04. Paranoid
♪ Paranoid – Black Sabbath
Liam
Wütend schlug ich mit dem Handballen auf das Lenkrad des Mietwagens. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von diesem Tag und Sophias Gemecker machte es auch nicht gerade besser.
„Wenn ich gefahren wäre, wäre das nicht passiert", sagte sie, bevor sie aus dem Auto stieg und die Tür zuknallte.
„Wenn ich gefahren wäre, wäre das nicht passiert!", äffte ich sie nach.
Leider konnte sie wohl von meinen Lippen ablesen, denn binnen der nächsten Sekunde wurde die Tür aufgerissen und sie blökte mir entgegen: „Liam James Payne, hast du mich gerade nachgemacht?"
„Ja, das habe ich. Mir war danach."
Sie verdrehte die Augen, um mir dann noch einen Spruch reinzudrücken.
„Ich wäre unten stehengeblieben, anstatt diesen Weg hier zu nehmen. Jetzt haben wir uns auch noch einen rostigen Nagel in den Reifen gefahren."
„Du meinst wohl ich habe den rostigen Nagel in den Reifen gefahren", stellte ich die Sachlage klar.
Ich konnte durchaus zugeben, wenn ich die Schuld an etwas trug. Aber ob man hier allerdings von Schuld sprechen konnte, wagte ich zu bezweifeln.
„Und unser Tank ist auch fast leer."
„Das weiß ich, Darling. Was glaubst du warum ich Alistair gesagt habe, dass er Benzin mitbringen soll?"
Als sie ihren süßen Schmollmund zeigte, konnte ich mir nur mit größter Mühe das Lachen verkneifen. Eigentlich war unsere Situation alles andere als lustig, trotzdem versuchte ich die positiven Seiten zu sehen.
„Weißt du, Soph, wir hätten auch tot sein können."
„Ist das deine Entschuldigung? Sie waren uns schon lange nicht mehr auf den Fersen, geschweige denn können wir beweisen, dass man uns wirklich verfolgt hat."
„Man hat, verlass dich drauf. Ich rieche so etwas zehn Meter gegen den Wind", entgegnete ich.
„Aber einen rostigen Nagel kannst du nicht auf der Fahrbahn entdecken!"
Grinsend verschränkte ich die Arme vor der Brust, als ich sagte: „Wo bitte ist denn hier eine Fahrbahn? Ich sehe nur Wüste."
Sophias abgrundtiefes Seufzen ließ mich wissen, dass sie genug davon hatte, mit mir zu diskutieren. Vielleicht war das auch besser so, denn es brachte uns in dieser Lage rein gar nichts. Sonst war sie stets die Ruhe in Person aber heute das krasse Gegenteil.
„Alistair wird ausflippen, wenn er die Story hört."
„Das glaube ich kaum. Am Telefon klang er eher erleichtert. Immerhin hat er, glaube ich, mit schlimmeren Dingen gerechnet."
„Wie lange wird er brauchen, bis er hier ist?", erkundigte sich meine Freundin.
„Eineinhalb Stunden."
„Na super. Ich habe Durst und vor allem Hunger wie ein Bär."
„Ich hätte noch zwei Schokoriegel anzubieten."
„Zwei für mich oder zwei für uns beide?"
Obwohl sie mich so angefahren hatte, spielte ich den Gentleman. „Du kannst auch alle beide haben."
Doch sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, einer reicht mir, nimm du den anderen."
Während wir unseren kümmerlichen Proviant verzehrten, warf ich einen Blick in den Himmel, welcher in der heutigen Nacht durch den Vollmond dominiert wurde. Leider hatte dessen Licht nicht ausgereicht, um mich davor zu bewahren, den Reifen platt zu fahren. Diesen sollte ich schleunigst wieder auf Vordermann bringen, das Reserverad hatte ich bereits im Kofferraum liegen sehen, als wir unser Gepäck am Flughafen einluden. Ansonsten kassierte ich nämlich wirklich einen Anschiss von Alistair, ganz nach dem Motto: „Was hast du eigentlich in den letzten eineinhalb Stunden gemacht?"
