07. Crossroad
♪ Lose yourself - Eminem
Louis
Langsam schlug ich meine Augen auf und blickte prompt auf eine lange, schwarze Haarsträhne, die Aki gehörte. Ganz nahe an mich gekuschelt lag sie da, versunken in einen tiefen Schlaf.
Seit zwei Tagen befanden wir uns alleine in Barrow, alle anderen waren mittlerweile nach London gereist, mit Ausnahme von Alistair, der Niall in New York betreute. Mein Boss hielt mich ständig auf dem Laufenden, von daher war es mir bekannt, dass Niall sich bereits mit einem der russischen Mafia Bosse getroffen hatte.
New York stand sowieso in dem Ruf, ein heißes Pflaster zu sein, doch für Niall würde dies einer Höllenglut gleichkommen. Wenn der Prinz irgendwann dort auftauchte, würde er sich in einem regelrechten Kreuzfeuer befinden. Nur alleine der Gedanke daran ließ mich innerlich frösteln.
Vorsichtig zog ich die Decke ein Stück zurück, um mich aus dem Bett zu erheben. Seit der letzten Nacht führten Aki und ich keine rein freundschaftliche Beziehung mehr. Wir hatten die Grenze überschritten – mit purer Absicht – und es ging von beiden Seiten aus.
Lächelnd warf ich einen Blick auf die junge Frau, die mir mehr bedeutete, als ich es in Worte zu fassen vermochte. Sie erhellte mein Herz in den schlimmsten Stunden meines Lebens; und ich erhellte ihres. Es war ein Geben und Nehmen zwischen uns und auf wundersame Art und Weise verschwand der schreckliche Schmerz hier und da. Die Liebe zeigte uns, dass wir noch am Leben waren. Dass wir atmeten, fühlten und Dinge taten, die uns Freude bereiteten.
Anuun hätte es nicht anders gewollt.
Ich schluckte kurz, als ich auf das Foto schaute, welches Aki von ihm aufgestellt hatte. Noch immer wog sein Verlust schwer, doch das Leben musste weitergehen. Die Weichen wurden hier in Barrow gestellt und ich wollte dem Pfad folgen, der sich mir nun auftat.
Nachdem ich Kaffee gekocht und den Frühstückstisch gedeckt hatte, weckte ich Aki mit einem sanften Kuss auf die Stirn.
„Aufstehen, Süße", wisperte ich leise, worauf sie sich langsam räkelte.
„Wie spät ist es denn?", murmelte sie mit noch immer geschlossenen Augen.
„Halb zehn", flüsterte ich ihr ins Ohr und strich vorsichtig eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
„Ok", seufzte sie, bevor sie sich langsam aufsetzte, um kurz darauf in meine Arme zu sinken.
Behutsam umfasste ich ihren Körper, der die perfekten Rundungen an gewissen Stellen besaß und hob sie ohne Vorwarnung aus dem Bett. Ein leichtes Quietschen entwich ihrer Kehle, dann begann sie kurz zu lachen und küsste mich auf den Mund.
„Ich liebe dich, Louis Tomlinson", flüsterte sie gegen meine Lippen. „Genauso, wie du bist."
Grinsend erwiderte ich ihren Kuss und ließ sie anschließend vorsichtig auf den Boden hinunter.
Es dauerte nicht lange, da saßen wir am Frühstücktisch und ließen uns den Toast und die Rühreier schmecken. Die Stimmung zwischen uns war ruhig, beinahe nachdenklich, was jedoch nicht verwunderlich war. In meine Gedanken versunken, versuchte ich mich selbst zu sortieren. Ich war der letzte unseres Teams, der noch in Barrow verweilte, doch auch meine Stunden hier waren gezählt.
Es lag in meiner Verantwortung, die übrig gebliebenen Spuren unserer Wohngemeinschaft zu beseitigen und deshalb musste ich noch einmal in das Haus zurück.
Aki begleitete mich selbstverständlich und half gründlich beim Durchsehen, ob wir nichts vergessen hatten. Es gab drei Dinge, die ich nicht mit der Post sandte, sondern persönlich übergeben wollte. Die beiden Bilder, an denen Sienna so sehr hing, und Nialls Gitarre. Der Rest war bereits in Kisten verpackt, und auf den Weg geschickt worden.
