Kapitel 6.3
Torben drückte mich fest an seinen muskulösen Körper, wie ein Frachtpaket, das er bereit war, auszuliefern.
"Keine Angst Kleines. Ich bringe dich heil wieder zurück zur Erde."
Sein gespieltes Lächeln zuckte über seine Mundwinkel. Für einen kurzen Moment ließ er mich los und wuschelte mir über die Haare, als wäre ich sein kleines Schoßhündchen.
Kleines ... Kleines .... ich will nicht seine „Kleine" sein.
Seufzend atmete ich aus.
Ich werde in seinen Augen wahrscheinlich nie mehr für ihn sein, als eine kleine Schwester, die er um jeden Preis beschützen muss.
Dann zog er mich erneut an sich und ließ seinen Blitz nach unten fallen, der wie ein zufriedenes Kätzchen zu schnurren begann. So ruhig und langsam hatte ich bisher noch nie einen Blitz in Augenschein nehmen können. Torben setzte einen Fuß auf die geballte Ladung an Energie. Mir blieb keine andere Möglichkeit als es ihm gleich zu tun. Wacklig stand ich auf dem viel zu dünnen, leuchtenden Strich, der unter meinen Füßen eine enorme Hitze produzierte, dass ich Angst hatte, mich an ihm zu verbrennen. Beim letzten Mal war mir das alles gar nicht so bewusstgeworden. Immerhin ging es zu diesem Zeitpunkt um Leben und Tod. Torben packte meine Schultern und rüttelte mich leicht, bis ich zu ihm hinaufsah.
"Du darfst keine Angst haben. Du musst mit ihm eins werden, mit ihm verschmelzen."
"Ich weiß nicht, ob ich das kann", gab ich kleinlaut von mir.
"Entweder du lernst es jetzt, oder aber, du bleibst hier."
Ich schluckte schwer. Torben nahm seine Hände von mir und richtete seinen Blick nun wieder nach vorne.
"Sieh zu und lerne."
Ich beobachtete, wie er die Ruhe in Person wurde. Seine Füße versanken in die Materie des Blitzes hinein und hielten ihn somit davon ab, hinunter zu fallen. Der einzige Nachteil bestand darin, dass er auf dem Blitz stand, wie auf einem Skateboard, und ich war noch nie in meinem Leben Skateboard gefahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich vom Himmel fallen würde, war daher mehr als groß.
"Komm schon. Trau dich. Solange du bei mir bist, wird dir nichts geschehen." Seine raue und anziehende Stimme, die durch meine Ohren hallte, wie eine unumgängliche Droge, brachten mich schließlich dazu, auf das Energiebündel zu steigen. Ich wartete ab, schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen.
Es funktioniert nicht.
Gerade, als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, spürte ich seine starken Hände, die sanft meine Taille umschlangen. Ich öffnete wieder die Augen und stellte erfreut fest, dass es Torbens Hände waren, die auf meiner Haut ruhten. Doch als ich in sein Gesicht sah, war sein Blick unentwegt nach unten auf den Blitz gerichtet. Meine Füße verschmolzen mit der Materie und er ließ abrupt von mir ab.
"Ich wusste, dass du es schaffst", ließ er seine aufmunternden Worte auf mich wirken.
"Ohne dich wäre es vermutlich unmöglich gewesen."
Ich wagte noch einen Blick zu ihm hinauf, doch er sah absichtlich in eine andere Richtung und mied meinen Blick.
"Hey! Wo bleibt ihr Zwei denn? Die anderen haben womöglich schon längst die Erde erreicht!"
Nevia war die Einzige, die noch zurückgeblieben war.
Wahrscheinlich ist ihr nicht geheuer, dass ich ihn begleite.
"Na dann, schießen wir mal los!", rief Torben ihr zu, bevor er lachend und voller Vorfreude seine Ferse in den Blitz rammte, um ihm womöglich ein Zeichen zur Beschleunigung zu geben. Durch die ruckartige Bewegung der leuchtenden Energie, stürzte ich unbeholfen auf Torben. Das laute Knistern, das ich nun vernahm, hörte sich ganz danach an, als würde sich die Energie des Blitzes regelrecht aufladen. Ich krallte meine Fingernägel in Torbens nacktes Fleisch hinein, der ein leises Zischen von sich ließ.
"Es ... es tut mir leid."
Ich wollte mich gerade von ihm losreißen, als er mich weiterhin gegen sich gedrückt hielt.
"Nicht doch. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich bin viel schlimmere Dinge gewohnt. Solch eine Reaktion hatte ich von dir nur nicht erwartet."
Ich wusste nicht, wie ich seinen letzten Satz interpretieren sollte, und bedachte ihn mit einem fragenden Blick, während er mir ein amüsantes Lächeln schenkte. In solchen Augenblicken zeigte er mir einen Charakterzug des wahren Torbens. Dieser kurze Moment reichte aus, um zu erkennen, dass hinter der Fassade weitaus mehr steckte, als er vorgab zu sein.
Sein schulterlanges, strähnenartiges braunes Haar hatte er für den Kampf etwas nach hinten gebunden und gab mir somit mehr Einsicht auf seine perfekten männlichen Gesichtszüge. Das Knistern war nun ohrenbetäubend laut, als Torben mir die Vorwarnung gab:
"Achtung, es geht los!"
In einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit schossen wir mit einem derart lauten Schall davon, dass ich mir am liebsten meine Hände auf die Ohren gedrückt hätte. Doch meine Angst davor hinunter zu fallen, war viel zu groß, daher ließ ich den beißenden Schmerz, der durch meine Ohren hindurch drang, über mich ergehen. Die feurige Substanz brachte uns nicht, wie ich anfangs vermutet hatte, nach unten, sondern wir hielten uns weiterhin im oberen Abteil des Himmels auf, und schossen geradewegs nach vorne, als würden wir die Erde umrunden.
Ich kniff die Augen zusammen, und hielt mich, nach wie vor, bei Torben fest. Die rasante Fahrt brachte mich sprichwörtlich an meine Grenzen. Nevia hielt sich einige Meter vor uns bedeckt. Als sie mitsamt ihrem Blitz nach unten stürzte, heftete sich unser Leuchtfeuer an ihre Fersen, so, als wäre er auf den anderen Blitz angewiesen.
Mir wurde es augenblicklich schlecht, und ich hoffte inständig darauf, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ich endlich wieder festen Boden unter meinen Füßen spüren konnte. Wenige Minuten später, löste sich unser Blitz während der Fahrt einfach auf, und ich klammerte mich noch mehr an Torben, der schnell reagierte, und seine Flügel ausbreitete, um den Fall zu verlangsamen.
Wir landeten auf der Insel Mailand, ganz in der Nähe von Skara Brae. Wohin ich auch blickte, konnte ich eine Ansammlung von Ruinenstätten entdecken. Dies diente womöglich einzig und allein dem Zweck der Touristenattraktion, denn von Dörfern der Einheimischen fehlte meilenweit jede Spur.
Ich lief mit Torben und Nevia zusammen auf dem ländlichen Gehege hinüber zu den anderen Kriegern, die sich hinter einem größeren Felsen versteckt hielten.
"Wir können hier nicht allzu lange verweilen. Es wird nicht lange dauern, bis sie uns gewittert haben", gab uns Remmes zu verstehen.
"Wo müssen wir hin?", erkundigte sich Artis, während er sich durch seinen kratzigen Vollbart fuhr, und interessiert die Gegend absuchte.
"Warte, ich habs gleich."
Sole arbeitete konzentriert mit ihrer durchsichtigen Brille, während sie die einzelnen Umgebungen mit dem kaum vorhandenen Bild abglich.
"Das Bild ist zu schwach. Ich finde keine Übereinstimmung. Remmes, bitte erinnere dich nochmals an den Ort von Red Hunters Gefangenschaft", forderte Sole ihn auf.
Remmes schloss die Augen und sofort verband sich Sole's Gerät mit seinen Gehirnströmen und projizierte nun ein deutlich erkennbar schärferes Bild auf die linke Seite von Sole's Brille. Sie tippte irgendetwas ins Leere, als hätte sie eine Art Tastatur, oder Touchscreen vor sich.
"Hab ich dich." Sole's Zufriedenheit war deutlich herauszuhören. Sie drückte seitlich auf einen Knopf, und ihre unsichtbare Brille war verschwunden.
"Folgt mir."
Alle Augen richteten sich fragend zu Remmes, ob er Sole's Aussage zustimmte. Er nickte ihnen verständlich zu, und alle folgten ihr, immer in Deckung haltend, in einem gebückten Laufschritt. Ich hielt mich in Torbens Nähe auf, obwohl ich mich so fühlte, als wäre ihm meine Anwesenheit nur eine Last.
So liefen wir bestimmt eine halbe Stunde lang umher bis Sole schließlich ihren Zeigefinger auf den Mund legte, und andeutete, dass wir unser Ziel erreicht hatten. Ohne, dass Remmes eine Anweisung gab, verteilten sich die Krieger um die Ruine herum, legten sich in das hohe Gras hinein und robbten langsam an den Abgrund heran.
Bodhir hatte sich mittlerweile zu mir gesellt und hielt seinen Schleier über uns gerichtet, damit wir vom Feind nicht gesehen werden konnten. Langsam tastete ich mich mit meinen Füßen durch die hohe Wiese hindurch nach vorne an die Ruine und betrachtete entsetzt das Szenario, das sich unten in der Ruinenstätte abspielte.
Ein Mann lag, bedeckt nur mit einem Kartoffelsackfetzen, auf einer Holzplatte. Arme und Beine waren durch stramme Seile fest verschnürt und an den einzelnen massiven Holzbalken befestigt. Seine Gliedmaßen waren allesamt auseinander gestreckt worden. Erst jetzt erkannte ich den Ernst der Lage. Er lag auf einer Streckbank in seinem eigenen Schweiß, vermischt mit frischem Blut, dasihm aus einer tiefen Schnittwunde am Brustkorb hinab lief. Seine Nase sah ziemlich demoliert aus. Eines seiner Augen wies eine bläuliche Färbung auf.
Ein stramm gebauter Mann holte gerade zum Schlag aus, und traf ihn unsanft im Gesicht. Red Hunter spukte Blut, mitsamt einem Brocken aus, das sich als Zahn identifizierte.
Ich schrie kurz auf, und erschrak direkt darauf wieder, als mir bewusst wurde, was ich dort eben genau getan hatte.
"Spinnst du", stieß mir Bodhir energisch in einem Flüsterton in die Seite.
Ein schwarzgekleideter Mann mit einem dunklen Zylinder auf dem Kopf, sah in meine Richtung. Rote Schlitzaugen fixierten mich gefährlich.
"So wie es aussieht, haben wir Besuch", hallte seine eiskalte Stimme in dem höhlenartigen Gemäuer wieder.
Seine ausdruckslose Miene verzog sich zu einem süffisanten Grinsen, als er genau in meine Richtung sah. Seine roten Schlitzaugen schienen sich förmlich in meine Netzhaut zu brennen, was meinen Puls schließlich an seine Grenzen trieb.
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So, hier kommt ein feiner Cut. Nächste Woche ist die geballte Kampfladung dran ; )
Anregungen, Bemerkungen, oder was auch immer. Ich freue mich über eure Kommentare
: ))
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