Nachdem ich den Schokoriegel gegessen hatte, zog ich meine dünne Jacke aus und fing sofort an zu frösteln. Wer hätte gedacht, dass es in der kalifornischen Wüste nachts derart kühl sein würde? Da ich jedoch keineswegs als Jammerlappen da stehen wollte, biss ich die Zähne zusammen und machte mich an die Arbeit.
Bereits nach fünf Minuten stand mir der Schweiß auf der Stirn, weil sich das blöde Rad nicht so einfach lösen ließ, doch irgendwann hatte ich es dann doch geschafft. Ächzend rollte ich das Teil zur Seite, wobei der Begriff eiern wohl besser passte. Dann nahm ich mir den Ersatzreifen vor, dessen Gewicht mich schon wieder schnaufen ließ, als ich diesen aus dem Kofferraum wuchtete. Unser Gepäck hatten wir mittlerweile auf der Rückbank verstaut, damit ich ungehindert werkeln konnte. Gut, dass mein Vater mir in jungen Jahren bereits einen Kurs im Reifenwechseln verpasst hatte. Diese Kenntnisse durfte ich zweimal im Jahr bei dem Wagen meiner Großeltern anwenden. Somit gingen sie nicht verloren und ich geriet nie aus der Übung.
„Na, wer sagt es denn. Ich habs endlich geschafft."
Als ich diese Worte ausstieß, begann Sophia zu lächeln.
„Du bist der Beste, Liam."
Zur Belohnung bekam ich noch einen Kuss auf die Lippen gedrückt.
„Alles wieder gut?", stellte ich die Frage in den Raum, worauf sie mit einem „Ja, wenn ich jetzt noch eine heiße Dusche nehmen könnte, wäre das optimal", beantwortete.
„Damit kann ich leider nicht dienen aber ich gehe davon aus, dass das Hotel, in dem wir unterkommen, mit so etwas aufwarten kann."
Nachdem ich den Wagenheber und den platten Reifen wieder im Kofferraum verstaut hatte, gesellte ich mich zu Sophia, die fünf Schritte entfernt vom Wagen stand und in den fantastischen Sternenhimmel blickte. In London bekamen wir solch einen grandiosen Anblick eher selten zu Gesicht. Ich genoss es, die klare Nachtluft einzuatmen. Keine Abgase, keine Nebenschwaden, da fühlten sich meine Lungen gleich viel wohler als im Großstadtmief. Da ich von Natur aus ein Optimist war, lag es mir fern, mit unserer Situation zu hadern. Das Einzige, was mich zum Nachdenken anregte, war der Umstand, dass wir vermutlich verfolgt worden waren. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt.
„Es wird Zeit, dass Alistair hier eintrudelt", unterbrach Sophia meine Gedankengänge.
Mit einem Blick auf die Uhr antwortete ich. „Das dauert wohl noch eine Weile. Mindestens eine halbe Stunde, um genau zu sein."
„Nun denn. Damit müssen wir uns wohl abfinden."
Langsam ging sie auf den Wagen zu, um auf dem Beifahrersitz ihren Platz einzunehmen. Ich folgte ihrem Beispiel und pflanzte mich hinter das Lenkrad.
„Eigentlich könnten wir ja ein Stück nach unten fahren, damit sie uns besser sehen", schlug ich vor.
„Dann pass aber bitte auf, dass du nicht noch einmal einen Nagel mitnimmst", bekam ich sofort zu hören.
„Das wäre dann richtiges Pech", murmelte ich und startete den Motor.
Da es bergab ging, brauchte ich nicht einmal das Gaspedal zu benutzen, denn das Auto rollte von alleine, bis wir auf der befestigten Straße landeten.
Zu dieser Uhrzeit war hier kein Mensch unterwegs, was mich keineswegs wunderte. Nächtliche Ausflüge in die Wüste gehörten eben nicht zur Tagesordnung der Touristen und Bewohner allgemein. Wir vertrieben uns die Zeit damit, ein bisschen Radio zu hören. Als nach einer gefühlten Ewigkeit die Scheinwerfer eines großen Wagens die Dunkelheit durchbrachen, atmeten wir beide synchron auf.