Nachdem ich die drei Sachen an mich genommen und in Akis Wagen verstaut hatte, transportierten wir die Dinge zu ihr nach Hause, um sie dort sorgfältig zu verpacken. Zumindest die Bilder, denn die Gitarre reiste in ihrem eigenen Koffer, der im Flugzeug sogar als Handgepäck durchging. Musikinstrumente dieser Größe durfte man auf diese Art und Weise mitnehmen. Für die Bilder hatte ich bereits das entsprechende Verpackungsmaterial besorgt. Aki ging mir dabei zu Hand, sodass wir recht schnell damit fertig waren.
Unsere beiden Koffer waren ebenfalls gepackt und standen im Flur. Doch bevor wir abreisten, galt es zuerst, einen schweren Gang zu erledigen.
Schweigend saßen wir im Wagen, als wir in Richtung des kleinen Friedhofs fuhren, auf welchem Anuun erst vor wenigen Tagen beigesetzt worden war. Noch immer konnte ich es nicht so richtig glauben, dass ich ihn niemals wiedersehen würde.
Hand in Hand schritt ich mit Aki zu seinem Grab, wo wir in Stille verharrten. Tränen liefen über ihr hübsches Gesicht, als sie sich in Inuit Sprache von ihrem Vater verabschiedete. Ich verstand einige Wörter, die ich im Laufe der Zeit, die ich in Barrow verbracht hatte, von Anuun gelernt hatte.
Ich selbst nahm stumm von meinem Freund Abschied, auch mir standen Tränen in den Augen. Doch Anuun hätte nicht gewollt, dass wir ewig trauerten. Es musste vorwärts gehen, denn es gab jede Menge zu erledigen.
Ein eisiger Wind durchfuhr meine Glieder, während ich einen letzten Blick auf die Ruhestätte warf. Er erfasste mein Herz und meine Seele, aber er ließ mich auch wissen, dass eine große Aufgabe vor mir lag.
Nachdem Aki sich vom Grab abgewandt hatte, folgte ich ihr bis zum Wagen. Ein letztes Mal fuhren wir zu ihrem Haus, dessen Schlüssel sie ihrem Bruder übergab. Desna hatte die letzten beiden Tage hier in Barrow verbracht, nun nahm er Abschied von seiner Schwester.
„Ich kümmere mich um alles", versprach er ihr, bevor er sie fest an sich drückte.
„Wir sehen uns, Desna, pass gut auf dich auf. Ich liebe dich", murmelte Aki zum Abschied.
„Ich liebe dich auch."
Desna und ich reichten uns zum Abschied die Hände, dann drehte er sich um und lief zurück zum Haus.
„Komm, wir müssen los, sonst verpassen wir den Flug", vernahm ich Akis Stimme neben mir.
Sie hatte Recht, wir sollten nicht länger herumtrödeln.
Am Flughafen angekommen, ging alles recht schnell. Nachdem wir das Gepäck aufgegeben hatten, dauerte es gar nicht lange, bis wir in die Maschine einsteigen konnten. Die Flugverbindungen nach New York waren nicht gerade das Gelbe vom Ei, denn wir mussten zweimal umsteigen. Zunächst ging es nach Anchorage, wo wir pünktlich um zehn vor neun am Abend landeten. Unser Anschlussflug startete um 23 Uhr 50 über Denver, wo wir eine Stunde Aufenthalt hatten, bevor es dann endgültig zum Ziel ging. Die Boing 737 setzte gegen 13 Uhr in New York, auf dem Flughafen La Guardia, zur Landung an. Von dort aus ging es mit dem Taxi direkt zu dem Hotel, in welchem auch Alistair untergekommen war.
Vorgestern Abend hatte ich mit ihm gesprochen, nachdem ich mir die Dinge mehrere Tage gründlich durch den Kopf hatte gehen lassen. Meine, und auch Akis Entscheidung stand felsenfest, daran gab es nichts mehr zu rütteln.
Während das Taxi sich durch den starken Verkehr quälte, holte ich mein Handy hervor, um Alistair anzurufen.
„Wir sind auf dem Weg zum Hotel", ließ ich ihn wissen.
„Ok, ich warte in der Lobby auf euch", bekam ich zur Antwort.
Insgesamt dauerte es eine gute halbe Stunde, bis wir das Cassa Hotel im Bezirk Midtown, in der 45th Street erreichten, da der Flughafen nicht so weit außerhalb lag, wie der JFK Airport. Wir durchquerten Queens, fuhren über den Hudson River und waren praktisch schon fast am Ziel.
