29. Northern Lights
♪ Ride like the wind - Saxon
Niall
Der Sturm dauerte bis zum Dienstagmorgen an, dann verflüchtigte er sich, als sei er nie dagewesen. Lediglich die Unmengen an Schnee, die sich vor der Haustür auftürmten, erinnerten noch daran.
Schweigend machten Louis und ich uns daran, die weiße Masse beiseite zu schaffen, so gut es eben ging. Seit meinem Anschiss hatte er kein Wort mehr darüber verloren. Generell verhielt er sich seit besagtem Moment eher ruhig und redete nur da Nötigste. Ich wusste nicht, ob dies etwas Gutes oder eher etwas Schlechtes zu bedeuten hatte. Und so schnell würde ich es wohl auch nicht herausfinden, es sei denn, er kotzte sich endlich aus.
Eleanor erschien auf der Bildfläche und wollte beim Schneeräumen helfen, doch wir schickten sie wieder ins Haus.
„Das ist keine Arbeit für Frauen", meinte ich kopfschüttelnd.
Fragend schaute die Brünette zu Louis, doch dieser schloss sich mir an, indem er mit dem Kopf in Richtung Haus nickte. El deutete es richtig und zog wieder von dannen, sodass wir wieder alleine waren.
Die Gedanken an unseren geplanten Trip kamen erneut hoch. Würde er überhaupt noch stattfinden? Eigentlich wollten wir morgen los, doch Louis' permanentes Schweigen gab mir eher das Gegenteil zu verstehen.
Etwas Gutes hatte sein Verhalten allerdings: Es gab keine Streitereien zwischen Briana und ihm und somit war Ruhe im Haus eingekehrt.
Trotzdem atmeten alle auf, weil jeder nun wieder seine eigenen Räumlichkeiten aufsuchen durfte. Wir hockten nicht mehr permanent in Wohnzimmer und Küche aufeinander, eine Tatsache, die die Lage deutlich entspannte.
„Hey, Leute!"
Anuuns Stimme ertönte plötzlich in meinen Ohren und ließ mich aufschrecken. Weder Louis noch ich hatten ihn wahrgenommen, so sehr waren wir ins Schneeschippen vertieft.
Mit einem Grinsen auf den Lippen stieg er von seinem Motorschlitten und ging auf uns zu.
„Ihr hattet echt Glück, in der Stadt hat es einige Dächer abgedeckt."
„Steht dein Haus noch?", erkundigte sich Louis sofort.
„Ja, da ist alles ok und auch bei Aki, meiner Tochter."
„Das beruhigt mich echt."
Warum nur hatte ich den Eindruck, dass dies Louis wirklich kümmerte? Bevor ich dazu kam, darüber nachzudenken, bot Anuun seine Hilfe an. Zu dritt schafften wir es auf jeden Fall schneller, die Einfahrt zur Garage freizuschaufeln. Der Weg zum Schuppen war bereits freigelegt und demnach stoben die Hunde plötzlich durch den Schnee, als sie Anuuns Stimme erkannten.
Nachdem er die Tiere begrüßt hatte, machte er sich an die Arbeit. Seiner tatkräftigen Unterstützung hatten wir es schließlich zu verdanken, dass wir noch vor dem Abendessen fertig wurden, bei welchem Anuun selbstverständlich als Gast fungierte. Nichtsahnend wandte der Inuit sich plötzlich an Louis.
„Wann wollt ihr denn morgen euren Trip starten?"
Wie gebannt starrte ich in Louis' Richtung, der in aller Seelenruhe antwortete.
„Ich dachte so gegen elf."
Er schaute direkt in meine Augen, als er noch einen Satz nachlegte. „Niall, wir müssen nachher noch packen, sonst dauert es morgen zu lange, bis wir hier wegkommen."