Überraschung und Freude zugleich brachen aus, als wir Niall erblickten, der fast gleichzeitig mit Alistair den roten Pick-Up verließ. Mit schnellen Schritten eilte ich auf ihn zu und dann fielen wir uns in die Arme.
„Mensch, Niall, mit dir hätte ich jetzt nicht gerechnet", sagte ich euphorisch.
„Na ja, ich habe Alistair überredet, mich mitzunehmen", gestand er mit seinem spitzbübischen Grinsen, welches sich selbst nach drei Jahren nicht verändert hatte. Ebenso wenig war das Strahlen seiner blauen Augen abhandengekommen, die sich mit meinen braunen trafen. Selbst seine Haare waren noch immer blond gefärbt und zusätzlich durch die kalifornische Sonne ausgebleicht. Er wirkte wie ein Typ, der sich ständig am Strand aufhielt.
Kaum hatte er mich losgelassen, nahm er Sophia in seine Arme, die ihn ebenso freudig begrüßte. Dabei vergaßen wir alle, dass Alistair neben uns stand, der sich nun bemerkbar machte.
„Was sollte das werden? Ein Nachtausflug in die Wildnis?", zog er uns auf.
„Nun ja", begann Sophia, „Liam war der Ansicht, dass wir verfolgt werden würden."
„Das hat er mir am Telefon bereits gesagt."
Als ich Nialls Gesicht betrachtete wurde mir klar, dass unser Boss ihm nichts dahingehend erzählt hatte. Seine Kinnlade klappte nämlich fast nach unten und er stieß ein lautes Schnaufen aus.
„Ihr wurdet verfolgt?" Die Verhärtung seiner Gesichtszüge war im Licht des Vollmonds deutlich auszumachen. Gleichzeitig bemerkte ich, wie sein Körper sich anspannte. So, als ob er einen Kampf aufnehmen wollte.
„Ja, das wurden wir und ich gehe nicht davon ab, auch wenn Sophia behauptet, dass wir keine Beweise hätten", erwiderte ich ruhig.
An dieser Stelle mischte sich Alistair ein.
„Jetzt erzählt mir bitte genau, was vorgefallen ist."
Sophia nickte mir zu, was bedeutete, dass ich nun an der Reihe war.
„Nun ja, nachdem wir unseren Mietwagen in Empfang genommen hatten, fuhren wir auf die Interstate 110. Nach einigen Meilen hatte ich das Gefühl, dass wir verfolgt wurden. Also wechselte ich in Richtung Süden, auf die 405. Sie führt bis hinunter nach Mexico. Der schwarze Wagen, den ich im Auge hatte, blieb weiterhin in einiger Entfernung hinter uns. Egal ob ich auf das Gas drückte oder nicht, er ließ sich nicht abschütteln. Wir beschlossen bis nach San Diego zu fahren und uns dann von der Interstate zu entfernen. Es war mir zu risikoreich, auf direktem Weg nach Palm Springs zu reisen, deshalb zog ich die Landstraße vor."
„Ist euch der Wagen weiterhin gefolgt?", fragte Alistair ruhig.
„Nein. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, aber trotzdem wollte ich lieber einen Umweg in Kauf nehmen. Man weiß nie, inwieweit sich andere Verfolger vielleicht in der Nähe aufhalten."
„Das ist wohl richtig", kam es von Alistair. „Und ebenso korrekt war es, dass ihr erstmal die Handys ausgeschaltet habt."
„Ja, wir dachten, dass man uns im schlimmsten Fall sogar darüber orten könnte. Erst, als wir uns sicher fühlten, habe ich angerufen."
„Fein. Und der Tank des Wagens ist jetzt fast leer, wenn ich dich richtig verstanden habe?"
„Ähm ja, ich habe mich nicht so ganz an die Geschwindigkeitsrichtlinien gehalten, als wir hier unterwegs waren."
„Das ist noch stark untertrieben. Er ist gerast wie ein Irrer", klärte Sophia unseren Boss auf, worauf ich ihr am liebsten den Mund zugehalten hätte.
Doch jetzt war es zu spät. Missbilligend schaute Alistair mich an.