Es überraschte uns beide, wie warm es noch in New York um diese Jahreszeit war. Ich zog meine Sweatjacke aus, nachdem ich aus dem Taxi gestiegen war, und griff nach meinem Koffer sowie den restlichen Utensilien. Aki tat es mir gleich, sodass wir kurze Zeit später den Eingang des Hotels erreichten. Wie versprochen, wartete Alistair in der Lobby auf unser Eintreffen und begrüßte uns ausgesprochen herzlich.
„Lasst uns in mein Zimmer gehen, nachdem ihr eingecheckt habt", schlug er vor, worauf wir beide nickten.
Wie es sich für ein Vier-Sterne-Hotel gehörte, waren das Doppelzimmer und das angrenzende Bad hervorragend ausgestattet. Doch dies betrachtete ich heute als nebensächlich, da Aki und ich sowieso nicht lange hier verweilen würden.
Nachdem wir die Koffer abgestellt und uns etwas frisch gemacht hatten, suchten wir Alistairs Zimmer auf, welches ein Stockwerk über unserem lag.
„Also, was wolltet ihr mit mir so Dringendes besprechen?", richtete er seine Frage an uns.
In der Tat konnten wir mit zwei Anliegen aufwarten und da Aki die Dame war, überließ ich ihr den Vortritt.
„Alistair, du weißt, dass ich seit vielen Jahren halbwegs in die Dinge eingeweiht war, die meinen Vater betreffen", begann sie, worauf mein Boss wissend nickte.
„Ich möchte gerne als Netzwerkmitarbeiterin für euch tätig sein."
Alistairs wache, braune Augen musterten sie gründlich. Ich konnte ziemlich genau sagen, was er dachte und deshalb wunderte mich sein nachfolgender Satz nicht.
„Warum nur, wusste ich, dass das kommen würde? Ich habe es geahnt, Aki, dass du mir das vorschlagen wirst."
Er machte eine kurze Pause, in der Aki unbehaglich in ihrem Sessel hin und her rutschte.
„Du bist dir der Risiken bewusst?"
„Vollkommen", lautete ihre ruhige Antwort.
„Gut." Alistair nickte. „Anuun ist ein großer Verlust für uns alle und deshalb ist jeder willkommen, der uns helfen möchte. Und du als seine Tochter, bist es umso mehr."
„Oh Gott, wirklich? Du sagst wirklich ja?" Aki konnte es im ersten Moment nicht fassen, doch ich hatte gewusst, dass er zustimmen würde. Dafür kannte ich ihn gut genug.
„Ja, ich freue mich, dich in unserer Runde begrüßen zu können, wobei noch einige Formalitäten notwendig sein werden, bevor du deinen Job antreten kannst."
Mir waren diese Formalitäten durchaus bekannt und deshalb klinkte ich mich nun in das Gespräch ein.
„Bevor du hier etwas in dieser Richtung in Gang setzt, möchte ich zuerst mein Anliegen hervortragen."
Als Alistair nickte, begann mein Herz schneller zu klopfen. So lange hatte ich darüber nachgedacht, doch nun, da ich vor ihm stand, kam ich mir vor wie ein Verräter, obwohl man dies in keiner Art und Weise behaupten konnte. Trotzdem musste der Satz wie ein Stich ins Herz wirken.
„Ich möchte, dass du mich für eine unbestimmte Zeit aus dem Team entlässt."
Es war eine Bombe, die ich platzen ließ, doch Alistair blieb zu meiner Überraschung vollkommen ruhig.
„Warum? Nenne mir die Gründe, Louis."
In einem Anfall voller Verzweiflung barg ich das Gesicht in meinen Händen, bevor ich zu reden begann.
„Ich habe versagt, Alistair. Ich habe mich von Dimitri hinters Licht führen lassen, ihn total falsch eingeschätzt. Wäre ich wachsamer gewesen, hätte man Kieran nicht entführt. Ich brauche.- Ich brauche etwas Zeit, um mich neu zu sortieren, denn ich kann die Bürde, auf Niall zu achten, im Moment nicht auf mich nehmen. Ich weiß, dass du mich hättest nach New York schicken wollen, doch es ist besser, wenn Liam geht."
Mein Boss musterte mich gründlich, sprach jedoch kein Wort. Er wartete einfach ab, bis ich mich wieder fing.
„Es tut mir leid, Alistair, wenn du jetzt enttäuscht von mir bist", sagte ich, während ich in seine Augen blickte.