Keine Spur von Feindseligkeit, keinen Ton darüber, dass er unseren Trip absagen würde. Louis reagierte vollkommen ruhig und gelassen, was mich innerlich erleichtert aufatmen ließ. Trotz seiner Eskapaden Briana gegenüber, wäre es mir schwergefallen, ihn als Freund zu verlieren. Dafür mochte ich ihn zu gerne.
Direkt nach dem Abendessen brachten wir unsere Söhne ins Bett, die traurig darüber waren, weil sie nun nicht mehr zusammen in einem Raum schlafen konnten. Als wir sie jedoch darauf aufmerksam machten, dass sie morgen wieder draußen im Schnee spielen durften, war der Kummer darüber schnell vergessen.
„Gute Nacht, Kieran", sagte ich und hauchte unserem Sohn einen Kuss auf die Stirn.
„Dute Nacht, Papi, ich hab dich sooo lieb!", strahlte er mich an.
„Du musst auf Mami aufpassen, wenn ich morgen mit Louis wegfahre", ermahnte ich ihn.
„Warum fährst du denn wed?"
„Weil wir uns die Gegend anschauen und in einem Iglu übernachten wollen."
„Was ist ein Idlu?"
Als ich es ihm erklärte, hörte er aufmerksam zu und sagte dann: „Ich will auch mal mit dir und Freddie und Louis in einem Idlu schlafen. Das macht bestimmt Spaß."
„Ich werde dir erzählen wie es war, ok?"
„Okeeey."
Sanft streichelte ich über sein weiches Haar, bevor ich endgültig das Zimmer verließ. Sienna, die Kieran bereits eine gute Nacht gewünscht hatte, hielt sich in unserem Schlafzimmer auf. Sie sortierte die schmutzigen Kleidungsstücke, die morgen gewaschen werden sollten.
„Ich helfe Louis jetzt schnell, die Sachen zu packen, die wir für die Reise benötigen", ließ ich sie wissen.
„Ist ok, ich liege dann vermutlich schon im Bett, wenn du wiederkommst."
Lächelnd drückte ich ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Bis später, Baby."
Insgesamt dauerte es fast zwei Stunden, bis wir alles auf dem großen Schlitten verstaut hatten, den die Hunde morgen ziehen durften.
„Ist das nicht zu schwer für die Tiere? Immerhin befinden wir uns ja auch noch drauf", erkundigte ich mich, worauf Louis in lautes Gelächter ausbrach.
„Einer dieser Hunde kann das Neunfache seines Körpergewichts ziehen, lass dir das gesagt sein, Bleichgesicht", zog er mich auf.
„Alles klar, Greenhorn", schlug ich verbal zurück.
Louis blaue Augen blitzen kurz vergnügt auf, bevor er sagte: „Leg dich schlafen, wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns."
„Das werde ich tun, aber vorher nehme ich einen Schneeball für Sienna mit."
Lachend schaute er dabei zu, wie ich eine Handvoll Schnee aufnahm, um diese zu einer runden, festen Kugel zu formen, welche ich schnell in Richtung Haus trug.
„Bis morgen", rief ich Louis im Weglaufen zu.
Tatsächlich lag Sienna bereits im Bett, als ich das Schlafzimmer mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen betrat. Ich trug nur noch ein Shirt und meine Boxershorts, die restlichen Klamotten hatte ich im Bad ausgezogen.
In ihrem schwarzen Negligé wirkte meine Frau im matten Schein der kleinen Nachttischlampe äußerst reizvoll, um nicht zu sagen unglaublich verführerisch.
„Was versteckst du da hinter deinem Rücken, Niall?" Ihre großen, blauen Augen schauten erwartungsvoll drein.
„Nichts", erwiderte ich lässig, doch ich war noch nie gut im Lügen.
„Das glaube ich dir nicht", schmunzelte sie und zwinkerte mir zu.
Langsam näherte ich mich dem Bett und setzte mich neben ihren wundervollen Körper, der ausgestreckt auf der Decke lag. Dies war mehr als nur eine Aufforderung für mich.