„Gerast wird nur, wenn wir jemanden verfolgen aber nicht umgekehrt, Liam. Es sei denn, du befindest dich in Lebensgefahr."
„Ach komm schon, niemand von uns hält sich an das vorgegebene Tempolimit", verteidigte ich mich.
Niall hatte die ganze Zeit stumm neben uns gestanden, doch jetzt meldete er sich zu Wort.
„Bist du dir sicher, dass ihr verfolgt wurdet, Liam?"
Bevor ich piep sagen konnte, funkte Alistair dazwischen.
„Genau das frage ich mich im Moment auch."
Sophias triumphierendes Gesicht sprach Bände. Ich wusste, dass unser Boss ihr damit aus der Seele sprach. Auch seine nächsten Worte trugen nicht unbedingt dazu bei, dass ich mich besser fühlte.
„Woher sollte die Mafia wissen, dass ihr beiden nach Los Angeles geflogen seid?", stellte er seine Frage in den Raum. „Das würde ja bedeuten, dass unser Team angezapft worden wäre. Sämtliche Aktivitäten würden dann überwacht werden und demnach macht es keinen Sinn, euch beide zu verfolgen. Denn wenn das Team beschattet werden würde, dann wüsste die Mafia auch, dass ich mich derzeit im San Guiliano Hotel in Palm Springs einquartiert habe. Sie hätten mich und Nialls Familie längst ausfindig gemacht."
Ich musste zugeben, dass Alistairs Erklärungen durchaus einen Sinn ergaben, trotzdem blieb ein flaues Gefühl in meinem Magen zurück. Gott, ich fing schon genauso an wie Harry, dem wir alle zu viele weibliche Hormone nachsagten – natürlich nur um ihn zu ärgern.
„Nun ja", gab ich kleinlaut zu, „vielleicht habe ich tatsächlich ein wenig überreagiert."
„Überreagiert?!", fing meine Freundin und Kollegin an. „Erst hast du einen halsbrecherischen Stunt hingelegt, um in letzter Sekunde die Interstate zu verlassen und dann bist du wie von einer Tarantel gestochen durch die Wüste gerast und hast dir einen rostigen Nagel in den Reifen gefahren! Noch dazu ist unser Sprit fast aufgebraucht und ich habe Hunger und friere!"
Als Niall sich umdrehte, um zu Alistairs Wagen zu laufen, wusste ich nicht, was ich davon halten sollte. Ob er genug von unseren Diskussionen hatte? Mein Blick folgte ihm und seinen Bewegungen. Er öffnete eine Tür des Pick-Ups, um etwas herauszuholen. Als ich erkannte, was er über seinem Arm trug, begann ich zu schmunzeln. Niall war noch immer so cool und aufmerksam wie früher. Lässig kam er mit einer Decke zurück, welche er um Sophias zarte Schultern drapierte. Dafür bekam er ein bezauberndes Lächeln geschenkt.
„Danke, Niall, das ist lieb von dir", sagte sie.
„Bitte, Sophia."
Seine Anspannung hatte nach Alistairs Aussagen deutlich nachgelassen. Und je länger ich darüber nachdachte, umso mehr musste ich mir selbst eingestehen, dass er Recht hatte. Sollte es ein Leck in unserem Präsidium geben, hätte man Alistair auf jeden Fall zuerst nachspioniert und festgestellt, dass er auf dem Weg zu Niall und dessen Familie war. Und spätestens dann hätte die Mafia zugeschlagen. Langsam kam ich mir mit meiner Aktion wirklich paranoid vor.
„Ich sehe gar keinen platten Reifen", ließ Niall plötzlich verlauten.
„Oh, den habe ich bereits gewechselt", erwiderte ich grinsend, worauf Alistair sagte: „Wenigstens etwas. Dann können wir uns ja auf den Weg machen, sobald wir das Benzin eingefüllt haben."
Dies nahm nur eine relativ kurze Zeitspanne in Anspruch und ehe ich mich versah, saßen wir im Wagen, um nach Palm Springs zu fahren. Eineinhalb Stunden lagen noch vor uns, doch zu zweit im Konvoi konnte jetzt wirklich nichts mehr schief gehen. Es war kurz vor drei am Morgen, als Sophia und ich unsere Suite betraten. Gerne hätte ich mich noch mit Niall unterhalten, doch das musste bis zum Morgen oder besser gesagt Vormittag warten. Außerdem konnte ich es kaum erwarten, Sienna zu sehen und war immens auf Kieran gespannt. Er war noch kein Jahr alt, als Sophia und ich wieder nach England übersiedelten, doch Harry zeigte uns ab und zu Bilder, welche er mit dem Smartphone aufgenommen hatte, wenn er seinem Patenkind einen Besuch in Oceanside abstattete.
Binnen weniger Minuten war ich eingeschlafen und erwacht erst am nächsten Tag gegen zehn Uhr, weil mein Magen heftig zu knurren begann. Glücklicherweise ereilte Sophia das gleiche Schicksal und wir beschlossen, den Zimmerservice in Anspruch zu nehmen, um auf unserer privaten Terrasse das Frühstück genießen zu können. Da Sophia sich inzwischen vollkommen beruhigt hatte, taten wir dies in angenehmer Atmosphäre. Zwischendurch ging eine WhatsApp Nachricht von Alistair ein, der uns anwies, in Badekleidung zum Pool zu kommen, sobald wir ausgeschlafen und gefrühstückt hätten.
„Manchmal ist er echt ein Goldstück", sagte ich grinsend.
„Er ist der netteste Boss überhaupt", kam es von Sophia.
„Ja, aber leider wird auch er eines Tages in Pension gehen", sagte ich.
Alistairs Nachfolger stand jetzt schon fest. Eines Tages würde Louis an seine Stelle treten, was in meinen Augen die beste Wahl darstellte. Fast zehn Jahre befand er sich nun in Alistairs Team und er machte seine Arbeit hervorragend. Louis mochte auf viele Leute arrogant wirken aber das war keineswegs der Fall. Er stellte unglaublich hohe Ansprüche an sich selbst, denn er würde in enorm große Fußstapfen treten, sobald Alistair den Ruhestand einläutete. Dies war einer der Gründe, weshalb unser Boss Louis bereits jetzt sehr viel Verantwortung übertrug. Ich hätte nicht mit ihm tauschen wollen, doch Louis nahm die Herausforderungen an. Und das schätzte ich unheimlich an ihm. Wir alle taten das. Noch während ich an Louis dachte, traf eine Nachricht von Harry ein.
„Filmreifer Stunt auf der Autobahn, ein platter Reifen und ein fast leerer Tank! Payno, du machst mir Konkurrenz!"
Grinsend textete ich zurück: „Pass lieber auf, dass deinem geheiligten Yves Saint Laurent Mantel nichts passiert."
Darauf bekam ich ein Smiley mit herausgestreckter Zunge geschickt, das mich jedoch nicht kümmerte.
„Bist du fertig, Soph?", wandte ich mich an meine Freundin, die mit einem knappen Bikini am Leib vor mir herumsprang. Gerne hätte ich sie jetzt einfach ins Bett gezerrt, doch unsere Agenda sah im Augenblick andere Dinge vor.
„Ja, das bin ich. Ich brauche nur noch meine Sonnencreme und das Spielzeug für Kieran."
Wir hatten Nialls und Siennas Sohn ein aufblasbares Wassertier in Form eines Delfins mitgebracht. Allerdings musste die Luft noch hineingelassen werden, doch das konnten wir auch am Pool erledigen. Wir kannten Alistairs Pläne und dazu gehörte es auch, dass Kieran Vertrauen zu uns allen fasste. Er würde sich nicht mehr an Sophia und mich erinnern können, dafür war er zu klein gewesen, als wir unseren Wohnsitz wieder nach England verlegten. Umso gespannter waren wir beide auf ihn.
Hand in Hand schritten wir zum Pool, der in der Sonne lag und von hohen Palmen umgeben war. Außer Alistair, Niall, Sienna und Kieran befand sich keine Menschenseele dort, was unsere Gespräche sicherlich erleichterte. Als Sienna Sophia und mich erblickte, sprang sie auf uns lief uns entgegen. Sophia tat es ihr gleich und ehe mich versah, lagen sich die beiden in den Armen.
„Oh Gott, ich hab mich so auf euch gefreut", brachte Sienna hervor.
Es berührte mich zutiefst, dass noch immer diese Freundschaft und das Vertrauen zwischen uns herrschten. Sienna sah großartig aus, obwohl sie ein wenig unruhig wirkte. Aber wer hätte ihr dies verdenken können?
Auch ich bekam eine herzliche Umarmung von ihr, während Sophia die freie Liege neben Sienna in Beschlag nahm. Niall befand sich gerade mit Alistair und seinem Sohn im Wasser. Aufmerksam betrachtete ich Kieran, der das Ebenbild seines Vaters war, nur mit dunklen Haaren, Nialls Naturton. Als der Junge uns erblickte, hörte er auf zu planschen und fragte: „Papi, wer ist das?"
„Das sind unsere Freunde. Liam und Sophia. Komm, wir begrüßen sie jetzt."
„Aber ich möchte ihm Wasser bleiben", schmollte der Kleine, worauf Alistair erwiderte: „Dann müssen die beiden auch in den Pool kommen. Bist du damit einverstanden, Kieran?"
„Au ja. Kennst du sie auch?"
„Natürlich! Liam und Sophia zählen zu meinen besten Freunden", entgegnete unser Boss.
Minuten später fanden wir uns alle im Wasser wieder. Ich blies den Delfin auf, den ich Kieran dann mit folgenden Worten überreichte: „Das ist von Sophia und mir."
„Oh!" Seine blauen Augen wurden groß und rund. „Ein Deschenk für mich?"
„Ja, ein Geschenk."
Als Sophia ihm aufmunternd zulächelte, streckte er seine kleinen Hände nach dem Tier aus.
„Juchu, ein Delfin! Mami, Papi, ich hab einen Delfin bekommen!"
Es war schön mit anzusehen, wie er sich freute und ich wünschte mir diesen besonderen Moment einfach anhalten zu können. Kieran war noch ein Baby gewesen, als wir fortgingen und nun konnte er laufen, sprechen und umhertollen. Das Wichtigste war jedoch, dass er uns akzeptierte und wir binnen weniger Minuten alle zusammen mit Kieran im Pool spielten.
„Er ist so süß und er sieht dir so ähnlich, Niall!"
Sophia kriegte sich gar nicht mehr ein, was Niall und auch Sienna ziemlich breit schmunzeln ließ. Sie waren mit Recht stolz auf ihren Sohn, der einfach nur ein sonniges Gemüt besaß. Es zählte zu unseren Aufgaben, ihm das zu erhalten. Seine Kindheit sollte möglichst nicht unter dem Zeugenschutzprogramm leiden. Dies war schwierig aber machbar, denn Alistair überließ auch hier nichts dem Zufall.
„Was ist ähnlich, Mami?" hörte ich Kieran fragen.
„Ähnlich bedeutet, dass etwas genauso ist, also fast gleich ist. Du siehst aus wie dein Vater", erklärte Sienna geduldig.
„Aber Papi ist viel drößer als ich!", protestierte der Kleine.
„Das stimmt wohl, aber wir haben die gleichen Augen und die gleiche Nase", meinte Niall grinsend.
„Echt?", kam es nur von seinem Sohn, worauf alle Erwachsenen lachten.
„Ja, echt", sagte Niall. „Wenn wir nachher in den Spiegel schauen, zeige ich es dir."
Die beiden machten das großartig. Sie liebten ihren Sohn sehr, man konnte das förmlich spüren. Und gerade deswegen bekam ich Magendrücken, als ich an die Fortführung unserer Reise dachte. Es würde nicht einfach werden, für alle drei nicht.
