09. Unsheltered
♪ Free Fallin' – Tom Petty
Niall
Mehr als zwei Wochen befanden wir uns jetzt schon in New York, dennoch hatte sich unser Leben noch nicht richtig eingespielt. Obwohl Kieran inzwischen den Kindergarten besuchte, und ich meinen Job als Vikar im Bezirk Hell's Kitchen verrichtete, waren wir noch weit von einer alltäglichen Routine entfernt.
Es gab tausend Kleinigkeiten, die wir noch besorgen mussten, obwohl das Haus größtenteils möbliert war. Außerdem strebte Sienna an, so schnell wie möglich einen Teilzeitjob zu finden, was sich als nicht gerade einfach erwies.
Glücklicherweise waren Liam und Sophia, die uns in allen Dingen unterstützen, mittlerweile in New York eingetroffen. Es war mir mehr als nur Recht, dass Sienna, während ich durch Abwesenheit glänzte, nicht vollkommen auf sich alleine gestellt war. Denn das plötzliche Auftauchen des Mafia Bosses, Nicholas Romanow, in unserem Haus, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge. Wenn Sophia oder Liam anwesend waren, wusste ich Sienna in Sicherheit, denn ich traute der Mafia nicht über den Weg.
Kieran gewöhnte sich von allen am Schnellsten ein. Da er zu den kontaktfreudigen Zeitgenossen zählte, schloss er ohne Probleme Freundschaften im Kindergarten. Dass es sich dabei auch um Abkömmlinge der Mafia handelte, versuchte ich nicht an mich herankommen zu lassen. Denn Kinder waren nicht böse, zumindest nicht in diesem Alter. Sie konnten nichts dafür, dass sie in die falschen Familien hineingeboren wurden, in ein Geflecht, welches sie unweigerlich zu Verbrechern machen würde, wenn sie alt genug waren, um ihren Mann zu stehen. Frauen blieben dabei außen vor, denn innerhalb der Mafia gaben die Männer den Ton an.
Deswegen hatte ich auch nichts dagegen, dass unser Sohn gerne mit Anastasia, oder Tia, wie er sie immer nannte, spielte. Beinahe jeden Tag erzählte Kieran von der Tochter des Mafia Bosses. Gott sei Dank wusste Sienna nichts über die Wurzeln des kleinen Mädchens, denn sie hätte Tia dann sicher nicht mehr halb so gerne gemocht, wie sie es im Augenblick tat.
Es gehörte zu Marx' Aufgaben, die beiden Kinder morgens und nachmittags zu chauffieren, immer dann, wenn sie zum Kindergarten gebracht, oder von dort abgeholt werden mussten. Da Sienna in dem guten Glauben lebte, dass Marx von Alistair angestellt worden sei, betrachtete sie dies als eine Annehmlichkeit und zusätzlichen Schutz für Kieran. Vielleicht war es das auch, denn auf diese Art und Weise konnten die Kolumbianer ihn nicht schnappen.
Mit meinem neuen Job kam ich gut klar. Der Priester war wirklich eine Niete, was das Schreiben der Predigten anging, und somit konnte ich mich voll und ganz austoben. Er hatte nie etwas zu meckern, wie auch? Ihm würde nicht einmal auffallen, wenn ich Schrott fabrizierte, was ich mir jedoch verkniff, denn immerhin lebte ich von seiner Unfähigkeit.