Sachte ließ ich meine rechte Hand über ihren Oberschenkel gleiten, meine linke hielt noch immer den Schneeball hinter meinem Rücken. Ein leichter Schauer rieselte durch meinen Körper, als meine Finger ihre zarte Haut berührten.
„Deine Finger sind kalt", stellte sie grinsend fest.
Mit dem Daumen streichelte ich weiterhin über ihren Oberschenkel, während ich antwortete: „Ich weiß, ich war ja auch draußen im Schnee."
Sie bedachte mich mit einem lasziven Blick.
„Niall", hauchte sie leise, „zeig mir jetzt endlich, was du in deiner Hand hast."
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor ich mich über ihr befand, das Negligé hochschob und den Schneeball zur Mitte ihres Bauches sinken ließ.
Ein kurzer Aufschrei ihrerseits erfolgte, dann begann Sienna zu lachen.
„Das ist super, so kalt und prickelnd", stieß sie hervor.
„Du magst es?"
„Ja, absolut."
Ihr Flüstern setzte alle noch verbliebenen Energien in mir frei. Zwar hatte ich heute körperlich hart gearbeitet, doch meine Reserven reichten auf jeden Fall noch aus, um eine Runde Spaß im Bett zu haben.
Siennas zarte Hände wanderten zielstrebig unter mein Shirt, während sie mich nicht aus den Augen ließ. Vorsichtig befreite ich sie von dem hauchdünnen Stoff, den sie am Leib trug. Er landete auf dem Boden, direkt vor dem Schrank. Anschließend platzierte ich den Schneeball sorgsam zwischen ihrem Busen. Da er bereits langsam zu schmelzen begann, zeigten sich kleine Tropfen auf ihrer Haut, die ein winziges Rinnsal bildeten.
„Das kitzelt", wisperte sie und ließ im selben Atemzug ihre rechte Hand zu dem Bund meiner Boxershorts gleiten.
„Hast du es eilig?", sprach ich lässig, wobei es mich große Anstrengung kostete, nicht sofort über sie herzufallen.
„Ich werde nicht warten, bis der Schneeball vollständig schmilzt", gab sie mir mit einem provozierenden Lächeln zu verstehen.
Es kostete mich keine Sekunde, um nach der weißen Kugel zu greifen und diese auf ihrem Körper entlangwandern zu lassen.
„Ich könnte ihn in deinem Bauchnabel parken", schlug ich vor, „dort macht er sich hervorragend."
„Stimmt, Schnee schlürfen aus dem Bauchnabel hatten wir noch nicht."
Langsam wurde es unangenehm, die Boxershorts weiterhin zu tragen und als ich Anstalten machte, mich davon zu befreien, half Sienna nach. Ihr heißer Atem streifte meine Wange, als ich mich über sie beugte und den Schneeball achtlos auf den Boden warf. Ich wollte sie jetzt.
„Wir müssen verhüten", flüsterte sie leise in mein Ohr.
Vorsichtig küsste ich ihre Wange.
„Ok, Baby, warte kurz."
Gott sei Dank waren meine Arme lang genug, um die Schublade des Nachttisches öffnen zu können, ohne meine Position dabei verändern zu müssen. Blind tastete ich nach den Kondomen, die sich dort befanden. In dieser Beziehung konnte ich mich hundertprozentig auf Sienna verlassen. Sie ließ mich stets wissen, wann es an der Zeit war, die Dinger einzusetzen.
Sorgsam rollte ich es mir über und dann spürte ich auch schon, wie sie sich mir entgegendrängte. Auch Sienna wollte nicht warten, sondern war darauf aus, dass unsere Körper sich so schnell wie möglich vereinten. Die Hitze, die von ihr ausging, war förmlich zu spüren und als meine Finger vorsichtig zu ihrer Mitte tasteten, fühlte ich, dass sie bereit war.
„Du machst dich gut unter mir", flüsterte ich, während sie ihre Beine spreizte, damit ich in sie eindringen konnte.
