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20- die Stadt in der es immerzu regnet

Black Streets
20-die Stadt, in der es immerzu regnet

Deniz ändert einfach das Thema und er versucht es nicht einmal umbemerkt zu machen. Ihm ist es egal, ob man bemerkt, dass man es bewusst tut. Er tut es einfach. Die Offenheit gefällt mir. Sie ist nicht umhüllt von einer Decke, die versteckt, wer man ist. Aber Deniz ist abgesehen von dieser einen Eigenschaft ein komplettes Rätsel, das ich nicht lösen will.

»Du hast Mauern«, sagt er und sieht mich an. Seine Augen versuchen mich zu fixieren, aber sie kriegen es nicht hin. »Sie waren bröckelig und haben deine Emotionen offenbart. Ich hab mich gewundert, so einfach war es, dachte ich mir. Mir ist erst später aufgefallen, dass du nie versucht hast, deine Emotionen zu verbergen. Du versuchst nicht krampfhaft stark zu wirken. Es ist dir egal. Es ist ein Trick, um von der wahren Mauer abzulenken. Der Mauer, die deine Gedanken verbergen.«
Wenn er erzählt, klingt es, als wäre ich Kunst. Aber ich bin es nicht. Wie viel, von dem, was er sagt, ist richtig?

»Deshalb hab ich es gelesen«, erklärt er. »Deine Notizen. Aber sie haben mich nur verwirrt. Du sprichst kodiert.«
»Du verstehst nur nicht«, meine ich einfach nur. »Du bist nicht fähig, es zu verstehen.«
  »Dann hilf mir.«
  »Wenn ich jemandem helfen wollen würde, gäbe es die Mauern gar nicht.«
Die Mauern, von dessen Existenz ich nie wusste, aber wenn er es so erzählt, fühlt es sich an, als würde es stimmen. Entweder ist er furchtbar aufmerksam oder schrecklich manipulativ. In beiden Fällen wäre es besser, sich von ihm fernzuhalten.

Aber dazu fehlt mir die Kraft. Ich fühle mich erschöpft. Es ist bestimmt leichter, sich fallen zu lassen. Dennoch halte ich mich verkrampft am Dach fest, als würde jemand mich gleich hinunterstürzen.

Ich brauche etwas, das mich festhält. Ich brauche Bukes Schulter, an der ich mich anlehnen kann, wenn alles zu viel wird.

Die Distanz zwischen uns ist bedacht gewählt worden. Er weiß, dass ich seine Nähe nicht mag. »Ich berücksichtige deine Bedürfnisse, selbst wenn ich meine dann zurückstellen muss.«
»Du bist ein guter Lügner.«

Er konzentriert sich noch mehr, mir in die Augen zu blicken. »Lügen hat immer eine Funktion. Wieso soll ich jetzt lügen, Izem?«

Ich zucke mit der Schulter. »Es ist mir egal. Es hat sowieso keine Bedeutung.«
»Du bist ziemlich ignorant«, bemerkt er. Das weiß ich und das ist meine Stärke. Wenn ich Dinge bis zu diesem Zeitpunkt nicht ignoriert hätte, hätte ich lange keinen Lebenswillen mehr.

»Du vertraust mir nicht, das kann ich verstehen. Ich würde mir auch nicht vertrauen. Nicht nach allem, was ich getan habe. Aber ich schwöre, ich wollte dich beschützen, als ich dich rausgeschmissen haben wollte. Unser zu Hause ist ein Chaos.«
Er kommt ein Stück näher. »Ist es nicht ironisch, dass das Kind gerade bei uns ist? Was wollt ihr mit ihm machen?«
  »Frag nicht.«
Ich schließe die Augen. Wenn er nichts sehen kann, sollte ich es auch nicht können, oder?
  »Lass mich dir helfen. Jeder hat ein Ziel im Leben. Erzähl mir von deinem und ich erzähle dir von meinem.«

Ich schweige und lausche seiner Stimme. »Mein Ziel ist eine Stadt, in der es immerzu regnet. Sie ist wunderschön. Aber in ihr tobt ein Tornado, ihre Gedanken sind Chaos. Und wenn ich sie erreiche, werde ich mit ihr untergehen.«
»Was wirst du tun?«
»Ich werde ihre Hand nehmen.«
Ich merke, dass ich ihm noch den ganzen Tag könnte zuhören. Er baut mit seinen Worten eine andere Welt auf, ohne sich von dieser zu lösen und die Augen geschlossen ist dieser Effekt noch viel größer.

Vielleicht sind seine Worte deshalb so stark. Weil er in der Nacht nicht sehen kann und sich mit Worten Bilder zeichnen muss.