Allerdings besaß Kevin ein überaus großes Herz, sowie ein hervorragendes Organisationstalent. Einmal pro Woche, jeden Freitag, veranstaltete er gemeinsam mit mehreren Priestern eine Obdachlosenspeisung. Für gewöhnlich fand diese in der 115. Straße, im dortigen Gemeindehaus, statt. Letzte Woche durfte ich diesem Spektakel zum ersten Mal beiwohnen, und ich musste zugeben, dass ich es als eine Notwenigkeit betrachtete. In New York gab es unglaublich viele Menschen, die am Hungertuch nagten. Die Kluft zwischen Arm und Reich in den USA war deutlich stärker ausgeprägt als in Europa. Noch niemals hatte ich so viel Armut und Leid auf einem Fleck gesehen, wie hier, und das, obwohl ich seit mehr als fünf Jahren in den USA lebte. Aber man konnte Oceanside und auch Barrow nicht mit New York vergleichen. Das waren vollkommen unterschiedliche Welten. Und so verschieden wie die Orte waren, so verschieden zeigten sich die Menschen und der Lebensstil.
Ich gewöhnte mich relativ schnell daran, dass wir kein Auto besaßen und dieses auch nicht unbedingt benötigten.
Nahezu an jeder Ecke befand sich eine U-Bahn Station sowie diverse Bushaltestellen. Zahlreiche Restaurants waren zu Fuß zu erreichen und für die Einkäufe im Supermarkt stand uns Marx zur Verfügung, wenn zum Beispiel Getränke oder andere schwere Sachen, transportiert werden mussten.
Aus diesem Grund nahm ich seine Dienste am heutigen Tag in Anspruch. Zwar kaufte ich nichts im Supermarkt ein, dafür jedoch in einem Baumarkt. Dieser lag in der 23rd Street West und bot so ziemlich alles an, was man benötigte, um dem Heim den letzten Schliff zu geben. Allerdings hatte ich nicht im Sinn, Werkzeuge oder dergleichen zu kaufen, sondern schaute zunächst nach zwei Sonnensegel für den Balkon. Nachdem ich diese gefunden hatte, trabte ich mit Marx im Schlepptau in die Campingabteilung. Dabei ließ ich ihn die Sonnensegel tragen, was er ohne zu murren erledigte. Ich hatte überhaupt keine Gewissensbisse, die Mafia für meine persönlichen Zwecke einzuspannen, im Gegenteil. Wenn sie schon in unsere Privatsphäre eingriffen, dann mussten sie damit klarkommen, alles für mich erledigen zu dürfen.
„Was suchen wir hier eigentlich?", wollte Marx wissen, als ich zielstrebig die Gänge durchforstete.
„Eine große Luftmatratze, ähnlich wie ein Gästebett. Die Dinger blasen sich sozusagen von alleine auf", erklärte ich gelassen.
„Erwartet ihr Besuch?"
„Ja, meine Großmutter."
Als ich seinen Blick wahrnahm, platzte ich mit einem lauten Lachen heraus. Er wusste genau, dass ich ihn verarschte und nahm mir das wohl ein kleines bisschen übel.
„Ach komm schon, Marx, mach nicht so ein Gesicht", versuchte ich ihn versöhnlich zu stimmen. „Wir kriegen keinen Besuch, die Luftmatratze ist für ein ganz spezielles Vorhaben, ok?"
Um welches es sich dabei handelte, musste ich ihm ja nicht auf die Nase binden. Wenn er schlau war, würde er sogar von selbst darauf kommen.
Da die Sommersaison bereits vorbei war, ergatterte ich sowohl die beiden Sonnensegel, als auch die komfortable Luftmatratze zu Sonderpreisen. Zufrieden mit meinen Einkäufen, verließ ich gemeinsam mit Marx den Baumarkt, der die Sachen im Wagen verstaute. Anschließend fuhren wir auf direktem Weg zum Townhouse.
„Hey, Baby, Marx und ich sind da. Wir waren noch im Baumarkt", rief ich durch den Flur.
Sienna durfte die Sonnensegel ruhig zu Gesicht bekommen, die Matratze versteckte ich jedoch vor ihr. Das würde meine Überraschung werden.
„Oh, was hast du denn da eingekauft?", lautete ihre Frage, nachdem sie mich mit einem Kuss und einer Umarmung begrüßt hatte.
„Sonnensegel für unseren Balkon."
Ein wenig erstaunt zog Sienna ihre Augenbrauen nach oben.