Sofort wanderten ihre Hände zu meinem Nacken, berührten dort den Haaransatz, was mir ein leises Stöhnen entlockte. Auch Sienna keuchte, obwohl ich ein eher gemächliches Tempo anschlug, zumindest am Anfang. Ich wollte nicht gleich alles aus uns herausholen, eher den Moment genießen, der uns so nahe zusammenbrachte. Der mich spüren ließ, wie sehr wir einander liebten. Erst als ihre Bewegungen drängender wurden gab ich nach. Immer schneller, immer weiter, solange, bis wir unaufhaltsam auf die Klippe zusteuerten, die unser Ziel war. Wir sprangen, fielen und landeten in einem Meer voller Gefühle.
Nach Luft ringend hielt sie sich an mir fest, ihre Beine umklammerten meinen Körper, während ihr Höhepunkt langsam abebbte.
Sie zitterte noch immer, als ich sie Minuten später in meinen Armen hielt und ihr Blick sagte alles. Noch immer aufgeputscht, doch restlos zufrieden kuschelte Sienna sich ganz nahe an mich heran.
Unser Kuss, in welchem wir versanken, schmeckte salzig wie das Meer und gleichzeitig so süß wie eine verbotene Frucht.
„Bist du ok, Baby?", flüsterte ich leise.
„Ja, das bin ich."
Ihren Kopf auf meine Brust gebettet, schloss sie ihre Augen. Auch ich wurde müde und ehe ich mich versah, schliefen wir beide ein.
Der nächste Tag begann ruhig und gelassen. Bevor wir aufstanden kuschelten wir noch eine Runde im Bett.
„Ich werde dich vermissen, Baby", wisperte ich, als Sienna in meinen Armen lag.
„Warum fährst du dann weg?", murmelte sie schlaftrunken.
„Weil ich auch mal einen Männerausflug machen möchte. Außerdem interessiert es mich brennend, wie es sich in einem Iglu schläft."
Als ich sie anschaute, sah ich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht, was mich wissen ließ, dass sie nicht wirklich etwas dagegen hatte.
„Kieran passt schon auf mich auf", seufzte sie.
„Das macht Anuun, der achtet auf euch. Zumindest hat er uns das versprochen."
„Ich mag Anuun."
„Ich auch."
Es fühlte sich gut an, einfach so im Bett zu liegen und nichts zu tun. Noch konnten wir dieses Gefühl auskosten, doch zu Beginn der nächsten Woche trat ich mein Amt als Pfarrer in Barrow an.
„Baby, ich muss leider aufstehen, sonst kommen wir zu spät los", flüsterte ich Sienna ins Ohr.
Anschließend küsste ich die leicht auf die Wange.
„Schon ok", erwiderte sie. „Ich wecke Kieran auf."
Die Zeit bis zu unserem Aufbruch ging furchtbar schnell vorüber. Louis und ich packten noch ein paar Kleinigkeiten zusammen, vor allem Trink- und Essensvorräte, bevor wir uns von allen verabschiedeten.
„Pass gut auf dich auf, Niall", wisperte Sienna, als ich sie zärtlich umarmte.
„Das mache ich, Baby, aber das Gleiche solltest du auch tun."
Unser Kuss war lange, intensiv und feurig, er fühlte sich an wie ein Versprechen. Wir würden immer auf uns achten, um den anderen wieder sehen zu können.
Damit Kieran der Abschied nicht so schwer fiel, hatte Briana ihn heute gemeinsam mit Freddie in den Kindergarten gebracht. Dort durfte er einen sogenannten Probetag verbringen. Vermutlich würde er danach so viel zu erzählen haben, dass ihm meine Abwesenheit erst am Abend auffiel. Ich war zwar nur eine Nacht weg, doch in Anbetracht der Tatsache, dass Kieran fast drei Wochen von uns getrennt in London verbrachte, wollte ich ihm nicht noch einmal eine längere Vater-Sohn Pause zumuten.
