27. Exhausting
♪ Land of Confusion - Genesis
Sienna
Seth. Ich spürte förmlich, wie das Blut aus meinem Gesicht wich. Nur alleine die Erwähnung seines Namens sorgte dafür. Er hatte Kieran gesehen, vermutlich sogar länger mit ihm gesprochen.
Alistairs vielsagender Blick, welchen er mir zuwarf, gab mir letztendlich die volle Gewissheit.
Verzweifelt rang ich nach Fassung, denn ich wollte unseren Sohn nicht verunsichern. Er durfte nicht wissen, dass er seinem Onkel, meinem Bruder begegnet war. Jemand, der in meinem früheren Leben eine große Rolle spielte und dies irgendwie auch immer noch tat. Niemals hatte ich Seth oder Harvey vergessen. Auch Gwenny nicht, die sich nun ebenfalls in meine Gedanken schlich.
Glücklicherweise bemerkte Niall sofort, wie es um mich stand, denn er sagte geistesgegenwärtig: „Kieran, was hältst du davon, wenn du mit Alistair in die Küche gehst, um Kakao zu trinken? Mami und ich kommen gleich nach."
Mit Kakao konnte man ihn ebenso einfach locken wie mit Schokopudding, deshalb sprang er ohne Probleme darauf an.
„Au ja! Kakao!"
Seine Begeisterung kannte keine Grenzen, weshalb er sich ohne zu murren von Alistair an die Hand nehmen ließ, um in Richtung Küche zu gehen. Louis geleitete die beiden dorthin, sodass Niall und ich diesen Moment für uns alleine bewältigen konnten.
Ich zitterte am ganzen Körper und schlug die Hände vor das Gesicht
„Oh mein Gott, er hat meinen Bruder gesehen und Seth hat ihn gesehen", schluchzte ich vollkommen fertig.
Niall nahm mich in seine Arme und flüsterte leise: „Das ist traurig und schön zugleich. Ich wünschte, wir könnten es Kieran erklären, aber er ist noch zu klein, um es zu verstehen."
„Leider."
Mit einer fahrigen Handbewegung wischte ich mir die Tränen von den Wangen.
„Es tut so weh, Niall", wisperte ich. „Ich würde Seth, Harvey und Gwenny so gerne noch einmal sehen. Ich vermisse sie so. Ich weiß, dass es unfair ist, das zu sagen, denn ich habe mich damals ganz bewusst für dich entschieden. Mir war klar, dass ich mein altes Leben nie wieder zurückbekommen würde. Aber manchmal-."
Ich brach ab und schaute in seine blauen Augen, die verständnisvoll und gleichzeitig traurig dreinblickten. Beruhigend streichelte er über mein Haar, küsste mich sanft auf die Lippen und sagte: „Es ist nicht unfair, es ist nur menschlich, was du empfindest. Glaube mir, auch ich denke oft an meine Familie in Irland."
Mit geschlossen Augen kuschelte ich mich an ihn. „Es ist gut, dass wir uns haben, Niall. Ich liebe dich, das werde ich immer tun."
„Ich liebe dich auch, Sienna und ich wünschte, ich könnte dir so manches erfüllen, was in deinem Kopf vorgeht. Aber leider bin ich dazu nicht in der Lage."
Sanft streichelte er meine Wange, bevor wir Hand in Hand in die Küche liefen, wo Alistair gemeinsam mit Kieran, Louis und Briana am Esstisch saß. Kieran trank einen Kakao, während Alistair sich für Tee entschieden hatte.
„Mami, hier wohnt noch ein Junge", plapperte Kieran drauflos.
„Ja, ich weiß", erwiderte ich lächelnd, wobei mein Blick zu Briana ging.
Sie musste unseren Sohn bereits darüber aufgeklärt haben, dass ein Spielkamerad für ihn zur Verfügung stand. Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass die beiden sich gut verstanden.
Als Briana sich erhob, nickte sie mir zu. „Ich hole Freddie vom Kindergarten ab, bis später."
Alistairs Blick schweifte zu uns. „Ich hoffe, ihr habt euch schon ein bisschen eingelebt, meine Lieben. Denn wie ihr euch denken könnt, werdet ihr hier länger verweilen. Es tut mir leid, dass es keine wärmere Gegend geworden ist, in die ich euch transferiert habe."
„Das ist nicht wichtig", hörte ich Niall sagen, „es kommt nur darauf an, dass wir in Sicherheit sind."
„Das sehe ich genauso", warf Louis ein.
Er hatte heute noch nicht viel gesprochen, sondern beschränkte sich auf das Beobachten. Mir war das nur Recht, denn so konnten Niall und ich uns ein wenig mit Alistair unterhalten.
„Ich fliege morgen wieder zurück nach London", ließ er uns wissen.
„Du übernachtest übrigens bei Anuun, wir haben ja kein Zimmer mehr frei", klärte Louis seinen Boss auf.
„Damit habe ich kein Problem. Wo steckt er überhaupt?"
„Er ist mit, El, Liam und Sophia in Barrow unterwegs. Sie sollten eigentlich bald hier eintreffen."
Um kurz nach zwölf füllte sich die Küche plötzlich schlagartig. Anuun traf mit Liam, Sophia und Eleanor ein und wenige Minuten später tauchten auch Briana und Freddie auf. Dieser lief sofort auf Kieran zu.
„Ich bin Freddie und wie heißt du? Wollen wir spielen?"
Louis' Sohn kannte zum Glück keine Berührungsängste und da Kieran ähnlich gestrickt war, gab es in dieser Hinsicht wirklich keine Probleme.
Nachdem unser Sohn seinen Namen genannt hatte, folgte er Freddie einfach in dessen Zimmer.
„Na, das ging ja schnell", meinte Briana freudig überrascht.
„Allerdings. Wollen wir hoffen, dass sie gut miteinander auskommen", setzte ich hinzu.
Sie kamen besser miteinander aus, als alle es erwarteten. Bereits beim Mittagessen, welches wir alle gemeinsam einnahmen, spürte man, dass die beiden Jungs ein Herz und eine Seele waren. Sie teilten sich sogar den Nachtisch, lachten und alberten herum, dass mir das Herz aufging. Es tat gut, unseren Sohn wieder bei uns zu haben, er brachte ein wenig Licht in das Dunkel meiner Seele.
„Dad, wann gehen wir zu den Hunden?", wollte Freddie wissen.
Mit diesen Worten weckte er sofort Kierans Interesse.
„Ich will auch zu den Hunden! Alistair hat desad, ich bekomme einen Schlittenhund, wenn wir dewinnen! Und wir haben dewonnen!"
Das war mir neu.
Ein wenig überrascht drehte ich mich zu Alistair und auch Niall schaute den kleinen dicken Mann erstaunt an.
„Ähm, Kieran hatte mich gefragt, ob es ein Geschenk gibt, wenn wir das Spiel gewinnen. Da die Hunde sowieso mit euch auf einem Grundstück leben, dachte ich, er kann sich einen aussuchen, den er sozusagen als seinen betrachtet."
Dagegen konnten wir wohl jetzt nichts mehr unternehmen. Kieran würde weinen, wenn wir ihm verboten, einen eigenen Hund zu haben. Zudem wäre es nicht fair, da Alistair es ihm bereits versprochen hatte. Dieses Kind hatte so viel mitgemacht, ich wollte seiner zarten Seele nicht noch mehr Schaden zufügen.
Da die Tiere sich nicht im Haus aufhielten, es sei denn Louis kam erneut auf die glorreiche Idee, diese mit ins Wohnzimmer zu nehmen, gab es auch keinerlei Einwände meinerseits. Niall hielt sich ebenfalls mit einer Aussage zurück, was ich als stilles Einverständnis wertete.
„Ihr dürft mich nachher zu den Hunden begleiten, ok?", versprach Louis den beiden Jungs. „Aber jetzt geht ihr in Freddies Zimmer und spielt. Ich rufe euch, wenn es soweit ist."
So kindisch sich Louis manchmal Briana gegenüber verhielt, seinen Sohn hatte er im Griff, das musste man ihm lassen. Ohne zu murren nahm Freddie Kieran an die Hand und zog mit ihm von dannen.
„Komm, wir spielen jetzt weiter."
Für unseren Sohn schien er die Rolle eines großen Bruders übernommen zu haben. Immerhin wurde Freddie im Januar bereits sechs, während Kieran erst seinem vierten Geburtstag erwartungsvoll entgegenblickte. Vier Wochen noch, dann war es endlich soweit.
Alistairs Stimme riss mich aus meinen tiefen Gedanken.
„Nun, da wir alle versammelt sind, werde ich euch die weiteren Pläne und Vorgehensweisen erläutern."
Gespannt hörten alle zu, auch meine Wenigkeit.
„Zunächst möchte ich etwas loswerden."
Er schaute direkt zu mir und dann zu Niall.
„Kieran hat Seth und Harvey gesehen. Ich habe veranlasst, dass es zu diesem Treffen kommt. Natürlich weiß Kieran nicht, um wen es sich dabei handelte."
Meine Kehle wurde trocken. „Wie hat Seths es aufgenommen?", fragte ich leise.
„Sagen wir es so, er hat sich sehr gefreut und man konnte spüren, dass er euren Sohn sehr gern hat."
Der Kloß in meinem Hals schwoll mächtig an. Seth hatte geweint, ich wusste es. Er war so emotional, so feinfühlig. In gewisser Art und Weise ähnelte er Niall. Die beiden hätten sich gewiss gut verstanden, doch sie würden sich niemals kennenlernen – es sei denn, ein Wunder geschah. Doch darauf zu hoffen, war dumm und naiv.
Professionell wechselte Alistair die Thematik. Emotionen wurden beiseitegeschoben, es ging um das knallharte Geschäft.
„Liam, Sophia, ihr reist übermorgen nach Oceanside und kümmert euch um das Haus."
Ich wusste, was dies bedeutete. Alles würde ausgeräumt werden und größtenteils verkauft. Es gab keine wertvollen Andenken, die wir zurückgelassen hatten, nur einige Kleidungsstücke und das, was sich im Haushalt befand. Geschirr, Bettwäsche, Werkzeug und dergleichen. Kein Gegenstand woran unser Herz hing, nichts, was man nicht hätte ersetzen können. Bis auf eines: Das Gemälde von Thomas Fabry. Ich wollte es unbedingt wieder haben, denn es erinnerte mich an ein längst vergangenes Leben.
Ohne Umschweife wandte ich mich an Alistair. „Könnte man das Bild aus London hierher schicken? Du weißt, welches ich meine?"
Er nickte wissend und antwortete sofort: „Ja, das geht, aber nur auf Umwegen. Liam und Sophia werden sich darum kümmern. Gibt es sonst noch etwas, was ihr gerne hättet? Also Dinge, die euch auf Anhieb einfallen?"
Niall sprach es sofort aus. „Ja, meine Gitarre."
Auch das konnte ich nachvollziehen. Er liebte das Musikinstrument und vermisste es im Moment sehr. Wie oft hatten wir in Oceanside zusammen gesessen, er mit der Gitarre und ich mit einem Glas Wein in der Hand, seiner angenehmen Stimme lauschend.
Unsere Zeit in Kalifornien schien Jahre zurückzuliegen, alles war unglaublich weit weg. Der Strand, die Sonne und die Wärme. Hier gab es nur Schnee, Kälte und Eis. Ein Wunder, dass unsere Seelen, Herzen und Gefühle nicht einfroren. Denn wenn das passierte, würde alles verloren sein.
Ohne uns Zeit zum Durchatmen zu geben, präsentierte Alistair die nächste Überraschung.
„Sophia, du brauchst einen anderen Namen, sonst muss ich dich aus dem Team werfen. Die Mafia kann jeden deiner Schritte überprüfen, so lange du deine Kreditkarte einsetzt. Es würde nichts nützen, eine neue ausstellen zu lassen. Deswegen hat Harry einen neuen Ausweis für dich angefertigt."
Mit einem Schmunzeln im Gesicht übergab er ihr das Dokument. Die Augen der Brünetten schauten ziemlich verdutzt drein.
„Das ist ein Scherz, oder?", fragte sie.
„Ganz und gar nicht. Ihr könnt euch ja überlegen, irgendwann zu heiraten. Und wenn nicht, verpassen wir dir nochmal eine Namensänderung."
Liams Gesicht nahm einen sehr verwunderten Ausdruck an und als er sich über Sophias neuen Ausweis beugte, verriet er uns auch warum.
„Sophia Payne? Ich glaub's echt nicht."
„Du hast mir bisher nicht einmal einen Antrag gemacht!", kam es von der hübschen Agentin.
„Hätte ich das denn tun sollen?"
Niall platzte bei Liams Worten mit einem lauten Lachen heraus.
„Ich würde euch ja trauen, aber ich bin leider noch nicht in Amt und Würden. Außerdem benötigt ihr sowieso vorher die standesamtliche Urkunde."
Die gesamte Runde brach in Gelächter aus, einschließlich Liam und Sophia.
„Tja, dann führen wir eben eine Scheinehe", kam es von Liam, nachdem wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war.
Ich fragte mich, wie lange die beiden das durchziehen wollten. Nichts wäre einfacher gewesen als zu heiraten. Ich hatte damals gar keine Wahl gehabt, denn Alistair stellte Niall und mich vor vollendete Tatsachen. Aber vielleicht war ihre Liebe nicht stark oder nicht reif genug, um diesen Schritt wagen zu können.
Der Gedanke daran, mich bald von Liam und Sophia verabschieden zu müssen, ließ mein Herz schwer werden. Die beiden würden mir sehr fehlen, obwohl ich mich inzwischen auch mit Briana und Eleanor angefreundet hatte. Der Einzige, auf den ich in menschlicher Hinsicht gesehen verzichten konnte, war Louis.
Er mochte seine Arbeit mehr als gut verrichten, doch den Rest konnte man getrost vergessen.
„So, da wir nun alles Wesentliche geklärt haben, können wir nun zum gemütlichen Teil übergehen", ließ Alistair verlauten und rieb sich die Hände.
Gleich sollten wir erfahren, was er damit meinte.
„Wir werden jetzt eine Schneeballschlacht mit den Jungs veranstalten."
Die Schneemassen, welche das Grundstück unter sich begruben, eigneten sich hervorragend für dieses Vorhaben. Selbst wir als Erwachsene mutierten zu Kindern. In Windeseile zogen wir uns an, nachdem Kieran und Freddie bereits in voller Montur vor uns standen und quengelten, weil sie es nicht erwarten konnten, in der weißen Pracht zu spielen.
Liam warf den ersten Schneeball und dies löste wahrlich ein Getümmel aus. Niall zeigte Kieran, wie man einen Schneeball formte und unser Sohn freute sich riesig, mit der weißen Masse um sich werfen zu können. Er jauchzte und lachte wie verrückt. Freddie erging es nicht anders, auch er konnte nicht genug von unserem Spiel bekommen.
Zum Schluss stürzten sich die beiden Kinder auf Alistair, der sich fallen ließ und kopfüber im Schnee versank. Lediglich seine kurzen Beine schauten noch hervor. Dieser Anblick war so köstlich, dass er alle zum Lachen reizte. Selbst Briana hielt sich den Bauch. In jenem Moment fiel mir auf, wie glücklich sie wirkte, obwohl Louis ihr einen Schneeball an den Kopf warf. Denn sie wehrte sich, indem sie prompt einen in seine Richtung schmetterte. Doch Louis konnte das Echo durchaus vertragen, denn alles was er tat war schmunzeln und sich den Schnee aus den Haaren zu fummeln.
„Dehen wir jetzt zu den Hunden?" Kieran stand plötzlich neben mir und zupfte an meinem Parka.
„Ja, Schatz, gleich."
Ich beobachtete, wie Freddie seine Stirn runzelte.
„Es heißt doch gehen und nicht dehen, oder?"
„Er kann diesen Buchstaben noch nicht aussprechen, er hat Schwierigkeiten damit", erklärte Niall, worauf Freddie antwortete: „Dann bringe ich es ihm bei."
Louis' Sohn erstaunte mich immer wieder aufs Neue. Anstatt sich über Kieran lustig zu machen, was einige andere Kinder getan hätten, bot er seine Hilfe an. In diesem Jungen steckte ein guter Kern, was bestimmt auf Brianas Gene zurückzuführen war.
„Na dann kommt mal mit." Louis nahm sowohl Freddie, als auch Kieran an die Hand, um kurz darauf in Richtung Scheune zu marschieren.
Alle außer Briana folgten ihm. Sie kehrte ins Haus zurück und wenn mich nicht alles täuschte, würden wir gleich heißen Tee serviert bekommen.
„Kieran, du solltest einfach stehenbleiben, damit sie dich beschnuppern können, ok? Du musst keine Angst vor ihnen haben obwohl sie so groß sind. Es sind sehr liebe Tiere", erklärte Louis ruhig.
Für Kieran waren die Huskys natürlich riesig, doch er schien davon keineswegs negativ beeindruckt.
„Die sind so schön!", rief er begeistert, als das Rudel aus der Scheune stürmte.
Wie üblich begrüßten sie Louis zuerst, erst dann lenkten sie ihre Aufmerksamkeit auf alle anderen.
Kieran wurde besonders gründlich beschnüffelt und als einer der Hunde über sein Gesicht schleckte, lachte er laut auf.
„Mami, Papi! Der Hund hat mich deküsst! Er mag mich! Den will ich haben!"
Sein kleines Gesicht leuchtete vor Freude, als er im Schnee herumtanzte, immer um die Huskydame herum, die ihn nicht aus den Augen ließ.
„Das ist Anana, sie ist weiblich", stellte Niall die Hündin vor.
„Sie hat ein blaues und ein braunes Auge, warum?" Kieran blickte der Hündin neugierig ins Gesicht.
„Das ist bei Huskys keine Seltenheit", klärte Anuun unseren Sohn auf.
„Warum?"
Jetzt kamen die anstrengenden Fragen, doch der Inuit ließ sich davon nicht nerven. Geduldig erzählte er Kieran und auch Freddie alles, was er über Huskys wusste. Nicht nur die beiden Jungs hörten gespannt zu, auch ich nahm Anuuns Worte in mir auf. Sein Wissen schien in dieser Hinsicht grenzenlos zu sein, was ich sehr bewunderte. Aber wenn man an einem Ort wie Barrow aufgewachsen war, setzte man sich wohl zwangsläufig mit diesen Dingen auseinander.
Der erste Tag in Barrow war buchstäblich ein Geschenk für Kieran. Er schien sich zwischen all den Menschen äußerst wohl zu fühlen, obwohl er sie, wenn man von Alistair absah, kaum kannte.
Freddies Anwesenheit trug ebenfalls dazu bei, dass er Feuer und Flamme für den Ort in Nord Alaska war. Noch wusste er nicht, dass man hier weder baden, noch am Strand spielen konnte. Dass die Sommer kälter waren als die Winter in Kalifornien.
T-Shirts und kurze Hosen konnte man hier getrost vergessen. Hoffentlich würde er in der Zukunft damit klarkommen, denn dass Barrow keine Übergangslösung darstellte, war mir schon lange bewusst.
Gefangen im ewigen Eis konnte ich nur beten, dass die Mafia uns nicht finden würde.
Nach den schrecklichen Erlebnissen während unserer Flucht traute ich ihnen mittlerweile alles zu, andererseits vertraute ich Alistair nach wie vor. Bisher hatte er immer alles richtig gemacht.
Als Kieran an diesem Abend zu Bett gebracht wurde, erzählte Alistair ihm noch eine Geschichte von dem kleinen Flaschengeist. Er hörte sie nicht mehr bis zum Ende, da er vorher einschlief. Wie ein kleiner Engel lag er in seinem Bett und unsere Welt drehte sich wieder in die korrekte Richtung.
„Ich kann es noch gar nicht fassen, dass wir alle drei wieder vereint sind", meinte Niall, als wir später im Bett lagen.
„Ich auch nicht so ganz", erwiderte ich und kuschelte mich in seine Arme.
Sanft küsste er meine Nasenspitze, bevor er sagte: „Und jetzt, Baby, genießen wir die Zeit bis ich wieder arbeiten muss."
Er würde erst am ersten November seine Arbeitsstelle in der katholischen Kirche antreten. Zwei Wochen blieben uns, die wir nutzen konnten.
Es fühlte sich komisch an zuerst Alistair und dann am Tag darauf Liam und Sophia zu verabschieden. Das Haus wirkte leerer, doch dies brachte auch einige Vorteile mit sich. Ab und zu konnten Niall und ich uns alleine ins Wohnzimmer zurückziehen, ohne dass uns jemand störte.
Generell wurde es ruhiger, wenn man von den Streitereien zwischen Louis und Briana absah. Dabei ging es um Dinge, die so hirnrissig waren, dass ich ihm am liebsten die Meinung gegeigt hätte.
Wie kindisch musste man sein, die Sofakissen zu vertauschen und immer wieder seine schneebedeckten Boots anzulassen, wann immer er ins Haus ging. Er respektierte Briana in keiner Art und Weise, sondern behandelte sie in meinen Augen wie Dreck.
Im krassen Gegenzug dazu stand seine Arbeitsmoral. Louis bemühte sich unermüdlich und in jeder Sekunde für unsere Sicherheit zu sorgen. Ständig stand er mit jemandem in London in Kontakt, der ein Notrufsignal für unsere Handys programmierte. Eines, das auch funktionierte, wenn ein Schneesturm herrschte, der die normale Verbindung beeinträchtigte. Er ruhte nicht eher, bis dies erledigt war und ich fragte mich, wer wohl dieses Programm entworfen hatte. Seth konnte solche Dinge durchaus, doch es mutete utopisch an zu glauben, dass er für Alistairs Team arbeitete. Schließlich war er kein Polizist, sondern nur ein ganz normaler Bürger.
Die Tage wurden kürzer, je näher Kierans Geburtstag rückte. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass es nur kurzzeitig hell wurde, bevor die Dunkelheit nach einer kurzen Pause erneut über das Land hereinbrach. Zwar wirkte durch den Schnee alles ein wenig freundlicher, doch dieser optischen Täuschung erlag ich nur für kurze Zeit.
Wenn das so weiterging, würde die Sonne bald überhaupt nicht mehr auftauchen.
An diesem Morgen führte ich mit meinem Mann ein Gespräch darüber. Wir lagen noch im Bett und nutzen es aus, dass er noch frei hatte.
„Niall?"
„Hm?"
„Kommt es mir nur so vor, oder verschwindet die Sonne von Tag zu Tag schneller?"
Er drehte sich zu mir, sein Blick wirkte ernst, als er antwortete.
„Nein, Sienna, das kommt dir nicht nur so vor, das ist eine Tatsache. Bald wird sie für fünfundsechzig Tage ganz verschwinden."
„Du nimmst mich doch auf den Arm, oder?"
Seufzend schüttelte Niall seinen Kopf.
„Leider ist das bitterer Ernst."
„Das überlebe ich nicht!"
„Du wirst es tun müssen, wie alle anderen auch, die hier wohnen." Der Nachdruck in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Ich konnte nur hoffen, dass diese besagten Tage sehr schnell vergehen würden.
Leider huschte auch Nialls freie Zeit wie ein Wirbelwind an uns vorüber. Unaufhaltsam vergingen die Tage, die wir mit Kieran, Freddie, Briana, Eleanor und zwangsweise auch mit Louis verbrachten. Zumindest von meiner Sicht aus, denn Niall verstand sich hervorragend mit ihm, obwohl es ihm ebenfalls missfiel, wie er Briana behandelte.
Es wunderte mich gar nicht, dass die beiden Männer einen Trip mit dem Schlittenhundegespann planten, denn Niall mochte diese Tiere ebenso gerne wie Louis. Dass dieser Trip allerdings eine Übernachtung in einem Iglu beinhalten sollte, begeisterte mich eher weniger. Ändern konnte ich es jedoch nicht und ich würde den Teufel tun und Niall dahingehend irgendwelche Vorschriften machen. Wenn er mit Louis wegfahren wollte, dann war das seine Sache. Schließlich brauchte er auch ein männliches Wesen, mit dem er ab und zu reden und einfach nur Männergespräche führen konnte.
Genauso, wie ich Frauengespräche mit Briana und Eleanor führte.
Am Samstagmorgen saßen wir drei Frauen nach dem Frühstück noch in der Küche beisammen, um zu plaudern. Freddie und Kieran spielten im Haus, während Louis und Niall die Hunde fütterten.
Inzwischen war es empfindlich kalt geworden. Immer wieder ging mein Blick zu den Eiszapfen, welche sich am Haus gebildet hatten und dem Ambiente eine unglaubliche Atmosphäre verliehen. Ein Winterwunderland vom Feinsten breitete sich hier aus.
Ich schenkte mir gerade eine Tasse Tee ein, als ich Anuun in Begleitung von Louis und Niall auf das Haus zulaufen sah. Ihre Gesichter wirkten ernst, was mir Angst machte. Und wenige Minuten später sollte ich den Grund dafür erfahren.
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Mal wieder ein Cliffhanger, ich wette, es war euch viel zu ruhig...
Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende, das nächste Update kommt vermutlich erst am Dienstag.
Danke für den vielen Kommentare und Votes!
LG, Ambi xxx
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