„Aber die brauchen wir doch jetzt vermutlich gar nicht mehr. Ich möchte die restlichen Sonnenstahlen, die der Herbst uns noch beschert, genießen."
„Keine Sorge, Baby, das wirst du."
Dankend nahm Marx den Kaffee an, den meine Frau ihm offerierte, während ich die Treppe nach oben stiefelte, um nach Kieran zu schauen und gleichzeitig die Sonnensegel auf den Balkon zu bringen.
Wie zu erwarten, begrüßte unser Sohn mich stürmisch, als ich den Kopf durch die Tür zu seinem Zimmer streckte.
„Papi! Da bist du ja!"
Schnell vergaß er seine Matchbox Autos, mit denen er gerade noch gespielt hatte, und rannte auf mich zu. Lachend fing ich ihn auf, wuschelte durch seine dunklen Haare und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Wann immer ich unseren Sohn in meinen Armen hielt, erfüllt dies mein Herz mit Stolz und Freude. Kieran war unser Sonnenschein, der jeden Tag um so Vieles besser machte. Für ihn und Sienna lohnte es sich zu kämpfen.
Nachdem wir uns ausgiebig begrüßt hatten, folgte Kieran mir auf den Balkon und sah zu, wie ich die Sonnensegel befestigte.
„Papi, was ist das?", fragte er neugierig.
„Ein Sonnendach, es dient zum Schutz für die Sonnenstrahlen und die Hitze", erklärte ich geduldig.
„Aber es ist doch gar nicht mehr heiß."
„Ich will auch nur ausprobieren, ob alles in Ordnung ist. Wenn die Sonnensegel kaputt sind und ich es zu spät bemerke, kann ich sie nicht mehr zurückbringen."
„Ach so", machte er nachdenklich und schaute mich mit großen Augen an. „Wenn das kaputt ist, kann man das wieder in den Supermarkt bringen?"
„Ja, genau so ist es."
Seine nächste Frage ließ mich erstaunt auf sehen. „Kannst du das auch mit meinem Auto machen, Papi?"
„Wieso mit deinem Auto? Ist es kaputt?"
Er nickte und rannte davon, um kurz darauf mit einem seiner Matchbox Autos zurückzukommen. Bei diesem waren die Räder herausgebrochen.
„Seit wann ist das so?", hakte ich nach.
„Weiß nicht genau. Letzte Woche?"
Seufzend besah ich mir das Malheur.
„Kieran, das funktioniert nur bei neuen Sachen, die man gekauft und aus der Verpackung herausgeholt hat. Dieses Auto hattest du schon in Barrow, es ist also keineswegs neu. Außerdem vermute ich, dass es beim Spielen kaputt gegangen ist."
„Oh." Sein kleines Gesicht färbte sich zartrosa. „Dann kannst du das nicht zurückbringen?"
„Leider nicht."
„Schade." Ein wenig betrübt blickte er auf den schwarzen Sportwagen im Miniformat.
In diesem Moment hörte ich Sienna rufen.
„John, Kieran, wo steckt ihr denn?"
„Wir kommen gleich, Baby!", rief ich, um sogleich den letzten Handgriff zu erledigen, damit die Sonnensegel fest waren.
Anschließend nahm ich Kieran an die Hand und zu zweit liefen wir die Treppe nach unten.
Marx und Sienna verweilten am Esszimmertisch und tranken einträchtig Kaffee. Die Situation hätte nicht kurioser sein können; meine Frau zusammen mit einem Angehörigen der Mafia in unserem Townhouse sitzend. Doch ich musste schweigen. Schließlich hatte ich mir das selbst auferlegt. Es dauerte keine zehn Minuten, da verabschiedete sich Marx jedoch von uns.
„Bis dann", sagte er und hob sie Hand.
„Bis dann", antwortete ich.