Schnell kletterte ich in den vorderen Teil des Schlittens, während Louis als Musher seinen Platz am hinteren Ende im Stehen einnahm. Er brauchte nur ein Kommando zu geben und die Hunde liefen los.
Fasziniert beobachtete ich die Landschaft, als wir an der Küste entlang, in Richtung Westen, fuhren. Bei minus zehn Grad fühlte ich mich trotzdem sehr wohl, denn mein Körper wurde durch mehrere Felldecken umhüllt. Auch Louis schien nicht zu frieren, denn als wir zwischendurch Rast machten, um Tee zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen, sagte er: „Die Sonne brennt mir ganz schön ins Gesicht."
„Sei froh, dass sie noch da ist", erwiderte ich lachend.
„Du hast darüber gelesen und weißt demnach was uns blüht?", lautete seine Frage zwischen zwei Schlucken Tee.
„Ja, und ich glaube, meiner Frau wird das gar nicht gefallen."
„Das kann ich mir vorstellen, aber El und Briana werden ebenfalls nicht begeistert sein."
Louis trank den restlichen Tee aus seinem Becher, bevor er sagte: „Lass uns weiterfahren, wir haben noch eine längere Strecke vor uns."
Wir hatten nie wirklich darüber gesprochen, wo die Iglus standen, in welchen man nächtigen konnte. Nur, dass Anuun Louis eine Karte mitgegeben hatte, in welcher der Weg eingezeichnet war. Bei unserem Ziel handelte es sich um reine Notunterkünfte, die hin und wieder von Reisenden benutzt wurde. Ich war auf jeden Fall sehr gespannt darauf.
Einstweilen ließ ich mich jedoch von der Landschaft ebenso beeindrucken wie von dem Tempo der Huskys, das diese konstant durchzogen. Sie schienen überhaupt nicht müde zu werden und außerdem den Weg zu kennen. Denn sie liefen zielstrebig in eine Richtung, so lange, bis wir die Iglus erblickten.
„Hey, wir haben es gleich geschafft, Niall!", rief Louis vergnügt.
„Gott sei Dank, ich bekommen schon Beulen am Hintern vom langen Sitzen", kam es von mir, worauf er schallend lachte.
„Vielleicht können wir auf der Rückfahrt mal tauschen. Du spielst den Musher und ich ruhe mich aus."
Er stoppte das Gespann vor einem der kugelförmigen Schneehäuser, welches noch recht intakt aussah.
„Das hier nehmen wir. Es wirkt durchaus standesgemäß für unsere Zwecke."
Grinsend kletterte ich aus dem Schlitten und streckte mich. „Wenn du das sagst."
Gut gelaunt machten wir uns daran, unsere Vorräte, inklusive der Decken, in das Iglu zu schleppen, während die Hunde begeistert durch den Schnee tollten. Louis hatte sie sofort vom Geschirr befreit, damit sie nun die weiße Pracht genießen konnten.
Mit einem Stapel Holz auf dem Arm trat er kurz in das Iglu, gerade als ich die Decken ausbreitete.
„Wo hast du das denn her?", fragte ich einigermaßen verblüfft.
„Das lag im Iglu nebenan. Anuun hat mir verraten, dass es hier immer einen kleinen Holzvorrat gibt. Ich habe zwar keine Ahnung, wer da für Nachschub sorgt, aber im Prinzip ist mir das auch egal."
Nach diesen Worten marschierte er wieder nach draußen, um neben dem Schneehaus ein Feuer zu entfachten. Währenddessen schaute ich mich im Inneren genauer um.
Das Interessante an der Geschichte war, dass unsere Schlafplätze erhöht lagen, etwa siebzig Zentimeter vom Boden entfernt. Ich hatte gelesen, dass dies eine Notwenigkeit darstellte, damit die warme Luft nicht entweichen konnte. Ansonsten würden wir nämlich erfrieren. Es mutete sowieso grotesk an, sich vorzustellen, dass wir heute bei Plusgraden in einem Iglu nächtigten, während draußen Temperaturen um die fünfzehn Grad Minus herrschten.