Zu meine Überraschung kreuzte er lächelnd die Arme vor seiner Brust, um dann zu antworten: „Ich bin nicht enttäuscht von dir, Louis, im Gegenteil. Es gehört eine Menge Mut dazu, sich selbst einzugestehen, dass man seine Arbeit im Moment nicht so verrichten kann, wie man das gerne möchte. Auch ich stand mal am Scheideweg, was meine berufliche Karriere anging und hätte beinahe das Handtuch geworfen. Ich möchte nicht, dass dir das Gleiche passiert, deswegen scheint mir eine Notbremse angebracht zu sein. Nur sollte deine Pause nicht zu lange dauern, dessen musst du dir bewusst sein."
Ich räusperte mich kurz, um die Bitte zu formulieren, die in meinem Kopf herumspukte.
„Ich möchte nicht komplett aussteigen, sondern im Moment als Netzwerkmitarbeiter tätig sein. Du verstehst schon, undercover ermitteln."
Dass er dies haargenau verstand, konnte ich seiner Mimik mühelos entnehmen. Alistair zog hörbar die Luft ein, denn er kannte mich nur zu gut.
„Ich kann eins und eins zusammenzählen, Louis. Es ist gefährlich, was du vorhast, aber ich vermute, dass ich weder Aki noch dich davon abbringen kann. Abgesehen davon, können die anderen jegliche Unterstützung gebrauchen."
Mein Blick wich seinem nicht aus, als ich sagte: „Ich muss es tun, Alistair, ich kann nicht anders. Und es ist auch Akis Wunsch, mich zu begleiten."
„Seid vorsichtig, meine Kinder, denn ich möchte euch nicht verlieren."
„Das sind wir, Alistair", erwiderte ich, während Aki nickte.
„Nun denn, ich werde euch neue Ausweise beschaffen, bis dahin solltet ihr hier bleiben."
„Harry kann das ja erledigen, der schafft das in Rekordzeit", erklärte ich einigermaßen erleichtert, weil alles glimpflich abgelaufen war.
„Sicher." Alistair schien kurz zu überlegen. „Ich muss es dem Team bekanntgeben und ich finde, dass Niall es auch wissen sollte."
„Also ich würde gerne persönlich mit Niall darüber sprechen."
Mein Boss nickte zustimmend. „Er kann hierher kommen, das ist am einfachsten."
Nachdem Alistair sich kurz mit Niall in Verbindung gesetzt hatte, startete er eine Skype Session mit unserem Headquarter in London.
Als ich in die Gesichter meiner Kollegen blickte, wurde mir schon ein wenig mulmig zumute. Doch ich wollte es auch ihnen persönlich sagen und die Hiobsbotschaft nicht durch einen Dritten übermitteln lassen.
Die Reaktionen fielen gemischt aus. Liam schien mich am ehesten zu verstehen, während Briana einem halben Herzinfarkt nahe zu sein schien und Harry verständnislos dreinschaute. El setzte wie so oft ihr Pokerface auf und Sophia wirkte bestürzt. Seth hingegen brachte so schnell nichts aus der Ruhe, im Gegenteil. Er machte sich jetzt schon wieder um eine geeignete Software auf dem Handy Gedanken, anhand der man unsere Aufenthaltsorte ständig überwachen konnte. Seth war ein Segen für unser Team und obwohl wir uns noch nie persönlich begegnet waren, hatte ich eine unglaubliche Achtung vor seinen Fähigkeiten.
„Liam, Sophia, ihr kommt morgen bitte mit einem Privatjet nach New York. Harry, du kümmerst dich sofort um zwei neue Ausweise für Louis und Aki. Außerdem habe ich noch eine Sonderaufgabe für dich. Ich lasse dir alles per E-Mail zukommen."
Nachdem Alistair seine Anweisungen erteilt hatte, löste sich unsere Runde auf. Alle wünschten Aki und mir viel Glück auf unserem Trip nach New Mexico.
„Wir sehen uns, Leute", verabschiedete ich mich mit einem Lächeln in der Runde.
Dann wandte ich mich gezielt an Briana. „Sag Freddie, dass ich ihn liebe. Ich melde mich, wenn ich kann, ok?"
„Pass auf dich auf, Louis", war alles, was sie hervorbrachte, bevor die Tränen ihre Stimme erstickten.