Obwohl wir nun alleine waren, wurden wir trotzdem beobachtet, und zwar auf die schlimmste Art und Weise. Wanzen im ganzen Haus, vermutlich sogar im Badezimmer und auch in den Kellerräumen. Ich hatte die Schnauze wirklich gestrichen voll davon. Vermutlich geilte sich die Mafia auch noch an unserem Sexleben auf, doch heute wollte ich ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Dabei hatte ich alle Zeit der Welt.
Zuerst aßen wir gemeinsam zu Abend, dann wurde Kieran ins Bett verfrachtet. Als wir alleine im Wohnzimmer saßen, berichtete Sienna zunächst über die noch erfolglose Jobsuche. Obwohl sie reichlich Unterstützung durch Sophia erhielt, hatte sich noch nichts getan. Es war mit unglaublichen Schwierigkeiten verbunden, einen Bürojob auf Teilzeitbasis zu finden, es sei denn, man fand es erstrebenswert, sich der Aktenablage zu widmen. Damit würde Sienna aber nicht glücklich sein, was ich ihr nicht verübeln konnte. Somit hieß es weitersuchen und hoffen, dass sich bald etwas für sie fand.
„Morgen komme ich später nach Hause, die nächste Obdachlosenspeisung steht an", ließ ich sie wissen, nachdem wir das Gespräch bezüglich der Jobsuche beendet hatten.
„Ok, dann weiß ich Bescheid. Was denkst du, wann du hier sein wirst?"
„Irgendwann zwischen sieben und halb acht."
Ich täuschte vor, noch etwas bezüglich meiner Arbeit erledigen zu müssen und zog mich ins Obergeschoß zurück.
„Es dauert nicht lange, Baby", flüsterte ich ihr ins Ohr, bevor ich einen Kuss auf ihre Schläfe platzierte, den sie mit einem Lächeln quittierte.
„Ich nehme dich beim Wort, Niall."
Mit einem Grinsen auf den Lippen trat ich den Weg nach oben an, der jedoch geradewegs auf den Balkon führte. Dort gab es eine Steckdose, die ich nutzte, um die Luftmatratze, welche bereits unter den beiden Sonnensegeln lag, aufzublasen. Insgesamt dauerte dies nicht länger als ein paar Minuten und der Anblick des hohen Gästebettes erstaunte mich selbst. Ein kurzer Liegetest bestätigte meine Vermutung, dass das Ding ziemlich bequem war.
Lächelnd schritt ich wieder ins Erdgeschoss, um Sienna an die Hand zu nehmen.
„Ich muss dir was zeigen, Baby."
„Warum nur hört sich das gerade verführerisch an?", wisperte sie mit einem Augenzwinkern, als sie sich von der Couch erhob.
„Keine Ahnung, ich verstehe gar nicht, was du meinst", spielte ich den Unschuldigen.
Beinahe lautlos stiegen wir die Treppe nach oben, um Kieran nicht zu wecken und als ich sie auf den Balkon führte, wurden ihre Augen groß und rund.
Zwei Kerzen dienten als romantische Lichtquelle für unser heutiges, ganz spezielles Date.
„Oh Gott, das ist eine wunderschöne Idee", hauchte Sienna.
Das begeisterte Funkeln in ihren Augen war im Schein der Kerzenlichter deutlich zu erkennen.
„Jetzt verstehe ich auch die Sache mit den Sonnensegeln. Sie diesen als Sichtschutz."
Auf den Kopf gefallen war meine Frau noch nie und deshalb überraschten mich ihre Worte keineswegs. Unser Balkon war zwar von dem Nachbarhaus nicht einsehbar, doch konnte man von den umliegenden, höheren Gebäuden, einen Blick darauf werfen. Aufgrund der Sonnensegel wurde das nun verhindert. Im Geiste dankte ich mir selbst für meinen genialen Gedankenblitz, welcher Sienna immens begeisterte.