Einstweilen verdrängte ich diesen Gedanken, denn noch standen uns einige unbeschwerte Tage in Palm Springs, in Marks Hotel bevor. Hier waren wir vollkommen sicher und konnten in aller Ruhe die weiteren Pläne besprechen, welche von Alistair ins Leben gerufen worden waren. Doch auch hier hatte Louis seinen Teil dazu beigetragen. Jeder aus unserem Team hatte eine Aufgabe und alle lagen in der gleichen Gewichtung. Nur so funktionierte es, nur auf diese Art und Weise würden wir es schaffen.
Nach einer halben Stunde im Wasser legten wir eine Pause auf der Liege ein. Außer Alistair und Kieran, die beiden wollten sich bei Mark ein Eis holen. Alistair hatte dies dem Jungen nämlich versprochen.
Zu viert nutzten wir nun die Gelegenheit, ein wenig über die gestrigen Vorkommnisse zu reden.
Eine Sorgenfalte bildete sich auf Siennas Stirn, als sie ihre Frage an uns richtete. „Wurdet ihr wirklich verfolgt?"
„Ich denke, ich war übervorsichtig", antwortete ich. „Der Wagen kam uns nicht mehr nachgefahren, nachdem wir die Interstate verlassen hatten und Alistair hat durchaus Recht mit seiner Behauptung", setzte ich hinzu.
„Das glaube ich auch", untermauerte Sophia meine Aussage, „ich habe das gleich so gesehen, aber Liam wollte mir nicht glauben, bis Alistair ihn überzeugen konnte."
Man sah Sienna an, wie sie aufatmete. Jeder hier vertraute unserem Boss und Niall ganz besonders. Er hielt große Stücke auf Alistair.
„Wir werden es schaffen, Baby", sagte er, als er Sienna umarmte. „Du brauchst keine Angst zu haben."
Nach einem unbeschwerten Tag am Pool aßen wir alle gemeinsam zu Abend. Mark hatte extra einen großen Tisch im privaten Bereich des Hotels decken lassen, denn auch er verleibte sich die Köstlichkeiten ein. Fast fühlte es sich an wie in alten Zeiten, als Sophia und ich neben Sienna und Niall in Oceanside wohnten. Wir genossen den kalifornischen Wein, ebenso wie die leichten Speisen, die trotzdem unsere Mägen füllten.
Direkt nach dem Essen wurde Kieran zu Bett gebracht. Er bestand darauf, dass wir alle mitkamen und sein tolles Bett bewunderten, was ihm keiner abschlagen konnte.
„Schlaf gut, mein Süßer", sagte Sienna und gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange.
Nachdem Niall ihm eine gute Nacht gewünscht hatte, brachte der Knirps noch einen Wunsch zur Sprache. „Ich möchte, das Alistair mir eine Deschichte erzählt."
Das tat unser Boss liebend gerne, jedoch nicht ohne uns vorher die Anweisung zu erteilen, dass wir alle auf der privaten Terrasse unsere Plätze einnehmen und auf ihn warten sollten. Mit den Weingläsern in der Hand genossen wir mit Niall und Sienna die milde Luft. Hier war es um einiges wärmer als in der kalifornischen Wüste. Noch herrschte eine relativ ruhige und gelassene Stimmung, doch ich wusste, dass diese irgendwann umschlagen würde. Wir konnten nicht ewig so tun, als sei alles in Ordnung, als sei dies nur eine Art Familienurlaub.
Mein Herz begann schneller zu schlagen, als Alistair nach zehn Minuten wieder auftauchte, denn ich wusste, dass er jetzt die Katze aus dem Sack ließ. Ohne zu zögern ging er auf Sienna zu und nahm ihre Hände in die seinen.
„Sienna, Sie haben mir in der Vergangenheit immer vertraut."
Aufmerksam richteten sich ihre blauen Augen auf Alistair, der unbeirrt weiter redete. „Und jetzt muss ich Sie bitten, mir noch einmal Ihr Vertrauen zu schenken."
Als er den nächsten Satz aussprach, begann ihr schlanker Körper zu beben und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
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Oh, oh, was sagt Alistair ihr wohl, weil sie weint?
Da ich heute etwas früher als geplant nach Hause gekommen bin und zum Schreiben aufgelegt war, habe ich das Kapitel fertiggestellt. Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und seid gespannt wie es weitergeht.
LG, Ambi xxx
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