♔ Zehn Regeln als Prinzessin
Immer noch sehr durcheinander und mit dem Geschmack von Nathaniels Lippen auf meinen trat ich pünktlich in den großen Saal.
Eines der Mädchen war heute auf dem ersten Date mit dem Prinzen, die anderen trafen sich für Etikette und Regeln mit der Königin.
Ich hatte mich für ein schlichtes, weißes Kleid entschieden. Es war warm draußen und ich war froh über den leichten Stoff, der mir über den Körper fiel.
Leider war das heutige Date nicht Sofia. Diese funkelte mich schon unbegeistert an, als ich den Raum betrat. Doch ich schenkte ihr ein Lächeln und reihte mich zu den anderen Mädchen.
Ich würde keine Gefahr für sie darstellen, also wäre es auch angenehm, wenn sie diese nicht länger in mir sehen würde. Ich wollte zwar keine Freunde, aber Feinde konnte ich genauso wenig gebrauchen.
Die Königin trat mit einigen bediensteten Mädchen hinein und wir verbeugten uns alle zur gleichen Zeit vor ihr. Ich war mir mehr als nur sicher, dass wir unglaublich viel von ihr lernen konnten.
"Guten Morgen, meine Damen. Wir fangen an mit den 10 Regeln als Prinzessin."
Keine lange Einführung, kein um den heißen Brei Gerede.
Mein Herz pochte laut, obwohl ich die Regeln natürlich wusste.
"Regel Nummer 1?", fragte sie ein blondes Mädchen am Anfang der Reihe.
Es wirkte ein wenig albern auf mich, als hätten unsere Eltern allesamt ein Handbuch daheim gehabt, aus dem sie uns diese Regeln gelehrt hatten. Doch ich glaubte, im Adel waren sie allgemein bekannt.
"Eine Prinzessin ist stets pünktlich. Nicht zu früh und nicht zu spät." Die Stimme des Mädchens überschlug sich beinahe vor Aufregung, doch die Königin nickte nur leicht.
Dann ging sie einige Schritte weiter und blieb vor Olysia von Hohenstein stehen.
Immer wieder war ich fasziniert von ihrer Schönheit, ihrer Anmut.
"Regel Nummer 2?", fragte die Königin.
Olysia sprach langsam, bedacht und verständlich.
"Eine Prinzessin achtet stets auf ihr Äußeres, sie repräsentiert eine Macht und hat somit eine Vorbildfunktion auszustrahlen." Ihre Stimme war hell und weich.
Ich konnte nicht verstehen, wieso sie nicht schon längst verheiratet war.
Außerdem schmeckte der Wein ihrer Familie hervorragend.
Unweigerlich glitten meine Gedanken zurück zu Nathaniel.
Zu seinen weichen Lippen, seinen Händen an meinem Körper, den Worten, die er gesagt hatte.
Und daran, wie ich gegangen war und ihm geraten hatte, Sofia zu heiraten.
"Mrs. von Dounbrig?" Die Stimme der Königin riss mich aus meinen Gedanken.
Verdammt.
"Regel Nummer 3?" Ich war mir sicher, sie hatte mir diese Frage schon einmal gestellt und ich hatte nicht geantwortet. Alle Augen lagen auf mir.
"Eine Prinzessin spricht laut, langsam und deutlich. Sie muss Reden halten die jeder verstehen sollte.", sagte ich und die Königin nickte. Als sie weiterlief, entspannte mein Körper sich wieder ein wenig. Sie fragte ebenso noch die anderen Regeln ab.
Sie schrieben das Verhalten mit Gefühlen vor. Ebenso Auftritte in der Öffentlichkeit oder Manieren beim Essen. Sachen, die jeder von uns beherrschen sollte und die sich für eine Prinzessin einfach gehörten.
"Kommen wir nun zum tanzen. Ich habe sie auf dem Ball alle tanzen sehen und sagen wir es so, eine von ihnen war gut, die anderen wären ohne die Führung von meinem Sohn kläglich gescheitert. Und das hat man ihnen auch angesehen."
Ein leises Raunen durchlief die Reihe. Niemand wollte zugeben, eine schlechte Tänzerin zu sein. Oder die Mädchen, die es betraf, wussten es nicht einmal.
Vielleicht betraf es ja auch mich.
"Eadlyn, kommen Sie her."
Es betraf anscheinend mich.
Wieder lagen alle Augen auf mir - ich fühlte mich furchtbar unwohl.
Die Königin zeigte auf eine Stelle, an die ich mich stellen sollte.
"Eadlyn ist eine außerordentlich gute Tänzerin, weswegen ich mir an ihrer Stelle gut anschauen würde, wie sie tanzt."
Jetzt fühlte ich mich noch unwohler. Geschmeichelt, aber sehr beobachtet.
Ich spürte wie mir eine leichte Röte ins Gesicht schoss, versuchte allen Blicken auszuweichen.
Die Tür öffnete sich erneut und ein junger Mann betrat den Saal.
Ich würde schätzen, dass er in meinem Alter war. Seine blonden Locken hüpften leicht auf und ab, als er auf direktem Weg zu mir kam. Seine blauen Augen funkelten hell.
Ich würde ihn auf jeden Fall als gutaussehenden beschreiben, und wenn ich mir die Gesichter der anderen Mädchen so anssah, taten sie das genauso.
Er reichte mir freundlich die Hand.
"Collin Calour.", stellte die Königin den Mann vor, der sich mittlerweile vor mir verbeugte und einen sanften Kuss auf meine Haut hauchte.
Ich schluckte schwer, konnte ihn nur perplex anstarren.
Die Königin verkündete den Tanz, den wir vorführen sollten und dann setzte auch schon die Musik ein. Für einen Moment verlor ich alles an Taktgefühl. Doch Collin brachte mich schnell wieder in die Spur.
Wir tanzten mit Bravur, jeder Schritt saß perfekt und strahlte gleichzeitig Eleganz aus. Der blonde Unbekannte war jedoch auch ein außerordentlich guter Tänzer, er konnte Nathaniel beinahe das Wasser reichen. Seine Augen lagen die ganze Zeit über auf meinem Gesicht, er musste kein einziges Mal auf seine Füße oder unsere Umgebung schauen. Seine Lippen waren zu einem schelmischen Lächeln verzogen.
Als die Musik endete, fing er mich in einer leichten Pose auf.
"Gut getanzt, schöne Unbekannte.", sagte er leise, bevor er mich wieder auf die Beine stellte.
"So sollte ein Tanz aussehen. Nehmen Sie sich ein Beispiel. Collin wird mit jedem Mädchen üben, er ist am Hof der Beste Tänzer, nach meinem Sohn, versteht sich.", sagte sie stolz.
"Mein Name ist Eadlyn.", stellte ich mich vor.
"Schön deine Bekanntschaft zu machen."
Mit diesen Worten wandt er sich wieder von mir ab. Die Königin schickte mich zurück in die Reihe und suchte das nächste Mädchen für einen Tanz aus.
Wer war dieser Mann? Collin Calour? Wieso hatte ich diesen Namen noch nie gehört, wenn er auf dem Schloss wohnte? Er hatte eine einfache Art, konnte jemanden bemerkenswert schnell in den Bann ziehen. Das schwarzhaarige Mädchen neben mir lehnte sich ein Stück rüber.
"Er wäre ein ebenso guter Fang. Den Gerüchten zufolge, soll er auch bald heiraten. Sollte das mit Nathaniel nicht klappen.", sie tat so, als würde sie sich Luft zuwedeln.
"Würde ich ihn auch nicht von der Bettkante schubsen."
Über diesen Mann gab es also sogar Gerüchte im Dorf. Dies schien alles und komplett an mir vorbeigegangen zu sein.
"Tut mir leid, aber wer genau ist er?", fragte ich sie leise. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
"Collin Calour. Sein Vater war Robin Calour. Er ist nach dem Tod seines Vaters vor circa einem halben Jahr an den Hof von Schloss Dour gekommen. Robin war stinkreich und wohl verwandt mit der Black Familie, weswegen er jetzt auch mit im Schloss wohnt. Aber in welcher Hinsicht verwandt weiß niemand, und der König scheint daraus auch ein großes -."
Die Musik verstummte und mit ihr auch das Mädchen neben mir.
Noch mehr große Geheimnisse also.
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Sofia gerade an der Reihe war.
Die beiden verharrten mitten in einer Pose, die Königin verzog ihr Gesicht böse.
"Nein. Hast du nicht aufgepasst? Collin kann nicht die ganze Arbeit übernehmen, du musst schon tanzen können." Sie korrigierte ihren Schritt und ihre Haltung. Sofia sah aus, als würde sie am liebsten anfangen zu weinen.
"So wäre es richtig. Es wäre schön, wenn du dir wenigstens ein bisschen Mühe geben würdest.", sagte die Königin erzürnt. Sie schien nicht sonderlich erfreut darüber, Sofia noch immer am Hof zu haben. Und gerade schien Sofia auch nicht sonderlich erfreut darüber, noch immer am Hof zu sein.
Doch aus irgendeinem Grund bildete sich ein leichtes, spöttisches Lächeln auf meinen Lippen.
Auch wenn ich jetzt noch ein Geheimnis mehr zu lüften hatte.
Und das trug den Namen Collin Calour.
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