„Niall, bist du fertig? Wenn ja, komm nach draußen, das Feuer ist an", vernahm ich Louis' Rufen, was mich dazu veranlasste, schleunigst aus dem Iglu zu stürmen.
Inzwischen brach die Dämmerung über das Land hinein und während ich Ausschau nach den Hunden hielt, die sich nun in den Schnee gelegt hatten, stieg mir ein betörender Duft in die Nase. Es roch herrlich nach Essen.
Grinsend fiel mein Blick auf den Topf, welcher über dem Feuer baumelte. Louis hatte ein dreibeiniges Gestell mitgenommen, in welchem das Gefäß eingehängt wurde.
„Setz dich, wir essen gleich."
Es dauerte keine Minute, da schaufelten wir den schmackhaften Eintopf in uns hinein. Ich fand es herrlich, vor den Flammen zu sitzen und in freier Wildnis zu essen. Louis' Gesellschaft und die Anwesenheit der Huskys waren in diesem Moment genug.
„Das sollten wir öfter machen, oder?", begann Louis unser Gespräch.
„Ja, das wäre cool."
Er nickte mir zu, lächelte und redete weiter.
„Weißt du, Niall, manchmal habe ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Andererseits würde ich aber mit keinem anderen tauschen wollen. Verstehst du, was ich meine?"
Das tat ich haargenau, denn während andere unseres Alters vor Jahren noch durch die Clubs gezogen waren, hatte sowohl Louis als auch ich die Verantwortung für ein Kind zu tragen – ganz abgesehen von all den anderen Dingen, durch die unsere Leben beeinflusst wurden.
„Ja, ich verstehe, was du meinst." Wie selbstverständlich kamen diese Worte über meine Lippen. Keinem anderen hätte ich das jemals anvertraut, doch in seiner Gegenwart fühlte es sich so leicht an, darüber zu reden.
„Ich würde Freddie niemals hergeben wollen", fuhr er fort.
„Ich Kieran auch nicht und ebenso Sienna nicht. Ich liebe sie, das habe ich immer getan."
Ein unsagbar trauriges Lächeln lag auf Louis' Gesicht, als er etwas entgegnete.
„Siehst du, Niall, das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Du hast einen Sohn mit einer Frau, die du liebst und ich habe einen Sohn mit jemandem, den ich nicht liebe."
Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns, bevor die nächsten Sätze aus seinem Mund flossen.
„Es ist nicht einfach für mich, glaube es mir. Ich liebe Freddie und ich möchte das Beste für ihn. Und das will Briana auch, nur unterscheiden sich unsere Vorstellungen dahingehend manchmal."
Ein gequältes Lachen entwich meiner Kehle.
„Und deswegen schreist du sie so an?"
„Nein, aber wenn wir schon beim Thema sind, ich wollte mich dafür bedanken, dass du mir den Kopf gewaschen hast."
Überrascht schaute ich zu ihm, sein Blick war klar, seine Augen ruhten auf mir. Er meinte es absolut ernst, das war mir bewusst.
„Bitte, gern geschehen, einer musste es ja tun", erwiderte ich grinsend.
Heilfroh darüber, dass er dies so gut aufgenommen hatte und nicht sauer auf mich war, begann ich Anana zu streicheln, die sich just in diesem Moment neben mir niederließ. Während ich darauf wartete, dass Louis mir sein Herz ausschütten würde, betrachtete ich die hübsche Hündin, die meine Hände ableckte. Dann jedoch wurde meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Freund gelenkt.