»Du solltest ihre Hand nicht nehmen, falls es dir schadet«, wispere ich. »Du solltest dich fern halten.«

Er ändert wieder einfach so das Thema. »Meine Mutter kam früher mit mir oft in lichtleeren Orten, wo man klar die Sterne sieht und zählte mit mir. Sie hat immer gelogen. Sie meinte, ich werde jedes Mal besser.«
Er lacht darüber. »Du weißt nicht, wie sehr mich das glücklich gemacht hatte.«
Bitte hör nicht auf zu sprechen, denke ich, denn aussprechen kann ich diese Worte nicht. Ich habe Angst, wenn du es tust. Die Stille lässt mich unfassbar schreckliche Dinge denken und ebenso, wenn nicht schrecklichere Bilder im Kopf sehen.

Deniz ist mir ziemlich nah, als ich die Augen öffne.
  »Lass uns die Sterne zählen«, flüstert er und ich kann seinen Atem auf meinem Gesicht abprallen spüren.
Ich nicke nur.
Er lässt sich auf den Rücken fallen und ich tue es ihn gleich.
Und in dem Augenblick merke ich, dass ich die Welt schwarz-weiß sehe und er bunt.

Wir zählen die Sterne.
Wir geben ihnen Namen.
»Der hellste ist Ümit.«
Als ich das sage, schaut er mich lange an. Er sieht nachdenklich aus. »Dieses Kind bedeutet dir echt viel.«
»Er ist mein Neffe«, erwidere ich und meine Stimme klingt sehr stolz dabei.

»Du musst mir helfen«, sagt er, als wir aufstehen. »Ich sehe kaum etwas.«
»Wie bist du überhaupt hochgekommen?«, frage ich ihn.
»Handylicht. Aber es hat eben gedauert«, antwortet er. Deniz nimmt meine Hand und hält sie fest.
»Das schulde ich dir wohl«, meine ich und steige mit ihm die Treppen hinunter. Es ist schon anstrengend für mich überhaupt etwas zu sehen, sodass ich irgendwann auch das Licht meines Handys anschalte. Aber auch dann lässt er meine Hand nicht los.

»Ich begleite dich nach Hause«, sagt er, als wir dann unten sind. Ich schüttele den Kopf. »Im Moment brauche ich Zeit für mich allein.«
Ich bin dankbar, dass es dunkel ist und dass ich nicht verstecken brauche, wie sehr ich Angst vor meinen eigenen Gedanken habe. Sie sind nicht sicher, fügen mir Wunden zu, wie kleine Messerstiche.
»Du wirst meine Anwesenheit nicht einmal bemerken«, entgegnet er.
Es klingt so verlockend. Ich denke, ich würde mich an jedem Rettungsring in diesem Ozean halten. Aber Deniz war eins, welches mich tiefer in den Abgrund stürzen würde, anstatt mich an der Oberfläche zu halten.

»Du willst, dass ich dir vertraue«, murmele ich. »Dann lass mich jetzt gehen.«
»Eigentlich will ich nur, dass du mich dir helfen lässt.«
»Ohne Vertrauen keine Hilfe.«
»Wenn du darauf bestehst.«

Ich denke an Buke, wie sie am ersten Tag nach ihrer Ankunft mit schwarzen Knopfaugen und dunklen Schatten zu mir gesehen hat. Ich höre ihre Schreie in meinem Kopf. Ihre Wunden reißen sich in meine Haut. Mein Kopf pocht, ich presse die Zähne zusammen und versuche mich abzulenken.
Es klappt nicht.

Könnte es ihr noch schlechter als jetzt gehen? Kann der Stiefvater Ümit etwas antun? Was würde passieren, wenn ich dieses Haus nicht mehr betrete? Wovor muss ich jetzt noch Angst haben? An was kann ich mich jetzt noch halten?

»Wo hast du, Hure, dich getrieben?«, wartet der Stiefvater schon am Eingang auf mich. »Sie haben von der Arbeit angerufen. Du warst nicht dort.«
  Ich antworte ihm nicht.
  »Willst du denn auch unbedingt mit deiner Schwester arbeiten?«
  Ich antworte ihm wieder nicht.
  »Das ist wohl das einzige, wozu ihr nützlich seid, ihr Frauen.«
»Das ist so bitter, wie du versuchst, verzweifelt autoritär zu wirken«, spreche ich langsam aus.

Seine Muskeln spannen sich einzeln an und er wirkt wie ein angriffsbereites Raubtier. Er hat nur darauf gewartet, dass ich ein falsches Wort sage. Nichts zu sagen hätte ihn sogar wütender gemacht. Aber ich habe nicht gesprochen, weil ich das als bessere Alternative gesehen habe. Ich habe es getan, weil ich keinen Sinn mehr darin sehe, ihm entkommen zu wollen.