Ohne lange zu überlegen, ließ sie sich auf der großen Luftmatratze nieder und zog mich mit sich. Kissen und Decken hatten ich vorhin schon mitgenommen, sodass wir es uns gleich bequem machen konnten.
„Sex im Freien hatten wir noch nie", flüsterte sie, während ihre Hände unter mein Shirt glitten.
„Dann sollten wir das dringend nachholen", wisperte ich mit rauer Stimme gegen ihre vollen Lippen.
Wir versanken in einem leidenschaftlichen Kuss, gleichzeitig drückte ich sie tiefer in die Matratze. Ungeduldig ließ ich meine Hände an ihren Seiten entlang wandern, öffnete ihre Bluse und machten mir am BH zu schaffen. Meine Jeans wurde enger.
Sienna, die dies zu bemerken schien, grinste lasziv drein, während ihre Finger am Reißverschluss meiner Hose nestelten. Erfolgreich öffnete sie diesen und mir entwich prompt ein erleichtertes Schnaufen, als sie die Boxershorts gleich mit nach unten zog.
„Du machst mich heiß, Baby", wisperte ich, entschlossen, sie gleich ohne einen Fetzen Stoff am Leib unter mir zu wissen.
Sie ließ sich nicht lange bitten, sondern hob den Po an, damit ich ihren Slip ausziehen konnte. Als mein Blick über ihren Körper glitt, fühlte ich erneut die Leidenschaft in mir aufsteigen. Sie war mit Abstand die heißeste Frau der Welt und ihren Körper genießen und verwöhnen zu dürfen, versetzte mich in eine Art Rauschzustand.
Obwohl es kühl draußen war, glühte ich von innen heraus. Auch Siennas weiche Haut fühlte sich warm und sehr sanft an. Sie drängte sich mir förmlich entgegen und als ich ihre Brustwarzen vorsichtig zwischen meine Lippen nahm, stöhnte sie leise auf.
„Niall", wisperte sie gequält, „bitte lass mich nicht warten."
Ihre Stimme klang leicht kratzig, was mich total anmachte. Sekunden später griff ich nach ihren Handgelenken, hielt diese fest und schaute in ihre Augen. Ich würde mich nicht mehr lange zurückhalten können, das spürte ich genau. Heute war nicht die Zeit für ein langes Vorspiel, denn wir beide standen kurz vor dem Explodieren.
„Sag es, Baby", forderte ich sie auf. „Sag, dass du mich willst."
Ihr Atem ging rascher, ihr Brustkorb hob und senkte sich, als sie die Worte ausstieß, die ich verlangte.
„Ich will dich. Jetzt, verdammt!"
Dieses 'verdammt', zeigte mir, wie heiß sie wirklich auf mich war und als sie ihre Beine spreizte, dauerte es keine zwei Sekunden, bevor ich in sie eindrang. Unsere Körper bewegten sich sofort im Einklang zueinander. Nicht einen Moment dachte ich darüber nach, wie ich mit ihr umzugehen hatte, denn das ergab sich wie von selbst. Heute wollte sie meine Dominanz, keine Zurückhaltung, sondern ich war es, der den Takt angab. Meine anfänglichen Bedenken, ob die Matratze das aushalten würde, warf ich schnell beiseite. Wichtig war nur, dass unsere Körper sich verstanden und wir beide auf unsere Kosten kamen. Und das taten wir.
Immer schneller, immer höher, ich puschte uns voran, ließ uns fast keine Zeit zum Atmen. Hart gruben sich ihre Nägel in meinen Rücken, doch ich ignorierte den stechenden Schmerz, der sich wenig später in das süßeste Gefühl überhaupt änderte. Ich spürte, dass sie kam und schloss meine Augen, als mich die Welle einfach überrollte. Ich explodierte.
Sienna zitterte noch immer unter mir, als ich sie sanft auf den Mund küsste und mich dann vorsichtig von ihr löste. Kurze Zeit später lag sie in meinem Arm, kuschelte sich fest an mich und murmelte: „Das war so nötig."
„Sehr nötig, Baby", hauchte ich.
Vorsichtig deckte ich uns zu, bevor ich langsam in das Reich der Träume entschwand.
In der Tat verbrachten wir die komplette Nacht draußen und wurden durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt.
„Verdammt, ich muss aufstehen", murmelte ich mit halb geschlossenen Augen vor mich hin.
„Können wir nicht einfach liegen bleiben?", murrte meine Frau, deren rotes Haar wie ein wallender Umhang auf dem Kissen lag.
„Leider nicht, Baby. Aufgrund der Obdachlosenspeisung habe ich heute viel zu tun."
Dieser Event erforderte eine gewisse Vorbereitungszeit, sowie Organisation. Kevin, die Priester aus den anderen beteiligten Bezirken und ich, teilten dies unter uns auf. Somit war keiner überlastet und die Sache ging ihren Gang.
Heute gab es Erbsensuppe mit Würstchen und frisches Brot dazu. Die riesigen Töpfe, die aus einer Großküche stammten, dampften bereits, als ich das Gebäude betrat. Gleich würden die Menschen Schlange stehen, um wenigstens eine warme Mahlzeit zu erhalten. Da ich, gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen, für die Essensausgabe zuständig war, nahm ich sogleich meinen Platz ein, bevor die hungrigen Mäuler sich anstellten.
„Achtung, es geht los", vernahm ich Kevins Stimme, der die Türen öffnete.
Es waren nicht nur ältere Menschen, die hier auftauchten, sondern auch junge, was mich sehr erschreckte. Niemand schien sich um sie zu kümmern, sie verwahrlosten einfach auf der Straße, nahmen teilweise Drogen und hatten mit Krankheiten zu kämpfen. Diese Mahlzeit half ihren Körpern zumindest ein bisschen, auch wenn es vermutlich nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein anmutete.
Während der ersten Obdachlosenspeisung, der ich beiwohnte, hatte ich mir die Menschen nicht genauer angeschaut, da ich viel zu beschäftigt damit war, die Eindrücke zu verarbeiten, die dieses Spektakel mit sich brachte. Doch am heutigen Tag sah dies anders aus.
Zwei ältere Männer erweckten zuerst mein Interesse. Sie wirkten mager, ihre Haut stumpf, die Gesichter blass, die Augen tiefliegend. Vermutlich würden sie es nicht mehr lange auf der Straße schaffen. Vorsichtig übereichte ich beiden jeweils eine Schale mit der Suppe, sowie ein Stück Brot. Sie bedankten sich mit einem Nicken, wobei der Eine zaghaft lächelte.
„Danke", murmelte er.
Seine Zähne bestanden aus Ruinen, doch er schlang die Suppe hinab, als sei es die köstlichste Mahlzeit auf Erden.
Meine Aufmerksamkeit wurde nun auf einen Mann gelenkt, der noch jünger wirkte. Seine langen, schwarzen Rastazöpfte lugten aus einem verwaschenen, grauen Hoddie hervor. Als ich ihm die Schale, gefüllt mit Erbsensuppe reichte, bemerkte ich, wie stark seine Hände zitterten, wie bei einem Junkie, der auf Entzug war. Vermutlich nahm er tatsächlich Drogen, versuchte dies jedoch aus irgendeinem Grund zu vertuschen, denn er trug schwarze Wollhandschuhe, die jedoch die Fingerkuppen frei ließen. Viele Süchtige fanden an den Armen keine intakten Venen mehr und mussten auf die Beine, Füße und Hände ausweichen, um sich einen Schuss setzen zu können. Manche nahmen auch den Hals, was ich als besonders krass erachtete. Vielleicht dachte er, dass wir Drogensüchtige abweisen würden, doch damit lag er falsch. Sie durften hier genauso essen, wie jeder andere Obdachlose.
„Danke", murmelte der junge Mann und schlurfte mit gesenktem Kopf in Richtung der Tische.
Ich sah ihm nach, wie er sich einen Platz suchte und als ich bemerkte, dass er stark humpelte, fragte ich mich, welches Schicksal ihn wohl ereilt hatte. Warum er Drogen nahm und weshalb er nicht mehr richtig laufen konnte. Binnen Sekunden dachte ich an die Mafia. Sie trugen die Schuld daran, dass Menschen wie er dem Rauschgift zum Opfer fielen. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, woher er seine Substanzen bezog, um den nächsten Dealer Ring in die Luft zu sprengen. Mein Hass auf diese skrupellose Bande vergrößerte sich von Tag zu Tag. Dennoch musste ich gute Miene zum bösen Spiel machen und zumindest den Russen helfen. Ich tat es für Kieran und für Sienna, nur deswegen.
Die Obdachlosenspeisung schritt weiter voran. Einer nach dem anderen kam an die Reihe, bis der Vorrat in den Töpfen schließlich zur Neige ging. Langsam leerte sich auch der Saal und wir machten uns daran, die Tische zu säubern und zu desinfizieren. Das wurde vom Gemeindeamt so verlangt. Wenn wir gegen die Auflagen verstießen, würde man uns den Raum nicht mehr zur Verfügung stellen und deshalb hielten wir uns alle daran.
Es dauerte eine ganze Weile, bis alles wieder hergerichtet war und während Kevin die Abholung der Töpfe überwachte, fegte ich den, mit zahlreichen Krümeln und Erdklumpen übersähten, Boden. Nachdem ich dies erledigt hatte, verabschiedete ich mich von allen und machte mich auf den Weg in Richtung U-Bahn Station. Die Gegend hier war nicht die unbedingt die sicherste und deshalb lief ich mit raschen Schritten voran. Je eher ich hier wegkam, desto besser. Ich musste einige dunkle Gassen überqueren, um zur Hauptstraße zu gelangen und zuckte mehr als einmal zusammen, wenn ich ein Geräusch vernahm, welches nicht dem Rascheln der Blätter ähnelte.
Als ich an einem schäbig wirkenden, halb verfallenen Schuppen vorbei lief, trat plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten der Bretterruine und stellte sich mir in den Weg. Ich schluckte hart, als ich den Drogensüchtigen erkannte, den ich bei der Obdachlosenspeisung mit Suppe versorgt hatte.
„Los, Kohle her!" Drohend baute er sich vor mir auf, im gleichen Augenblick blitzte mir ein Messer entgegen. Sein vom Dreck geschwärztes Gesicht stank zehn Meter gegen den Wind und nahm mir fast die Luft zum Atmen.
Meine Hände wurden feucht und mein Herz schlug wie wahnsinnig, denn in diesem Moment bereute ich es, meine Waffe nicht mitgenommen zu haben. Der Schweiß drang aus allen meinen Poren, als ich realisierte, in welch auswegloser Situation ich mich befand.
Das konnte das Ende von allem sein.
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Yeah! Der erste richtige, gemeine Cliffhanger ist da! Er hat genauso lange auf sich warten lassen, wie die erste Sexszene. Beides habe ich in einem Kapitel vereint, was ich umso toller finde. (Ja, ich weiß, ihr sicher nicht^^)
Dies ist eines meiner Lieblingskapitel, weil es aufzeigt, wie schnell es im Leben auf und ab gehen kann, aber auch wie gefährlich New York für Niall ist, obwohl die Kolumbianer noch nicht mal aufgetaucht sind.
Wie mag es jetzt wohl weitergehen? Irgendwelche Ideen?
Ich bin mega auf eure Kommentare gespannt und wollte mich gleichzeitig für unglaublich vielen Rückmeldungen zum letzten Kapitel bedanken. Ihr seid der Wahnsinn!
Das nächste Update kommt vermutlich am Montag.
LG, Ambi xxx
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