„Weißt du, Niall, es war so. Briana wurde zu einem Zeitpunkt schwanger, als es gerade mit meiner beruflichen Karriere aufwärts ging. Alistair feuerte meinen Vorgänger, weil dieser Scheiß baute. Eigentlich strukturierte er das ganze Team um, holte sich neue Leute. Deswegen sind wir auch alle noch relativ jung, zumindest im Vergleich zu unseren Vorgängern."
„Was ist mit den Mitarbeitern passiert?"
„Sie wurden versetzt und einer ging in Rente. Briana, Eleanor und ich kamen aus dem gleichen Team und Sophia und Liam aus einem anderen. Harry stieß direkt nach seiner abgeschlossenen Ausbildung zu uns. Es passt einfach alles, wir sind inzwischen so eingespielt, dass jeder weiß, was der andere denkt und wie er handeln würde."
„Das klingt doch gut", erwiderte ich lächelnd, mit der Gewissheit, dass mein Bauchgefühl mich nicht betrogen hatte.
Ich konnte Louis voll und ganz vertrauen. Dass es sich umgekehrt ebenso verhielt, bewies er mit seinen nächsten Worten.
„Zwischen El und mir lief es nicht mehr gut. Wir trennten uns, bevor wir zu Alistair ins Team wechselten."
„In gegenseitigem Einvernehmen?", lautete meine neugierige Frage.
Daraufhin schüttelte Louis seinen Kopf. „Sie hat Schluss gemacht und daran hatte ich eine ganze Weile zu knabbern. Angekratztes Ego und so. Briana kam mir gerade recht. Sie fuhr auf mich ab, keine Ahnung wieso, denn wenn du sie heute über mich reden hörst, bin ich der größte Arsch der Welt."
Seine Stimme klang kein bisschen bitter, sondern eher belustigt.
„Vielleicht bin ich das auch."
„Nein, das bist du nicht. Ich wette, es gibt einen Grund, weshalb du dich wie der letzte Arsch verhältst", ermutigte ich ihn zum Weiterreden.
Nun schmunzelte er leicht. „Ich mag deine offene Art, Niall. In dieser Beziehung sind wir uns sehr ähnlich."
„Das stimmt wohl. Du hast mir ziemlich unverblümt gesagt, dass ich eine Sünde begangen hätte, als ich Sienna in diesem Black Room nagelte."
Mit Absicht verwendete ich seine Ausdrücke, was ihm ein Lachen entlockte.
„Das ist durchaus korrekt, mein Lieber. Erzähl mir vom Black Room. Wie ist es da drin so?"
Warum nur hatte ich geahnt, dass es darauf hinauslaufen würde?
„Es ist dunkel, du siehst absolut nichts und musst dich auf deine anderen Sinne verlassen. Und du musst dem anderen vertrauen."
„Hast du das getan?"
„Ja, ich habe Sienna vertraut und sie hat mir vertraut. Dass das Kondom einen Riss hatte, konnten wir in der Dunkelheit nicht sehen. So entstand Kieran."
Pure Absicht lag in meinen Worten, ich wollte ihn aus der Reserve locken, wissen wie und warum Freddie entstanden war. Und er sprang darauf an.
„Ein Kumpel von mir lud mich im Frühling zu einer Party ein. Ich nahm Briana mit, da ich nicht alleine gehen wollte. Wir tanzten, redeten, flirteten und betranken uns ordentlich. Anschließend nahmen wir ein Taxi und landeten bei ihr zuhause im Bett. Sie versicherte mir, dass sie die Pille nehmen würde, ich verließ mich darauf und verzichtete auf den Gummi. Tja, sie vergaß die Pille und Freddie entstand. Ich war mächtig sauer, weil sie mich so gelinkt hatte. Aber das war nicht das Schlimmste."
Er machte eine kurze Pause, bevor er erneut zum Reden ansetzte.