Mein Blick gleitet auf das Handy auf dem Regal. Er folgt meinen Augen und lacht auf. »Niemand kann dir jetzt noch helfen.«
Ich schlucke und da kollidiert seine Hand mit meiner Wange. Ganz schnell, sodass ich es erst realisiere, als der stechende, aber dennoch kurze, Schmerz meine Wange zum pulsieren bringt. Er stürzt sich auf mich, während ich mein Knie gegen seine Körpermitte ramme. Sein schmerzverzerrtes Fluchen und sein Schnappen nach meinem Arm geschehen gleichzeitig. Er denkt, mich nun in seiner Gewalt zu haben, hat wahrscheinlich vergessen, dass ich zwei Arme habe.

Ich schnappe mir die Glasflasche aus dem Kasten, die er in der Ecke stapelt und schleudere sie in seine Richtung. Sie trifft zwar nicht seinen Kopf, aber dafür seinen Oberarm und ein kleines bisschen vom Hals. »Oh ja, das turnt mich noch mehr, Kleines.«
Leere Behauptung. Er spannt den Kiefer vor Schmerz an und wird am Gesicht rot. Ich will aus dem Haus stürmen, als er mich an der Taille packt und gewaltsam zurückwirft. Ich versuche mein Gleichgewicht zu halten, was damit endet, dass ich über meinen eigenen Fuß stolpere und auf dem Boden lande.

Gleich darauf richte ich mich aber wieder auf und renne ins Wohnzimmer, wo ich alles, was ich finde, nach ihm werfe. Die Fernbedienung, die leere Flasche auf dem Tisch, die leere Vase, ein Bilderrahmen, alles landet hinter mir, ohne dass ich sehen kann, ob ich treffe.
»Ach bitte, ist das etwa alles?«, fragt der stolze Stiefvater. Er packt mich am Haaransatz und drückt mich runter. »Lass es raus, Izem, schrei.«

Ich drücke den Schrei zurück, presse die Zähne fest zusammen und versuche seinen Griff von mir zu lösen. Das sorgt aber nur dafür, dass er stärker zudrückt. »Ich hab dir gesagt, du sollst schreien«, brüllt er in mein Ohr und gleich darauf landet mein Kopf auf dem Boden. Ein lauter Schrei verlässt unerlaubt meine Lippen.
»Was hast du geglaubt, dass du mir entkommst?«, brüllt er weiter und setzt sich auf meinen Bauch. »Was hast du, Fotze, geglaubt?«

Ich weiß nicht, warum, aber ein Lachen entfährt mir.
Er verlagert sein Gewicht stärker auf mir. »Willst du sterben?«
»Wir sind doch sowieso schon tot, wir alle.«
Danach habe ich keine Kraft mehr fürs Sprechen. Seine Faust landet auf meinem Gesicht und der Schmerz lässt mich aufzucken. Mein Körper ist ganz ruhig. Meine Schreie hören nicht auf. Sie werden leiser, sie werden kraftloser, aber sie hören nicht auf. Er massakriert meinen Oberkörper mit Schlägen. Jedes Mal tut es weniger weh. Es ist nur noch lähmend.

Als ich die Augen schließe, klatscht er mir ins Gesicht. »Wer hat dir erlaubt, ohnmächtig zu werden?«
  Es tanzen lauter schwarzer Punkte vor meinen Augen. Ich sehne mich danach, dass sie mich zum Schlafen bringen.
  »Bleib schön wach«, holt mich seine abartige Stimme wieder von der halben Trance. Die Punkte verschwinden und mein Herz pumpt in Eile.
Nehmt mich doch mit.

Beim nächsten Schlag ist meine Stimme weg. Er drückt meine Wange zusammen, damit ich nicht ohnmächtig werde. Eine warme Träne bildet sich und fährt mein Gesicht seitlich entlang und landet irgendwo in meinem Haar. Ich kann mein Herz kaum noch spüren, so stark schlägt es gegen meine Rippen, die zu brechen drohen. Ich spüre einen Tritt an meiner Seite, kann kaum noch sagen, wo er genau getroffen hat, nur dass es furchtbar weh tut. Dann steht er auf. Er spuckt. Ich weiß nicht, ob es auf mir landet oder auf dem Boden. Das Rauschen meines Blutes ist in meinem Ohr wie ein Wasserfall zu hören. Dicke Tränen kullern aus meinen Augen.

Dann geht er.

Die Tränen finden irgendwann ihr Ende. Vielleicht bin ich ausgetrocknet. So ungefähr fühlt es sich nämlich an. Es fühlt sich an, als sei mein Leben aus meinen Lippen ausgesogen worden und ich deshalb langsam sterbe.