Auf Freddie zu verzichten, war mit das Schlimmste an der ganzen Sache. Doch es gab keinen anderen Weg für mich, zumindest nicht im Moment. Ich konnte nur hoffen, dass es uns schnell gelingen würde, den oder die Mörder Anuuns aufzuspüren.
Zwei Stunden vergingen, bevor der Mann, für den ich wie einen Bruder fühlte, im Hotel auftauchte. Als ich Niall sah, kamen unweigerlich die Schuldgefühle in mir auf, die ich seit Tagen zu verdrängen versuchte, zumindest äußerlich. Es war meine Schuld, dass man Kieran entführt hatte. Wie nur war es Dimitri gelungen, mich dermaßen zu blenden? Ich hatte meinen Job nicht gut genug gemacht, sonst wäre das alles nicht passiert. Da konnte Alistair mir hundert Mal das Gegenteil sagen, ich wusste, dass ich etwas falsch gemacht hatte.
„Louis!" Freudig umarmte er mich, was ich ohne zu zögern erwiderte.
Wir befanden uns in der Lobby, doch ich hatte vor, unter vier Augen mit Niall in meinem und Akis Zimmer zu sprechen.
„Du siehst gut aus, Bruder."
„Du auch."
„Komm, lass uns nach oben gehen. Ich möchte in Ruhe mit dir reden."
Bereits im Aufzug, den wir ab der fünften Etage für uns alleine hatten, sprudelten die Worte aus seinem Mund.
„Du weiß gar nicht, wie sehr ich es mir gewünscht habe, dass du nach New York kommst."
Es tat mir in der Seele weh, in enttäuschen zu müssen. Doch es war besser, wenn er die Wahrheit aus meinem Mund erfuhr, als durch jemand anderen. Das hätte ich als feige empfunden, eine Charaktereigenschaft, die so gar nicht zu mir passte.
Im Zimmer angekommen, bediente ich mich an der Minibar und ließ mich auf einen der weichen Sessel sinken. Niall tat es mir gleich und nippte an seiner Cola, während seine Augen auf mich gerichtet waren. Zuerst wollte ich die positiven Dinge erledigen und deshalb überreichte ich ihm die beiden Bilder für Sienna sowie seine Gitarre.
„Danke, Louis! Das ist total nett von dir." Niall freute sich wirklich, das konnte ich mühelos an seinen Augen erkennen.
„Bitte, gern geschehen. Ich dachte, es ist am einfachsten, wenn ich es hierher bringe, anstatt die kostbaren Schätze mit der unzuverlässigen Post zu schicken", witzelte ich, um gleich darauf ein ernstes Gesicht aufzusetzen.
Es wurde Zeit für die Wahrheit.
„Hör zu, Niall", begann ich schweren Herzens, „du weißt, dass du wie ein Bruder für mich bist und ich dich niemals im Stich lassen würde. Aber-."
Ich machte eine kurze Pause, holte tief Luft, um dann den essentiellen Satz herauszulassen.
„Ich werde für einige Zeit das Team verlassen, um undercover zu arbeiten."
Seine Gesichtszüge schienen ihm zu entgleiten.
„Was? Sag mir bitte, dass das ein Scherz ist, Louis!"
„Ich wünschte, ich könnte es."
Langsam spürte ich, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten.
„Es tut mir so leid, Niall. Ich bin dran schuld, dass Kieran entführt wurde. Ich habe meinen Job nicht anständig gemacht."
„Nein! Wir alle haben uns von dem Russen blenden lassen! Dich trifft nicht mehr Schuld als mich oder El oder Briana!", herrschte er mich an.
„Doch, denn ich war der Boss in Barrow. Und der Boss muss immer merken, wenn etwas nicht stimmt. Ich habe eindeutig versagt und fühle mich im Moment nicht in der Lage dazu, euer aller Leben zu schützen. Ich tue das nicht, um wegzulaufen, sondern weil ich es für sinnvoller halte, wenn Liam meine Aufgabe übernimmt. Ich muss erst mit mir ins Reine kommen und-." Wieder brach ich ab, doch Niall zeichnete sich schon immer durch eine gewisse Hartnäckigkeit aus.
„Und was?", fragte er sofort nach.
Langsam stellte ich das Glas auf dem kleinen Tisch ab, schaute in seine Augen, die noch immer auf mich gerichtet waren, um dann mit der vollen Wahrheit herauszurücken.
„Aki wurde in den Status eines Netzwerkmitarbeiters erhoben. Sie begleitet mich nach New Mexico."
