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Als ich die Augen öffnete, war das erste, was ich spürte, die Wärme.
Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass sie nicht von der Sonne kam, sondern von Ni-ki.
Mein Kopf ruhte auf seiner Brust und seine gleichmäßigen Atemzüge hallten leise in der stillen Wohnung wider.
Die Erinnerungen der Nacht kamen langsam zurück – unser Tanz im Regen, die Gespräche, seine Nähe... und schließlich der Moment, in dem ich ihm meinen Arm hingehalten hatte.
Automatisch wanderte mein Blick nach unten.
Da war es: eine kleine, feine Wunde, fast unscheinbar, aber das leichte Brennen machte mir bewusst, dass es kein Traum gewesen war.
Die Haut war gereizt, ein dünner, getrockneter Blutfaden zog sich über meinen Arm.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
Es fühlte sich nicht beängstigend an, nicht falsch.
Aber es war... intensiv gewesen.
Die Erinnerung ließ meine Haut prickeln, als hätte der Moment etwas in mir berührt, das ich bisher nicht gekannt hatte.
Ich hob meinen Kopf vorsichtig von Ni-kis Brust, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken.
Sein Gesicht war entspannt, friedlich, als hätte er nichts von der Unruhe gespürt, die jetzt in mir aufstieg.
Ich ließ meine Hand für einen Moment über den Rand des Bettes gleiten, den Drang verspürend, ihn zu berühren, ihn aufzuwecken – aber ich hielt inne.
Stattdessen stand ich auf, zog mir ein frisches Shirt über und ging ins Bad. Als ich mein Gesicht im Spiegel sah, bemerkte ich das leichte Rot meiner Wangen.
Ich berührte meinen Arm erneut, der Gedanke an Ni-ki und seine Nähe von letzter Nacht war noch immer so präsent, dass es mich unruhig machte.
Die Sonne schien hell durch das Fenster meines Arbeitszimmers, ein goldener Streifen, der den Raum erfüllte und mich in einer friedlichen Atmosphäre arbeiten ließ.
Ich saß an meinem Schreibtisch, den Laptop geöffnet, und starrte auf die leere Seite vor mir.
Die Deadline meines Verlegers hing über mir wie eine unsichtbare Last, doch meine Gedanken waren nicht bei der Geschichte, die ich schreiben sollte.
Ich hatte die Ärmel meines Hemdes hochgekrempelt und mein Blick wanderte immer wieder zu der kleinen Wunde an meinem Arm.
Sie war kein Schmerz, sondern eine Erinnerung, ein Symbol für etwas, das ich nicht genau in Worte fassen konnte.
Während ich über meine Tastatur nachdachte, hörte ich Schritte hinter mir.
Ich drehte den Kopf leicht und sah Ni-ki im Türrahmen stehen.
Er trug immer noch die bequeme Kleidung von letzter Nacht und hatte sich nicht groß verändert – nur seine Augen wirkten wacher, neugieriger.
„Guten Morgen“, sagte ich und versuchte, meine Stimme locker klingen zu lassen, obwohl mein Herz in meiner Brust leicht unregelmäßig schlug.
Er sagte nichts, aber ich bemerkte, wie sein Blick an meinem Arm hängen blieb.
Für einen Moment schien es, als wollte er etwas sagen, doch dann trat er leise in den Raum und setzte sich in den Sessel, der gegenüber von meinem Schreibtisch stand.
„Arbeitest du schon?“ fragte er schließlich, seine Stimme ruhig, fast wie ein Flüstern.
„Versuche es“, antwortete ich und ließ meinen Blick auf dem Bildschirm ruhen.
„Aber irgendwie... bin ich abgelenkt.“
„Von was?“
Ich sah ihn an.
Seine Augen waren dunkel, fast undurchdringlich, aber da war auch etwas Weiches in ihnen, das mich immer wieder herausforderte, ihn zu verstehen.
„Von allem“, gab ich schließlich zu und lehnte mich zurück.
„Von dir. Von letzter Nacht. Von mir selbst.“
Ni-ki legte den Kopf leicht schief, als ob er abwägte, ob er weiterfragen sollte.
Schließlich stand er auf und kam näher.
Ohne ein weiteres Wort nahm er die Seite meines Stuhls und drehte mich sanft, sodass ich ihn direkt ansehen musste.
„Es war nicht nur letzte Nacht“, sagte er schließlich, seine Stimme leise, aber eindringlich.
„Das weißt du doch, oder?“
Ich wusste es.
Und obwohl ich es nicht aussprechen konnte, sah ich es in seinen Augen. Ein Teil von mir war versucht, ihn zu fragen, was er jetzt von mir wollte, wohin das alles führen sollte.
Doch ich hielt inne, weil ich wusste, dass die Antwort nicht so einfach war – oder vielleicht war sie es, und ich hatte nur Angst davor.
„Willst du mich beobachten oder mir helfen?“ fragte ich schließlich und versuchte, die Spannung zu brechen.
Er lächelte, ein leichtes, fast schelmisches Lächeln, das ihn plötzlich viel jünger aussehen ließ. „Beides vielleicht.“
Ni-ki ließ sich auf dem Boden neben meinen Stuhl sinken, lehnte seinen Rücken gegen meine Beine und ich spürte, wie sich die Ruhe wieder zwischen uns ausbreitete.
Die Sonne wärmte den Raum weiter, und während ich begann, die ersten Worte für meinen Text zu tippen, konnte ich spüren, wie Ni-ki mich immer wieder ansah.
Es war nicht störend.
Im Gegenteil – seine Gegenwart fühlte sich wie eine seltsame Form von Trost an, die mich daran erinnerte, dass nicht alles in meinem Kopf so geordnet sein musste wie die Worte, die ich schrieb.
Die Minuten verstrichen und die Stille zwischen uns fühlte sich nicht mehr wie eine Leere an, sondern wie eine weiche Decke, die uns beide einhüllte. Während ich langsam in den Fluss meiner Arbeit fand, konnte ich Ni-kis Präsenz nicht ignorieren.
Sein Atem war ruhig, doch ich wusste, dass er mich beobachtete – nicht auf eine unangenehme Weise, sondern wie jemand, der sich auf den Moment konzentriert, der sich wie ein stiller Zeuge fühlt.
Ich schrieb weiter, die Worte flossen endlich, fast wie eine Erlösung.
Die Geschichte, die ich begann, war nicht das, was mein Verleger erwartet hatte, sondern etwas völlig Neues.
Sie war durchzogen von Bildern, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen: Regen, tanzende Figuren, die sich in einer stummen Welt umarmten.
Nach einer Weile spürte ich, wie Ni-ki sich regte.
Ich spürte seine Hand auf meinem Knie, leicht, wie ein Hauch.
Es war nicht aufdringlich, nicht fordernd, aber genug, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
„Was schreibst du?“ fragte er leise.
„Eine Geschichte“, antwortete ich, ohne den Kopf zu heben.
„Über uns?“
Ich hielt inne, die Worte auf dem Bildschirm verschwammen für einen Moment vor meinen Augen.
Es war eine seltsame Frage, weil sie so direkt und doch so unschuldig klang.
„Nicht wirklich“, sagte ich schließlich. „Aber irgendwie… vielleicht doch.“
Er zog seine Hand zurück, legte sie auf den Tisch und ich hörte, wie er tief Luft holte.
Ich wusste nicht, ob es ihm unangenehm war oder ob er einfach nachdachte.
„Du denkst viel nach, oder?“ fragte er plötzlich.
Ich lachte leise. „Das ist mein Job.“
Er schüttelte den Kopf, obwohl ich ihn nicht direkt ansah.
„Nicht das Schreiben. Über alles. Über uns.“
Seine Worte ließen mich stocken.
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und drehte mich leicht zu ihm, sodass ich sein Gesicht besser sehen konnte.
Seine Augen waren klar, aufrichtig, und das Licht, das durch das Fenster fiel, ließ seine Gesichtszüge weicher wirken.
„Ich bin jemand, der alles durchdenkt“, gab ich zu.
„Ich weiß nicht, wie man das abstellt.“
Ni-ki musterte mich, als würde er versuchen, etwas herauszufinden, das ich selbst noch nicht verstanden hatte.
Dann stand er auf, geschmeidig wie immer und lehnte sich gegen den Schreibtisch.
„Vielleicht solltest du mal aufhören, alles zu analysieren.“
Ich runzelte die Stirn. „Was meinst du?“
„Manchmal… musst du nicht verstehen, was passiert“, sagte er und verschränkte die Arme.
„Manchmal reicht es, einfach da zu sein. Einfach zu fühlen.“
Seine Worte hallten in mir nach, und ich wusste, dass er recht hatte.
Aber es war leichter gesagt als getan, besonders für jemanden wie mich, der alles in Worte fassen wollte – auch das, was vielleicht keine Worte brauchte.
„Und wenn ich nicht weiß, wie das geht?“ fragte ich leise.
Ni-ki beugte sich ein Stück vor, sein Gesicht war jetzt nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Seine Augen suchten meine, und ich hatte das Gefühl, dass er mich durchschauen konnte, bis in die Tiefen, die ich vor mir selbst verbarg.
„Dann üben wir es“, sagte er schließlich, seine Stimme sanft, aber bestimmt.
Für einen Moment blieb alles still.
Die Sonne war warm auf meiner Haut, sein Blick hielt mich fest, und ich hatte das Gefühl, dass die Welt draußen tatsächlich aufgehört hatte, sich zu drehen.
Dann richtete er sich wieder auf und ging in die Küche. „Ich mache uns Frühstück“, rief er über die Schulter.
Ich starrte ihm nach, spürte die Wärme seines Moments noch immer in mir.
Seine Worte hatten etwas in mir ausgelöst, etwas, das ich nicht erklären konnte.
Vielleicht hatte er recht – vielleicht war es an der Zeit, weniger zu denken und mehr zu fühlen.
Aber als ich wieder an meinen Schreibtisch zurückkehrte, bemerkte ich erneut die Wunde an meinem Arm.
Ein winziger Schnitt, und doch schien er so viel mehr zu bedeuten.
Ich strich leicht mit den Fingern darüber, spürte die raue Kante der Haut und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Ni-ki hatte recht.
Manchmal waren es die einfachsten Dinge, die uns am meisten sagen konnten.
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