Meine Hand liegt unter meinem Hals. Ich weiß nicht, ob ich es die ganze Zeit über spüren konnte und nur nicht bemerkt habe, aber irgendwann spüre ich meinen Puls.
Ich lebe.
Ich lebe wirklich.
Wieso lebe ich?

Ich würde überall anders lieber als im Haus sein. Deshalb ist es in Ordnung, zur Schule zu müssen, obwohl ich kaum noch einen Nerv dafür habe. Ich versuche daran zu halten, dieses Haus verlassen zu können, als ich die Zähne zusammen beißend und mit vor Schmerz gekniffen Augen meine Kleidung vom Körper streife. Beim Oberteil tut es nicht ganz so weh. Ich nehme das, was am weitesten geschnitten ist.

Zu einer Hürde wird es erst, als ich die Jeans anziehen muss. Ich weiß nicht, ob eine Stoffhose besser wäre, meine letzte hatte Buke damals mit in ihren Koffer gepackt. Der Jeansstoff reizt meine Haut und ich weiß nicht, wie ich den Tag überstehen soll.

Das Make-up klappt gut. Meine Lippe ist aufgeplatzt, aber wozu hat man Herpespflaster, wenn nicht zum Abdecken von Wunden?

Ich rufe ständig noch Elias an, aber genauso wie Buke geht er nicht dran. Aber als das nicht klappt, stecke ich die Kopfhörer dran und versuche abzuschalten, um die Bilder in meinem Kopf zu ersticken.

Stehen ist mühsam, sitzen qualvoll. Das mit dem Abschalten geht natürlich nur solange, bis Lamia im nächsten Bus auf mich wartet. Glück habe ich, weil wir keinen Platz finden und stehen müssen. Das hält sie natürlich nicht davon ab, wie immer fröhlich auf mich einzureden. Sie fragt dann was los ist und am Ende stehen wie beide schweigend da.

Normalerweise würde ich mich schlecht deshalb fühlen. Aber heute fühle ich nichts, nur den monotonen Schmerz, an den ich mich langsam zu gewöhnen scheine. Auch wenn das lähmende Gefühl, das mich nach dem Ertragen des ganzen Leides überkommt, immer ein Teil von mir zu stehlen scheint- vielleicht lähmt es genau deshalb, weil der Schmerz, ein Teil meiner Seele zu rauben, unerträglich ist- ich sehe mich nach ihr. Ich sehne mich danach, mich selbst zu verlieren.

»Ich hasse es, dass du mir nie etwas erzählst«, sagt Lamia dann. Es ist nur eine Haltestelle zur Schule. »Ich weiß nicht, wieso du es machst. Entweder du vertraust mir nicht oder du denkst, dass es sowieso nichts bringt. Aber ich schwöre dir, Izem, ich werde dir versuchen zu helfen.«
Sie hat es doch geschafft, dass ich mich schlecht fühle, zumindest ein wenig. Der Druck in meiner Brust verstärkt sich. Irgendwann werde ich platzen. »Ich bin nur müde.«
Anders formuliert: ich kann es dir nicht sagen. Sie versteht.

Deniz ist an der Tafel und schreibt irgendwelche Lösungen an. Ich kann nicht einmal einordnen, welches Fach gerade ist, so groß ist die Blockade in meinem Kopf. Mein Lehrer sieht sich meinen Entschuldigungszettel lange an, als würde er analysieren müssen, ob es wirklich die Unterschrift des stolzen Stiefvaters ist. Zugegeben, ich habe mir heute nicht viel Mühe gegeben. Er unterschreibt es dennoch widerwillig. Es wäre ja auch zu viel Arbeit, das zu kontrollieren.

Ich höre noch, wie Deniz die Kreide ablegt und dann sind wir uns einen Moment viel zu nah. So nah, dass er in mein Gesicht sieht und seine Augen sich weiten. Ich verstehe zuerst nicht, warum. Das kann daran liegen, dass mir diese Blockade immer noch zu schaffen macht. Ich will einfach weiter, kenne Denizs wechselnde Handlungen ohne jeglichen Zusammenhang sowieso schon. Aber dieses Mal tut er etwas ihm ungewöhnliches. Er packt mich am Arm und zieht mich zurück. Ja, diese Bewegung macht er auch allzu oft. Aber nicht vor dem Kurs, nicht vor anderen.

Sein Atem prallt gegen mein Gesicht und auch meine Augen weiten sich. Er kann es sehen. Er kann die blauen Flecken sehen, die mir der krankhafte Stiefvater als hässlicher Beweis ins Gesicht geschlagen hat. Wie konnte ich das vergessen?

Seine Lippen formen Wörter, doch seine Stimme kommt nicht bei mir an. Mit einem Mal wird sein Griff fester um meinen Arm und er zieht mich aus dem Kurs.

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