dunkelheit führte, von der es kein Entkommen mehr gab.
Die Welt um mich herum war nicht mehr dieselbe. Die Dunkelheit hatte sich verändert – sie war lebendig, pulsierend, als ob sie mich rief, mich umarmte und mich in ihren Bann zog. Wo ich früher nur Schatten und Finsternis gesehen hatte, erkannte ich jetzt unzählige Nuancen: das Flimmern des Mondlichts, das leise Spiel des Windes in den Blättern, das unaufhörliche Summen des Lebens, das sich in der Stille der Nacht verbarg.
Ich war neu geboren – nicht mehr Teil der Welt, die ich kannte, sondern ein Geschöpf dieser ewigen Dunkelheit.
Ni-ki stand neben mir und seine Präsenz war wie ein Anker.
Er war meine Verbindung zu dieser neuen Existenz, mein Führer, mein Verbündeter.
Er hatte mich nicht nur in diese Welt gebracht, er war auch der Einzige, der wusste, wie ich in ihr überleben konnte.
Seine Augen glühten im schwachen Licht, und sein Lächeln war geheimnisvoll, fast triumphierend, als er mich beobachtete.
„Die Nacht gehört uns“, sagte er, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch ich hörte sie so klar, als ob er direkt in meinem Geist sprach. „Du bist jetzt ein Teil von ihr und sie wird dir alles geben, was du brauchst – Freiheit, Macht, Ewigkeit. Du musst nur lernen, sie zu nutzen.“
Ich spürte, wie seine Worte in mir widerhallten.
Die Nacht war nicht länger etwas, das ich fürchtete, sondern etwas, das mich nährte, das mich willkommen hieß.
Der Gedanke daran ließ meinen Durst, meinen Hunger, vorübergehend verblassen. Stattdessen breitete sich ein neues Gefühl in mir aus – eine seltsame Mischung aus Unruhe und Euphorie.
„Es fühlt sich so... anders an“, murmelte ich, während ich meine Hände betrachtete.
Selbst sie schienen nicht mehr die meinen zu sein.
Jede Linie, jede Bewegung fühlte sich intensiver an, schneller, präziser. „Alles ist anders.“
Ni-ki nickte, sein Blick fest auf mich gerichtet.
„Du siehst die Welt, wie sie wirklich ist. Nicht mehr durch die trüben Augen der Sterblichen, sondern durch die Klarheit eines Wesens, das über sie hinausgewachsen ist.“
Seine Worte klangen wie eine Prophezeiung, und obwohl ein Teil von mir noch immer mit der Realität kämpfte, die er mir zeigte, konnte ich nicht leugnen, dass ich mich... lebendig fühlte.
Unglaublicherweise lebendiger als jemals zuvor, obwohl mein Herz nicht mehr schlug.
„Was jetzt?“ fragte ich schließlich. Meine Stimme war fester, entschlossener.
Die Zweifel, die ich noch vor wenigen Stunden gespürt hatte, waren wie weggewaschen, ersetzt durch eine brennende Neugier.
Ein Lächeln breitete sich auf Ni-kis Gesicht aus, und er trat näher.
„Jetzt? Jetzt zeige ich dir, was es bedeutet, zu leben, wie wir leben. Was es bedeutet, die Nacht zu besitzen.“
Er reichte mir die Hand, und ich zögerte nur einen Moment, bevor ich sie nahm.
Seine Finger waren kühl, aber die Berührung war beruhigend, fast vertraut. Gemeinsam traten wir hinaus in die Dunkelheit, und die Welt, die ich kannte, verblasste hinter mir.
Die Straßen waren still, verlassen, doch ich konnte das Leben spüren, das in jedem Gebäude, in jedem Haus pulsierte.
Die Stadt war wie ein großes Herz, das im Rhythmus seiner Bewohner schlug, und ich konnte es hören, konnte es fühlen.
Jedes Geräusch war wie eine Symphonie, jedes Licht wie ein Funke, der die Dunkelheit nur noch lebendiger machte.
„Spürst du es?“ fragte Ni-ki, seine Stimme ein Flüstern in meinem Ohr.
Ich nickte, unfähig, Worte zu finden, die das beschreiben konnten, was ich fühlte.
Es war, als ob die Welt selbst mir ihre Geheimnisse offenbarte, als ob ich Teil eines unendlichen Plans war, den ich gerade erst zu verstehen begann.
„Das ist erst der Anfang“, sagte er und zog mich weiter.
„Die Nacht gehört uns, Jungwon. Und sie wird dir alles geben, was du brauchst – solange du bereit bist, zu nehmen.“
Seine Worte waren wie ein Versprechen und ich spürte, wie mein Hunger zurückkehrte.
Doch es war kein schwächender Hunger mehr, sondern eine treibende Kraft, eine Energie, die mich antrieb. Ich war nicht länger gefangen in meiner Unsicherheit.
Ich war ein Teil dieser Dunkelheit, ein Geschöpf der Nacht.
Wir blieben vor einem großen Gebäude stehen, dessen Fenster in der Dunkelheit glitzerten.
Ni-ki sah mich an, sein Blick voller Erwartung.
„Was hörst du?“ fragte er.
Ich schloss die Augen, konzentrierte mich, ließ meine neuen Sinne die Welt um mich herum erfassen.
Ich hörte das leise Summen von Stimmen hinter den Fenstern, das Flüstern des Windes, der durch die Straßen zog.
Und darunter – ein Herzschlag.
Stark, gleichmäßig und doch so verletzlich.
„Jemand ist dort“, sagte ich leise.
Ni-ki lächelte. „Gut. Und was fühlst du?“
Ich zögerte, doch dann ließ ich mich von meinen Instinkten leiten.
Der Durst in mir wurde stärker und ich spürte, wie meine Sinne sich auf den Herzschlag konzentrierten, wie mein Verlangen nach dem pulsierenden Leben, das hinter diesen Mauern verborgen war, wuchs.
„Hunger“, flüsterte ich schließlich.
„Dann nimm, was dir gehört“, sagte Ni-ki und trat zur Seite, als ob er mir die Bühne überließ.
Ich zögerte einen Moment, doch dann übernahm der Hunger die Kontrolle. Mein altes Ich, die Zweifel, die Ängste – all das verblasste, als ich mich auf die Dunkelheit einließ, die nun ein Teil von mir war.
Die Nacht war mein neues Zuhause, und Ni-ki war mein Führer. Gemeinsam würden wir sie durchstreifen, sie erobern.
Und in dieser Dunkelheit, in diesem ewigen Schatten, begann mein neues Leben – ein Leben, das nur der Nacht gehörte.
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