„Sie wollte mehr von mir, eine feste Beziehung, doch ich liebe sie nicht und deswegen kam das nicht in Frage. Also behandelte ich sie eher abweisend, damit sie kapierte, was Sache war. Es hat sich seit Jahren zwischen uns hochgeschaukelt, wurde immer schlimmer. Schließlich waren es nur noch Trotzreaktionen von mir. Ich weiß, das war dumm, aber irgendwie wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen."
Louis zündete sich eine Zigarette an, deren Rauch er tief inhalierte. Es wirkte, als ob er sich konzentrieren musste und deswegen verhielt ich mich ruhig.
„Ich weiß, dass sie sich um Freddie sorgt, aber unsere Ansichten sind manchmal so verschieden und das macht es sehr schwer. Er ist ein Kind, er muss auch mal im Dreck spielen dürfen."
„Das sehe ich genauso."
Als Louis seine Kippe in den Schnee schnickte, sagte er: „Vielleicht kriegen wir es irgendwann hin. Ich werde mich auf jeden Fall bemühen und mit ihr reden, wenn wir wieder in Barrow sind."
Augenblicklich fiel mir ein Stein vom Herzen. Dass ich so hart mit ihm umgesprungen war, zahlte sich nun hoffentlich aus.
„Das finde ich gut von dir", sprach ich lächelnd.
Und dann fiel mein Blick in den Himmel. Bei all den Gesprächen hatten wir nicht bemerkt, welches Naturphänomen sich gerade um uns ausbreitete.
„Oh mein Gott", keuchte ich völlig geplättet, „sieh nur!"
„Aurora Borealis, das ist der Wahnsinn", flüsterte Louis beinahe schon ergriffen.
Er verwendete tatsächlich den wissenschaftlichen Begriff dafür, was mich erahnen ließ, wie sehr er sich mit Nordalaska und all seinen Gegebenheiten auseinander gesetzt haben musste. Die Polarlichter waren hier häufig zu bestaunen und wir kamen nun in diesen Genuss.
„Ich muss Bilder machen, die will ich Sienna und Kieran zeigen."
„Wusstest du, dass es sogar eine Wettervorhersage vom Geophysical Institute in Fairbanks für die Polarlichter gibt?", fragte Louis begeistert.
„Nein, woher soll ich das wissen?" Erstaunt schaute ich zu ihm und immer mehr wurde mir bewusst, welch außergewöhnlich interessierten Menschen ich an meiner Seite hatte.
Mehr als eine Stunde genossen wir den grandiosen Anblick des Farbenspiels, welches den Himmel in die unterschiedlichsten Töne tauchte. Diese variierten von grün über blau bis hin zu lila und rot. Erst als sie erloschen, legten wir uns schlafen.
Entgegen aller Befürchtungen fühlte es sich gar nicht so unbequem an, in einem Iglu zu liegen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich ins Reich der Träume versank.
Ich fühlte mich sicher, da die Hunde vor dem Schneehaus verweilten. Niemand würde auf die Idee kommen, sich uns zu nähern. Zumindest dachte ich das.
Als ich jedoch mitten in der Nacht durch ein undefinierbares Geräusch erwachte, begann mein Herz schneller zu schlagen. Jemand schlich um unser Iglu, ich konnte es deutlich hören. Es waren schwere Schritte, die mir Angst machten.
„Louis", wisperte ich leise, „wach auf, da ist jemand."
_________________________
Hier kommt das versprochene Kapitel zum Freitag, mit einem schönen Cliffhanger. Ich habe mir mal wieder besonders viel Mühe gegeben und hoffe, ihr habt ihn genossen.
Es macht so unglaublich viel Spaß an Black Ice zu schreiben, weil ich so viel googen kann. Ich würde so gerne mal Polarlichter sehen, das könnt ihr mir glauben.
Danke für eure große Motivation, in Form von Kommentaren und Votes. Das hilft mir enorm beim Schreiben! Bitte hört nicht auf damit, denn ich liebe eure Kommentare ohne Ende.
Wenn alles klappt, kommt das nächste Update am Sonntag.
LG, Ambi xxx
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro