#28 Hochzeit
Aufgeregt stand ich vor dem Altar, und je länger ich dort verweilte, desto ungeduldiger wurde ich. Obwohl ich formelle Kleidung nicht sonderlich mochte, konnten die heutigen Gegebenheiten nicht feierlicher sein. Die Farben Schwarz und Silber waren mir besonders angenehm, und ich hoffte, dass sie Kendra ebenfalls gefallen würden. Der Umhang, den ich trug, war besonders geschmackvoll, und auch meine Braut würde ein entsprechenden tragen. Unsere Verbundenheit würde für alle sichtbar sein.
Aber zunächst musste sie erscheinen. »Jetzt reicht es«, äußerte ich. Doch bevor ich aufbrechen konnte, um nach Kendra zu sehen, näherte sie sich mir. Sie trug den Umhang und das Kleid, das sie darunter hatte, versetzte mich in einen Zustand völliger Schockstarre. Mit schwerem Schlucken verlor ich sie nicht aus den Augen, erlaubte mir nicht einmal zu blinzeln, während Kendra immer näher kam und mich mit einem breiten Lächeln anblickte. Es wäre mir ein Anliegen gewesen, ihr entgegenzulaufen, doch meine Beine verweigerten jegliche Bewegung.
Als sie vor mir stand, nahm ich sie erneut eingehend in Augenschein, während Viktor mir unvermittelt mit seinem Ellbogen in die Seite stieß und leise flüsterte: »Nimm endlich ihre Hand.« Ich folgte seinem Rat, denn ich wollte Kendras Hand nicht länger in der Luft verharren lassen, ebenso wie ihr zunehmend unsicheres Lächeln. »Das Kleid meiner Mutter«, sagte ich kaum hörbar, und Kendra nickte verständnisvoll. »Das bedeutet mir die Welt. Du bist ein wahrgeworder Traum, meine kleine Schneeflocke.«
Eine sanfte röte zierte Kendras Wangen, während ihr Blick über meinen Körper wanderte und schließlich in meinen Augen verweilte. Ihr Blick war fesselnd, und das war vollkommen in Ordnung, denn ich würde niemals versuchen, ihr zu entkommen. Gerade als ich sie in mein Schlafgemach mitnehmen wollte, räusperte sich Viktor erneut. »Zuerst die Zeremonie!« Seine Worte brachten einen Ausdruck des Ärgers auf mein Gesicht »Das war mir selbstverständlich bekannt!«, entgegnete ich selbstbewusst.
Während Viktor skeptisch die Augenbraue hob, kicherte Kendra leise. Mein Blick wandte sich erneut zu ihr, und unwillkürlich hob sich meine Mundwinkel. Das Gebrabbel unserer Kinder lenkte meine Aufmerksamkeit für einen Augenblick ab, und ich bemerkte sie bei Elena. Zufrieden nickte ich und machte eine einladende Armbewegung, damit es endlich losgehen konnte. Schließlich hatte ich lange genug gewartet. Während der gesamten Zeremonie blieb mein Blick auf Kendra gerichtet.
Ich konnte kaum fassen, dass dies tatsächlich geschah. Noch vor einem Jahr schien mir dieser Gedanke wie ein Albtraum. Doch nun befand ich mich hier, und die Zeit schien nicht schnell genug vergehen zu wollen. »Aiden?«, fragte Kendra. Ich blickte umher und merkte, dass alle erwartungsvoll zu mir schauten. »Ja, ich will«, ertönte es aus meinem Mund, und ein Gefühl der Stärke durchströmte mich. »Du musst alles erneut wiederholen«, bemerkte Viktor. Ich fühlte, wie meine Schultern sanken.
Was genau sollte ich wiederholen? Ein Gefühl von Panik breitete sich in mir aus, doch Kendra ergriff meine Hand und erdete mich wieder. »Dann beginne bitte. Ich musste meine Braut schließlich eingehend in Augenschein nehmen. Es liegt nicht in meiner Verantwortung, wenn du so schnell voranschreitest«, entgegnete ich mit leichter Gelassenheit. Wieder maß Viktors Blick mich eingehend. Stumm gab ich ein zustimmendes »Fahre fort« von mir. Er rollte tatsächlich mit den Augen, was meine Augen zu schmalen Schlitzen machte.
Ich hatte vor, ihm zu demonstrieren, wer hier das Sagen hatte, doch unerwarteterweise setzte er fort. Ich wiederholte seine Worte rasch. Er schüttelte kaum bemerkbar den Kopf, und ich fragte mich, was diesmal der Anlass war. Doch als Kendra an der Reihe war, wurde mir bewusst, dass ich zunächst abwarten und dann den Satz wiederholen sollte. Was für ein Unsinn, als könnte sich jemand in diesem Moment einen kompletten Satz merken. Es war zudem meine Hochzeit, und ich hatte das Recht, zu handeln, wie ich wollte.
»Aiden«, kam es erneut von Viktor, und diesmal ergriff ich sein Hemd. »Hör zu, das Ganze zieht sich viel zu lange hin. Verheirate uns endlich! Wie lange soll ich noch warten? Ich habe genug gewartet. Ich möchte Kendra endlich zur Frau nehmen. Und ich werde nicht mehr sagen als: »Ich will.« Hast du verstanden?« Nun kicherte nicht nur Kendra. Aus allen Reihen drang das Geräusch zu mir. »Und genau das solltest du gerade sagen.« Selbstverständlich ließ ich mich nicht in Verlegenheit bringen. Stattdessen erwiderte ich: »Geht doch.«
Anschließend wandte ich meinen Blick an Kendra. »Ja, ich möchte dich heiraten. Nichts wünscht ich mir sehnlicher.« Kenrdas Gesicht leuchtete intensiver als je zuvor, während Viktor kaum hörbar flüsterte, dass es mehr war als nur ein »Ich will«. Doch ich hatte seine Worte vernommen und würde ihn mir noch vorknüpfen. Unmittelbar nach der Zeremonie oder vielleicht auch erst am nächsten Tag - schließlich hatte ich bereits Pläne für die Nacht.
»Ja, ich will«, erwiderte Kendra in diesem Moment, und meine Beine wurden so weich wie nie zuvor in meinem Leben. »Du hast ja gesagt«, bemerkte ich ehrfurchtsvoll, denn nun war sie tatsächlich an meiner Seite. Ich scherte mich nicht, wie die Zeremonie weiter verlief. Ich legte lieber meine Hände sanft auf Kendras Wangen, während mein Herz in schnellerem Rhythmus schlug. »Ich werde dich für immer verehren«, sagte ich mit vollster Aufrichtigkeit, und dann küsste ich sie aus tiefster Liebe.
Als wir uns voneinander lösten, richteten wir beide gespannt unseren Blick auf Viktor. »Ihr seid nun Gemahl und Gemahlin«, verkündete er. Ich war voller Erwartungen, denn das war noch nicht alles. »Kendra, du bist damit auch Mitherrscherin der Drachen. Aiden, du darfst die Braut jetzt küssen, auch wenn du bereits vorausgegriffen hast.« Erneut küsste ich meine Braut, bevor ich ihre Hand ergriff und hastig in Richtung Ausgang eilte. »Bitte folgt dem Brautpaar zum Empfang in den Baalsaal.«
Ich hielt inne und warf einen letzten Blick zurück zu Viktor. Er zuckte nur mit den Schultern und lächelte. »Er hat das absichtlich gemacht«, murmelte ich gereizt zu Kendra. Doch sie zog mich weiter. »Je schneller wir dort ankommen, desto schneller können wir allein...« Ihre Worte blieben unvollendet, denn ich setzte sofort zum Sprint an. Immerhin wurden wir gestern unmittelbar nach unserem Gespräch über die Hochzeit aufgrund eines traditionellen Brauchs voneinander getrennt. Ich hätte es vorgezogen, diesen Brauch abzuschaffen. Dennoch könnte er, wenn ich an unsere Kinder denke - insbesondere an meine kleine Tochter - möglicherweise doch von Vorteil sein.
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