Niall runzelte seine Stirn. „New Mexico?"
„Ja, dort wurde Anuun nach den neuesten Erkenntnissen zuletzt lebend gesehen."
Innerhalb einer Sekunde begriff er die Bedeutung meiner Worte.
„Ihr wollt seinen Mörder finden, richtig?"
„Richtig."
Sein tiefes Atmen war zu vernehmen, gleichzeitig nickte er. So, als ob er verstand, was in mir vorging. Als Niall sich wenige Augenblicke später aus dem Sessel erhob, tat ich es ihm gleich. Wir standen direkt voreinander, schauten uns in die Augen und ich bemerkte, dass seine ebenso wässrig glänzten wie meine eigenen.
„Pass auf dich auf, Bruder", flüsterte er mit rauer Stimme.
Ich schluckte kurz, bevor ich antwortete: „Das werde ich."
Einem inneren Reflex folgen, umarmten wir uns gleichzeitig. Es kam von Herzen, das konnte ich spüren, doch ich fühlte auch die Angst in dieser Geste. Furcht, dass wir uns vielleicht nicht wiedersehen würden.
„Wenn ich ihn gefunden habe, komme ich wieder zurück, versprochen. Und bis dahin lässt du dich nicht von der Mafia unterkriegen, ok?"
„Das verspreche ich dir."
Seine blauen Augen trafen sich mit meinen.
„Wann fliegst du?"
„Sobald ich meinen neuen Ausweis habe. Liam und Sophia bringen ihn morgen mit."
Für einen Moment schloss Niall seine Augen wieder, dann sagte er: „Ich wollte dich eines wissen lassen. Ich habe dir immer vertraut, mich in deiner Gegenwart nie unsicher gefühlt und ich würde es auch jetzt nicht tun. Aber ich verstehe dich, du musst deinen Weg gehen und ich hoffe einfach nur, dass ihr das Schwein findet, das Anuun auf dem Gewissen hat."
Lächelnd reichte ich ihm die Hand. „Ein Wort unter Brüdern. Ich finde ihn und komme zurück."
Ein letztes Mal umarmten wir uns, bevor er sich verabschiedete.
„Sag Sienna und Kieran viele Grüße von mir, und dass ich sie liebe."
„Das mache ich."
Als Niall sich umdrehte, spürte ich den Kloß in meinem Hals. Ich wollte ihn nicht verlieren – ich wollte mich nicht verlieren. Wir beide mussten es schaffen. Bei Liam und Sophia wusste ich ihn in den besten Händen. Sie würden auf ihn achten, wie auf ihren Augapfel und alles tun, was in ihrer Macht stand, um ihn und seine Familie zu beschützen.
Ich hingegen musste meinen Weg gemeinsam mit Aki gehen und irgendwann würden wir alle hoffentlich wieder zusammentreffen. Jeder Einzelne unseres Teams, und auch Niall, Sienna und Kieran lagen mir am Herzen. Ich wollte das Beste für alle, und genau deswegen hieß es für mich, eine Auszeit zu nehmen.
Glücklicherweise sah Alistair das ebenso. Seine letzten Worte, die er mir mit auf den Weg gab, bevor ich mich verabschiedete, nahm ich in meinem Innersten auf.
„Du hast alles richtig gemacht, Louis. Mach dir keine Vorwürfe und komm gesund wieder. Dein Platz ist dir nach wie vor sicher."
Ich wollte hoffen, dass ich den Anforderungen dieses Platzes eines Tages wieder gerecht werden konnte.
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Die erste, kleine Bombe ist geplatzt: Louis verlässt vorerst das Team. An alle Louis-Girls: Keine Angst, dass heißt nicht, dass er in der Story nicht mehr vorkommt. Er übernimmt lediglich eine andere Aufgabe. Könnt ihr seine Entscheidung ein wenig nachvollziehen? Und auch, dass Alistair sich damit einverstanden erklärt?
Sophiam reisen also nach New York und Harry... lasst euch überraschen, was Alistair sich für ihn ausgedacht hat ;)
Wie so oft präsentiere ich euch einer meiner Fanarts. Das heutige Bild ist etwas sehr Besonderes für mich. Es wurde von juleemi2301 gezeichnet und ich finde es einfach nur Hammer!
Danke für euren tollen Kommentare, Votes und Reads zu dieser Story.
Das nächste Update kommt am Donnerstag oder Freitag.
LG, Ambi xxx
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